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J. G. Ballard: Kristallwelt


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56 Antworten in diesem Thema

#1 Dave

Dave

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Geschrieben 01 April 2006 - 10:55

Hallo,

heute beginnen wir mit einem etwas schmaleren Büchlein aus dem Jahre 1966:

J.G. Ballard
Kristallwelt

Und los...

;)

amazon

#2 Kopernikus

Kopernikus

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Geschrieben 01 April 2006 - 11:40

Habe es bei ebay ersteigert, aber bisher hat der Verkäufer sich bei mir noch nicht gemeldet, wird daher noch ein paar Tage dauern, bis ich dazustosse.

#3 Rusch

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Geschrieben 02 April 2006 - 11:43

Hi Leute,ich habe das Buch von Joachim Körber zugeschickt bekommen - zweimal. Also, wenn hier jemand ist, der eine Rezension dazu verfassen würde, dann bekommt er von mir das Buch kostenlos zugeschickt. Wenn sich niemand findet, dann schicke ich es ihm halt zurück, aber ich denke, es wäre ihm lieber, wenn es noch eine zweite Rezi geben würde.Übrigens handelt es sich hierbei um eine Neuübersetzung. D. h. für all jene, die nur eine der alten Heyne Ausgaben haben, wäre dies interessant.Also meldet Euch. Wer zuerst kommt, malt zuerst.

#4 Rusch

Rusch

    Phantastonaut

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Geschrieben 02 April 2006 - 16:05

So, ich habe heute den freien Tag genossen und bei offener Terrassentüre in dem Buch gelesen. Abschnitt 1 habe ich schon druch und ich muss sagen, dass mir die Art und Weise, wie Ballard schreibt, gefällt. Die geschichte wird mit viel Spannung stimmungsvoll erzählt - genau wie ich es mag.

#5 Sullivan

Sullivan

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Geschrieben 03 April 2006 - 06:33

Diesen Monat bin ich auch wieder mit dabei. Ein sehr guter Anfang, viel Stimmung und geheimnisvolle Anspielungen. So kann es weitergehen.Sullivan

#6 Henrik Fisch

Henrik Fisch

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Geschrieben 03 April 2006 - 07:47

@Sullivan:

Es geht so weiter †¦ wenn ich es noch richtig in Erinnerung habe. :thumb:

Der Anfang kam mir interessanterweise erstaunlich unspektakulär vor. Vielleicht ist es nicht das richtige Wort, aber Ballard schreibt ja äußerst sparsam, was ja auch die Kürze des Romans erklärt. Und trotz der nur äußerst sparsamen Andeutungen, erahnt man sofort von Beginn an etwas geheimnisvolles. So kann ich mich noch recht gut an ein oder zwei Nebensätze bezüglich der "Dunkelheit" des Ortes erinnern. Wobei ich im Moment nicht mehr in Erinnerung habe, ob das im ersten Abschnitt stand.

Achtet mal darauf, welchen Beruf der Protagonist der Novelle hat. Vielleicht höre ich nur die Flöhe husten, aber ich müsste mich sehr täuschen, wenn der Autor da nicht Hintergedanken hatte.

Bis dennen,
Henrik

Bearbeitet von Henrik Fisch, 03 April 2006 - 07:49.

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#7 Henrik Fisch

Henrik Fisch

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Geschrieben 06 April 2006 - 09:22

Ich halte mich mit Eindrücken noch ein klein wenig zurück, damit noch ein paar mehr Leute mitlesen. :)Bis dennen,Henrik
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#8 Sullivan

Sullivan

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Geschrieben 06 April 2006 - 10:00

Ich habe jetzt mit dem 2. Kapitel angefangen. Noch kann man keine SF erkennen, aber das wird wahrscheinlich noch. Fies natürlich, wie dem armen Dr. Sanders die Waffe untergeschoben wird, obwohl man verstehen kann, wieso er nicht untersucht wird. :)Mir gefällt die heimliche Beziehung zu Suzanne als Motivation für die Reise. Das ergibt bereits ein komplexes Bild von Sanders. Interessant auch der kritische Rückblick (Passbild, Spiegel) auf die letzten Jahre. Mal sehen, was daraus wird!Weiß jemand wie alt Ballard war, als er den Roman geschrieben hat?Sullivan

#9 Henrik Fisch

Henrik Fisch

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Geschrieben 06 April 2006 - 10:55

J. G. Ballard: 1930 geborenKristallwelt: 1966 veröffentlichtAlso wird er es so im Alter von 34 oder 35 geschrieben haben.Bis dennen,Henrik
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#10 Henrik Fisch

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Geschrieben 06 April 2006 - 11:10

Ich bin übrigens schon sehr auf Eure Gesamt-Interpretation des Romans gespannt. Die Erklärung, was das Ganze eigentlich soll und was uns Ballard da mit dem Roman sagen wollte. Ich habe da nämlich so meine eigenen Verdachtsmomente. Ich habe auch schon eine Rezension bei SF-Fan.de gefunden, mit der ich so gut wie überhaupt nicht überein stimme. Aber warten wir mal ab.Bis dennen,Henrik
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#11 Dave

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Geschrieben 06 April 2006 - 11:46

Mir gefällt die heimliche Beziehung zu Suzanne als Motivation für die Reise. Das ergibt bereits ein komplexes Bild von Sanders. Interessant auch der kritische Rückblick (Passbild, Spiegel) auf die letzten Jahre. Mal sehen, was daraus wird!

Erstaunlich, die gleichen Beispiele wollte ich auch aufgreifen.
Der Brief als Motiv Sanders, zu seiner Reise aufzubrechen, hat mir auch sehr gut gefallen. So liest er also zwischen den Zeilen heraus, dass Suzanna möglicherweise erkrankt sein könnte, weil Lebra das Nervengewebe befallen kann und dabei psychologischen Auffälligkeiten verursachen könnte.
Dabei war der Brief sehr schön zu lesen und so schrieb sie von Licht, das alles mit Diamanten und Saphiren überzieht.
Diese geschwungenen Zeilen könnte man vielleicht sogar noch früher einordnen als den eigentlich Stil des Romans, für den ich bisher noch kein Zeitrahmen ausmachen konnte, in dem er spielt.

Auch die Szene mit dem Passbild und den Spuren, die er nach achte Jahren im Spiegelbild erkennt, fand ich irgendwie beeindruckend.

Die anfängliche Szene auf dem Passagierdeck, die flüchtigen Bekanntschaften und die Beschreibung der sich fast unmerklich verändernden Vegetation, das hat mir schon ausgezeichnet gefallen.
Ein bemerkenswertes erstes Kapitel, das für sich allein schon zu wirken scheint.
Wegen des geringeren Umfangs schalte ich einen Gang runter in der Lesegeschwindigkeit, und der Stil lässt das auch wunderbar zu. Da kann man schon jeden Satz genüsslich ausschwingen lassen.

Ich bin jetzt auch beim 2. Kapitel.

#12 Rusch

Rusch

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Geschrieben 06 April 2006 - 18:33

Ich habe bis jetzt pausiert, nachdem ich recht schnell den ersten Abschnitt durch hatte.Ich muss sagen, dass mir ein bißchen Abstand die Atmosphäre noch immer nachklingt. Sehr schön, die wiese verlotterte Stadt und der dunkle, triste Dschungel beschreiben wurde. Man kann fast die Moskitos hören, die sich auf die eigenen Haut setzten wollen. Toll.

#13 Morn

Morn

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Geschrieben 07 April 2006 - 16:14

Ich habe das erste Kapitel inzwischen auch gelesen. Ich kann mich da Sullivan und Dave nur anschliessen: es ist phantastisch geschrieben. Sanders und der Grund fuer seine Reise werden hervorragend eingefuehrt. Mir ist besonders aufgefallen, dass immer wieder das Licht bzw das Dunkle und Farben erwaehnt werden. Der Fluss und der Dschungel sind dunkel; die Blaetter der Baeume olivfarben. Es herrscht eine Duesternis, obwohl die Sonne scheint. Der Pater ist schwarz gekleidet, Ventress traegt einen weissen Anzug und auch seine Haut erscheint weiss, er hat schwarze Haare. Die Frau im Hotel hat schwarze Haare und traegt einen weissen Hosenanzug (Was wohl eher ungewoehnlich ist, oder? Ich haette khaki erwartet.) Ich glaube, dass die Gesichtfarbe eines der Stadtbewohner auch als olivfarben beschrieben wird. DIe Kleidung von Sanders ist dagegen verwaschen, scheint also eher farblos zu sein. Ich bin sicher, dass diese Farben etwas zu bedeuten haben, nur was? Im Gegensatz dazu scheint der Brief zu stehen, in dem alles voller Licht zu sein scheint. Mal sehen, wie es weitergeht.

Bearbeitet von Morn, 07 April 2006 - 16:16.


#14 Dave

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Geschrieben 07 April 2006 - 18:40

Im zweiten Kapitel sitzt Sanders in Port Matarre fest und macht Bekanntschaft mit der Journalistin Louise Peret. Vor dem Hintergrund brachliegender Telefonleitungen, ausfallender Buslinien und einer seltsamen Stimmung, gibt es hier einige schöne Dialoge zu lesen.
Besonders die Beschreibung der kristallinen Orchidee, die als Schmuckstück feilgeboten wurde, hat mir gefallen. Wie Ballard hier die filigranen Eigenschaften beschreibt und wie das Licht scheinbar keine Reflektion der Sonne, sondern aus dem Inneren heraus zu scheinen scheint, das ist schon wirklich großartig. Man kann sich den Kontrast zu den Skulpturen Afrikas gut vorstellen.
Dann natürlich der theatralische Auftritt des Priesters Balthus mit dem funkelnden Kruzifix. Die ganze Stimmung ist einfach hervorragend eingefangen. Ich weiß zwar nicht worin das Geheimnis liegt, wenn man sich in eine Geschichte hineinversetzt fühlt, aber Ballard hat es geschafft.
Ich muss gestehen, ich habe gar nicht gewusst, was Äquinoktium bedeutet, aber die Sonne über dem Äquator und die Längengleichheit von Tag und Nacht, das unterstreicht noch die Stimmung des Romans hier zu Beginn.
Es wird von Notstand gesprochen und ich gehe einmal davon aus, dass diese besondere Situation dazu beitrug, das Sanders mit der Journalistin etwas überraschend die Nacht verbrachte. Vielleicht aber auch Berechnung.
Nachts entdeckt er durchs Fenster ein seltsames Schauspiel am Sternenhimmel (Peret weist ihn darauf hin), ob dies irgendeine Bedeutung hat, darüber kann man nun erst einmal spekulieren.
Jetzt bin ich gespannt, ob und wie Sanders seinen Weg nach Mont Royal findet.

Ich bin sicher, dass diese Farben etwas zu bedeuten haben, nur was? 

Da habe ich mir auch Gedanken drum gemacht, es ist ja nicht unbedingt sehr aufdringlich von Ballard beschrieben, dennoch hat man das Gefühl, es handelt sich um etwas Entscheidendes. Das ist sehr geschickt gemacht, unterschwellig, und doch so, dass der Leser es bemerkt.

Bearbeitet von Dave, 07 April 2006 - 18:47.


#15 Henrik Fisch

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Geschrieben 10 April 2006 - 10:58

Nachts entdeckt er durchs Fenster ein seltsames Schauspiel am Sternenhimmel (Peret weist ihn darauf hin), ob dies irgendeine Bedeutung hat, darüber kann man nun erst einmal spekulieren.

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Stimmt, da war ja was!

Bis dennen,
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#16 Sullivan

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Geschrieben 10 April 2006 - 12:48

Dass sich Sanders so schnell mit der Französin "anfreundet", hat mich ein bisschen gewundert. Kann man aber auf die Umstände schieben und es sei ihm gegönnt. <_<Die Schießerei im Hafen war merkwürdig, mich hat der ganze Hintergrund mit der Diamentenschmuggelei etwas verwirrt. Läuft es so in Afrika? Was von den Mienen "verschwindet" wird auf den Schwarzmärkten verkauft?Spannend dagegen war die Leiche im Wasser, da deutet sich einiges an. Sullivan

#17 Holger

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Geschrieben 10 April 2006 - 13:25

Viel kann ich euren Bemerkungen nicht hinzufügen. Auch mich fesselt Ballards schnörkelloser Stil, die dichte Stimmung die und starken Kontraste. (Eine Anmerkung zu Ballards raffinierten Bildern und Farbenspielen (schwarz/weiß, hell/dunkel): immer wieder wird auf den knochigen Schädel Ventress' hingewiesen!)Ich bin nun im fünften Kapitel und maßgeblich wird für mich die Stimmung durch die Tatsache getragen, dass die Geschichte völlig ohne zeitlichen Bezug erzählt wird. In Kapitel vier taucht plötzlich ein Helikopter auf, was mich zunächst richtig verwirrte...Mal eine ganz dümmliche Frage: Lepra ist eine bakterielle Infektion, die eigentlich nur durch intensiven Kontakt mit infektiösen Personen übertragen werden kann. Bedeutet diese Tatsache, dass ein Lepra-Arzt über kurz oder lang auch angesteckt wird? Wie ist die Spiegel-Szene zu deuten? Zeigt Sanders erste Symptome oder sind die Veränderungen in seinem Gesicht alters- bzw. stressbedingt?Noch etwas: Erinnert sich wer an Ian McDonadls "Chaga"? Das Handlungsgerüst ist recht ähnlich. Genauergesagt erkenne ich nun Ballards Handschrift hinter der Idee des Chaga.GrüßeHolger
"Rezensionen: eine Art von Kinderkrankheit, die die neugeborenen Bücher befällt."
(Georg Christoph Lichtenberg)

#18 Henrik Fisch

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Geschrieben 10 April 2006 - 13:38

Ich bin nun im fünften Kapitel und maßgeblich wird für mich die Stimmung durch die Tatsache getragen, dass die Geschichte völlig ohne zeitlichen Bezug erzählt wird. In Kapitel vier taucht plötzlich ein Helikopter auf, was mich zunächst richtig verwirrte...

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Wie meinst Du das? Ich selber habe an einen eventuellen zeitlichen Bezug beim Lesen nicht gedacht. Für mich war das beschriebene dunkle Ambiente verbunden mit den strahlenden Kristallen ausschlaggebend. Ich hatte beim Lesen so etwas im Hinterkopf, als wenn die Kristalle das Licht buchstäblich aufsaugen würden und deshalb ansonsten alles dunkel erscheint.

Mal eine ganz dümmliche Frage: Lepra ist eine bakterielle Infektion, die eigentlich nur durch intensiven Kontakt mit infektiösen Personen übertragen werden kann. Bedeutet diese Tatsache, dass ein Lepra-Arzt über kurz oder lang auch angesteckt wird? †¦

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So ähnlich stelle ich persönlich mir das vor †¦ je nach Vorsicht des Behandelnden.

An anderer Stelle des Buches wird von kristallinen Wucherungen der Krankheit gesprochen. Das fand ich im Zusammenhang mit dem Thema des Buches sehr interessant.

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#19 Holger

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Geschrieben 10 April 2006 - 14:16

Wie meinst Du das? Ich selber habe an einen eventuellen zeitlichen Bezug beim Lesen nicht gedacht.

Ich meine, dass ich keine Ahnung habe, wann die Geschichte spielt. In den 60ern? Früher oder etwa viel später? Ich nehme an, Ballard macht darüber bewußt keine Angaben, um eine geheimnisvolle Stimmung aufzubauen. Und bei mir klappt es vorzüglich: Sanders wandelt für mich in einem unheimlichen Niemandsland, von dem ich keine Vorstellung habe, wo genau es liegt, wann genau das alles passiert, etc.

An anderer Stelle des Buches wird von kristallinen Wucherungen der Krankheit gesprochen. Das fand ich im Zusammenhang mit dem Thema des Buches sehr interessant.

Ja, das passt schon ganz gut. Wenn schon nicht fachlich, dann doch metaphorisch. Ich bin auf jeden Fall sehr gespannt, wie es weitergeht. Wie siehts denn so aus mit eurer Sympathie bezüglich Sanders? Grüße Holger
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#20 Rusch

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Geschrieben 10 April 2006 - 15:23

Ich habe gegenüber Sanders verhaltene Sympathie. Das ist halt einer der Romane, in denen eigentlich nicht der Protagonist, sondern die veränderte Welt im Mittelpunkt steht. Überhaupt erinnert mich der Roman von der Stimmung her an "Picknick am Wegesrand." Dieses Gefühl des Menschen in einer total entfremdeten Welt kommt super rüber.

#21 Sullivan

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Geschrieben 10 April 2006 - 16:17

Hallo Holger,

in der Spiegel Szene sehe ich noch keine Anzeichen von Lepra. Sanders ist dagegen sehr ehrlich, er hatte vor 8 Jahren andere Pläne und ist mehr oder weniger im Krankenhaus hängen geblieben. Aus einer Zwischen- ist wahrscheinlich eine Endstation geworden und er hat keinen Antrieb, diese Situation zu ändern. Ähnlich geht es ihm in seiner Beziehung zu Suzanne (heißt sie bei euch Suzanna???), sie ist zwar Antrieb für ihn aber er schafft es nicht, sie für immer für sich zu gewinnen.

Sympathie wäre jetzt übertrieben, aber Sanders Probleme und sein Leben interessieren mich.

Sullivan

#22 Rusch

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Geschrieben 10 April 2006 - 20:03

Ich habe das erste Kapitel inzwischen auch gelesen. Ich kann mich da Sullivan und Dave nur anschliessen: es ist phantastisch geschrieben. Sanders und der Grund fuer seine Reise werden hervorragend eingefuehrt. Mir ist besonders aufgefallen, dass immer wieder das Licht bzw das Dunkle und Farben erwaehnt werden. Der Fluss und der Dschungel sind dunkel; die Blaetter der Baeume olivfarben. Es herrscht eine Duesternis, obwohl die Sonne scheint. Der Pater ist schwarz gekleidet, Ventress traegt einen weissen Anzug und auch seine Haut erscheint weiss, er hat schwarze Haare. Die Frau im Hotel hat schwarze Haare und traegt einen weissen Hosenanzug (Was wohl eher ungewoehnlich ist, oder? Ich haette khaki erwartet.) Ich glaube, dass die Gesichtfarbe eines der Stadtbewohner auch als olivfarben beschrieben wird. DIe Kleidung von Sanders ist dagegen verwaschen, scheint also eher farblos zu sein. Ich bin sicher, dass diese Farben etwas zu bedeuten haben, nur was? Im Gegensatz dazu scheint der Brief zu stehen, in dem alles voller Licht zu sein scheint. Mal sehen, wie es weitergeht.

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Ich muss sagen, gut erkannt. Mir ist das nicht so aufgefallen, aber später gibt es eine Stelle, in der Ballard ganz besonders noch einmal auf dieses schwarz-weiss eingeht.

#23 Henrik Fisch

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Geschrieben 11 April 2006 - 07:32

Ich kann Rusch nur zustimmen (wie so oft): Nicht Sanders steht im Vordergrund sondern die seltsam wuchernde fortschreitend kristallisierende Umgebung. Sanders selber ist mir eigentlich fast egal; wobei ich sein plötzliches Dahinscheiden wohl nicht befürworten würde, aber eben nur, weil ich mich an ihn als Führer durch die Geschichte gewöhnt habe.Der Vergleich mit "Picknick am Wegesrand" trifft für mich den Nagel auf den Kopf: Eine ähnliche Faszination erfüllt mich beim Lesen auch hier.Bis dennen,Henrik
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#24 Rusch

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Geschrieben 11 April 2006 - 09:01

Ich habe den Roman jetzt durch, aber ich kann die Gesamtbotschaft, die einem solchen Roman zugrunde liegen muss, nicht ganz fassen. Welche Rolle kommt Sanders zu? Wie steht er im Zusammenhang mit dem Kristallwald? Ist das alles eine Plage Gottes? Oder ein Segen? Übrigens absolut irre fand ich die Szene mit dem Mulaten und dem Krokodil. Vor allem, als Ballard später nochmals Sanders zu dieser Szene zurück kommt und die beiden kristallgestalten beschreibt. Oder dann die Szene mit den durch den Wald laufenden Lepra Kranken. Irre.

#25 Morn

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Geschrieben 11 April 2006 - 13:27

Ich habe jetzt erst das zweite Kapitel fertig gelesen. Ich scheine mir da ja etwas zu viel Zeit zu lassen, wie es aussieht (vor allem, wenn man bedenkt, dass am Freitag der PKD-Zirkel startet). Die Stimmung haelt lange an. Ich war sofort wieder gefangen von der Atmosphaere und Ballards Beschreibungen. Sanders macht sich in diesem Kapitel selbst Gedanken ueber das Allgegenwaertige der Gegensaetze von Hell und Dunkel in Port Matarre. Dazu passt auch das Aequinoktium. Sehr gut gefallen hat mir die Erklaerung, warum Louise immer eine Sonnenbrille traegt. Mir ist aufgefallen, dass Sanders, kurz bevor Louise ihn mit sich zieht, Schuhe und Hosen einen Mannes auf der gegenueberliegenden Strassenseite bemerkte. Ich hatte hier den Eindruck, dass Louise ihn von dieser Beobachtung ablenken wollte. Vielleicht hat sie deswegen mit ihm geschlafen? Vielleicht aber auch, weil das ungewoehnliche Licht einem Angst macht und sie nicht allein sein wollte? Ich glaube, dass Louise Sanders am Ende des Kapitels auf das Funkeln der Blaetter und weniger auf den Satelliten aufmerksam machen wollte. Die Aehnlichkeit des Leuchtens der Edelsteinorchidee und des vergluehenden Satelliten laesst aber vielleicht darauf schliessen, dass auch bei den Pflanzen etwas vergluehen koennte. Der erwaehnte Satellit Echo gibt uebrigens auch eine Vorstellung davon, zu welcher Zeit das ganze spielt. Echo 1 wurde 1960 gestartet und vergluehte 1968. Der Roman wurde ja 1966 veroeffentlicht. Damit scheint er in der Gegenwart oder der (damaligen) unmittelbaren Zukunft angesiedelt zu sein.

#26 Holger

Holger

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Geschrieben 11 April 2006 - 13:54

Der erwaehnte Satellit Echo gibt uebrigens auch eine Vorstellung davon, zu welcher Zeit das ganze spielt. Echo 1 wurde 1960 gestartet und vergluehte 1968. Der Roman wurde ja 1966 veroeffentlicht. Damit scheint er in der Gegenwart oder der (damaligen) unmittelbaren Zukunft angesiedelt zu sein.

Wurde der Satellit namentlich erwähnt? Muss mal nachblättern. Ansonsten ein guter Hinweis! Ich bin jetzt schon recht weit in der Mitte des zweiten Abschnitts etwa. Abgesehen von dem brillianten Inhalt der Geschichte (dazu später mehr) stört mich an der PE-Neuübersetzung von Joachim Körber formal der Gebrauch des Wortes "Neger" (ählich: "Eingebohrene", "Mulatte"). Ich weiß nicht so recht, aber wenn man schon eine Neuübersetzung in Auftrag gibt, dann könnte man doch Wörter, die so nicht mehr im Sprachgebrauch sind (/sein sollten - auch wenn für die 60er üblich) vielleicht austauschen. Oder? Holger (eigentlich sonst nicht päpstlicher als der Papst)
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#27 Henrik Fisch

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Geschrieben 11 April 2006 - 15:02

Ich weiß nicht so recht, aber wenn man schon eine Neuübersetzung in Auftrag gibt, dann könnte man doch Wörter, die so nicht mehr im Sprachgebrauch sind (/sein sollten - auch wenn für die 60er üblich) vielleicht austauschen. Oder?

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Gibt aber wiederum einen guten Hinweis auf die Zeit, in der das Ganze spielt. Und da sollte man meiner Meinung nach auch in dem Sprachgebrauch bleiben. So wird damals wohl auch niemand von Computer, sondern eher von "Röhrenrechner" oder "Elektronenrechner" gesprochen haben. Mich stört der Begriff "Neger" mit Blick auf das Erscheinungsdatum des Buches nicht, und schon gar nicht bei Belletristik.

Bis dennen,
Henrik
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#28 Dave

Dave

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Geschrieben 11 April 2006 - 18:25

Spannend dagegen war die Leiche im Wasser, da deutet sich einiges an.

Ja, wobei ich mich darüber wunderte, dass man diese seltsame Veränderung am Körper nicht ein wenig diskutiert hat. Auch wenn für Sanders der Anblick von Krankheit und Tod nicht fremd sein dürfte, war mir die Szene ein wenig zu beiläufig.

In Kapitel vier taucht plötzlich ein Helikopter auf, was mich zunächst richtig verwirrte...

Bei mir war es das Schnellboot, das auf mich etwas befremdlich wirkte. Am Anfang hatte sich ja schon fast ein Mark Twain Gefühl eingestellt und ich hätte auf Jahrzehnte früher getippt.

Noch etwas: Erinnert sich wer an Ian McDonadls "Chaga"? Das Handlungsgerüst ist recht ähnlich. Genauergesagt erkenne ich nun Ballards Handschrift hinter der Idee des Chaga.

Stimmt wirklich, und von Chaga war ich damals auch sehr begeistert. Nur die Fortsetzung gefiel mir nicht mehr.
Ein bisschen erinnert es auch an Darwinia, obwohl ich mit dem Buch gar nichts anfangen konnte.

Abgesehen von dem brillianten Inhalt der Geschichte (dazu später mehr) stört mich an der PE-Neuübersetzung von Joachim Körber formal der Gebrauch des Wortes "Neger" (ählich: "Eingebohrene", "Mulatte").

Das Wort Neger ist mir gar nicht aufgefallen, vielleicht hat es mich einfach nicht gestört. Das eigentliche Schimpfwort ist ja eine kleine Variation.
Ansonsten finde ich die Übersetzung wirklich klasse, sie liest sich einfach wunderbar.

Bearbeitet von Dave, 11 April 2006 - 18:41.


#29 Sullivan

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Geschrieben 12 April 2006 - 20:56

So, zwei Drittel sind vobei. Der Einstieg in den 2. Teil war grandios, die "Kristallisierung" als kosmisches Phänomen macht aus der afrikanischen Busch Story eine echte SF Geschichte. Raum und Zeit als 2 Aspekte, die zusammengehörten, geteilt wurden und jetzt wieder eins werden. Time with the Midas touch, das gefällt mir.

Der ganze Hintergrund mit den Minen, den Schmugglern und dem Militär ist immer noch nicht ganz mein Ding, bleibt glücklicherweise aber eher im Hintergrund. Einen guten Seitenhieb gibt es auf unsere Gesellschaft: die Everglades in Florida kristallisieren und keinen interessiert es, jeder denkt dass es ihn nicht treffen wird. Ich würde auch so denken, man fühlt sich unantastbar wenn Ereignisse weit weg passieren und schwer erklärbar sind.

Womit ich im Moment immer noch nichts anfangen kann, ist der Vergleich mit Lepra. Ballard hat bekanntlich Medizin studiert (wenn auch ohne eine Prüfung abzulegen), so dass er uns da ein Stück voraus ist. Mir kommen die Eigenschaften des Erregers etwas merkwürdig vor: "semianimate, crystalline existence, half-in and half-out of our own time-stream" (Abschnitt 7).

Der Vergleich mit Picknick am Wegesrand ist gut, nur dass es hier mehr ist als eine bloße "Episode" mit lokalem Einfluss.

"Neger" hätte man tatsächlich anpassen sollen, das Wort ist heutzutage nicht mehr politisch korrekt, darauf weist sogar das Oxford English Dictionary hin.

Sullivan

Bearbeitet von Sullivan, 12 April 2006 - 22:05.


#30 Rusch

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Geschrieben 12 April 2006 - 22:29

Lepra war und ist ein eher mystische Krankheit. Sie findet schon Erwähnung in der Bibel und so manch anderer Autor hat auf diese Krankheit, die Körper und Geist zu trennen scheint (der Geist spürt den Verfall nicht) in Romanen behandelt. Eines der bekanntesten Beispiele dürfte wohl Donaldsons "Thomas Covenant" sein. Der Protagonist selbst ist Lepra krank und leidet darunter.


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