Supernova

Vierhundert Jahre in der Zukunft: Als der Planet Moskau, eine eher unbedeutende Randwelt, in einer Supernova explodiert, häufen sich die Gerüchte, dass es sich nicht um eine natürliche Katastrophe handelt, sondern dass hier eine geächtete Waffe zum Einsatz gekommen ist. Hauptverdächtige ist die Regierung Neu-Dresdens, die mit Moskau in einen Handelsdisput verstrickt war. Die wahren Feinde jedoch operieren verdeckt - und sie bedrohen die gesamte Galaxis...
Mit SUPERNOVA legt Charles Stross seinen zweiten Roman aus dem Eschaton-Universum vor. Zwar hält die Handlung der Linie und dem Stil des Vorgängers die Treue, eine gewisse Reifung kann jedoch nicht bestritten werden. Mit merklich gesteigertem Tempo wird der Leser durch kurze, abwechslungsreiche Kapitel geführt, die in parallelen Erzählsträngen eine bunte Mischung an Charakteren und Schauplätzen bereithalten. Das Geschehen knüpft unmittelbar an die Ereignisse aus SINGULARITÄT an, und auch dem Ehepaar Mansour-Springfield begegnet der Leser wieder. Allerdings fällt die Hauptrolle dieser Episode der beherzten Rachel zu, die gleich mehrmals die Welt retten muss.
Erfreulich und dem Lesefluss sehr zuträglich ist, dass Stross fast vollständig auf Technobabbel verzichtet (was der Übersetzerin einiges an Fußnoten erspart) und den Leser gleich zu Beginn verständlich über das Eschaton, die Singularität und die Folgen für die Menschheit ins Bild setzt.
Spätestens mit dem vorliegenden Titel wird deutlich, in welche Richtung die Science Fiction des Charles Stross steuert. Und sein Konzept ist einfach wie genial. Während viele Autoren vor der schwierigen Frage stehen, wie die menschliche Expansion zu den Sternen plausibel erklärt werden kann, lässt Stross dies augenzwinkernd von einer gottgleichen Macht, dem Eschaton, erledigen. Schlagartig werden Ende des 21. Jahrhunderts willkürliche Ansammlungen von Menschen auf diverse bewohnbare Planeten verteilt und dort mit nichts außer Füllhörnern (Universalfabrikationsanlagen für jedes erdenkliche Produkt) und ihren politischen und religiösen Auffassungen zurückgelassen. So entwickeln (oder vernichten sich) spontan die unterschiedlichsten Gesellschafts- und Staatsformen, die schließlich, nach der Entdeckung der überlichtschnellen Raumfahrt, wieder aufeinander treffen, nur um all die kleinen Spiele um Macht und rechte Gesinnung aus den diversen Epochen der Menschheitsgeschichte in den Weltraum zu tragen und dort unermüdlich fortzusetzen. Erst die Abwegigkeit der entstehenden Konstellationen macht die eigentlich trivialen Agentenklamotten des Charles Stross so attraktiv. Ob man sie als Thriller, Science Fiction oder politische Groteske lesen mag bleibt letztlich jedem selbst überlassen. Kurz und gut: SUPERNOVA ist mehr als ein gelungener Nachfolger für SINGULARITÄT, weil es dem Autor erstmals gelingt, das volle Potential seines außergewöhnlichen Konzeptes auszuschöpfen. Das Buch überflügelt seinen Vorgänger sogar bei weitem und ist als Einstieg in Stross†™ Welt der tausend Möglichkeiten sehr zu empfehlen.
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