Supernova
#1
Geschrieben 28 September 2005 - 21:02
Supernova
Vierhundert Jahre in der Zukunft: Als der Planet Moskau, eine eher unbedeutende Randwelt, in einer Supernova explodiert, häufen sich die Gerüchte, dass es sich nicht um eine natürliche Katastrophe handelt, sondern dass hier eine geächtete Waffe zum Einsatz gekommen ist. Hauptverdächtige ist die Regierung Neu-Dresdens, die mit Moskau in einen Handelsdisput verstrickt war. Die wahren Feinde jedoch operieren verdeckt - und sie bedrohen die gesamte Galaxis...
Mit SUPERNOVA legt Charles Stross seinen zweiten Roman aus dem Eschaton-Universum vor. Zwar hält die Handlung der Linie und dem Stil des Vorgängers die Treue, eine gewisse Reifung kann jedoch nicht bestritten werden. Mit merklich gesteigertem Tempo wird der Leser durch kurze, abwechslungsreiche Kapitel geführt, die in parallelen Erzählsträngen eine bunte Mischung an Charakteren und Schauplätzen bereithalten. Das Geschehen knüpft unmittelbar an die Ereignisse aus SINGULARITÄT an, und auch dem Ehepaar Mansour-Springfield begegnet der Leser wieder. Allerdings fällt die Hauptrolle dieser Episode der beherzten Rachel zu, die gleich mehrmals die Welt retten muss.
Erfreulich und dem Lesefluss sehr zuträglich ist, dass Stross fast vollständig auf Technobabbel verzichtet (was der Übersetzerin einiges an Fußnoten erspart) und den Leser gleich zu Beginn verständlich über das Eschaton, die Singularität und die Folgen für die Menschheit ins Bild setzt.
Spätestens mit dem vorliegenden Titel wird deutlich, in welche Richtung die Science Fiction des Charles Stross steuert. Und sein Konzept ist einfach wie genial. Während viele Autoren vor der schwierigen Frage stehen, wie die menschliche Expansion zu den Sternen plausibel erklärt werden kann, lässt Stross dies augenzwinkernd von einer gottgleichen Macht, dem Eschaton, erledigen. Schlagartig werden Ende des 21. Jahrhunderts willkürliche Ansammlungen von Menschen auf diverse bewohnbare Planeten verteilt und dort mit nichts außer Füllhörnern (Universalfabrikationsanlagen für jedes erdenkliche Produkt) und ihren politischen und religiösen Auffassungen zurückgelassen. So entwickeln (oder vernichten sich) spontan die unterschiedlichsten Gesellschafts- und Staatsformen, die schließlich, nach der Entdeckung der überlichtschnellen Raumfahrt, wieder aufeinander treffen, nur um all die kleinen Spiele um Macht und rechte Gesinnung aus den diversen Epochen der Menschheitsgeschichte in den Weltraum zu tragen und dort unermüdlich fortzusetzen. Erst die Abwegigkeit der entstehenden Konstellationen macht die eigentlich trivialen Agentenklamotten des Charles Stross so attraktiv. Ob man sie als Thriller, Science Fiction oder politische Groteske lesen mag bleibt letztlich jedem selbst überlassen. Kurz und gut: SUPERNOVA ist mehr als ein gelungener Nachfolger für SINGULARITÄT, weil es dem Autor erstmals gelingt, das volle Potential seines außergewöhnlichen Konzeptes auszuschöpfen. Das Buch überflügelt seinen Vorgänger sogar bei weitem und ist als Einstieg in Stross†™ Welt der tausend Möglichkeiten sehr zu empfehlen.
[Zum Eintrag in der Buchdatenbank]
(Georg Christoph Lichtenberg)
#2
Geschrieben 29 September 2005 - 06:25
#3
Geschrieben 29 September 2005 - 10:13
#4
Geschrieben 29 September 2005 - 10:37
#5
Geschrieben 29 September 2005 - 11:49
Gregory Benford, Larry Niven, "Himmelsjäger"
Gerade am Lesen
Gregory Benford, Larry Niven, "Sternenflüge"
Gerade gesehen
Serie "Mad Men"
#6
Geschrieben 29 September 2005 - 12:25
Meiner Ansicht nach unterscheidet sich dieser Roman doch erheblich von seinem Vorgänger. Wir haben hier eigentlich nur einen einzigen Handlungsstrang vorliegen, wenn man einmal von kurzen Rückblenden absieht. Keine Spur mehr von den Handlungssprüngen und dem Aufarbeiten der SF-Geschichte von der Zeitreise bis hin zum Cyberpunk, die es in Singularität gab, hier wurde deutlich entschlackt.
Gott sei Dank hat er von den permanenten Ulkeleien Abstand genommen, nur hier und da einige eingestreute Skurrilitäten, die der Geschichte aber auch gleich wieder abträglich sind.
Wie soll man ein Szenario ernst nehmen, wenn sich zum Beispiel das Ausscheidungsprodukt eines Spürhundes als Sprengsatz entpuppt? Dadurch wird natürlich alles zum Klamauk. Aber wie gesagt hat sich Stross im Gegensatz zum Vorgänger extrem zurückgehalten.
Eines verwundert, denn der eingängige Handlungsstrang führt nicht zu einem guten Verständnis des Buches.
Ich muss dabei allerdings eingestehen, dass sich bei mir eine innere Blockade auftun könnte, sobald es um Spionage geht (wenn ich im Klappentext etwas von Spionen oder Agenten lese, springt mir das Buch in einer Reflexbewegung aus den Händen).
Nun, in diesem Buch geht es im Wesentlichen um Spionage, und ich habe von dem wirren Zeug so gut wie nichts verstanden.
Die ganze zweite Hälfte empfand ich als sehr lauwarm und ich kann mich nicht entsinnen, dass sie auch nur die geringste Steigerung erfahren hätte am Schluss.
Das erste Drittel hat mir allerdings sehr gut gefallen, der Autor kann mich mit seiner Schreibe durchaus faszinieren.
Aber inhaltlich ist es das reinste Debakel, da ist nun wirklich nichts an Substanz zu entdecken. So habe ich es zumindest empfunden.
Bearbeitet von Dave, 29 September 2005 - 14:53.
#7
Geschrieben 29 September 2005 - 12:43
#8
Geschrieben 29 September 2005 - 12:54
Interessant. Das ist ja nun eine gänzlich andere Sichtweise, als die von Holger. Ich glaube, ich werde das Buch doch mal mit der nächsten Lieferung ordern.
Nebenbei bemerkt geht es mir immer so mit „Politik“ in der SF; nichts Halbes und nichts Ganzes. Was kümmern mich zukünftige politische Querelen, wenn diese Hirngespinsten entspringen? Und wenn die realistisch sind, dann will ich auch nichts davon wissen, denn in der Realität muss ich mich mit genug Schwachsinn herumschlagen.
Bis dennen,
Henrik
Gregory Benford, Larry Niven, "Himmelsjäger"
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#9
Geschrieben 04 Oktober 2005 - 07:50
#10
Geschrieben 07 August 2006 - 08:09
#11
Geschrieben 07 August 2006 - 10:11
#12
Geschrieben 15 Mrz 2007 - 15:41
Bearbeitet von molosovsky, 15 Mrz 2007 - 15:43.
MOLOSOVSKY IST DERZEIT IN DIESEM FORUM NICHT AKTIV: STAND 13. JANUAR 2013.
Ich weiß es im Moment schlicht nicht besser.
#13
Geschrieben 15 Mrz 2007 - 17:37
Und das sagt jemand, der den Eisernen Rat in den Himmel lobt!Ich fand »Singularity Sky« ja ziemlich durchwachsen. Einerseits gefällt mir das ungestüme Herumspinnen und ätzende Verulken von Stross, andererseits fand ich bei Buch 1 vieles ziemlich billig zusammengedengelt.
Während Stross in Singularität zumindest kunstvoll seine Sense dengelte, hat Miéville bei einer Dauermasturbationssitzung einen riesigen Webfehler geklöppelt.
Gut, inhaltlich sind beide Bücher erstaunlicher Schwachsinn, aber Stross ist mit Singularität doch wesentlich ambitionierter und origineller ans Werk gegangen.
Bearbeitet von Dave, 15 Mrz 2007 - 17:44.
#14
Geschrieben 15 Mrz 2007 - 18:30
Bearbeitet von molosovsky, 15 Mrz 2007 - 18:54.
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Ich weiß es im Moment schlicht nicht besser.
#15
Geschrieben 15 Mrz 2007 - 19:32
Bei dem, was ich bereits eingeworfen habe, wäre das mein sicherer Tod...Dave, Du solltest vielleicht eine Beruhigungstablette nehmen :-)
Es gab eigentlich immer wieder Szenen in Singularität, die für sich sehr schön geschrieben waren, wie zum Beispiel zu Beginn in Neu-Prag. Eigentlich fand ich es insgesamt beeindruckend geschrieben. Aber dann gab es eben auch viel Nonsens und ein Gesamtbild, das meiner Meinung nach nicht wirklich Sinn machte.Was genau fandest Du bei »Singularity Sky« denn kunstvoll?
Was genau ist bei »Iron Council« DER große Webfehler?
Was den Eisernen Rat angeht, so finde ich es schwierig zu beantworten, denn man stelle sich den Webfehler acht Zentimeter vor die Nase gezoomt vor. Wie soll man erklären, was daran falsch ist?
Die Qualität liegt dann eher auf Seiten des Lesers, der daraus einen Gewinn erzielt. Aber eben dieser Sinn und die Erkenntnis könnte sich einem auch auftun, wenn man acht Zentimeter vor einer Raufasertapete steht und feine Schatten und Erhebungen beobachtet.
Das war ja auch die Irritation bei mir, denn warum sollte der Schwachsinn des einen Autors Grund zur Freude sein, wenn er beim nächsten Widerwillen erzeugt?
Gut, es ist eine Frage des Geschmacks, aber irgendetwas in mir sagt mir, dass man in solchen Dingen eine grundsätzliche Einstellung haben sollte.
#16
Geschrieben 15 Mrz 2007 - 21:58
MOLOSOVSKY IST DERZEIT IN DIESEM FORUM NICHT AKTIV: STAND 13. JANUAR 2013.
Ich weiß es im Moment schlicht nicht besser.
#17
Geschrieben 16 Mrz 2007 - 17:30
Ja, über diese Beschreibung wäre ich dann auch nicht gestolpert, wobei Du vermutlich in aller Verehrung für den Chinamann niemals das "billig zusammengedengelt" benutzt hättest.Bei SK kann ich sagen: auf englisch ist der bestimmt ein satter, wilder Ritt, der aber noch a bissi schlingert und holpert (durchaus also Beschreibungen, die ich auch als Chinamann für »King Rat«, ja sogar »Perdido Street Station« für abgemessen halte).
Von IC kann man mit ziemlicherer Sicherheit sagen, dass es "Hurz" ist (siehe Hape Kerkeling). Ich staune dann immer über tiefschürfende Interpretationen, denn wenn auch nur die geringste Gefahr besteht, sich richtig zu blamieren, dann wäre es vielleicht besser, es etwas dezenter anzugehen.
Zumal, wenn es voller Inbrunst und Überzeugung geschieht.
"Auf mich wirkt das Ganze eher komisch!"
#18
Geschrieben 16 Mrz 2007 - 17:40
Mein Blog: http://translateordie.wordpress.com/ Meine Buchbesprechungen: http://lesenswelt.de/
#19
Geschrieben 16 Mrz 2007 - 17:53
MOLOSOVSKY IST DERZEIT IN DIESEM FORUM NICHT AKTIV: STAND 13. JANUAR 2013.
Ich weiß es im Moment schlicht nicht besser.
#20
Geschrieben 18 Mrz 2007 - 12:23
Ich befürchte, ich würde dabei nicht besonders gut aussehen, zumal ich die beiden Autoren nun nicht so sehr schätze, als das ich mich da hineinknien möchte. Vielleicht kann ich es auch gar nicht. Es wäre eine unendliche Geschichte, die ungefähr so aussähe:Schade, daß Du so gar nicht konkrete Beispiele geben kannst, zum Kunstvollen bei Stoss, zum Hurz bei Miéville :-(
Aber ich will Dir da auch nicht unangenehm nachsteigen. Immerhin spannend: zu welchem Urteil der eigene Geschmack kommt, ist oft klar. Aber WARUM und WIE der eigene Geschmack zu seinen Urteilen kommt, ist eine höhere esoterische Angelegenheit.
Dave: Nehmen wir da die Szene, in der ein Typ auf einem mannshohen Huhn durchs Unterholz stolpert....
Molo: Eine kraftvolle Allegorie, die vermeintlich überlegene Kreatur, faktisch aber der Bodenhaftigkeit verlustig, sieht sich dem Bestreben nach ungebrochen beflügelt. Adorno hat das Huhn in seinem Begriff des Unbewussten in der transzendentalen Seelenlehre in diesem Zusammenhang ja eindeutig belegt (ich hätte die Habilitationsschrift anbei), auch nachzulesen in der Negativen Dialektik Hegels, denn über die Ästhetische Theorie müssen wir uns hier wohl kaum unterhalten.
Dave: Könnte die Szene auch Schwachsinn enthalten?
Molo: Ich bin etwas enttäuscht, Dave, könntest diese Behauptung sachlich untermauern und Quellhinweise anfügen?
Dave: Wäre es möglich, dass der Autor vielleicht auch eine Portion Mist geschrieben hat?
Molo: Auf dieser Ebene lässt sich nicht diskutieren, die soziologischen Intentionen des Autors sind gleichermaßen fundiert wie offensichtlich. Beginnend mit der Implizierten Amphiktyonie in IC, was ja auch die Vergesellschaftung in der Überführung in den Allgemeinbesitz verdeutlicht. Nicht zu vergessen die rätedemokratisch organisierten Gemeinschaften in IC, die Dir sicherlich nicht entgangen sein werden.
Dave: Natürlich nicht...
Molo: IC (und ich beziehe mich auf das Original) deutet ja nicht zuletzt die sozialkritischen Propheten Israels an (siehe Lk 4,16ff) bis hin zum Utopischen Sozialismus, stets angelehnt an das Risorgimento Italiens des neunzehnten Jahrhunderts.
Dave: schnief...
Ärgern ist zuviel gesagt, ehrlich gesagt finde ich Deine Postings meist überzeugend. Aber manchmal ergibt sich auch ein schiefes Bild. Und bei dem Anschein von Seriosität frage ich mich dann, wie viel ist davon eigentlich ernst gemeint?Ansonsten entnehme Deinen Meldungen halt, daß Dich mein China-Höhereinschätzen-als-Stoss richtiggehend ärgert; Du glaubst, daß ich unfairerweise (oder eben begeisterungs-blinderweise) unterschiedliche Maßstäbe ansetzte.
So mal ganz allgemein betrachtet. Wobei, nachdem Du kürzlich einmal einen Link gesetzt hattest, der zu einigen Deiner eigenen Arbeiten führte, die ich einmal als Ulkereien bezeichnen möchte, könnte ich mir die Frage auch selbst beantworten.
Aber das führt ein wenig vom Wege ab, glaube ich.
#21
Geschrieben 18 Mrz 2007 - 14:58
Ein völlig neues Leseerlebnis für mich: ein Molo-Meme-Schatten, aus einem anderem Bewußtsein sprechend. — Dieser Molo-Meme-Schatten babbelt zwar kreuzfalschen Kokolores zusammen, aber wunderbar schräg ist’s schon. Danke Dave, für diese Parodie!
Ich seh das Problem: man muß befürchen, daß ich alles niederschreibschwalle, mit ellenslangen Hastunichtgesehen-Gedankenabschweifungen. Seufz. Ich weiß.
Komisch war mir aber letztens schon zumute: ich schreib meine Begeisterung über die (wie ich mir einbilde) Qualitätsteigerung bei Stross, und plötzlich hab ich einen an der Backe, weil ich (anderwann, anderwo) ein Miéville-Lober bin.
Schon im BibPhant-Forum hab ich vor kurzem mal darum gebeten, nicht alles was ich von mir gebe auf meine Begeisterung für Miéville zu beziehen. Ich les auch noch andere Sachen, bzw. schätze auch noch andere Autoren :-) (z.B. Stephenson & Ruff ›verehre‹ ich ebenfalls sehr.)
Wenn ich den Chinamann selber auf’n Tisch leg, kein Problem. Aber bei allen möglichen passenden oder auch sonstigen Gelegenheiten daherkommen und mich ›anpflaumen‹, weil ich CM halt ›superduperüberdrüber‹ finde, ist schon ein bischen seltsam.
•••
Ansonsten: So wie Du, Dave, Deine Irritaion mit meiner Schreibe zum Ausdruck bringst, kann ich das schon wieder als Kompliment nehmen. (Teilweise düstere) ›Ulkereien‹ für meine Fiktionen: paßt. ›Seriöser Anschein … was ist ernst gemeint‹, ach du liebe Zeit. — Ich weiß, daß sich bei meinem Schwubelstil manchmal Ernst und Wahrheit schwer unterscheiden lassen. Ich kann das hinterher manchmal auch nicht mehr. Bei meinen ›offiziellen Texten‹ (gedruckt & Bloggerei) geb ich mir Mühe, halt möglichst umfassend eine Lesereise zu schildern. Wiegesagt ist so ›Objektivtun‹ nicht meine Sache (auch wenn ich die gern lese; nur schreiben kann ich sowas nicht ernsthaft).
Grüße
Alex / molo
Bearbeitet von molosovsky, 18 Mrz 2007 - 15:05.
MOLOSOVSKY IST DERZEIT IN DIESEM FORUM NICHT AKTIV: STAND 13. JANUAR 2013.
Ich weiß es im Moment schlicht nicht besser.
#22
Geschrieben 18 Mrz 2007 - 20:14
Ja, das hast Du durchaus richtig erkannt.Ansonsten: So wie Du, Dave, Deine Irritaion mit meiner Schreibe zum Ausdruck bringst, kann ich das schon wieder als Kompliment nehmen.
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