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Supernova


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21 Antworten in diesem Thema

#1 Holger

Holger

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Geschrieben 28 September 2005 - 21:02

Charles Stross
Supernova

Eingefügtes Bild

Vierhundert Jahre in der Zukunft: Als der Planet Moskau, eine eher unbedeutende Randwelt, in einer Supernova explodiert, häufen sich die Gerüchte, dass es sich nicht um eine natürliche Katastrophe handelt, sondern dass hier eine geächtete Waffe zum Einsatz gekommen ist. Hauptverdächtige ist die Regierung Neu-Dresdens, die mit Moskau in einen Handelsdisput verstrickt war. Die wahren Feinde jedoch operieren verdeckt - und sie bedrohen die gesamte Galaxis...

Mit SUPERNOVA legt Charles Stross seinen zweiten Roman aus dem Eschaton-Universum vor. Zwar hält die Handlung der Linie und dem Stil des Vorgängers die Treue, eine gewisse Reifung kann jedoch nicht bestritten werden. Mit merklich gesteigertem Tempo wird der Leser durch kurze, abwechslungsreiche Kapitel geführt, die in parallelen Erzählsträngen eine bunte Mischung an Charakteren und Schauplätzen bereithalten. Das Geschehen knüpft unmittelbar an die Ereignisse aus SINGULARITÄT an, und auch dem Ehepaar Mansour-Springfield begegnet der Leser wieder. Allerdings fällt die Hauptrolle dieser Episode der beherzten Rachel zu, die gleich mehrmals die Welt retten muss.

Erfreulich und dem Lesefluss sehr zuträglich ist, dass Stross fast vollständig auf Technobabbel verzichtet (was der Übersetzerin einiges an Fußnoten erspart) und den Leser gleich zu Beginn verständlich über das Eschaton, die Singularität und die Folgen für die Menschheit ins Bild setzt.

Spätestens mit dem vorliegenden Titel wird deutlich, in welche Richtung die Science Fiction des Charles Stross steuert. Und sein Konzept ist einfach wie genial. Während viele Autoren vor der schwierigen Frage stehen, wie die menschliche Expansion zu den Sternen plausibel erklärt werden kann, lässt Stross dies augenzwinkernd von einer gottgleichen Macht, dem Eschaton, erledigen. Schlagartig werden Ende des 21. Jahrhunderts willkürliche Ansammlungen von Menschen auf diverse bewohnbare Planeten verteilt und dort mit nichts außer Füllhörnern (Universalfabrikationsanlagen für jedes erdenkliche Produkt) und ihren politischen und religiösen Auffassungen zurückgelassen. So entwickeln (oder vernichten sich) spontan die unterschiedlichsten Gesellschafts- und Staatsformen, die schließlich, nach der Entdeckung der überlichtschnellen Raumfahrt, wieder aufeinander treffen, nur um all die kleinen Spiele um Macht und rechte Gesinnung aus den diversen Epochen der Menschheitsgeschichte in den Weltraum zu tragen und dort unermüdlich fortzusetzen. Erst die Abwegigkeit der entstehenden Konstellationen macht die eigentlich trivialen Agentenklamotten des Charles Stross so attraktiv. Ob man sie als Thriller, Science Fiction oder politische Groteske lesen mag bleibt letztlich jedem selbst überlassen. Kurz und gut: SUPERNOVA ist mehr als ein gelungener Nachfolger für SINGULARITÄT, weil es dem Autor erstmals gelingt, das volle Potential seines außergewöhnlichen Konzeptes auszuschöpfen. Das Buch überflügelt seinen Vorgänger sogar bei weitem und ist als Einstieg in Stross†™ Welt der tausend Möglichkeiten sehr zu empfehlen.

[Zum Eintrag in der Buchdatenbank]
"Rezensionen: eine Art von Kinderkrankheit, die die neugeborenen Bücher befällt."
(Georg Christoph Lichtenberg)

#2 lapismont

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Geschrieben 29 September 2005 - 06:25

Also keine halbe Sache mehr?Alle Handlungstränge gleichwertig?Raumschlachtengeklicke sind Geschichte?Komm Sully, erzähl mal ein bischen mehr, hab das Buch nämlich schon gekauft, nur noch nicht gelesen.

#3 Sullivan

Sullivan

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Geschrieben 29 September 2005 - 10:13

Ähem, muss natürlich heißen: "Holger, erzähl noch ein bisschen mehr!" :)Hat sich Stross tatsächlich bei den Charakterisierungen gesteigert? Sullivan

#4 lapismont

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Geschrieben 29 September 2005 - 10:37

Ups, wo hatte ich mein Hirn?Sorry :)

#5 Henrik Fisch

Henrik Fisch

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Geschrieben 29 September 2005 - 11:49

Ja, genau Sully †¦ ähhh †¦ Holger ... :) ... ... erzähl doch noch ein wenig über die angesprochenen Punkte. Du dürftest den letzten Lesezirkel ja auch noch recht gut im Kopf haben. Würde mich wirklich interessieren, weil Stross in dem - mir bekannten - Erstling ja nun leider einiges durcheinander Geschmissen hat: Kurzweilige Spionage vermischt mit langweiligen Raumschlachten durchdrungen von unweiliger Soziologie; und dann war da für meinen Geschmack auch noch ein wenig zu viel Intellktuellen-Gefasel, aber alles untermauert von einem sauberen Schreibstil. Wenn sich da etws geändert hat - und vor allem bitte nicht der Schreibstil - dann ist das Buch eigentlich vorgemerkt.Bis dennen,Henrik
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#6 Dave

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Geschrieben 29 September 2005 - 12:25

Ich habe einen etwas anderen Eindruck als Holger.
Meiner Ansicht nach unterscheidet sich dieser Roman doch erheblich von seinem Vorgänger. Wir haben hier eigentlich nur einen einzigen Handlungsstrang vorliegen, wenn man einmal von kurzen Rückblenden absieht. Keine Spur mehr von den Handlungssprüngen und dem Aufarbeiten der SF-Geschichte von der Zeitreise bis hin zum Cyberpunk, die es in Singularität gab, hier wurde deutlich entschlackt.
Gott sei Dank hat er von den permanenten Ulkeleien Abstand genommen, nur hier und da einige eingestreute Skurrilitäten, die der Geschichte aber auch gleich wieder abträglich sind.
Wie soll man ein Szenario ernst nehmen, wenn sich zum Beispiel das Ausscheidungsprodukt eines Spürhundes als Sprengsatz entpuppt? Dadurch wird natürlich alles zum Klamauk. Aber wie gesagt hat sich Stross im Gegensatz zum Vorgänger extrem zurückgehalten.

Eines verwundert, denn der eingängige Handlungsstrang führt nicht zu einem guten Verständnis des Buches.
Ich muss dabei allerdings eingestehen, dass sich bei mir eine innere Blockade auftun könnte, sobald es um Spionage geht (wenn ich im Klappentext etwas von Spionen oder Agenten lese, springt mir das Buch in einer Reflexbewegung aus den Händen).
Nun, in diesem Buch geht es im Wesentlichen um Spionage, und ich habe von dem wirren Zeug so gut wie nichts verstanden.
Die ganze zweite Hälfte empfand ich als sehr lauwarm und ich kann mich nicht entsinnen, dass sie auch nur die geringste Steigerung erfahren hätte am Schluss.

Das erste Drittel hat mir allerdings sehr gut gefallen, der Autor kann mich mit seiner Schreibe durchaus faszinieren.
Aber inhaltlich ist es das reinste Debakel, da ist nun wirklich nichts an Substanz zu entdecken. So habe ich es zumindest empfunden.

Bearbeitet von Dave, 29 September 2005 - 14:53.


#7 Rusch

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Geschrieben 29 September 2005 - 12:43

Immerhin: Stross scheint sich zu steigern.Der Nachfolge Roman wird als ganz heisser Hugo Anwärter geführt. Ich glaube, Supernova lasse ich aus und steige dann bei Band 3 wieder ein.

#8 Henrik Fisch

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Geschrieben 29 September 2005 - 12:54

@Dave:

Interessant. Das ist ja nun eine gänzlich andere Sichtweise, als die von Holger. Ich glaube, ich werde das Buch doch mal mit der nächsten Lieferung ordern.

Nebenbei bemerkt geht es mir immer so mit „Politik“ in der SF; nichts Halbes und nichts Ganzes. Was kümmern mich zukünftige politische Querelen, wenn diese Hirngespinsten entspringen? Und wenn die realistisch sind, dann will ich auch nichts davon wissen, denn in der Realität muss ich mich mit genug Schwachsinn herumschlagen.

Bis dennen,
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#9 g. b. corner

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Geschrieben 04 Oktober 2005 - 07:50

habe das buch gerade beendet. ich fand es ziemlich vergnüglich, es ist aber natürlich, wie schon angemerkt wurde, teils ziemlich überzogen. schon die eröffnungssequenz hat fast parodistische züge.was mich wirklich stört (und das geht mir bei mehreren autoren so), sind die dämlichen klischeebösewichte von der stange. ich meine, nur weil man ethisch unter jeder kritik ist, kann man doch durchaus was auf dem kasten haben, oder nicht? aber die bösewichte agieren in keiner phase so, dass man sie für ernst nehmen könnte, tragen untereinander konflikte aus und geben am schluss dann das zu erwartende kanonenfutter ab. das letzte buch, bei dem's mir so gegangen ist, war übrigens der "Algebraist" von Banks - an sich vergnüglich, aber wenn man die bösewichte nicht ernst nehmen kann, fehlt doch etwas spannung.grüsse,georg

#10 Kopernikus

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Geschrieben 07 August 2006 - 08:09

Durch Supernova habe ich mich insgesamt doch eher durchgequält, über weite Strecken war das Buch doch eher langweilig und kommt insgesamt auf keinen Fall an Singularität heran. Vor allem habe ich den absurden Humor, der ja in Singularität die Hauptattraktion war, vermisst. So war das ganze leider nur eine recht konventionell inszenierte SF/Agenten-Geschichte bei der höchstens im letzten drittel endlich mal etwas Spannung auf kam.

#11 Rusch

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Geschrieben 07 August 2006 - 10:11

Das liegt wohl mit auch daran, dass Usch Kiausch vollkommen hilflos angesichts des Stils von Charles Stross war. Ich habe von beiden Büchern mal die erste Seite verglichen und zwsichen Original und Übersetzung liegen Welten, wenn nicht gar ganze Galaxien. Ich kann jeden nur davon abraten, Stross in der Übersetzung zu lesen.

#12 molosovsky

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Geschrieben 15 Mrz 2007 - 15:41

Vor zwei Wochen das englische TB aus dem Ramsch gezogen.Ich fand »Singularity Sky« ja ziemlich durchwachsen. Einerseits gefällt mir das ungestüme Herumspinnen und ätzende Verulken von Stross, andererseits fand ich bei Buch 1 vieles ziemlich billig zusammengedengelt.Jetzt les ich seit letzter Woche »Iron Sunrise« aufm Klo vor mich hin und bin bisher ziemlich vergnügt. Auf englisch kommt Stross für mich um einiges lockerer und weniger umstandshuberisch rüber. Die Sparsamkeit mit Technoblah tut gut, und ich finde es bisher sehr fein, wie Stross zugleich die kulturellen, politischen, gesellschaftichen Dinge immer noch keck überzeichnet, aber mit sehr viel mehr Sinn für Deiversifikation und Details als bei »Singularity Sky«.Bisher also Daumen hoch von mir für den zweiten Eschaton-Roman. Höhepunkt für mich bis jetzt: das erste Kapitel mit Frank (»Another day, another editorial«). Blogger in Space! Und die Times wird von der First Church of Kermit gesponsert. Da lacht der Molo.GrüßeAlex / molo

Bearbeitet von molosovsky, 15 Mrz 2007 - 15:43.

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#13 Dave

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Geschrieben 15 Mrz 2007 - 17:37

Ich fand »Singularity Sky« ja ziemlich durchwachsen. Einerseits gefällt mir das ungestüme Herumspinnen und ätzende Verulken von Stross, andererseits fand ich bei Buch 1 vieles ziemlich billig zusammengedengelt.

Und das sagt jemand, der den Eisernen Rat in den Himmel lobt!
Während Stross in Singularität zumindest kunstvoll seine Sense dengelte, hat Miéville bei einer Dauermasturbationssitzung einen riesigen Webfehler geklöppelt.
Gut, inhaltlich sind beide Bücher erstaunlicher Schwachsinn, aber Stross ist mit Singularität doch wesentlich ambitionierter und origineller ans Werk gegangen.

Bearbeitet von Dave, 15 Mrz 2007 - 17:44.


#14 molosovsky

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Geschrieben 15 Mrz 2007 - 18:30

Dave, Du solltest vielleicht eine Beruhigungstablette nehmen :-)Was nervt Dich denn so arg? Dass ich Mieville um Längen besser finde als Stross? Dass ich Autoren, die beim Dauermasturbationsteppichklöppeln abspitzen aufregender finde, als solche die einfach nur kunstvoll auf Mähsensen dengeln? Literatur ist nun mal eher wichsen, und weniger mähen. Mähen ist ehr Literaturkritik :-)Was genau fandest Du bei »Singularity Sky« denn kunstvoll?Was genau ist bei »Iron Council« DER große Webfehler?GrüßeAlex / molo

Bearbeitet von molosovsky, 15 Mrz 2007 - 18:54.

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#15 Dave

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Geschrieben 15 Mrz 2007 - 19:32

Dave, Du solltest vielleicht eine Beruhigungstablette nehmen :-)

Bei dem, was ich bereits eingeworfen habe, wäre das mein sicherer Tod... :smokin:

Was genau fandest Du bei »Singularity Sky« denn kunstvoll?
Was genau ist bei »Iron Council« DER große Webfehler?

Es gab eigentlich immer wieder Szenen in Singularität, die für sich sehr schön geschrieben waren, wie zum Beispiel zu Beginn in Neu-Prag. Eigentlich fand ich es insgesamt beeindruckend geschrieben. Aber dann gab es eben auch viel Nonsens und ein Gesamtbild, das meiner Meinung nach nicht wirklich Sinn machte.

Was den Eisernen Rat angeht, so finde ich es schwierig zu beantworten, denn man stelle sich den Webfehler acht Zentimeter vor die Nase gezoomt vor. Wie soll man erklären, was daran falsch ist?
Die Qualität liegt dann eher auf Seiten des Lesers, der daraus einen Gewinn erzielt. Aber eben dieser Sinn und die Erkenntnis könnte sich einem auch auftun, wenn man acht Zentimeter vor einer Raufasertapete steht und feine Schatten und Erhebungen beobachtet.

Das war ja auch die Irritation bei mir, denn warum sollte der Schwachsinn des einen Autors Grund zur Freude sein, wenn er beim nächsten Widerwillen erzeugt?
Gut, es ist eine Frage des Geschmacks, aber irgendetwas in mir sagt mir, dass man in solchen Dingen eine grundsätzliche Einstellung haben sollte.

#16 molosovsky

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Geschrieben 15 Mrz 2007 - 21:58

Hi Dave.Ich kürz mal »Singularity Sky« mit SK ab und »Iron Council« mit IC.SK hat durchaus schöne Szenen (eben z.B. Neu-Prag), aber IC hat ungleich mehr davon. SK hat mehrere Handlungsstränge, von denen keiner richtig trägt und fließt, IC hat mehrere Handlungsstränge, die anspruchsvoll geschnitten sind. Umgang mit Tempo und Rhythmus von Raum & Zeit sind in IC durchdacht und dramaturgisch sehr effektiv gestaltet, bei SK ergab sich für mich keine Sicht auf eine gleicherweise gut gestaltete Behandlung; Stross schafft es zwar, einzelne Abschnitte aufregend zu gestalten, aber über die ganze Romanstrecke ›fühl‹ ich da wenig Stabilität.Beide Autoren pflegen eine bewegliche Sprache, z.T. mit extrem geekigem Vokabular, da sind sie etwa gleich auf. Bei Miéville schlägt durch, daß er von älterem Zeugs wohl ziemlich begeistert ist, bei Stross schlägt das (extrem)Linke stärker durch, und er klingt mehr nach Kneipe (was ich im besten Sinne meine!). Kunstvolle Prosa, ist eine solche, deren (für ihre Zwecke) wohlgeformte Gemachtheit ich um ihrer selbst Willen bewundern kann. Das können sprachliche Binnenkräfte sein; argumentative Panoramen; Darstellungen von Themen (Leben, Mensch, Kultur, Liebe, Wissen, Macht, Verwandlung, Konflikt, Tod ect.).Bei IC kann ich sagen: das ist kunstvoll. Bei SK kann ich sagen: auf englisch ist der bestimmt ein satter, wilder Ritt, der aber noch a bissi schlingert und holpert (durchaus also Beschreibungen, die ich auch als Chinamann für »King Rat«, ja sogar »Perdido Street Station« für abgemessen halte).Jetzt bei Stross seinem »Iron Sunrise« merk ich halt einen erfreulichen Sprung. Bisher fließt alles besser, die internen Spannungs/Reiz-Bögen von Kapiteln sind stabiler, wirkungssicherer, und im Vergleich zu SK erscheint mir das ganze wilde, coole, ideenreiche, inspirierende und giggelnmachende Abgefahrene besser geerdet zu sein. †” Gestehen muß ich, daß ich versucht bin, irgendwann SK auf englisch zu lesen, um zu checken, WIE ›mittelprächtig‹ die Übersetzung ist.GrüßeAlex / molo

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#17 Dave

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Geschrieben 16 Mrz 2007 - 17:30

Bei SK kann ich sagen: auf englisch ist der bestimmt ein satter, wilder Ritt, der aber noch a bissi schlingert und holpert (durchaus also Beschreibungen, die ich auch als Chinamann für »King Rat«, ja sogar »Perdido Street Station« für abgemessen halte).

Ja, über diese Beschreibung wäre ich dann auch nicht gestolpert, wobei Du vermutlich in aller Verehrung für den Chinamann niemals das "billig zusammengedengelt" benutzt hättest.

Von IC kann man mit ziemlicherer Sicherheit sagen, dass es "Hurz" ist (siehe Hape Kerkeling). Ich staune dann immer über tiefschürfende Interpretationen, denn wenn auch nur die geringste Gefahr besteht, sich richtig zu blamieren, dann wäre es vielleicht besser, es etwas dezenter anzugehen.
Zumal, wenn es voller Inbrunst und Überzeugung geschieht.

"Auf mich wirkt das Ganze eher komisch!"

:lol:

#18 Pogopuschel

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Geschrieben 16 Mrz 2007 - 17:40

Aber zeigt Hape Kerkeling nicht gerade, dass alle Kunst, ob Musik oder Literatur, ein wenig Hurz ist. :lol: Markus

#19 molosovsky

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Geschrieben 16 Mrz 2007 - 17:53

Dave, beim Quaggeln über ästhetische Eindrücke gehört das ›sich blamieren‹ dazu. Immerhin ist Literatur keine exakte Wissenschaft (noch nicht). Ich finde umgekehrt so betulich, vorsichtiges ›möglichst Objektivseinwollen‹ ziemlich fad, denn den meisten Rezensenten fehlt schlicht der Einblick ins fabulierende Handwerk, ja ich hab oft sogar das Gefühl, die meisten Rezensenten sind sich zu fein, ihren eigenen Geschmack mal zu analysieren. Kritiker sollten imho eben richtig gut Rumschwurbeln. Immerhin erzählt ein Rezensent im Grunde mehr über sich selbst, als über ein Buch. †” Aber es ist eh bekannt, daß immer wenn ein Rezensent ›man‹ schreibt, man ›ich‹ dafür einsetzten kann, und wenn es heißt ›ist ein gelungenes Werk‹ läßt sich das richtig übersetzt lesen als ›machte auf mich den Eindruck eines gelungenen Werkes‹.Schade, daß Du so gar nicht konkrete Beispiele geben kannst, zum Kunstvollen bei Stoss, zum Hurz bei Miéville :-(Aber ich will Dir da auch nicht unangenehm nachsteigen. Immerhin spannend: zu welchem Urteil der eigene Geschmack kommt, ist oft klar. Aber WARUM und WIE der eigene Geschmack zu seinen Urteilen kommt, ist eine höhere esoterische Angelegenheit.Ansonsten entnehme Deinen Meldungen halt, daß Dich mein China-Höhereinschätzen-als-Stoss richtiggehend ärgert; Du glaubst, daß ich unfairerweise (oder eben begeisterungs-blinderweise) unterschiedliche Maßstäbe ansetzte. Tu ich nicht. Ist immer der gleiche Mologeschmack, der da mißt, anhand der moloeigenen Vorlieben und Abneigungen.Schließlich ist auch eine Portion Zufall ›schuld‹. Hätte ich Stross vor Miéville entdeckt, lägen beide in meiner Wertschätzung wohl um einiges näher beieinander. Aber da kann ich eigentlich nicht fair vergleichen. Stross kenn ich eben nur zwei Bücher + das (sehr feine) Blog. Miéville hab ich alles gelesen, teilweise mehrmals (zweisprachig).GrüßeAlex / molo

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#20 Dave

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Geschrieben 18 Mrz 2007 - 12:23

Schade, daß Du so gar nicht konkrete Beispiele geben kannst, zum Kunstvollen bei Stoss, zum Hurz bei Miéville :-(
Aber ich will Dir da auch nicht unangenehm nachsteigen. Immerhin spannend: zu welchem Urteil der eigene Geschmack kommt, ist oft klar. Aber WARUM und WIE der eigene Geschmack zu seinen Urteilen kommt, ist eine höhere esoterische Angelegenheit.

Ich befürchte, ich würde dabei nicht besonders gut aussehen, zumal ich die beiden Autoren nun nicht so sehr schätze, als das ich mich da hineinknien möchte. Vielleicht kann ich es auch gar nicht. Es wäre eine unendliche Geschichte, die ungefähr so aussähe:


Dave: Nehmen wir da die Szene, in der ein Typ auf einem mannshohen Huhn durchs Unterholz stolpert....

Molo: Eine kraftvolle Allegorie, die vermeintlich überlegene Kreatur, faktisch aber der Bodenhaftigkeit verlustig, sieht sich dem Bestreben nach ungebrochen beflügelt. Adorno hat das Huhn in seinem Begriff des Unbewussten in der transzendentalen Seelenlehre in diesem Zusammenhang ja eindeutig belegt (ich hätte die Habilitationsschrift anbei), auch nachzulesen in der Negativen Dialektik Hegels, denn über die Ästhetische Theorie müssen wir uns hier wohl kaum unterhalten.

Dave: Könnte die Szene auch Schwachsinn enthalten?

Molo: Ich bin etwas enttäuscht, Dave, könntest diese Behauptung sachlich untermauern und Quellhinweise anfügen?

Dave: Wäre es möglich, dass der Autor vielleicht auch eine Portion Mist geschrieben hat?

Molo: Auf dieser Ebene lässt sich nicht diskutieren, die soziologischen Intentionen des Autors sind gleichermaßen fundiert wie offensichtlich. Beginnend mit der Implizierten Amphiktyonie in IC, was ja auch die Vergesellschaftung in der Überführung in den Allgemeinbesitz verdeutlicht. Nicht zu vergessen die rätedemokratisch organisierten Gemeinschaften in IC, die Dir sicherlich nicht entgangen sein werden.

Dave: Natürlich nicht...

Molo: IC (und ich beziehe mich auf das Original) deutet ja nicht zuletzt die sozialkritischen Propheten Israels an (siehe Lk 4,16ff) bis hin zum Utopischen Sozialismus, stets angelehnt an das Risorgimento Italiens des neunzehnten Jahrhunderts.

Dave: schnief...


Ansonsten entnehme Deinen Meldungen halt, daß Dich mein China-Höhereinschätzen-als-Stoss richtiggehend ärgert; Du glaubst, daß ich unfairerweise (oder eben begeisterungs-blinderweise) unterschiedliche Maßstäbe ansetzte.

Ärgern ist zuviel gesagt, ehrlich gesagt finde ich Deine Postings meist überzeugend. Aber manchmal ergibt sich auch ein schiefes Bild. Und bei dem Anschein von Seriosität frage ich mich dann, wie viel ist davon eigentlich ernst gemeint?
So mal ganz allgemein betrachtet. Wobei, nachdem Du kürzlich einmal einen Link gesetzt hattest, der zu einigen Deiner eigenen Arbeiten führte, die ich einmal als Ulkereien bezeichnen möchte, könnte ich mir die Frage auch selbst beantworten.
Aber das führt ein wenig vom Wege ab, glaube ich.

#21 molosovsky

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Geschrieben 18 Mrz 2007 - 14:58

:(
Ein völlig neues Leseerlebnis für mich: ein Molo-Meme-Schatten, aus einem anderem Bewußtsein sprechend. — Dieser Molo-Meme-Schatten babbelt zwar kreuzfalschen Kokolores zusammen, aber wunderbar schräg ist’s schon. Danke Dave, für diese Parodie!

Ich seh das Problem: man muß befürchen, daß ich alles niederschreibschwalle, mit ellenslangen Hastunichtgesehen-Gedankenabschweifungen. Seufz. Ich weiß.

Komisch war mir aber letztens schon zumute: ich schreib meine Begeisterung über die (wie ich mir einbilde) Qualitätsteigerung bei Stross, und plötzlich hab ich einen an der Backe, weil ich (anderwann, anderwo) ein Miéville-Lober bin.

Schon im BibPhant-Forum hab ich vor kurzem mal darum gebeten, nicht alles was ich von mir gebe auf meine Begeisterung für Miéville zu beziehen. Ich les auch noch andere Sachen, bzw. schätze auch noch andere Autoren :-) (z.B. Stephenson & Ruff ›verehre‹ ich ebenfalls sehr.)
Wenn ich den Chinamann selber auf’n Tisch leg, kein Problem. Aber bei allen möglichen passenden oder auch sonstigen Gelegenheiten daherkommen und mich ›anpflaumen‹, weil ich CM halt ›superduperüberdrüber‹ finde, ist schon ein bischen seltsam.

•••
Ansonsten: So wie Du, Dave, Deine Irritaion mit meiner Schreibe zum Ausdruck bringst, kann ich das schon wieder als Kompliment nehmen. (Teilweise düstere) ›Ulkereien‹ für meine Fiktionen: paßt. ›Seriöser Anschein … was ist ernst gemeint‹, ach du liebe Zeit. — Ich weiß, daß sich bei meinem Schwubelstil manchmal Ernst und Wahrheit schwer unterscheiden lassen. Ich kann das hinterher manchmal auch nicht mehr. Bei meinen ›offiziellen Texten‹ (gedruckt & Bloggerei) geb ich mir Mühe, halt möglichst umfassend eine Lesereise zu schildern. Wiegesagt ist so ›Objektivtun‹ nicht meine Sache (auch wenn ich die gern lese; nur schreiben kann ich sowas nicht ernsthaft).

Grüße
Alex / molo

Bearbeitet von molosovsky, 18 Mrz 2007 - 15:05.

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#22 Dave

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Geschrieben 18 Mrz 2007 - 20:14

Ansonsten: So wie Du, Dave, Deine Irritaion mit meiner Schreibe zum Ausdruck bringst, kann ich das schon wieder als Kompliment nehmen.

Ja, das hast Du durchaus richtig erkannt. :(


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