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J. G. Ballard: Kristallwelt


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56 Antworten in diesem Thema

#31 Henrik Fisch

Henrik Fisch

    Soeinnaut

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Geschrieben 13 April 2006 - 07:51

Ich sag's mal so: Ich sch**** auf politische Korrektheit! Wir haben hier Belletristik vor der Nase, eventuell sogar Kunst. Und da ist politische Korrektheit völlig fehl am Platz.Außerdem, wie gesagt, das Werk ist 40 Jahre alt und da will ich auch die damalige Spracheverhältnisse berücksichtigt wissen; Neuübersetzung hin oder her.Politische Korrektheit ist dazu da, um seinem Gegenüber zu vermitteln, dass er ein Arschloch ist ohne ihm zu sagen, dass er ein Arschloch ist. Das ist nur etwas für Falsche und Spießer.Ist nicht gegen Dich gerichtet sein, Sullivan, sondern nur meine innere Überzeugung. :)Bis dennen,Henrik

Bearbeitet von Henrik Fisch, 13 April 2006 - 07:52.

Gerade fertig gelesen
Gregory Benford, Larry Niven, "Himmelsjäger"
Gerade am Lesen
Gregory Benford, Larry Niven, "Sternenflüge"
Gerade gesehen
Serie "Mad Men"

#32 Dave

Dave

    Hamannaut

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Geschrieben 13 April 2006 - 11:25

Gestern wollte ich mich schon beschweren, weil Sanders im ersten Teil an keiner Stelle über die Ereignisse reflektiert. Er ist mehr der nüchterne Beobachter, ergreift nicht wirklich Partei sondern nimmt nur auf.
Ich habe jetzt das erste Kapitel im zweiten Teil gelesen, und hier bekommt man endlich einmal die Gedanken Sanders in Form eines Briefes zu lesen. Das ist ein gut platzierter Bruch, diese nüchterne kosmologische Sichtweise und das Philosophieren über Zeit und Materie. Das ist zwar nur ein kurzer Abstecher, aber kam mir sehr modern und gar nicht angestaubt vor. Sehr anspruchsvoll und interessant geschrieben, davon wünschte ich mehr in SF-Romanen.
Aber dann geht es weiter in der Geschichte, denn in einer Schrecksekunde dachte ich schon, ich hätte die Poente verpasst.
Es gibt ja auch einen kleinen Wink durch die Andeutung der seltsamen Eigenschaften, die ein Virus besitzt.
Aber als die Geschichte nun weiterging, stellte sich heraus, dass die eigentümlichen Gedanken um den Kristallwald eigentlich von Ventress ausgehen. Auch was die ominöse Figur Thorensen angeht. Zum zweiten Mal gerät Sanders in eine bedrohliche Situation, die eigentlich auf Ventress abzielt. Wobei ich mich frage, warum Sanders nicht entschieden auf Distanz geht.

Nun bin ich auch auf den 'Neger' gestoßen, gut, so wirklich wohl fühle ich mich auch nicht unbedingt mit der Bezeichnung.
Die Begegnung war aber toll geschildert, wie Sanders nämlich in dem verlassenen Haus die ganzen Lichtbrechungen betrachtet und er sich mehrfach spiegelt in den Kristallen, wobei eine Figur ein wenig anders aussah als die anderen.

Lebra habe ich bislang nicht in Bezug zu kristallinen Prozessen gesehen, auch wenn Sanders an einer Stelle eine Parallele beschreibt.
Nicht ganz einordnen konnte ich den Frost, der einige Male beschrieben wurde. Vor der Kristallbildung scheint sich so etwas wie ein Raureif auszubreiten.
Interessant fand ich auch, wie sich in befallenen Gebieten Kristalle über den Augen bilden, und man sie sich wie Eiskristalle wegwischen muss

Andeutungsweise zeichnet sich so etwas wie 'eingefrorene Zeit' zu Beginn des zweiten Teil an. Sehr spannend.

#33 Holger

Holger

    Temponaut

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Geschrieben 13 April 2006 - 13:46

Hi Henrik. Eine kraftvolle Antwort hast Du da für Sullivan parat! :) Das letzte was ich mit meiner Bemerkung bezweckt habe, war eine Spießer-Debatte vom Zaun zu brechen. Die Verwendung von "Neger" und "Eingebohrene" ist mir nur einfach störend aufgefallen, so etwa wie der Prinzessin die Erbse unter ihrem Laken. Mich würde nun sehr der Orginalwortlaut bei Ballard interessieren. Negro? Black Man? Neger ist auf jeden Fall ein Wort hinter dem man ein [abschätzig] im Wörterbuch findet.

Wir haben hier Belletristik vor der Nase, eventuell sogar Kunst. Und da ist politische Korrektheit völlig fehl am Platz.

Korrekt. Dann nämlich, wenn man die Einstellung eines Protagonisten verdeutlichen will. (A sagt immer Neger. Das zeigt uns, dass er eine bestimmte Tendenz hat ... blah!) Aber in diesem Fall geht es um den übergeordneten Erzähler, der den Leser unvoreingenommen durch die Geschichte führt. Vielleicht war es '66 als Europäer oder Amerikaner okay, jeden Einheimischen außerhalb der westlichen Hemisphäre als "Eingebohrenen" und jeden dunkelhäutigen Menschen als "Neger" zu titulieren. Aber heute ist das eben nicht mehr so. Wenn Körber dem Flair des Originals huldigen wollte: In Ordnung. Anderfals bleibt dieser Aspekt für mich die Erbse. :fun:
"Rezensionen: eine Art von Kinderkrankheit, die die neugeborenen Bücher befällt."
(Georg Christoph Lichtenberg)

#34 Sullivan

Sullivan

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Geschrieben 13 April 2006 - 13:54

Im Original heißt es Negro. Deine Ansicht ist akzeptiert, Henrik, trotzdem hätte ich nichts gegen eine Modernisierung.

Sullivan

#35 Rusch

Rusch

    Phantastonaut

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Geschrieben 13 April 2006 - 14:55

Bleibt die Frage, wie man nun jemanden nennen soll, der eine Nicht-weisse Hautfarbe hat. Farbiger soll man ja auch nicht sagen. Und auch Schwarzer oder Mohr scheinen unpassend...

#36 Dave

Dave

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Geschrieben 13 April 2006 - 17:52

Das ist wirklich schwierig. Mir hat einmal ein 'Farbiger' erzählt, dass er nichts gegen die Bezeichnung 'Neger' hat. Ich denke aber, das Kinder heute schon gar nicht mehr mit diesem Begriff aufwachsen.
Wirklich Probleme gibt es doch mit dem Wort 'Nigger', da fällt mir immer spontan Bruce Willis mit dem Pappschild ein.

Die 'Farbigen' sprechen von sich selbst ja auch als 'Black People'.
Aber vielleicht gilt dann: Wenn wir es von uns sagen, dann hat es seinen Anstand, bei dir ist es eine Beleidigung.

:)

#37 DonPippo

DonPippo

    Yoginaut

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Geschrieben 13 April 2006 - 19:29

Obwohl ich das Buch nicht lese, möchte ich zu dem kleinen Off-Topic Ausflug auch was beitragen. Ist es überhaupt von Bedeutung direkten Bezug auf die Hautfarbe zu nehmen? Ändert sich etwas Wesentliches, wenn man diese verschweigt? Bzw. wird diese nicht aufgrund des Ortes des Geschehens ersichtlich? Schließlich wird in anderen Romanen auch nicht von "Weißen" gesprochen.Just my 2Cents!

#38 Rusch

Rusch

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Geschrieben 15 April 2006 - 10:19

Mein Schlussfazit: Ein Roman wie "Picknick am Wegesrand". Mehr gibt es eigentlich nicht zu sagen. Aber wer meine ganze Rezi lesen möchte: Rezension zu "Kristallwelt"

#39 Holger

Holger

    Temponaut

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Geschrieben 18 April 2006 - 19:44

Nanu, ist der Thread schon eingeschlafen?Wie weit sind die anderen?Ich habe den Roman jetzt durch. Allerdings muss ich noch ein wenig über das Gelesene reflektieren, bevor ich etwas dazu schreiben kann... :unsure: GrüßeHolger
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#40 Sullivan

Sullivan

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Geschrieben 18 April 2006 - 20:04

Ich hänge noch kurz vorm Schluss fest. Der Gesamteindruck ist unverändert, allerdings schafft es der Roman nicht, mich emotional an sich zu binden. Ich finde es etwas merkwürdig, dass Sanders seiner Geliebten so offensichtlich nachstellt, obwohl ihr Mann in der Nähe ist. Sehr überraschend kam dagegen die Einsicht, dass er sie mit Lepra angesteckt hat?! Sullivan

#41 Holger

Holger

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Geschrieben 18 April 2006 - 20:42

Sehr überraschend kam dagegen die Einsicht, dass er sie mit Lepra angesteckt hat?!

Das ist wohl der Dreh- und Angelpunkt bei der Beurteilung der persönlichen Verhältnisse in "Kristallwelt". Also ist Sanders doch infiziert. Und damit hat er auch Louise der Gefahr einer Ansteckung ausgesetzt. Oder weiß diese auch bescheid und nimmt eine Infektion billigend in Kauf? Wie war das in diesem Zusammenhang nocheinmal mit Ventress bei der Verteilung der Kabinen?
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#42 Dave

Dave

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Geschrieben 18 April 2006 - 20:48

Ich bin seit ein paar Tagen durch und sehr angetan von dem Roman, wobei ich bei den Klassikern ansonsten immer ein wenig Probleme habe. Vielleicht ist es gerade der Umstand, dass es eben kein typischer SF-Roman ist und auch von der Schreibe der damaligen Science Fiction weit entfernt ist.

Die spannendste Figur war für mich Ventress, denn diese Figur bekam noch viel Tiefgang, auch wenn es leider nicht ausführlicher geschildert wurde.

Sehr überraschend kam dagegen die Einsicht, dass er sie mit Lepra angesteckt hat?!

Darüber habe ich mich auch gewundert, denn ich war der festen Überzeugung, dass Sanders mit der Überlegung ihrer Krankheit auf der falschen Spur war. Vielleicht sollte der Leser auch ein wenig auf die falsche Fährte gelockt werden.

Es gibt bestimmt noch etwas zu plaudern, was den Schluss angeht.

#43 Sullivan

Sullivan

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Geschrieben 20 April 2006 - 07:58

Und durch!

Die wilde Schießerei im Busch zum Schluss war nicht meine Sache. Überhaupt werde ich aus der Sache mit Ventress und Thorensen nicht schlau. Dieser Kleinkrieg mit Waffen, nein... :rofl1:

Der nächste Punkt wäre Lepra. Anscheinend steckt man sich erst nach langem Kontakt an. Deshalb wäre es möglich, dass Suzanne sich durch ihre Arbeit im Hospital angesteckt hat und nicht direkt von Sanders (der mit Sicherheit auch infiziert ist, oder?).

Für mich ist relativ klar, dass Sanders' Hauptmotivation für die Reise nicht allein die Affäre war, sondern dass er sichergehen möchte, dass Suzanne in guter Betreuung ist. Am liebsten würde er sich persönlich um sie kümmern In Port Matarre hat er sie unter seiner Beobachtung gehabt, jetzt ist sie unter der Obhut von Max, der aber den zerstörerischen Einfluss des Waldes nicht versteht. Eine ganz ähnliche Beziehung führen übrigens Thorensen und Serena!

Und schon sind wir beim nächsten Thema, dem Kristallwald. Nach dem begeisternden Ausflug zu Beginn des 2. Teils, hat mich Ballard zum Ende hin nicht mehr überzeugt. Während der Kristallisierung verändert sich wohl das persönliche Zeitgefühl, man ist wieder eins mit "Raum und Zeit", unvergänglich. Dass davon die Kranken und Alten angezogen werden, ist verständlich. Wieso ein juwelen-besetztes Kreuz der heilige Gral ist, habe ich nicht verstanden. :(

Insgesamt gebe ich dem Roman 4/7 Punkten (-> 5/9 ). Es gibt gute Ideen, aber das Setting macht vieles wieder kaputt bzw. überzeugt mich nicht wirklich.

Sullivan

#44 Dave

Dave

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Geschrieben 20 April 2006 - 10:45

Die Schießerei hat mich auch nicht so begeistert, obwohl gegen die Schilderung an sich nichts einzuwenden ist. Absonderlich wäre es vielleicht, wenn die Dinge nicht aus dem Ruder laufen würden.
Irgendwie hatte man es doch aber im Gefühl, dass es keine wirkliche Aufklärung geben würde. Bei den Chronolithen (R.C. Wilson) hat mich das aber deutlich mehr gestört, hier fand ich die Stimmung einfach viel besser eingefangen.
Es hieß ja auch an einer Stelle, man würde es als eine Laune der Natur ansehen. Einzig Ventress hat ja viel mehr in dem Phänomen gesehen, wobei er auch derjenige war, der geistig nicht so ganz auf dem Posten war.

Bemerkenswert fand ich die Szene mit dem Captain der Armee Radek. Schließlich war es nur eine Frage der Zeit, wann es den ersten Menschen geben würde, der völlig von den Kristallen eingeschlossen wurde. Und das spätere Auftauchen war dann schon ein ziemlich unheimlicher Moment.

An einer Stelle heißt es dann etwas nebulös, innerhalb des Kristalls würde die Zeit stehen bleiben und es gab diese Parallele zur Architektur und Kunst. Das fand ich ganz interessant, weil man das ganz gut nachempfinden kann. Wenn man sich Gemälde ansieht, oder sich in Gemäuern aufhält, die Jahrhunderte überdauerten, dann gibt es auch diese besondere Magie. Zum einen der Umstand, dass man im Gegensatz zu den Künstlern, Architekten und Zeitzeugen dies noch bewusst erleben kann, aber anderseits dann auch die etwas unheimliche Tatsache, dass diese Dinge noch Bestand haben werden, wenn man selbst schon zu Staub zerfallen sein wird.

Es ist ja wohl auch kein Zufall, dass es am Ende noch diesen deutlich religiösen Anstrich gegeben hat. Die theatralischen Orgelklänge und das Kreuzsymbol, das einem Kind vor dem kristallinen Befall beschützt. Wobei allerdings dennoch der Eindruck erweckt wird, die Welt würde zunehmend von den Kristallen überzogen werden, ganz so, als könnten die Glaubenssymbole nichts ausrichten.

(der mit Sicherheit auch infiziert ist, oder?).

Ja, es gab da den Moment, in dem Sanders Suzanna gegenüber erwähnt, er trüge die Krankheit auch in sich. Anscheinend war sie aber noch nicht nach außen sichtbar. Wenn er sie also infiziert hat, muss man wohl davon ausgehen, dass die Krankheit je nach individuellen Eigenschaften unterschiedlich voranschreitet.

#45 Holger

Holger

    Temponaut

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Geschrieben 20 April 2006 - 11:19

Wieso ein juwelen-besetztes Kreuz der heilige Gral ist, habe ich nicht verstanden.

Das ist auch mir nach wie vor unklar. Warum braucht Serena Edelsteine und warum imunisiert ein juwelenverkleideter Gegenstand gegen die Kristallisierung?

Ich möchte das nochmal nachlesen, aber vielleicht kann es jemand vorweg nehmen: in welchem Zusammenhang stehen nun die kosmischen Ereignisse, die Sanders in seinem Brief (Anfang Abschnitt 2) andeutet zu den sich ausbreitenden Kristalllandschaften?

@Dave: die Szene mit dem "verletzten" Radek, der in den Wald zurück will empfand ich auch als eine der stärksten im Buch.

Nachträglich betrachtet verwundert mich allerdings die Ignoranz von Max. Wie kann er die Absichten bzw. Empfindungen seiner Frau so missverstehen?
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(Georg Christoph Lichtenberg)

#46 Sullivan

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Geschrieben 20 April 2006 - 14:55

Ich möchte das nochmal nachlesen, aber vielleicht kann es jemand vorweg nehmen: in welchem Zusammenhang stehen nun die kosmischen Ereignisse, die Sanders in seinem Brief (Anfang Abschnitt 2) andeutet zu den sich ausbreitenden Kristalllandschaften?

Sanders meint damit nur, dass das ganze ein Phänomen von kosmischen Ausmaßen und nicht etwa eine lokale Besonderheit ist. Es wäre gar nicht schlecht gewesen, wenn es weitere Ausflüge in diese Richtung gegeben hätte, dafür ist die SF ja da.

Nachträglich betrachtet verwundert mich allerdings die Ignoranz von Max. Wie kann er die Absichten bzw. Empfindungen seiner Frau so missverstehen?

Er versucht das Problem rational zu erfassen - und scheitert. Es gibt keine vernünftige Erklärung, man muss es am eigenen Körper spüren. Sullivan

#47 Kopernikus

Kopernikus

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Geschrieben 21 April 2006 - 08:17

Irgendwie frage ich mich, ob wir das selbe Buch gelesen haben? Ich kann den bisherigen Meinungen in keinem Punkt zustimmen, für mich war dieses Buch der erste richtige Reinfall seit langem im Lesezirkel.

Stichwort Neger:

Für die Beschreibung der Afrikaner in diesem Buch gibt es nur ein Wort: Rassistisch. Alles sind Primitive Neger, bestenfalls "Boys" oder Kanonefutter in irgendwelchen Schiessereien, auf alle Fälle nur Staffage, allenfalls dazu geeignet den europäischen Herren einen Kaffe zu reichen. Vielleicht war das in den sechzigern so üblich, aber mich ekelt sowas an.

SF-Hintergrund:

Ja, ich weiß, das dieses Buch 40 Jahre alt ist, aber ich fand diesen metaphysischen, pseudowissenschaftlichen Kokolores mit den Antimateriegalaxien schlicht und ergreifend lächerlich. Bei Asimov schmunzelt man auch über Lochkarten und Elektronengehirne, aber trotzdem haben die Bücher auch nach 50 jJahren nichts von ihrer Faszination eingebüßt. Warum sich nach 40 Jahren noch jemand hierdran erinnert, ist mir ein Rätsel.

Charakterisierungen:

Solange die hautfarbe stimt, waren die zwar da, aber nicht sonderlich schlüssig oder auch nur Ansatzweise Interessant. Meistens starren sie alle nur auf tolle blinkende Kristalle und reden irgendwelchen esoterischen Mumpitz, sofern sie nicht gerade damit befasst sind, sich gegenseitig zu erschiessen.

Nebenhandlung:

Was zum Henker hatte die Geschichte zwischen Thorensen und Ventress mit der eigentlichen Handlung zu tun? Mal abgesehen davon, das die ganze Geschichte absolut surreal, um nicht zu sagen absurd anmutete, war sie insgesamt nur Füllwerk, um zu verhindern, das aus dem ganzen eine Kurzgeschichte wird.

Religion:

Den "Vogel abgeschossen" hat Ballard dann endgültig, als er dann auch noch eine Christliche Heilsbotschaft unterbringen musste. Aber natürlich nicht subtil in die Geschichte eingeflochten sondern mit der Holzhammermethode dem Leser vor die Stirn geklatscht: Das Juwelen-besetzte Kreuz schwingend rettet sich der Protagonist aus der Gefahr.... Spätestens hier war ich fast soweit, das Buch im nächsten Altpapiercontainer zu versenken.

Ian McDonald: Chaga

Die Ähnlichkeiten zu Chaga wurden ja bereits angesprochen, der Vergleich drängt sich natürlich auf. Die "Chaga/Kirinja"-Duologie habe ich bisher noch nicht gelesen, ich kenne nur die darauf aufbauende Kurzgeschichte "Tendelos Geschichte", die mir um vieles besser Gefallen hat, als dieses Machwerk. Was ich mich allerdings Frage: Kannte MacDonald "Kristallwelt", als er "Chaga" geschrieben hat?

Fazit:

Eine einzige Zeit- und Papierverschwendung, 150 Seiten geballter Langeweile, definitv nicht empfehlenswert, daher auch nur

1/10 Punkten


P.S.

Meine Ausgabe ist Bestandteil eines Sammelbandes vom "Deutschen Bücherbund Stuttgart", ein Erscheinungsdatum der dutschen Ausgabe wird leider nicht angegeben. Ausser "Kristallwelt" sind da noch "1000 Jahre auf der Venus" von György Botond-Bolics" und "Der grosse summende Gott" von Christopher Hodder-Williams drinne. Kennt zufällig jemand die beiden anderen Novellen und mag da ein paar Kommentare zu abgeben?

#48 Holger

Holger

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Geschrieben 21 April 2006 - 08:35

@Kopernikus: Das ist es, was ich am Lesezirkel so liebe: Unterschiedliche Meinungen und Geschmäcker. ;) Ich habe wohl wahrgenommen, dass es ein mächtiges Symbol ist, mit dem Kreuz bewaffnet durch den Wald zu laufen. Mit meinen Scheuklappen habe ich bislang allerdings immer nach einer naturwissenschaftlichen Begründung dafür gesucht, wie die Juwelen auf dem Kreuz seinen Träger gegen die Kristallisierung immunisieren.Ich kann Deine einzelenen Punkte gut nachvollziehen (besonders bezüglich der Afrikaner), allerdings war für mich weniger die Handlung das tragende Element des Buches als vielmehr die dichte Stimmung. Hat die Dich völlig unberühert gelassen?@Henrik:Noch dabei?GrüßeHolger
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#49 Dave

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    Hamannaut

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Geschrieben 21 April 2006 - 13:06

1/10 Punkten

;) :huh: :P

Hallo Kopernikus,

ich muss zugeben, dass dieses Buch in Sachen SF völlig aus dem Rahmen fällt, und ansonsten haben wir ja einen durchaus ähnlichen Geschmack.
Wie soll man es nennen, Gleichnis, Märchen, wie auch immer, es scheint doch nicht für jeden so zu wirken, wie ich es vermutete.

Ich habe das mit dem Rassismus nicht so empfunden, weil er meiner Meinung nach nicht so deutlich vorhanden ist, wie Du es beschreibst. Darüber hinaus wäre es aber seltsam, wenn eben diese Konflikte nicht bestünden (nüchtern betrachtet). Es wäre dann ja ein verzerrtes Bild, denke ich mir.
Anders natürlich, wenn sich hier die rassistische Gesinnung von Ballard wiederspiegeln würde, was man aber erst näher beleuchten müsste.

Der SF-Hintergrund ist ja so nebulös beschrieben, dass man eigentlich gar nicht so richtig darauf eingehen kann. Es geht nur darum, den fest verankerten Blickwinkel (der natürlich nicht die Wirklichkeit darstellt) des Menschen in Bezug auf Materie und Zeit hinter sich zu lassen. Der wahre Unsinn liegt nämlich darin, den menschlichen Wissensstand als Maßstab zu nehmen, da dieser ja bestenfalls ein Staubkörnchen dessen darstellt, was wirklich ist.

Die Sache mit Ventress und Thorensen sehe ich ähnlich in der Hinsicht, als dass ich sie für zu flüchtig geschildert halte. Fast ist es so, als würde einem etwas vorenthalten.

Die Sache mit der Christlichen Heilsbotschaft ist nicht ganz so plump wie Du meinst, glaube ich. Okay, es wird nicht genau gesagt, aber der Kristallwald ist nichts anderes als der christliche Glaube an sich. Das eine kann man mit dem anderen austauschen, so lautet vermutlich die Aussage des Buches.
Und jeder ist in irgendeiner Weise von einem magischen Kristall angezogen, welche Gestalt dieser auch immer annehmen mag.

#50 Dave

Dave

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Geschrieben 21 April 2006 - 20:56

Zum Thema Ballard und Rassismus könnte vielleicht ein Statement zu der Hurricankatastrophe in den Staaten nützlich sein:

Ballard: Ich war schockiert wie jeder andere auch. Aber ich war nicht überrascht, als ich sah, dass die meisten in New Orleans Zurückgelassenen schwarz waren. Amerika gesteht sich seinen abgrundtiefen Rassismus nicht ein, obwohl die Schwarzen noch immer eine gigantische Unterschicht in der amerikanischen Gesellschaft bilden. Es ist kein Wunder, dass es so lange gedauert hat, bis die Nationalgarde mit den Rettungsaktionen begann. Wären die im Dreck steckenden Bürger Weiße gewesen, hätten sich die Helfer mehr beeilt.

Quelle: Die Zeit - Gewalt ohne Ende

#51 James G.B.

James G.B.

    Yoginaut

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Geschrieben 22 April 2006 - 18:35

Schön das es hier mal nen Ballard Lesezirkel gibt,und das das Buch noch gut weg kommt !Ballard ist nämlich kein typischer SF Autor,und das Buch ist eher eine Art Katastrophen Roman !Und basiert auf der Kurzgeschichte " Der Illuminierte Mann" !Die war zuerst ! In den 60 zigern war das Wort Neger eher keinSchimpfwort ( zumindest laut King in der dunkle Turm) !Und Ballard ist kein RASSIST ! Ich hab das Buch schon 2malgelesen, die alte MvS Erstausgabe und die neue EP !Wobei ich erwähnen muss, das es an dieser neuen Übersetzungschon Kritik gab, sie sei misslungen! Mir gefiel das Buch gut,doch Ballard s Stärke sind die Kurzgeschichten nicht die Romane!Kristallwelt gehört zu den dem Zyklus der Vier Katastrophen Romaneder 60ziger von Ballard, um die 4 Elemente Erde,Feuer, Wasserund Luft ! Mir hat " Die Dürre" und " Karneval der Alligatoren"viel besser gefallen ! Ballard hat 2 Jahre Medizin studiert,weshalb in vielen Bücher von ihm Ärzte vorkommen!In Kristallwelt läuft die Zeit aus, friert Fauna und Flora und Menschen in einem Dämmerzustand ein, den einigesogar Willkommen heißen, wie typisch bei Ballard,diese Wolllust in der man sich der Katastrophe ergibt,das kommt im Schluß von "Karneval der A." noch viel besser raus!Es sind die bizarren zwischenmenschlichen Beziehungen,und dieses eher kalte Beobachten , was Ballard aus macht!Entweder man vergöttert Ballard, so wie ich ( oder zumindestmag seine Bücher) oder haßt ihn !

#52 Holger

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Geschrieben 23 April 2006 - 20:48

Hallo James!

Danke für die zahlreichen Infos. Finde ich recht hilfreich.

Entweder man vergöttert Ballard, so wie ich ( oder zumindest
mag seine Bücher) oder haßt ihn !

Das kann ich nun so nicht bestätigen. Ich für meinen Teil habe jetzt einige kürzere Erzählungen und Kristallwelt gelesen und finde Ballard anhand dessen ganz gut.
;)
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#53 Rusch

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Geschrieben 24 April 2006 - 07:29

@Kopernikus:

Das ist es, was ich am Lesezirkel so liebe: Unterschiedliche Meinungen und Geschmäcker.
;)

Ich habe wohl wahrgenommen, dass es ein mächtiges Symbol ist, mit dem Kreuz bewaffnet durch den Wald zu laufen. Mit meinen Scheuklappen habe ich bislang allerdings immer nach einer naturwissenschaftlichen Begründung dafür gesucht, wie die Juwelen auf dem Kreuz seinen Träger gegen die Kristallisierung immunisieren.

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Generell will ich Kopernikus nicht absprechen, dass ihm das Buch nicht gefallen hat. Hey, jedem steht eine eigene Meinung zu. Allerdings finde ich 1 von 10 Punkten recht hart angesichts dessen, dass Ballard sein Handwerk versteht und sehr gut seine Zeilen zu Papier bringt.

1 von 10 Punkten, das ist für mich ein Buch mit schlechtem Druck, eine vollkommen unsinnigen Geschichte, die jegliches Ziel missen läßt, in eine Stil geschrieben wie ein Bauer, der mit seinem Trekker über das Feld hoppelt und eine plumpen Art, die jede Pointe verrät. 1 von 10 Punkten: Das ist eine 5 im Notensystem und ich finde, selbst wenn einem der Roman nicht gefällt, muss man doch Ballard zugestehen, dass er wußte wie man schreibt. Aber gut - ich kann nachvollziehen, dass Du das Buch nicht mochtest. Ich habe auch schon viel gelobt Werke gehasst.

Die Sache mit dem Kreuz ist zweideutig. Zunächst denkt man ja, das Kreuz funktioniert nur, weil das Kreuz mit besonders großen Edelsteinen bestückt war. Tatsächlich wird die Wirkung dann auch schwächer. Späterjedoch heisst es, dass ein Suchtrupp mit Kreuzen sich in die Zone aufgemacht hatte. Ballard lässt dies bewusst offen.

#54 Lemmy

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Geschrieben 24 April 2006 - 11:29

Selbst wenn man mit dem Handlungsverlauf v. "Kristallwelt" überhaupt nichts anfangen kann, schafft es Ballard doch ein unwirkliches Szenario zu schaffen, dessen Bilder dem Leser noch nach längerer Zeit (habe "Kristallwelt" zusammen mit "Der Sturm aus dem Nichts" & "Die Dürre" vor über einem Jahr gelesen) deutlich vor Augen stehen.Ich glaube, daran erkennt man einen guten Roman, deshalb kann ich die 1 Punkt Bewertung auch nicht nachvollziehen.

#55 Dave

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Geschrieben 24 April 2006 - 12:35

Selbst wenn man mit dem Handlungsverlauf v. "Kristallwelt" überhaupt nichts anfangen kann, schafft es Ballard doch ein unwirkliches Szenario zu schaffen, dessen Bilder dem Leser noch nach längerer Zeit (habe "Kristallwelt" zusammen mit "Der Sturm aus dem Nichts" & "Die Dürre" vor über einem Jahr gelesen) deutlich vor Augen stehen.

Auf der anderen Seite wäre es natürlich auch etwas unheimlich, wenn ein Roman bei jedem exakt die gleiche Wirkung hätte.
Aber hier ist es vielleicht so, dass es bei einem Großteil der Leser wirkt, wie ein Ohrwurm in der Musik.

Ich versuche mich z.B. gerade im vierten Anauf bei Egan's Teranesia, worin es um seltsame Mutationen geht, alles sehr wissenschaftlich angegangen. Eigentlich genau meine Kragenweite, aber dennoch lässt mich die Geschichte kalt, sie funktioniert einfach nicht. Wobei ich nicht die geringste Ahnung habe, woran es liegt, eigentlich müsste ich hin und weg sein.
Wahrscheinlich beurteilt man Bücher überwiegend aus dem Bauch heraus, wobei man meist auch genügend Seiten hat, um das Buch für sich positiv oder negativ auszulegen. Der Verstand arbeitet dann krampfhaft daran, das Bauchgefühl in Argumente umzuwandeln.
Könnte ich mir zumindest so vorstellen.

#56 Rusch

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Geschrieben 24 April 2006 - 14:15

Der vierte Versuch? Oh man, ein Autor bekommt bei mir vielleicht eine zweite Chance, aber dann ist Schluss und das Buch geht zu EBay oder Buchticket.

#57 Dave

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Geschrieben 24 April 2006 - 15:10

Das liegt wohl daran, dass ich ein paar andere Bücher von Greg Egan sehr mag und mehrfach gelesen habe, aber mit dem einen will es einfach klappen. Jetzt will ich es aber endlich mal bis zum Ende schaffen und dann kann es in Frieden ruhen...

;)

Stutzig hat mich der Klappentext zu Kristallwelt gemacht, wo von halluzinatorischen Drogenbildern und einer surrealistischen Atmosphäre die Rede ist. Darunter stelle ich mir etwas ganz anderes vor, ich finde den Roman eher klar und durchdacht, nicht so als würde hier jemand seine Visionen zu Papier bringen. Zumindest vordergründig würde ich das so sehen.
Es ist ja nicht wie bei dem ein paar Jahre früher erschienenen Naked Lunch, das eben dadurch fasziniert, weil Burroughs völlig zugedröhnt war beim Schreiben. Da trifft die obige Beschreibung viel eher zu.


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