Hier nun meine Rezension:
Sergej Lukianenko
Spektrum
(Spektr)
Martin Dugin lebt in einer nicht allzu weit entfernten Zukunft in Moskau. Was Martin jedoch besonders macht, ist nicht bloß sein nichtrussischer Vorname, sondern seine Fähigkeit, Geschichten zu erzählen. Denn damit verdient er sein Zubrot als Privatdetektiv der Galaxis.
†¦Irgendwann tauchten sogenannte Stationen auf. Eine Flotte von Außerirdischen, die sich „Schließer“ nennen, durchdringt den Weltraum auf der Suche nach Planeten - und baut überall Teleportstationen. Dafür geben sie den Planeten Reichtum und Wohlstand - doch stellen sie dafür auch Bedingungen. Jeder kann die Stationen benutzen, um sich auf einen Planeten seiner Wahl zu begeben - wenn er die Prüfung der Schließer besteht. Diese heißt, vor jeder Reise eine originelle Geschichte zu erzählen, die dem Schließer gefällt - doch jede Geschichte kann nur einmal erzählt werden. Manche, die in fremde Welten voller Hoffnung aufgebrochen haben, kommen nie zurück, weil sie keine zweite Geschichte erzählen können - doch Martin ist sehr gut in Geschichtenerzählen†¦
Eines Tages bekommt er Besuch von einem angesehenen Geschäftsmann, dessen siebzehnjährige Tochter Irina von Zuhause ausgerissen ist und sich auf die Reise auf einen anderen Planeten begeben hat. Martin bricht zum Planeten „Bibliothek“ auf, wo er Irina findet - doch dann stirbt sie einen mysteriösen Unfalltod. Bevor sie stirbt, schafft sie jedoch, Martin den Namen des nächsten Planeten zu übermitteln, wo er nach Hinweisen suchen soll. Als er auf der nächsten Welt, „Prärie-2“, ankommt, macht er eine seltsame Entdeckung: Irina scheint noch immer am Leben zu sein†¦
Rezension
„Spektrum“ ist eine spannende Science-Fiction-Geschichte mit sieben Prologen und einem Epilog, die ihren Titel den sieben Farben des Regebogens schuldet. Und das Motiv der Farben zieht sich durch die Geschichte durch. Das Buch ist in sieben Teilen aufgebaut, die alle den Namen der jeweiligen Regenbogenfarbe tragen: Rot, Orange, Gelb, etc. Die Farbgebung der sieben Welten, die Martin besucht, spiegelt sich ebenfalls in den jeweiligen Farben des Spektrums wieder. Auch der Untertitel der russischen Version - „Jeder Jäger wünscht zu wissen†¦“ ist eine russischsprachige Eselsbrücke, um sich alle Farben in der richtigen Reihenfolge zu merken (buchstäblich übersetzt, „Jeder Jäger wünscht zu wissen, wo die Fasane sitzt“). Dieser Kinderreim wird auch gegen Ende des Buchs aufgegriffen, und auch die sprichwörtliche Fasane darf nicht fehlen.
Apropos Fasane. „Spektrum“, auch wenn es ein klassischer SciFi-Quest ist (sprich: „Geh auf eine Mission, krieg das Mädchen, rette die Galaxis und wachse über dich hinaus“), hat dennoch einige interessante Elemente. Nicht zuletzt ist es Humor, der vor allem in den sieben Prologen zur Geltung kommt - denn diese widmen sich recht ausgiebig den leiblichen Genüssen und erzählen, wie man das eine oder das andere Gericht richtig zuzubereiten hat. Denn Martin Dugin, wie auch sein Erschaffer Sergej Lukianenko, verstehen sich aufs Kochen. Und so köstlich wie jenen Gerichte wie etwa eine gebratene Fasane, russische Pelmeni oder chinesische Ente beschrieben werden, umso heiterer wird die Laune beim Lesen. Das Auge isst ja schließlich auch mit.
Humor verbirgt sich auch im Lukianenko-typischen Zitieren und postmodernen Witzen, die er in den Roman, wie gewohnt, einbaut. Es gibt mehrere Anspielungen auf andere phantastische Werke wie „Herr der Ringe“ von J.R.R. Tolkien und „Picknick am Wegesrand“ von A. und B. Strugazki, sogar „Simpsons“ werden mit einer Erwähnung bedacht. Angenehm, wenn der Autor Dinge zitiert, die man als Leser selbst mag.
Ein weiterer hervorzuhebender Aspekt des Romans sind die Geschichten, die Martin Dugin den Schließern, den Bewachern der intergalaktischen Teleportstationen, erzählt, die die Entwicklung des Charakters von Martin anschaulich demonstrieren. Je weiter er in seiner Suche vordringt, umso selbstreflektiver und erkenntnisreicher werden jene Geschichten. Dass der Held über sich wachsen muss, ist nicht bloß Gesetz des Genres, sondern ausdrückliche Bedingung in diesem Buch. Denn die Galaxis ist kurz davor, ins Verderben zu stürzen, und die sieben Welten, die Martin auf der Suche nach Irina zu besuchen hat, haben, egal wie unterschiedlich sie sind, etwas gemeinsam. Und am Ende steht das Schicksal der Galaxis auf dem Spiel.
Wo wir auch schon bei Kritik angekommen wären. Denn es geht mal wieder darum, die Welt zu retten - vielleicht diktiert das Genre so etwas ja, aber originell ist es nicht. Auch Allmächtigkeit, ein Aspekt des Finales, haut niemand wirklich vom Hocker. Und so ist die Auflösung des Buchs zwar intelligent gemacht, dennoch etwas sekundär, wenn man von den interessanten Plotdrehungen wie dem Schließer-Konzept absieht.
Ein weiterer Kritikpunkt ist fast schon auch wieder Lukianenko-typisch: gegen Ende taucht unerwartet ein Bösewicht auf, der von nirgendwoher zu kommen scheint. Solch billige Tricks sind eigentlich nicht der gute Stil, einen Bösewicht zwecks Spannungssteigerung ruckzuck aus der Mottenkiste zu holen. Doch andererseits - die Quests sind eigentlich eh alle gleich aufgebaut, und es geht eher um das Drumherum, das fesselnd ist, um die Atmosphäre, das „Setup“ der Geschichte - und da hat Spektrum viele Stärken zu bieten. Interessant ist es, von Moskau zu lesen, die mal ausnahmsweise wohlhabend ist - und zwar für alle, von Rentner bis zu Geschäftsmann. Nur die FSB (ex-KGB) muss so leben, wie anno in der UdSSR - obwohl jener Geheimdienst nach wie vor eine große Rolle spielt. Auch die Charaktere sind sympathisch - Martin selbst, das Mädchen Irina, Martins Freund EffEff vom Planeten Dao-Dao, selbst Martins FSB-Kurator ist ein Charakter und nicht bloß eine Schablone.
„Spektrum“ ist eine spannende Weltraumgeschichte über sieben Reisen in sich selbst, mit viel Humor und Köstlichkeit geschrieben und hervorragend ins Deutsche übersetzt. Die Kritikpunkte an der Story sind eigentlich für das ganze SciFi-Genre inhärent und tun dem Lesegenuss keinen Abbruch. Wenn der Bösewicht früher eingeführt worden wäre, wäre das Ende möglicherweise nicht so ein Kuddelmuddel gewesen - dadurch wird das Buch aber auch nicht schlechter. Eine klare Empfehlung für jene, die noch nicht wissen, dass Lukianenko nicht nur Fantasy, sondern auch SciFi schreibt. Und für alle anderen auch.
Urteil: Spannende und köstliche SciFi-Unterhaltung in sieben Gängen, mit reichlich philosophischen Untertönen zubereitet und mit Humor garniert.
Originalquelle:
ImZwielicht.de
Bearbeitet von TheHutt, 22 August 2007 - 08:13.