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#1 yiyippeeyippeeyay

yiyippeeyippeeyay

    Interstellargestein

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Geschrieben 09 Februar 2006 - 12:13

Flash (von L.E. Modesitt, Jr.; 2004)

Vorübergehend buchlos (Frevel!), entdeckte ich dieses Buch in einem Bahnhof-Buchladen, bemühte mich den reißerischen Cover zu ignorieren, fand aber die Rückenkurzbeschreibung (die sich allerdings später als etwas unzuverlässig herausstellte) interessant.

Story
Der Ex-Marine deVrai ist im 22. Jahrhundert Consultant zur Effektivität von Schleichwerbung geworden, die einzige Art von Werbung, die noch funktioniert (alles Andere wird von intelligenten Filtern der jeweiligen Heimanlage entfernt). Die Welt in ca. 150 Jahren, die Autor Modesitt hier gebaut hat, ist ökonomisch etwas anders gelagert als heute: Nach einem globalen Kollaps des Weltökosystems (alle ehemaligen Küstenregionen sind inzwischen unbewohnbar) gelten wesentlich strengere Regeln was den Schutz der Privat(atmo)sphäre angeht; globale Multis, die echten Raubkapitalismus betreiben wollen, müssen dies z.B. auf dem Mars tun, der an den Anfängen kommerzieller Ausbeutung steht.

Leider sind die Machenschaften der Mächtigen nach wie vor ein Problem, und deVrai wird immer wieder hinein gezogen. Nicht nur scheint ein Multi seine DNA geklont zu haben (auf sogenannte Cydroids - ferngesteuerte Androiden, die wie Menschen wirken), sondern er soll als Schleichwerbungsprofi auch eine Studie produzieren, die auf dem politischen Parkett dann zur Machtfüllung einer Partei, die die Multis favorisiert, missbraucht werden soll. Dabei ist er und seine Familie entsorgbares Begleitmaterial...

Kritik (teilweise ein wenig spoilerisch)
Ohne Modesitt zu kennen, erscheint der Stil dieses Buchs von Anfang wie ein typischer Ex-Marine-Krimi, wie ihn Lustbader u.a. schreiben würde. Die Figur des Dr. deVrai erinnert sehr an typische Steve-Seagal-Rollen in ähnlich gestrickten Action-Filmen: Der inzwischen extrem zivilisierte Special-Forces-Supermann, der neuerdings einfach seinem kleinen lebensbejahenden Job nachgeht, damit er "all das" hinter sich lassen kann, wird gegen seinen Willen in das Getümmel der Bösen mit ein bezogen, verliert Mensch(en) d. ihm nahe stand(en), und räumt unter Einsatz seines Lebens auf.

Anfangs interessant/lustig ist der brachiale SF-Aufklatsch auf dieses "bewährte" Plot-Skelett: ALLE Städte haben retro-SFisierte Namen / Probleme werden ab Buchmitte gelöst mittels Hilfe einer allgegenwärtigen künstlichen Intelligenz / neuartige Waffen stehen dem Held zur Verfügung / es gibt nur noch ein Medium anstatt Radio/Fernsehen/Internet. Interessant wenn auch etwas sehr ausgedehnt ist auch der Hintergrund des zukünftigen allumfassenden Datenschutzes (z.B. inwiefern er polizeiliche Ermittlungen einschränkt) und wie diese tapfere Neue Welt diesen umgeht - eben via futuristischer Schleichwerbung.

Die extreme Dehnung des Buches in einen 500-seitigen Wälzer ist auch ein bleibender Eindruck: Das 1. Drittel besteht aus einer extremen Zementierung des Alltags deVrais und seiner Welt, das 2. Drittel beschreibt seinen ausgedehnten Racheweg bzw. dessen Vorbereitung nach einem fehlgeschlagenen Anschlag auf sein Leben (dessen Heilung auch viele Seiten in Anspruch nimmt) und im letzten Drittel geht es so richtig zur Sache, inkl. einer mechanisch-koketten Romanze. Die Weltenbauten von Modesitt sind beachtlich, auch der Plot ist interessant, aber mussten es 500 Seiten sein? M.E. hätten 200 gereicht.

Sein Stil ist sehr trocken. Gedankengänge und Beschreibungen (insbes. "diese sturm-grauen Augen") werden oft wiederholt, damit man auch ja alles nachvollzieht. Leider führt diese extrem langsame Entwicklung auch zu wenig glaubhaften Reaktionen aller Beteiligten als Familienmitglieder ermordet werden. Auch die ethische Komponente des Umgangs mit Cydroids, und deren Reaktion auf Befreiung, halte ich für unterbelichtet bzw. einfach abwesend.

Eigentlich schade dass der reißerische Titel (s. oben) letztendlich doch den Inhalt wieder gibt.

Nachdem ich's bis zum Buchende geschafft habe, nach mehreren Versuchungen Buch und Autor beiseite zu legen, frage ich mich ob ich ihm noch eine Chance geben sollte. Kann ihn jemand empfehlen? Hier auf dem Board wurde bisher nur einmal kurz sein Recluce-Fantasy-Zyklus wohlwollend erwähnt (er hat eine Menge Fantasy fabriziert, wenn ich die Buchtitel richtig interpretiere).

P.S.: Ich wünsche mir fürs neue Jahrtausend (SF-)Krimiautoren vom Format eines Alistair Macleans der m.E. (z.B. mit Eisstation Zebra) der Erfinder des alleskönnenden stillen "gefallenen" Machohelden war - in wesentlich kürzeren Texten, übrigens.

Bearbeitet von yiyippeeyippeeyay, 09 Februar 2006 - 12:41.

/KB

Yay! Fantasy-Reimerei Mitte August...
[..] Verzweiflung beschlich sie im Stillen.

Da ergriff eins der kleinsten das Wort:

"Wenn sich all unsere Wünsche erfüllen,

dann wünschen wir einfach mit Willen

die Wünsche-Erfüllung fort!"

Sie befolgten den Rat und von Stund an war

wieder spannend das Leben und heiter.

Die Kinder war'n froh wie vor Tag und Jahr

und vielleicht gar ein wenig gescheiter.

(BewohnerInnen der Stadt der Kinder, aus der "Geschichte vom Wunsch aller Wünsche", aus Die Zauberschule & andere Geschichten, Neuauflage im Thienemann-Verlag, S. 93, von Ende)



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