China Miéville - Der Eiserne Rat
#31
Geschrieben 13 April 2006 - 13:23
(Georg Christoph Lichtenberg)
#32
Geschrieben 13 April 2006 - 17:36
Ich vermute einmal, wir sind uns zumindest darin einig, das Miéville sehr schön schreiben kann (besonders im Vorgängerroman), aber in der Diskussion geht es ja wohl in erster Linie um den Inhalt.Es kommt mir gerade so vor, als würde über Geschmack gestritten!
Und wenn der problematisch ist, dann muss die Bewertung entsprechend ausfallen. Es kann nicht sein, dass niemand das Buch verstanden hat, womöglich die einzige flaue Erkenntnis einem Lesekollegen verdankt, und dann Punkte in den höchsten Rängen vergibt.
Außer Kaffeesatzleserei ist in diesem Zirkel meiner Ansicht nach nichts herausgekommen. Und die drehte sich dann auch noch um die politische Ausrichtung des Autors, was unterm Strich etwas mager ist und Miéville für meine Begriffe eher in ein ungutes Licht stellt. Gut, das ist dann vielleicht Geschmackssache, ich finde es eher geschmacklos.
Bearbeitet von Dave, 13 April 2006 - 17:37.
#33
Geschrieben 13 April 2006 - 18:53
Phantastische Grüße,
Thomas
...meine "Phantastischen Ansichten" gibt's hier.
Auf FB zu finden unter phantasticus
(Hinweis: Derzeit keine Internetrepräsentanz meiner Bilder; schade eigentlich...)
#34
Geschrieben 13 April 2006 - 22:27
Überlicht und Beamen wird von Elfen verhindert.
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#35
Geschrieben 14 April 2006 - 06:37
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#36
Geschrieben 14 April 2006 - 08:09
Kannst Du zur Einschätzung Deiner Meinung Gegenbeispiele nennen, wer für Dich mit dem Adjektiv "sprachgewaltig" ausgestattet werden kann? Für mich wäre ein Vertreter der platten Sprache etwa Hans Kneifel.Was mich aber wirklich gestört hat, ist Mievilles Art zu schreiben, die von so vielen gelobt wird. Meinem Empfinden nach schreibt der Kerl wie ein Autist: huschig, hölzern und skizzenhaft, als könne er sich nicht entscheiden, ob er noch am Exposé schreibt oder schon am Roman. "Dichte Sprache" und "sprachgewaltig" sind Attribute, die ich mit Mieville nach der Lektüre von DER EISERNE RAT überhaupt nicht in Verbindung bringen kann.
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#37
Geschrieben 14 April 2006 - 09:47
Bearbeitet von molosovsky, 14 April 2006 - 09:52.
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#38
Geschrieben 14 April 2006 - 13:02
Mit dem Prädikat "sprachgewaltig" kann man aber trotzdem auch einige Autoren auszeichnen, hier eine kleine Liste:
Ich halte z.B. Thomas Mann für einen großartigen Schriftsteller (der "Zauberberg" ist nach wie vor eines meiner Lieblingsbücher)
Edgar Allan Poe hat stellenweise eine atemberaubende Schreibe (Tipp: "Die denkwürdigen Erlebnisse des Gordon Pym")
Umberto Eco ist sprachlich ebenfalls große Klasse, auch wenn ich ihn wegen mangelnder Italienischkenntnisse nie im Original gelesen habe
Und wenn ich mich mal nur aufs Genre SF beschränke:
Da wäre zuallererst natürlich Philip K. Dick. Da muß man auch gar nicht viel zu sagen - grandios.
Auch Dan Simmons läßt mich in jeder Hinsicht vor Ehrfurcht erstarren. Der kann es einfach.
James Graham Ballard darf in dieser Liste auch nicht fehlen, "Hello America" ist nicht nur sprachlich einer der befriedigendsten Romane, die ich je gelesen habe.
@molosovsky: wie bereits in meinem letzten Beitrag erwähnt, fand ich DER EISERNE RAT inhaltlich weder schlecht noch schwer verständlich. Ich habe prinzipiell nichts gegen etwas sperrige Plots. Mich stört aber, wenn das ganze sprachlich auf unterstem Niveau dargeboten wird.
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#39
Geschrieben 14 April 2006 - 18:00
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#40
Geschrieben 15 April 2006 - 20:57
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#41
Geschrieben 15 April 2006 - 22:19
#42
Geschrieben 16 April 2006 - 13:56
Vielleicht lehne ich mich ein wenig weit aus dem Fenster, wenn ich nun so aufdringlich bin, Theorie UND Eigen-Praxis persönlicher anzugehen. Aber ein Ping-Pong zwischen Skydiver und Henrik Fisch beleuchtet sehr farbig die Problematik des Unterschieds zwischen ›Komplexität‹, ›Vielschichtigkeit‹ und ›Rote-Faden-Losigkeit‹, ›Beliebigkeit‹:
Nun ist das was Henrik übers wahllose Tastenniederdrücken schreibt freilich eine Übertreibung, ich denke aber zu verstehen, was er meint, worauf er hinaus will.Gemach, edler Himmelsstürmer. Das was ihr dort anmerkt, ist eine unverhohlene Einladung zur Beliebigkeit, die sich erst im Kopf des Lesers zu einer verknüpften Geschichte verfestigt. Die Steigerung davon kommt einem undifferenziertem herniederdrücken von Tasten auf einer Tastatur gleich, solange bis der Umfang eines Romanes erreicht ist. Und sollte der Leser des Jahrhundertwerkes damit nicht zurecht kommen, ist er halt nicht intelligent genug.†¦ Diese Forderungen nach einem „roten Faden“ einer „linearen Handlung“ oder „tiefe Einblicke“ in den Charakter einer Person gehen mir ziemlich auf den Keks. Sollte man einem phantastischen Roman nicht mit Fantasie, Einfühlungsvermögen, Neugierde und der Bereitschaft sich überraschen zu lassen gegenüber treten? †¦
Freilich ist da ein himmelweiter Unterschied, zwischen dem, was Miéville in IC aufführt, und einem Buchdicken Tohuwabohu a la d †¦s (dfhg3?\^ kÜ.: sd; j K-JS posa aks 1 i<ap usw. Hab das selber mal auszureizen versucht: »Das DAtaIiJe †” Lugig schnorcht die Penetrem. Lisig mitfahd webickgens, lig Fallatras tatis, fon Übedrann zu Drundenhain. Tort woant die DAta. Dies habeli obe, wasli somust Drentelmas inskilpig herist Gertalmost, zoom inderwahn Wabenfenstral (sowas als aug dieslich) zermentich zu da spätzligaug Spitzenbandel. {†¦}« †” Ein Auszug aus einer meiner »Zehn Etüden«, in denen ich versuchte, fruchtbar mit dieser Spannung ›Beliebigkeit‹/›Kompexität‹ zu spielen. Soll keine Werbung sein, sondern ›nur‹ ein aus dem Fenster lehnen eben. Soviel weiß ich: Leser die ›nur‹ lesen, lesen iGuG schon anders, als Leser, die selbst auch schreiben (egal wie professionell oder †” wie ich eben †” dilettantisch).
Also: Wann ist was eine Geschichte, wann chaotischer Buchstabensalat? (›semiotic spaghetti‹ wie Alan Moore mal schrieb). †” Kommt auf Buch, Zusammenhang und Leserhaltung an. Wieder mal der gute alte Fiktionsvertrag.
Oder auch: läßt sich IC als pure Unterhaltung lesen, oder ist das Teil ZU ambitioniert? †” Ich denke schon, daß es möglich ist, sich nur am Äktschn-Trara und Seltsamkeits-Sense of Wonder von IC zu berauschen, ohne einen Pfifferling auf all die Diskurs-Subtilitäten zu geben. »Verfolgungs›jadten‹, Ballerein, Magieschlachten, Attentate und Straßenkämpe. Ist doch mords was los und was kümmert mich bei so ner Äktschndichte der ›Zusammenhang‹« , so der Trash-Fan in mir. Der verkopfte Geistesmensch und feingliedrige Ästhet in mir, sind freilich auch begeistert auf ihre Art dabei, IC als feine Sach zu goutieren. †” Sehr interessante Vergleichslektüre bietet imho übrigens Tobias O. Meißners »Das Paradies der Schwerter«.
IC kommt mir vor, wie 'ne Illustration eines Bonmots, daß mal über Luc Besson geschrieben wurde, als »Jean d'Arc« lief (Seeslen?): Der Film sei wie eine wilde Buggytour durch faszinierende Gegenden. Man kommt zwar nicht wirklich irgendwo hin, dafür aber tollerweise erstaunlich weit herum. †” Und so ohne ›Plan und Ziel‹ durch die Gegend zu brettern, ist für mich zumindest einer der sympathischsten Modi der Phantastik oder ›speculative fition‹, oder nicht? †” Zumindest nehm ich IC und die Bas-Lag-›Trio‹ ehr als eine solche wilde Tour, und weniger als eine planvolle ›Argumentations‹-Leiter ›aus dem System raus‹, wie z.B. Wittgenstein mit seinem Traktat vorführt. Kann bis heute nicht wirklich sagen, was am Ende ›die Aussage‹ von IC ist, außer vielleicht, grob aufs elfte Gebot anzuspielen (Du sollst Dich nicht täuschen).
Grüße
Alex / molosovsky
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#43
Geschrieben 12 Dezember 2006 - 23:47
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#44
Geschrieben 11 Juni 2007 - 20:44
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#45
Geschrieben 04 Juli 2012 - 22:52
#46
Geschrieben 05 Juli 2012 - 08:29
Braucht Mieville die Remade um sich von Tolkiens Fantasy und deren archetypischen Figuren abzugrenzen, oder ist ihre primäre Funktion eine andere?
In Perdido Street Station wird das bereits recht deutlich, wie ich finde, erklärt.
Mieville führt ein Bestrafungssystem ein, das zwar phantastisch ist und ein Universum an Stoff-Möglichkeiten eröffnet, es hinterfragt aber auch grundsätzlich das Verhältnis von Tat und Strafe. Es gibt in den Baslag-Büchern sehr viele Beispiele für Remades deren Umwandlung ein Zeichen perfider Bestialität ist, aber es gibt eben auch welche, die zu Gedanken passen, die man selbst wohl schon hatte oder so von anderen gehört hat.
"Der sollte das durchmachen, was er seinem Opfer antat!"
Aber durch ihre Vielfalt eignen sich die Remades von Mieville nicht als Archetypen. Es sind ja eher Brandmarkungen. Vielleicht vergleichbar mit dem "Scharlachroten Buchstaben".
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#47
Geschrieben 05 Juli 2012 - 08:51
Obwohl Miéville seine drei in der Welt Bas-Lag angesiedelten Romane mal (augenzwinkernd) als ›Anti-Tolkien-Anti-Trilogie‹-Trilogie bezeichnet hat, darf man es nicht übertreiben damit, alles, was sich als ›Fantasy‹ lesen lässt — auch und vor allem, wenn es Fantasy ist, die aus dem Rahmen des Üblichen fällt, was man beim Begriff Fantasy erwartet — auf Tolkien zurückzuführen.Braucht Mieville die Remade um sich von Tolkiens Fantasy und deren archetypischen Figuren abzugrenzen, oder ist ihre primäre Funktion eine andere?
Grüße
Alex / molo
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#48
Geschrieben 05 Juli 2012 - 09:42
#49
Geschrieben 05 Juli 2012 - 10:36
Mit Mieville bin ich nicht vertraut. Von ihm habe ich nur "Der Eiserne Rat" zuhause und ab und zu mal darin gelesen, aber selbst bei einer flüchtigen Lektüre habe ich den Eindruck, dass Mieville es mit der ›Anti-Tolkien-Anti-Trilogie‹-Trilogie ernst meint und mit Tolkien verglichen werden will. "Herr der Ringe" wurde unter dem Eindruck des Zweiten Weltkrieges geschrieben und stellt eine basale Welt voller Archetypen dar, gegen die Mieville mit fast jeder Zeile anzuschreiben scheint, so als ob er eine ungeheure Wut im Bauch hätte, darüber, was Tolkien verbrochen hat. Vielleicht sieht man das anders, wenn man auch die anderen Bücher von Mieville kennt. (Mir genügt der "Der Eiserne Rat" vollkommen.)
zunächst müsste man klären, ob Deine Einschätzung zu HdR stimmt. Es gibt ja auch die Theorie, dass Tolkien einen Hintergrund zu seinen Kunstsprachen schrieb.
Davon ist Mieville weit entfernt.
Der Eiserne Rat könnte als Aufarbeitung gelten, mit der das Scheitern sozialistscher Diktaturen behandelt wird. Aber ein Absetzen von Tolkien kann ich da nicht erkennen. Ist ja nicht so, als ob Mieville nun für Industrialisierung streitet oder so ...
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#50
Geschrieben 05 Juli 2012 - 10:42
Ich gehe die Sache aber mal so an: wenn man sich mit dem Genre-Begriff ›Fantasy‹ auseinandersetzt, dann nehmen Tolkien und seine Mittelerde-Werke eine unübersehbar wichtige Stellung ein. Die Vorstellungen dazu, was ›Fantasy‹ ist, wurden und werden sehr stark von dem geprägt, was Tolkien vorlegte, und was andere (Leser, Kritiker und auf den Spuren Tolkiens wandelnde Autoren) daraus gemacht haben.
Miéville gehört nun zu einer losen Gruppe Autoren, die das (wie ich finde: durchaus fruchtbar) problematisieren.
Entsprechend finden sich in den drei Bas-Lag-Romane gewisse Themen, Aspekte und auch Stilistiken, die man als Reaktion auf den dominanten Einfluss Tolkiens zum Verständnis des Begriffs ›Fantasy‹ lesen kann. Miéville war in seiner frühen Karriere richtiggehend berühmt-berüchtigt dafür, ein Anti-Tolkien-Phantast zu sein. Im Lauf der Zeit aber hat er gemerkt, dass er damit Gefahr läuft, zu einem wandelnden Klischee zu werden. Manche waren deshalb überrascht, als Miéville für das Amazon-Blog »Omnivoracious« eine Verteidigung und Lobpreisung Tolkiens verfasste (in Stichpunkten als Übersetzung in meinem Blog zu finden: »Fünf Gründe, warum Tolkien rockt«).
Zusammenfassend kann ich sagen, dass Miéville mit einiger Berechtigung gegen Tolkiens dominierenden Einfluss auf das Verständnis des ›Fantasy‹-Begriffs angestänkert hat. Immerhin liefert Miéville mit seinen eigenen Werken (für meinen Geschmack) glänzende Beispiele dafür, dass es zu vielen Aspekten, von denen angenommen wird, sie seien für das, was ›Fantasy‹ ist, wesentliche und bedingende Kriterien, durchaus Alternativen gibt. Abgesehen davon, dass Miéville ein Freund von Genre-Kreuzungen ist (und sich deshalb als großer Freund eines ›gemischten‹ Genres wie der ›Wired Fiction‹ positioniert, in der die Grenzen zwischen Fantasy, Science Fiction und Horror fließender sind), hat er mit vielen seiner Büchern bewiesen, dass man um ›Fantasy‹ zu machen, auch auf anderen literaturhistorischen Quellen, Schulen und Traditionen aufbauen kann, als jenen, die von Tolkien angestoßen wurden oder auf die dieser sich bezogen hat. — Ich persönlich bin deshalb unter anderem deshalb bekennender Miéville-Fanboy, weil er sich z.B. beim Bau seiner Fantasy-Welten von Surrealismus, Dadaismus und eben sozialistischen Ideen anregen lässt, statt von Mittelalter-Epen, christlicher Teleologie und anti-modernen Nostalgien.
Grüße
Alex / molo
Bearbeitet von molosovsky, 05 Juli 2012 - 12:20.
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Ich weiß es im Moment schlicht nicht besser.
#51
Geschrieben 05 Juli 2012 - 11:21
Nein, aber anders als Tolkien, dessen Fantasy-Epos auf widersprüchliche Weise nahezu von allem Zeitgeschichtlichen gereinigt wirkt, setzt er sich damit unmittelbarer auseinander.Aber ein Absetzen von Tolkien kann ich da nicht erkennen. Ist ja nicht so, als ob Mieville nun für Industrialisierung streitet oder so ...
Tolkien scheint für Mievielle so etwas wie eine literarische Vater-Figur zu sein, gegen die er rebelliert. "Der Eiserne Rat" ist sicher eines der wichtigsten Werke der letzten Jahre und der Fantasy überhaupt. Es verbindet einen herben Realismus mit phantastischen Elementen und kann auch als grundsätzlichen Gegenentwurf zur technikgläubigen Science Fiction gelesen werden. Die Science Fiction legt dar, dass der Mensch mittels Technik sein Schicksal selbst in der Hand hat und sich auch gesellschaftliche Entwicklungen entsprechend gestalten lassen. Diese naive Vorstellung wird in "Der Eiserne Rat" gänzlich verworfen, hier ist der Mensch dem Schicksal ausgeliefert, wobei ich in der Schilderung dieser Umstände speziell Mievilles Thaumaturgie für einen besonderen literarischen Kunstgriff halte. Mittels Thaumaturgie macht Mieville sich unabhängig von kaltem technokratischem Vokabular, mit dem sich eine bestimmte literarische Qualität nicht erreichen lässt.Zusammenfassend kann ich sagen, dass Miéville mit einiger Berechtigung gegen Tolkiens dominierenden Einfluss auf das Verständnis des ›Fantasy‹-Begriffs angestänkert hat. Immerhin liefert Miéville mit seinen eigenen Werken (für meinen Geschmack) glänzende Beispiele dafür, dass es zu vielen Aspekten, von denen angenommen wird, sie seien für das, was ›Fantasy‹ ist, wesentliche und bedingende Kriterien, durchaus Alternativen gibt.
#52
Geschrieben 05 Juli 2012 - 12:03
Ich sehe nicht, was Du sagen willst. HdR ist grundsätzlich etwas anderes als Der Eiserne Rat. Du versuchst hier eine Beziehung aufzubauen, die höchstens vage vorhanden ist und kritisierst dann dann diese Vagheit.Nein, aber anders als Tolkien, dessen Fantasy-Epos auf widersprüchliche Weise nahezu von allem Zeitgeschichtlichen gereinigt wirkt, setzt er sich damit unmittelbarer auseinander.
Tolkien scheint für Mievielle so etwas wie eine literarische Vater-Figur zu sein, gegen die er rebelliert. "Der Eiserne Rat" ist sicher eines der wichtigsten Werke der letzten Jahre und der Fantasy überhaupt. Es verbindet einen herben Realismus mit phantastischen Elementen und kann auch als grundsätzlichen Gegenentwurf zur technikgläubigen Science Fiction gelesen werden. Die Science Fiction legt dar, dass der Mensch mittels Technik sein Schicksal selbst in der Hand hat und sich auch gesellschaftliche Entwicklungen entsprechend gestalten lassen. Diese naive Vorstellung wird in "Der Eiserne Rat" gänzlich verworfen, hier ist der Mensch dem Schicksal ausgeliefert, wobei ich in der Schilderung dieser Umstände speziell Mievilles Thaumaturgie für einen besonderen literarischen Kunstgriff halte. Mittels Thaumaturgie macht Mieville sich unabhängig von kaltem technokratischem Vokabular, mit dem sich eine bestimmte literarische Qualität nicht erreichen lässt.
PSS ist deutlich wirkmächtiger. Mieville schuf damit eine neue Nuance der Weird Fiction. Das muss nicht unbedingt gleich ein Gegenentwurf zu irgendetwas sein. Der Eiserne Rat müsste eher gegen das Kapital gelesen werden. Das ist nämlich die eigentliche kulturelle Baustelle Mievilles.
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#53
Geschrieben 05 Juli 2012 - 12:19
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#54
Geschrieben 05 Juli 2012 - 12:22
Natürlich ist es anders. Tolkien hat den Zweiten Weltkrieg miterlebt, aber sein altertümlich-nostalgisches "Herr der Ringe" wirkt einfach nur so, als ob Tolkien den Glauben an das Gute im Menschen nicht verlieren wollte. Es ist kaum zu glauben, dass die Bücher nur sechzig und nicht hundertsechzig Jahre alt sind. Mieville lässt diese Altertum-Nostalgie hinter sich und beschäftigt sich weitaus stärker mit der Verletzlichkeit des menschlichen Körpers, in dem ein Wesen nun mal gefangen ist. Ein Körper ist an Ort und Zeit gebunden, kann leicht zur falschen Zeit am falschen Ort sein, und er ist auf alptraumartige Weise verletzlich und verformbar und seiner Umwelt ausgeliefert. Diese Art von Realismus ist bei Tolkiens heroischem Epos kaum zu finden.Ich sehe nicht, was Du sagen willst. HdR ist grundsätzlich etwas anderes als Der Eiserne Rat.
#55
Geschrieben 05 Juli 2012 - 13:14
Natürlich ist es anders. Tolkien hat den Zweiten Weltkrieg miterlebt, aber sein altertümlich-nostalgisches "Herr der Ringe" wirkt einfach nur so, als ob Tolkien den Glauben an das Gute im Menschen nicht verlieren wollte. Es ist kaum zu glauben, dass die Bücher nur sechzig und nicht hundertsechzig Jahre alt sind. Mieville lässt diese Altertum-Nostalgie hinter sich und beschäftigt sich weitaus stärker mit der Verletzlichkeit des menschlichen Körpers, in dem ein Wesen nun mal gefangen ist. Ein Körper ist an Ort und Zeit gebunden, kann leicht zur falschen Zeit am falschen Ort sein, und er ist auf alptraumartige Weise verletzlich und verformbar und seiner Umwelt ausgeliefert. Diese Art von Realismus ist bei Tolkiens heroischem Epos kaum zu finden.
Wird das jetzt so eine Art HdR-Bashing?
Warum willst Du dort Realismus finden? Sicher hat Tolkien seine negativen Empfindungen über Umweltzerstörung und dem Verfall von Werten in seiner Beschreibung des Bösen einfließen lassen. Saruman und Isengart stehen dafür exemplarisch, aber immer noch ist Tolkien in erster Linie Altphilologe gewesen der einen Albion-Mythos vermisste und kein Phantastik-Schriftsteller.
Altertum-Nostalgie? Im Gegenteil, Tolkien war Altertum-Schöpfer.
Der Vergleich zwischen HdR und Eiserner Rat ist wenig ergiebig, da substanzarm.
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#56
Geschrieben 05 Juli 2012 - 13:52
Wird das jetzt so eine Art HdR-Bashing?
..., aber immer noch ist Tolkien in erster Linie Altphilologe gewesen der einen Albion-Mythos vermisste und kein Phantastik-Schriftsteller.
Altertum-Nostalgie? Im Gegenteil, Tolkien war Altertum-Schöpfer. ...
Eben, Tolkien wollte eine ähnlich Mythologie schaffen, wie die Edda, das Gilgamesch oder die giechische Mythologie. Nur in einem Rahmen, der eher auf englische Breitengrade bezogen werden könnte. Er hat eine komplette Historie erschaffen, inlusive Legenden und Märchen. Miévielle hat da einen viel sozialkritischeren Ansatz.
Und was ist daran schlimm, wenn man noch an das Gute im Menschen glaubt?
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#57
Geschrieben 05 Juli 2012 - 15:52
Ich finde, dass Tiff mit seinen Aussagen über LOTR nicht zu weit geht. In mancherlei Hinsicht IST Tolkiens Werk nicht gut gealtert, bestimmte Aspekte allerdings sind revolutionär. Als grobe Orientierung, wie sehr die Rezeptionsgeschichte von LOTR und Mittelerde ein großes Missverständnis ist, muss man sich nur daran erinnern, dass Tolkien eine große Gruppe seiner Leserschaft, die in den Sechzigern und Siebzigern seinen Werke zu so großer Popularität verhalfen, als »langhaarige Irre« bezeichnete.
Statt Tolkien direkt mit Miéville zu vergleichen, finde ich es naheliegender Tolkien mit einem Schriftsteller zu vergleichen, der in der gleichen Zeit einen ebenfalls sehr einflussreiches, wenn auch weit weniger bekanntes Fantasy-Meisterwerk geschaffen hat: Mervyn Peake.
Miéville kommt dabei wieder ins Spiel als einer, der weniger von Tolkien, aber sehr merklich und mit großer Begeisterung von Peake beeindruckt und beeinflusst wurde. Man kann Peake deshalb durchaus zurecht als einen markanten Vorläufer der ›anderen Art von Fantasy‹ bezeichnen.
Grüße
Alex / molo
Bearbeitet von molosovsky, 05 Juli 2012 - 16:03.
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