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VISIONEN 3/2006 - Plasmasymphonie


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119 Antworten in diesem Thema

#91 Gast_Michael Iwoleit_*

Gast_Michael Iwoleit_*
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Geschrieben 06 August 2007 - 14:43

Und wir wissen doch alle: selbst wenn sich die beiden größten Koryphäen der Literaturwissenschaft über ein-und denselben Text äußern, kommen zwei Meinungen dabei heraus (ungeachtet "objektiver" Qualitätskriterien).

Das erinnert mich an ein Standardargument der Kreationisten, die zu Diskussionen unter Naturwissenschaftlern
gern anmerken: Seht Ihr, Ihr seid Euch ja nicht einmal untereinander einig! Als ob die Tatsache, daß es in Detail-
fragen Diskussionen gibt, zugleich bedeutet, daß alle Aussagen beliebig sind. Ein Urteil über ein literarisches Werk
beschränkt sich, so es etwas wert ist, ja nicht darauf, daß man sagt, dies gefällt mir oder dies gefällt mir nicht. Man
kann sich Strukturen, Motive, sprachliche Mittel etc. ansehen und zu Aussagen kommen, die sachlich begründet
und keine Geschmacksaussage sind. Ein Rezensent/Kritiker, der nur ein persönliches Geschmackurteil fällt, das
er aber nicht an sachlichen Aussagen festmachen kann, gibt ein Bekenntnis ab, dem man zustimmen oder das man
ablehnen, mit dem man sich aber nicht auseinandersetzen kann. Literarische Urteile sind natürlich immer von
persönlichen Vorlieben und Kenntnissen eingefärbt, und es gibt in der Literaturkritik/Literaturgeschichte immer
wieder große Ungerechtigkeiten und zu Unrecht vernachlässigte Autoren, aber summa summarum, wenn man
viele fundierte Urteile zusammennimmt, sind sich Literaturkenner doch über die ungefähre Einordnung eines
Autors einig. Niemand, der einen Funken von Literatur versteht, wird eine Rosamunde Pilcher höher einschätzen
als eine Doris Lessing.

Wobei, nebenbei bemerkt, unter fundierter Literaturkritik nicht unbedingt das schwammige Zeug zu verstehen ist,
das sich in unsere Feuilletons breitgemacht hat. Da gibt es ganz andere Leute, die sich auf die Kunst verstehen,
dem Leser einen Autor oder eine Literaturrichtung zugänglicher zu machen und nachvollziehbare Urteile zu fällen;
z.B. der Engländer Malcolm Bradbury, in Deutschland Karlheinz Deschner oder, im engeren Kreis der SF,
James Blish und Damon Knight.

Ich schreibe seit zwanzig Jahren Essays über SF-Autoren und zu meinen Standardaufgaben gehört es dabei,
alle Artikel und Rezensionen über den jeweiligen Autor zu sichten, die ich in die Finger bekomme - nicht nur um
meine eigene zwangsläufig eingeschränkte Perspektive zu justieren, sondern auch um zu verfolgen, wie ein
Autor gesehen wird. Ich habe nicht feststellen können, daß beliebig drauflos schwadroniert sind, im Gegenteil
- auch wenn sie in Detailfragen divergieren, sind sich die Kritiker über grundsätzliche Feststellungen über den
Autor einig. (Manchmal so sehr, daß man Mühe hat, eine originelle Aussage zu finden.) Vor einigen Jahren habe
ich eine Rezension über die Neuausgabe von Kneifels "Das brennende Labyrinth" bei Haffmans geschrieben
und erfuhr hinterher von älteren Kollegen, daß ich unabhängig zu demselben Urteil gekommen bin und sogar
dieselben Stellen zitiert habe wie andere Kritiker zwanzig Jahre vor mir. Ganz so beliebig können die Urteile also
nicht sein. Wenn ich wüßte, daß ich nur meine persönlichen Geschmacksurteile wiedergeben kann, würde
ich jedenfalls keine Essays und Rezensionen mehr schreiben.

Gruß
MKI

#92 molosovsky

molosovsky

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Geschrieben 06 August 2007 - 14:59

Danke für diesen Beitrag Michael.GrüßeAlex / molo

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#93 Guido Seifert

Guido Seifert

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Geschrieben 06 August 2007 - 15:17

Da schließe ich mich doch glatt dem Dank an! Insbesondere die Nennung von Karlheinz Deschner finde ich wohltuend. Dessen "Kitsch, Konvention und Kunst" habe ich vor 25 Jahren mit Gewinn gelesen. Ich weiß zwar nicht, wie ich heute drüber urteilen würde, bin mir aber dennoch sicher, daß es der Hälfte unserer Anthologie-Autoren gut tun könnte.Gruß, Guido

#94 Gast_Michael Iwoleit_*

Gast_Michael Iwoleit_*
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Geschrieben 06 August 2007 - 15:44

Das passt glaube ich auch zur Diskussion:
http://www.fantasyguide.de/4628.0.html

Offen gestanden halte ich diese Kolumne von Holger Pohl einfach für dumm, hauptsächlich
aus einem Grund: Er nennt keine Namen. Welche Autoren sind es denn, die damals schöne,
mitreißende Geschichten erzählen konnten, und welche Autoren sind es, die es heute nicht
mehr können? Ich fürchte fast, daß ich weiß, von welchen Autoren er spricht. Wer allerdings
ernsthaft, sagen wir, einen mäßigen Schreiber wie Isaac Asimov über einen gediegenen,
hochprofessionellen Erzähler wie Eric Brown stellt (letzterer einer, der auch heute noch
klassisch ausgewogene, sehr lesbare Geschichten schreibt), der weiß nicht, worüber er
spricht. Daß ältere SF-Leser (no offence intented, Helmuth!) dazu neigen, ihre Jugend-
Leseerlebnisse zu verklären, ist doch nichts Neues. Wie sonst wäre es zu erklären, daß
jemand wie Gisbert Haefs, der Borges und Kipling übersetzt hat und es wirklich besser
wissen müssen muß, auf einmal für Hans Kneifel die Werbetrommel rührt?

Besonders albern ist Folgendes:

Heute aber werden viele dieser Geschichten deswegen geschrieben, weil der Autor
zeigen will, welch ein handwerklich guter Schriftsteller, welch ein Literat, er ist. Man bekommt
komplexe, komplizierte Satzkonstruktionen zu lesen, die die Kritiker in Begeisterung versetzen.
Form und Stil beginnen die Geschichte zu dominieren.

Blödsinn dieser Art habe ich schon so oft gelesen, daß es nur noch nervt. Ich kann in solchen
Fällen nur vermuten, daß sich jemand ein Leben lang nicht über die Lektüre von Schund hinaus
entwickelt hat und nun den Autoren Vorwürfe macht, die so frech sind, ihn zu überfordern. Kein
Schriftsteller, der einen Schuß Pulver wert ist, schreibt so, wie er schreibt, um die Kritiker zu
beeindrucken. Wenn bei einem Autor hochentwickelte literarische Fähigkeiten vorhanden sind,
warum soll er sie dann nicht anwenden? Erwarten wir etwa von einem Pianisten, der Bachs
Goldberg-Variationen spielen kann, daß er sich auf "Für Elise" beschränkt? Muß ein Autor, der
mich als Leser fordert, zwangläufig langweilig sein? Von Umberto Eco stammt die interessante
These, daß jeder literarische Text einen hypothetischen "Idealleser" voraussetzt. Der Idealleser
von James Joyce, schrieb er, ist am Ende der Lektüre genausogut unterhalten wie der von Karl
May, wenn auch auf andere Weise. Ich glaube, mit dieser Idee kommen wir der Literatur näher
als mit den beschränkten Leseerwartungen von Leuten, die über hundert Jahre Entwicklung
moderner Literatur glatt verpennt haben.

Warum fällt es Lesern so furchtbar schwer, einfach mal zuzugeben, daß ein Autor sie (noch)
überfordert? Mir ist es, um ein Beispiel zu nennen, in diesem Jahr mit dem Amerikaner Richard
Powers so ergangen, der einige SF-nahe Romane geschrieben hat (Galatea 2.2, Plowing the
Dark
). Der Mann hat einen sprachlich und poetisch so reichhaltigen, dichten Stil, daß ich trotz
guter Englischkenntnisse nicht ganz mitkomme und seine Bücher in ein paar Jahren wohl noch
einmal lesen muß. Trotzdem habe ich die Lektüre, die mir nur in Teilen zugänglich war, genießen
können. Ein Buch, das mich in sich verwickelt, auch wenn ich ihm als Leser nicht ganz gerecht
werde, ist die Lektüre immer wert. Und nebenbei: Welcher Leser auf der Welt kann schon
behaupten, daß er "Ulysses" oder "Gravity's Rainbow" bis in den letzten Winkel verstanden
hat? In Pynchons Fall würde ich annehmen, daß der Autor das nicht einmal von sich selbst
behaupten würde :thumb:

Gruß
MKI

Bearbeitet von Michael Iwoleit, 06 August 2007 - 17:47.


#95 Gast_Michael Iwoleit_*

Gast_Michael Iwoleit_*
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Geschrieben 06 August 2007 - 15:53

Insbesondere die Nennung von Karlheinz Deschner finde ich wohltuend. Dessen "Kitsch, Konvention und Kunst" habe ich vor 25 Jahren mit Gewinn gelesen. Ich weiß zwar nicht, wie ich heute drüber urteilen würde, bin mir aber dennoch sicher, daß es der Hälfte unserer Anthologie-Autoren gut tun könnte.

Ich kann nur empfehlen, auch die Neuausgabe von "Kitsch, Konvention und Kunst" (bei Ullstein, glaube ich, aktuell lieferbar) zu lesen. Deschner hat in einem Punkt, nämlich in der Beurteilung des Kitsches, seine ursprüngliche Einschätzung revidiert, und das macht das Ganze noch etwas runder. Noch interessanter ist eine zweite, weniger bekannte literaturkritische Schrift Deschners, nämlich das Buch "Talente, Dichter, Dilletanten", das eingehende sprachliche Analysen einer Reihe deutscher Nachkriegsschriftsteller enthält. Äußerst lehrreich für Leser und Autoren - und ein satter Frontalangriff gegen das literarische Establishment vor allem der Gruppe 47. Gruß Michael

#96 molosovsky

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Geschrieben 06 August 2007 - 15:58

Warum fällt es Lesern so furchtbar schwer, einfach mal zuzugeben, daß ein Autor sie (noch) überfordert?

Na, weil es die Eitelkeit kränkt. Ganz einfach. Man will nicht akzeptieren, daß es da draußen in der Text-Welt Schwierigkeitsstufen gibt oder auch Stufen der Relevanz. Romane sollen unterhalten, lautet dann das Credo. Ich kann das zum Teil verstehen, weil eben nicht alle Leser gleich gestrickt sind, bzw. nicht alle aus der gleichen Haltung heraus zu einem Roman greifen. Was für die einen Erholung ist, ist dem anderen zu anstrengend (und umgekehrt). Immerhin kann man mit Romanen sowohl emotionelle wie auch intellektuelle Bedürfnisse stillen. Ich selbst halte mich ja für jemanden, der besonders solche Werke schätzt, die BEIDES anbieten, und so sind die entsprechenden Spitzen der Extremistenlager (»Richtige Literatur muß weh tun und langweilen und sperrig sein« versus »Ich will meine Eier geschaukelt bekommen und sonst gar nix«) für mich gleichermaßen befremdend. Grüße Alex / molo

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#97 Gast_Frank W. Haubold_*

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Geschrieben 06 August 2007 - 18:10

Eine Verteidigung meiner Ansicht, die ich versuchen könnte, wird nicht durchdringen, das ist mir klar. Schopenhauer (oder war´s Lichtenberg? Ich weiß es jetzt gerade nicht...) hat mal gesagt: "Wenn ein Affe ein Buch liest, wird er dort auch nur Äffisches finden." Dieser Zynismus besitzt - wie jeder Zynismus - ein Funken Wahrheit. Er relativiert das, was wir so modern-tolerant und politisch korrekt als die Gleichberechtigung unterschiedlicher Geschmäcker zu lernen aufbekommen haben. Er behauptet den Qualitäts- und Rangunterschied.

Ich habe die Erfahrung gemacht, daß "Qualitäts- und Rangunterschiede" (stilistischer und inhaltlicher Natur) oft nur im Bewußtsein des jeweiligen Autors/Lesers/Kritikers existieren. Ein allgemeingültiger Literaturkanon ist eine Fiktion, die dem Wunsch nach bleibenden Werten geschuldet ist.

Was mir als "Beschimpfung" und "Schelte" vorgehalten wird, resultiert aus meiner Begeisterung für das überduchschnittlich Gute, das von der Rezensentin nicht gesehen wird.

Was Du als "überdurchschnittlich gut" bezeichnest, muß von anderen nicht zwangsläufig genauso gesehen werden (siehe oben).

Ich könnte mich jederzeit anheischig machen, dies anhand literarischer Qualitätskriterien detailiert darzustellen. Aber das wäre vergebliche Liebesmüh, das muß ich einsehen.

Erstens gibt es keine allgemeingültigen Qualitätskriterien, was ein derartiges Unternehmen bereits im Ansatz scheitern läßt, und zweitens könnte ich ebenso überzeugend darlegen, daß z. B. die reichlich plakative und fast schon klischeehafte Personenzeichnung in besagter Geschichte durchaus noch Raum für Verbesserungen läßt.

Ich las gestern "Tattoos" aus dem Lazarus-Band (d.h. ich las es bis zur Hälfte, den Rest habe ich dann nur noch überflogen). Eine entsetzlich öde "Novelle" ...

Ich habe die Story aus augenzwinkernde SF-Persiflage aufgefaßt. Man muß nicht jeden Text bierernst nehmen. Viel ärger erschienen mir die moralisierenden Topfpflanzen auf Erderkundung ... :thumb:

... und ich kam zu der Erkenntnis, daß, wenn man nicht mindestens das Erzähltalent eines - sagen wir - Iain Banks mitbringt, man auf das Schreiben von Space-Opera verzichten sollte

Da ich Iain Banks für einen Blender halte und seine Bücher für unlesbar (Rezi zu Exzession), zeigt allein dieser Vergleich, daß es keine allgemein konsensfähigen Qualitätskriterien gibt.

Es kann nur öde werden. Einem Verehrer von "Tattoos" könnte ich versuchen zu zeigen, warum "Canea Null" zehn Mal besser ist. Aber er wird mir nicht glauben.

Warum auch? Wenn er sich einfach nur harmlos unterhalten lassen möchte, ist "Tattoo" doch keine schlechte Wahl.

PS: Beim Lesen von "Tattoos" kam mir der hübsche Gedanke, wie es wäre, wenn alle deutschen SF-Schriftsteller für 1 Jahr Kintopp- und TV-Abstinenz leisteten (okay, Tagesschau ist genehmigt...) und sich auf 1 Mal Strahler-Knarre-Ziehen pro Geschichte beschränkten...

Auch das ist eine Klischeevorstellung. Ich halte es nicht für besonders wahrscheinlich, daß sich SF-Autoren hierzulande (wir reden nicht von Fan-Fiction) nun unbedingt von TV-Serien inspirieren lassen würden. Gruß Frank

Bearbeitet von Frank W. Haubold, 06 August 2007 - 18:31.


#98 Uwe Post

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Geschrieben 06 August 2007 - 18:28

Ich halte es nicht für besonders wahrscheinlich, daß sich SF-Autoren hierzulande (wir reden nicht von Fan-Fiction) nun unbedingt von TV-Serien inspirieren lassen würden.

Doch, wieso auch nicht? Man muss ja nicht die tumbsten Aspekte nachplappern. Als positives Beispiel mag Küpers "Exopersona" dienen: Unübersehbar vom Ami-Popcorn-Thriller-Kino inspiriert, trotzdem von der Leserschar hoch gelobt.

die moralisierenden Topfpflanzen auf Erderkundung

:thumb: So treffend hat noch niemand diesen Text charakterisiert. Und, um zum Thema zurück zu kommen, er wird trotzdem seine Liebhaber gefunden haben (mindestens die Herausgeber ;) ). Solange es außerhalb der untersten Zeilen statistischer Tabellen keine realen Idealleser, Durchschnittskonsumenten oder Otto Normalbuchkäufer gibt, wird es weit auseinander driftende Maßstäbe und damit auch Meinungen zu Texten geben. Geht ja gar nicht anders und wäre anders ziemlich schlimm. Daher plädiere ich nicht für eine Konfrontation unterschiedlicher und schlussendlich doch unvereinbarer Standpunkte wie jenen in diesem Thread einerseits und Alisha Bionda andererseits, sondern breche eine Stange für klare und begründete Kritik durch aufmerksame und eifrige Leser. Keine Sorge, bald kommt VISIONEN 4 sowie ein neuer Nova-Band - dann ist das Sommerkritikloch zuende und wir können neue Lesezirkel aufmachen und einander mal wieder unangespitzt und wohlbegründet in Grund und Boden kritisieren :huh:

Bearbeitet von Uwe Post, 06 August 2007 - 18:32.

Herausgeber Future Fiction Magazine (deutsche Ausgabe) ||| Aktueller Roman: ERRUNGENSCHAFT FREIGESCHALTET ||| uwepost.de ||| deutsche-science-fiction.de

#99 Guido Seifert

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Geschrieben 07 August 2007 - 11:34

Ich habe die Erfahrung gemacht, daß "Qualitäts- und Rangunterschiede" (stilistischer und inhaltlicher Natur) oft nur im Bewußtsein des jeweiligen Autors/Lesers/Kritikers existieren. Ein allgemeingültiger Literaturkanon ist eine Fiktion, die dem Wunsch nach bleibenden Werten geschuldet ist.

Dem muß ich doch ein wenig widersprechen. Und - wie schön - ich muß es nicht einmal selbst tun und verweise einfach auf das Posting von Michael Iwoleit, 06.08.07, 14:43 Uhr. Der grundsätzliche Widerspruch ist dort formuliert. Dieser Widerspruch wird nicht von ein paar elitären Spinnern getragen, sondern ist eine elementare Triebkraft jeglicher Philologie. Wenn wir Kunst und Wissenschaft als die höchsten Hervorbringungen der Menschheit auffassen (was ich tue), wie könnte es dann sein, daß diese Menschheit die Kunst einer bloßen Beliebigkeit überantwortet? Das "Problem" liegt natürlich darin, daß die Literaturwissenschaft keine exakte Wissenschaft ist. Somit ist ihr ein gewisses "Tasten" eigen, es geht nicht anders. Aber sie gelangt doch zu Ergebnissen, die sich über die Jahrzehnte hin verfestigen. Manchmal täuscht sie sich in der Zuweisung eines Ranges, aber diese Fehlzuweisung geht kaum über den Nachbar-Rang hinaus: Ein drittrangiger Autor wird nicht als ein erstrangiger in die Literaturgeschichte eingehen und umgekehrt wird dies auch nicht geschehen. Die Zeit ist hier tatsächlich ein unbarmherziger Richter: Sie wird den zu Unrecht Vergessenen irgendwann hervorspülen und den Überschätzten ein Treppchen tiefer setzen. Der problematische Umstand, auf den bereits Arno Schmidt hinwies, daß das Medium unserer Alltagskommunikation - die Sprache - auch das Medium der Prosa ist, ließe sich in den paradoxen Satz fassen: Wer gelernt hat zu lesen, hat nicht unbedingt bereits gelernt zu lesen. Die auf Mathematik fußenden Wissenschaften "haben es leichter" als die Geisteswissenschaften. Man stelle sich vor, ich sagte einem theoretischen Physiker, die spezielle Relativitätstheorie sei ein ziemlicher Kappes, ich hätte mir dieses Ding von Einstein mal vorgenommen und nichts - aber auch gar nichts - verstanden, das könne ja nur die Ausgeburt eines Irren sein. Ich fürchte, diese Physiker würde mich als Gesprächspartner nicht sonderlich schätzbar finden.

Da ich Iain Banks für einen Blender halte und seine Bücher für unlesbar (Rezi zu Exzession), zeigt allein dieser Vergleich, daß es keine allgemein konsensfähigen Qualitätskriterien gibt.

Ich sprach explizit von Space-Opera. Ich halte das gesamte Sub-Genre für eine Art "Blendung", aber eine wohltuende und unterhaltsame, wenn es den "richtigen" Erzähler findet. Man muß in der Stimmung sein, sich mitnehmen zu lassen (wie damals bei Karl May oder Perry Rhodan). Möglicherweise kann Space-Opera aber nicht unter Romanlänge gelingen, denn wie soll man in fremde Welten und Begebenheiten eintauchen, wenn keine Zeit ist, sie uns anschaulich zu machen? In "Tattoos" jedenfalls überbordet die (schießwütige) Handlung und kickt mich raus. Vielleicht könnte auch das eine Qualitätskriterium für eine literarische Arbeit sein: Man frage sich als Autor, ob die abgefaßte Geschichte gleichgut oder sogar besser als Film "funktionieren" könnte. Muß man die Frage bejahen, hat man was falsch gemacht. "Tattoos" kommt mir wie der Prosa-Entwurf eines Drehbuchs vor.

Ich halte es nicht für besonders wahrscheinlich, daß sich SF-Autoren hierzulande (wir reden nicht von Fan-Fiction) nun unbedingt von TV-Serien inspirieren lassen würden.

Zu Shakespeares Zeiten war es für die Zuschauer ein großes, bewegendes und aufrührendes Ereignis, wenn es auf der Bühne eine Schlachtenszene gab. Heute - wo es der Film viel besser kann - würde eine solche Bühnenschlacht wohl kaum mehr als ein müdes Schulterzucken hervorrufen. Als im 19. Jh. die Photografie erfunden wurde, war der Naturalismus in der Malerei tot. Diese Aporie wurde aber überwunden: Die bildende Kunst mußte sich auf sich selbst besinnen. Dies geschah auch in der Prosa-Literatur in der ersten Hälfte des 20. Jh. Wie sich eine solche Selbst-Besinnung ausnimmt, könnte man z.B. - um nur eins zu nennen - in Hans Henny Jahnns "Fluß ohne Ufer" erfahren. Die Unterhaltungsliteratur (eigentlich müßte ich Zerstreuungsliteratur sagen, den unterhalten "tue" ich mich am besten bei dem Besten) knüpft offensichtlich nicht an diese avancierte Literatur an. Würde sie es, wäre sie nicht das, was sie ist. Aber müßte sie nicht auch - wie die anderen Künste - am besten "funktionieren", wenn sie sich auf ihr eigenes Medium besönne? Ich habe in letzter Zeit eine nicht kleine Anzahl an banalen und äktschenreichen SF-Geschichten gelesen. Banal und äktschenreich sind aber die zentralen Attribute der Flimmer-Industrie. Ich frage mich nun, warum man so etwas aufschreibt, wenn es im Film viel eindrücklicher wirkt. Ich möchte nicht falsch verstanden werden: Ich habe gar nichts gegen Äktschn in der Literatur. Nur: Wenn die aufgeregte und schießwütige Handlung zum Selbstzweck wird, wenn die Geschichte zum bloßen Transportmedium wilder Fuchteleien wird, dann muß ich es nicht lesen; dann kann ich´s besser gucken (wenn ich Drogen nehmen würde).

In "Tattoos" gibt es eine Szene, die - meines Erachtens - nur durch "Film-Inspiration" erklärbar ist. Und sie ist eigentlich "falsch", denn sie initiiert sich durch einen Perspektivwechsel, der sich in nichts begründet und damit als Effekthascherei zu bezeichnen wäre. Ich meine die Slow-Motion-Darstellung eines Revolver-Schußes. Die Erzählperspektive in "Tattoos" ist figurengebunden. Ist sie es auch noch in dieser Szene? Psychologisch wäre doch das subjektive Empfinden einer verlangsamten Zeit nur plausibel vor oder nach dem Schuß. Vor dem Schuß: Schießt er wirklich? Wird es passieren? Die Zeit scheint still zu stehen. Nach dem Schuß: Es ist passiert. Einer ist tot. Das Entsetzliche hält die Zeit an. Der Schuß selbst ist in der subjektiven Wahrnehmung aber nur Knall und Fall, so schnell, daß man´s kaum mitbekommt. Das heißt aber, daß diese Szene in "Tattoos" durch den Wechsel hin zu einer auktorialen Perspektive bestimmt wird; und zwar hin zu einer extremen auktorialen Perspektive, die sonst in der Erzählung nicht vorkommt, die eigentlich einen zweiten und überflüssigen Erzähler schafft, und die solange unerklärlich bleibt, bis man erkennt, daß die Autorin ein Filmmittel falsch anwendet. Im Film kann es ja so etwas wie eine auktoriale Kamera geben, die das Geschehen "objektiv" abbildet, die sich vielleicht auch mal den Figuren nähert und sich dann wieder entfernt. Allerdings würde ich einem Regisseur, der sich zu einer figurengebundenen Darstellung entschlossen hat und mir dennoch mit einem Slow-Motion-Schuß-Spielchen aufwartet, ebenfalls Effekthascherei attestieren.

Gruß, Guido

#100 molosovsky

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Geschrieben 09 August 2007 - 18:47

Im neuesten "Rattus Libri" läßt RSch (Ramona Scholler) einen Hammerverriss vom Stapel.

Ein Highlight? Nun ja... {â€Â¦} Es handelt sich bestenfalls um Durchschnitt. Einige Geschichten schillern hindurch, wie Eschbachs â€Å¾Die Kralle von Javaâ€Å“ oder â€Å¾Mysterium des Glaubensâ€Å“ von Fabian Vogt. Anderes dagegen wirkt einfach nur aufgesetzt, fadenscheinig und leer. Wenn in den Kurzvitis der Autoren schon Dinge stehen wie â€Å¾... brutale Offenheit und tendieren ungeniert zur sozialkritischen Utopie.â€Å“ (entnommen der Kurzvita von Thor Kunkel), dann sollte der Leser erst recht sehr stutzig werden. Denn was dann geboten wird, hat im schlimmsten Fall noch etwas mit Sozialkritik an der Einrichtung der Ehe zu tun, aber nichts mit SF - oder man hat das Thema nicht verstanden.

"Im schlimmsten Fall"? Gemeint ist wohl "im besten Fall". Ansonsten: Was für ein Hinterwäldner-SF-Bild!

Ebenso krankt diese Anthologie leider an einem erschreckenden Maß von klischeehaften Frauenbildern {â€Â¦} Alles in allem ein doch eher enttäuschender Band, bei dem der Leser wirklich den Eindruck hat, nur ein gewisser Kreis der Interessierten soll abgedeckt werden, während die Mehrzahl außen vor bleibt. Für Shayol wirklich sehr schade, erweckt doch gerade dieser Verlag immer wieder den Eindruck, auch einmal über die Grenzen hinaussehen zu wollen. Mit diesem 3. Teil der â€Å¾Visionenâ€Å“-Anthologien haben sie sich sicher keinen guten Dienst erwiesen.

Bei einem so üblen Verriss frag ich mich alter Verschwörungsclown natürlich sofort, ob frau da aus der Konkurrenz-Scharte schießt. Aber wahrscheinlich nicht. -- Warum überrascht es mich so gar nicht, daß die heftigsten Ablehnungen sich auf meinen Liebling Thor Kunkel einschießen? Grüße Alex / molo

Bearbeitet von molosovsky, 10 August 2007 - 07:11.

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#101 Jaktusch † 

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Geschrieben 09 August 2007 - 21:01

Angesichts dieser Rattus libri-Besprechung müssen wir, glaube ich, der weiter oben viel geschmähten Rezensentin Alisha Bionda Abbitte leisten....Jaktusch
Man erwirbt keine Freunde, man erkennt sie.

#102 Gast_Frank W. Haubold_*

Gast_Frank W. Haubold_*
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Geschrieben 10 August 2007 - 06:33

Im neuesten "Rattus Libri" läßt RSch (Ramona Scholler) einen Hammerverriss vom Stapel. Bei einem so üblen Verriss frag ich mich alter Verschwörungsclown natürlich sofort, ob frau da aus der Konkurrenz-Scharte schießt. Aber wahrscheinlich nicht. -- Warum überrascht es mich so gar nicht, daß die heftigsten Ablehnungen sich auf meinen Liebling Thor Kunkel einschießen? Grüße Alex / molo

Ist nicht gerade die genannte Rezension ein weiterer Beleg für meine These, daß der Begriff "literarische Qualität" durchaus unterschiedlich interpretiert wird? Lesegewohnheiten und -erwartungen spielen eine weitaus größere Rolle als irgendwelche scheinbar objektiven Kriterien. Ich habe mich bei der Lektüre von Hartmut Kaspers Geschichte herzlich amüsiert und bei Fabian Vogts "Mysterium" ebenso intensiv gelangweilt, aber offenbar hat es die Rezensentin genau andersherum gesehen. Damit muß und kann man leben.

Die Zeit ist hier tatsächlich ein unbarmherziger Richter: Sie wird den zu Unrecht Vergessenen irgendwann hervorspülen und den Überschätzten ein Treppchen tiefer setzen.

Für diese These spricht (leider) nichts. Die Zeit wird gar nichts tun, schon gar nicht aus geschätzt mehr als einer Million Buchveröffentlichungen pro Jahr (wobei die unveröffentlichten Manuskripte noch gar nicht gezählt sind) die "Perlen" hervorsuchen. Das war (vielleicht) einmal, als die Autoren ihre Manuskripte noch mühsam mit der Hand oder der Schreibmaschine erstellen mußten und ihre Zahl deshalb beschränkt blieb. Außerdem hinterläßt die TV-induzierte Massenverblödung ihre Spuren selbstverständlich auch in der Verlagsszene. Ein Kafka-Manuskript würde heute mit der Bemerkung "Noch so'n Spinner!" in der Rundablage landen, Rilke oder Hölderlin desgleichen. Wer etwas anderes glaubt, lebt in einer Scheinwelt. Gruß Frank

#103 molosovsky

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Geschrieben 10 August 2007 - 07:09

Ach Frank, Du bist aber schnell abzulenken.Nur weil jedermensch über Literatur dahermeinen darf, heißt†™s doch noch lang nicht, daß sowas wie "objektive Qualitätskriterien für Literatur" reine Illusion sind. Unterschiedlich interpretiert wird der Begriff durchaus, denn es gibt nun mal verschiedenste Haltungen und Leseabsichten.Allerdings bin ich nicht ganz so optimistisch wie Guido in dem von Dir zitierten Abschnitt. So manches an Schrott fiel leider nicht der Vergessenheit anheim. GrüßeAlex / molo

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#104 Guido Seifert

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Geschrieben 10 August 2007 - 08:46

Die Zeit wird gar nichts tun, schon gar nicht aus geschätzt mehr als einer Million Buchveröffentlichungen pro Jahr (wobei die unveröffentlichten Manuskripte noch gar nicht gezählt sind) die "Perlen" hervorsuchen. Das war (vielleicht) einmal, als die Autoren ihre Manuskripte noch mühsam mit der Hand oder der Schreibmaschine erstellen mußten und ihre Zahl deshalb beschränkt blieb. Außerdem hinterläßt die TV-induzierte Massenverblödung ihre Spuren selbstverständlich auch in der Verlagsszene. Ein Kafka-Manuskript würde heute mit der Bemerkung "Noch so'n Spinner!" in der Rundablage landen, Rilke oder Hölderlin desgleichen.

Die Menschen waren vermutlich schon immer verkitscht und sentimental, drängten sich ins Theater, wenn ein Kotzebue gegeben wurde und bewiesen vornehme Zurückhaltung bei einem Goethe-Drama. Der erstere ist zu Recht so ziemlich vergessen, der "Faust" aber - ebenfalls zu Recht - relativ unsterblich. Daß du Rilke und Hölderlin überhaupt nennen kannst, liegt daran, daß die Legionen von Verschnittenen, die um sie herum wuselten und tinteten, ins wohlverdiente Vergessen retiriert sind. Dein zweites Argument ist da schon gewichtiger: Wir leben in geistesfernen Zeiten, die das gedruckte Wort der zuständigen Druckwaren-Industrie überlassen haben, von der Arno Schmidt meinte, sie sei ein Zweig der Klopapier-Industrie. Der debil-indolente mainstream führt dazu, daß literarische Talente ins hypertrophierte Krämerdasein verschwinden und amerikanische Friseusen via Schnell-Schreibkurs im Bestseller-Bettchen landen. Was zeitgenössische avancierte Literatur anlangt, sind es vermutlich vor allem Schubladen, die die Möglichkeit zum großen Leseglück hätten.

Gruß, Guido

#105 Uwe Post

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Geschrieben 10 August 2007 - 09:37

Einige Geschichten schillern hindurch, wie Eschbachs â↚¬Å¾Die Kralle von Javaâ↚¬Å“ oder â↚¬Å¾Mysterium des Glaubensâ↚¬Å“ von Fabian Vogt.

Lob ohne Begründung. Ist für mich nicht die Bits wert, in denen sie geschrieben sind. Was schillert denn an der Kralle? Oder am Mysterium? Beide haben gemeinsam, dass sie völlig abstruse Ideen unspannend aufbereiten. Folglich ist die Kritikerin vielleicht eine Verfechterin der These, SF sei Ideen-Literatur und eine spannende, farbige Umsetzung nicht so wichtig. Alles in allem sieht man mal wieder, dass es viele verschiedene Leser (und Kritiker) gibt. Was die Frauen-Figuren angeht: Tja, dem kann man kaum widersprechen. Der Männerüberschuss unter SF-Autoren bietet einen Erklärungsansatz; außerdem können Männer sich bekanntlich nicht in Frauen einfühlen. Fazit: Wir brauchen mehr SF-Autorinnen!

Bearbeitet von Uwe Post, 10 August 2007 - 09:39.

Herausgeber Future Fiction Magazine (deutsche Ausgabe) ||| Aktueller Roman: ERRUNGENSCHAFT FREIGESCHALTET ||| uwepost.de ||| deutsche-science-fiction.de

#106 Guido Seifert

Guido Seifert

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Geschrieben 10 August 2007 - 10:14

Fazit: Wir brauchen mehr SF-Autorinnen!

Gerne. Aber wenn ich einen Wunsch frei hätte -: Kinder-SF bitte zukünftig in einen Band mit der Aufschrift Kinder-SF stecken. Da würden sich Frau Tillmanns "moralisierende Topfpflanzen" sicher gut machen (und das sage ich nicht einmal so sehr ironisch).

#107 Armin

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Geschrieben 10 August 2007 - 12:15

Gerne. Aber wenn ich einen Wunsch frei hätte

Wenn ich einen Wunsch frei hätte: Stell doch deine Kommentare zu den Lazarus-Storys in den Lazarus-Thread. Hier wirkt das ein bisschen unmotiviert.

#108 Guido Seifert

Guido Seifert

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Geschrieben 10 August 2007 - 12:20

Stimmt. Gab da wohl eine "Drift", von mir verursacht.

#109 Jakob

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Geschrieben 10 August 2007 - 13:37

außerdem können Männer sich bekanntlich nicht in Frauen einfühlen. Fazit: Wir brauchen mehr SF-Autorinnen!

Warum müssen eigentlich am Rande immer so Blödsinns-Thesen perpetuiert werden? ist das ein Witz, den ich nicht verstehe? Nichts gegen mehr SF-AutorInnen, aber ich kenne einen Haufen männlicher Schreiber, die glaubwürdige Frauenfiguren hinkriegen.
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#110 Gast_Gast_*

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Geschrieben 10 August 2007 - 13:44

Der debil-indolente mainstream führt dazu, daß literarische Talente ins hypertrophierte Krämerdasein verschwinden

Die Diskussion ist ja ganz interessant, aber gibt die deutsche Sprache es nicht her, sowas allgemein verständlich und dennoch treffend zu formulieren?

#111 Jan Gardemann

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Geschrieben 10 August 2007 - 14:32

Der Männerüberschuss unter SF-Autoren bietet einen Erklärungsansatz; außerdem können Männer sich bekanntlich nicht in Frauen einfühlen. Fazit: Wir brauchen mehr SF-Autorinnen!

Bekanntlich ... davon ist mir noch nichts zu Ohren gekommen. Meiner Erfahrung nach sind es eher die Autorinnen, die Schwierigkeiten haben, sich in einen männlichen Protagonisten einzufühlen (jedenfalls war dies unter den Frauen in den zahlreichen Schreibgruppen und Seminaren, die ich besuchte, häufig Thema). Frauen begreifen wohl nicht, dass Männer zumeist nur an das eine denken :( ... Es gibt eine Menge Frauen, die SF schreiben - das wurde hier wohl übersehen. Unter den deutschsprachigen Autorinnen gehören z.B. Barbara Slawig und Ulrike Nolte meiner Meinung nach zu den Top SF-Schaffenden. Die Liste könnte beliebig erweitert werden, ohne dass man lange nach Namen suchen müsste.

#112 molosovsky

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Geschrieben 31 August 2007 - 10:37

Moderatoren-Ansage:
Nach mehrfach geäußerten Wunsch, habe ich den viele Beiträge umfassenden Streit um die Problematik von Stilgecken versus klar schreibende Autoren, ab diesem Beitrag in den dafür besser passenden "Besser kompliziert oder einfach genial"-Thread verschoben.

Natürlich kann man hier auch über solche Fragen streiten (und um anderes, und man kann sich auch vetragen, bzw. respektvoll uneins sein, meine Damen und Herren), aber bitte gebt Euch hier Mühe, Euch beim Jubeln, Schimpfen und Argumentieren auf die Anthologie "Visionen 3 - Plasmasymphonie" zu beziehen.

Ende der Durchsage.
Danke für Euer Verständnis.
Grüße
Alex / molo

Bearbeitet von molosovsky, 31 August 2007 - 10:40.

MOLOSOVSKY IST DERZEIT IN DIESEM FORUM NICHT AKTIV: STAND 13. JANUAR 2013.

Ich weiß es im Moment schlicht nicht besser.

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#113 molosovsky

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Geschrieben 09 September 2007 - 18:40

Grad kam die eMail rein mit den Gewinnern des Deutschen Science Fiction Preises 2007.Marcus Hammerschmitts "Canea Null" hat das Rennen gemacht.Glückwunsch von mir für Marcus, Helmut und das Shayol-Team.Darauf einen Duschadäng!GrüßeAlex / molo

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#114 Gallagher

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Geschrieben 22 Oktober 2007 - 09:11

Ich habe "Plasmasymphonie" inzwischen auch (endlich!) gelesen. Wie üblich bei den Visionen bin ich im Großen und Ganzen gut unterhalten worden, mit einigen Ausreißern sowohl nach unten als auch nach oben (ich melde mich in den nächsten Tagen noch mal mit ein paar Stichworten zu den einzelnen Stories zurück).
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#115 ShockWaveRider

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Geschrieben 22 Oktober 2007 - 09:49

Darauf einen Duschadäng!

Das heißt: Düschardäng! :huh: Aber für die Plasmasymphonie darf es schon ein Otard X.O. sein. Oder ein Meukow. :P Gruß Ralf

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ShockWaveRiders Kritiken aus München
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#116 Gallagher

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Geschrieben 22 Oktober 2007 - 10:18

Das heißt: Düschardäng! :huh:

Einer aus'm Garten jedenfalls. :P
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#117 Gallagher

Gallagher

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Geschrieben 23 Oktober 2007 - 22:56

Guten Abend allerseits,

wie bereits angedroht, wollte ich meine Portion Senf zu der "Plasmasymphonie" auch noch zum Besten geben. Eines vorweg: ich bin genauso wenig Kurzgeschichten-Experte wie Weinkenner oder Sportwagenexperte. Mangels Vergleichsmöglichkeiten und Szenekenntnissen kann ich also lediglich beurteilen, ob mir persönlich eine Story gefallen oder nicht gefallen hat. Ob die Geschichte - objektiv betrachtet - gut oder schlecht ist, sollen andere beurteilen.

Also, Einmachglas auf:

Frank W. Haubold: Das Orakel
Hat mir gut gefallen. Eine runde Sache.

Hartmut Kasper: Neues aus der Varus-Schlacht
Schöne Atmosphäre, nette Ideen zu einer neuartigen Zeitmaschine... wo kann man diese Anzüge kaufen? Und diese Toiletten? ;)

Thomas Wawerka: Die Mutter des Abends
Irgendwie wurde ich als Leser für meinen Geschmack zu schnell durch ein vermeintlich hochkomplexes Szenario durchgepeitscht. Die Idee ist nicht unbedingt schlecht, aber ich frage mich, ob ein Roman nicht ein besseres Medium als eine Kurzgeschichte gewesen wäre. Stellenweise hatte ich, offen gestanden, den Faden verloren.

Fabian Vogt: Mysterium des Glaubens
Hat mir auch sehr gut gefallen - abgesehen davon, daß ich die Pointe schon lange vor dem Ende erahnt habe. Das mindert den Lesespaß aber nur wenig.

Jörg Isenberg: Die Ladys und der Tramp
Originelle kleine Anekdote über die Schwierigkeiten, sich in eine fremdartige und bizarre Kultur (die der Menschen nämlich) hinein zu versetzen.

Michael K. Iwoleit: Morphogenese
Das Highlight der ersten Hälfte des Buches! Spannend, futuristisch, gruselig... eine tolle Story.

Jan Gardemann: Geschichtsstunde für Marsianer
... zum Schmunzeln. So viel anders als wir ticken die gar nicht. :devil:

Ernst Vlcek: Weise Worte sind ungesund
Noch'n Krimi. Ich fand es etwas unglücklich, auf so engem Raum wie einer Kurzgeschichte gleich zwei Ich-Erzähler auftreten zu lassen, aber abgesehen davon gefiel mir die Story.

Andreas Eschbach: Die Kralle von Java
Erinnert mich an eine SF-Kurzgeschichte, die ich als Kind mal gelesen hatte, in der so was wie ein riesiger Vogel auf unser Sonnensystem zufliegt. Der letzte Satz war, glaube ich, "Heute morgen um drei Uhr nochwas fing es in der Erde an zu pochen" oder so ähnlich. Hatte ich als Kind eine Heidenangst vor. Nette Geschichte, diese hier, und aus Nostalgie noch 'nen Sympathiepunkt oben drauf :rolleyes:

Helmuth W. Mommers: Zur falschen Zeit
Dem Tod von der Schippe gesprungen und dann im Zeitraffer durch die Jahrhunderte... reizvoller Gedanke. Andere würden so was zu einer ganzen Serie auswalzen, der Herausgeber formuliert es etwas kompakter.

Rüdiger Bartsch: Eiszeit
Prima kleiner Thriller mit SF-Touch und einem bitterbösen Schlußakkord.

Markus Hammerschmitt: Canea Null
Ich mag grundsätzlich keine Texte, die im Präsens geschrieben sind. Dieser hier liest sich wie ein Exposé zu einem deutlich umfangreicheren Roman, oder wie ein Drehbuchentwurf. Eigentlich eine spannende Angelegenheit und gut konzipiert, aber der Stil sagt mir nicht zu, sorry.

Thor Kunkel: Plasmasymphonie
Gott vor Gericht, wegen Gewährleistungsfehlern? Köstlicher Einfall! :blink:

D. & F. Hoese: Wie Phönix aus der Asche
Spannender Cyberkrimi. Die Parallelen zu Savonarola fand ich sehr gelungen. Lediglich das Ende ist nicht wirklich überraschend, ansonsten eine solide Geschichte.




Unterm Strich war das wieder eine sehr schöne Anthologie. Ein wenig Krimi-lastig diesmal vielleicht, aber das soll kein Makel sein. Meine Top 3 (in willkürlicher Reihenfolge) sind "Morphogenese", "Die Kralle von Java" und "Wie Phönix aus der Asche", dicht gefolgt von "Plasmasymphonie", "Eiszeit" und "Zur falschen Zeit". Dann das Mittelfeld, und knapp dahinter dann "Canea Null" und "Die Mutter des Abends". Wie gesagt, auch die Letztgenannten sind weiß Gott keine schlechten Stories, aber im direkten Vergleich gefielen mir die anderen halt besser.

So, und jetzt dürft ihr auf mich einprügeln. <_<
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#118 Guido Seifert

Guido Seifert

    Biblionaut

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Geschrieben 24 Oktober 2007 - 02:28

So, und jetzt dürft ihr auf mich einprügeln. :rolleyes:

Würde ich ja gerne ... aber wenn jemand "Canea Null" sooo schlecht findet - das raubt mir alle Kraft und Lust. Aber wie heißt es? Die Welt ist groß genug, daß wir alle in ihr Unrecht haben können. (Immerhin gehe ich bei "Morphogenese" mit dir einig).

#119 Uwe Post

Uwe Post

    FutureFictionMagazin'o'naut

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Geschrieben 24 Oktober 2007 - 08:21

Würde ich ja gerne ... aber wenn jemand "Canea Null" sooo schlecht findet - das raubt mir alle Kraft und Lust.

Ich mag grundsätzlich keine Texte, die im Präsens geschrieben sind

Unter einer solchen subjektiven Hypothek leidet jeder noch so gute Text. Aber jeder hat halt so seine Vorlieben.

Dieser hier liest sich wie ein Exposé zu einem deutlich umfangreicheren Roman, oder wie ein Drehbuchentwurf.

An dieser Stelle habe ich den Eindruck, dass Gallagher von einem anderen Text spricht. Ein Exposé lässt alle Details weg, hat einen erzählenden, zusammenfassenden Stil. Man denke an die unsägliche Debray-Story in Nova 11. Das ist Exposé-Stil.

Ich fürchte, Gallagher, dass Dein Vorurteil gegen Texte im Präsens Dir das Lesevergnügen komplett genommen hat. Selbst schuld!

Ach ja, meine Geschichte in Nova 13 brauchst Du dann gar nicht erst zu lesen ... :unsure:

Bearbeitet von Uwe Post, 24 Oktober 2007 - 08:32.

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#120 Gallagher

Gallagher

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Geschrieben 24 Oktober 2007 - 09:50

... aber wenn jemand "Canea Null" sooo schlecht findet - das raubt mir alle Kraft und Lust.

Ich finde "Canea Null" nicht "sooo schlecht" und habe das auch nie behauptet. Scroll noch einmal hoch und guck nach. Wie ich eingangs schon sagte: ich fand alle Geschichten in dem Band toll, die einen ein bißchen toller, die anderen ein bißchen weniger toll. "Canea Null" ist halt für mein ganz indivuelles Leseempfinden etwas weniger toll, weil mir zwar der Inhalt, nicht aber die Form zusagt.

Unter einer solchen subjektiven Hypothek leidet jeder noch so gute Text.

Nenne es ruhig ein Vorurteil. Ist halt 'ne Geschmacksfrage. Ich mag keine Geschichten im Präsens, andere mögen keine MilSF, kein "Star Wars" usw. So what?

An dieser Stelle habe ich den Eindruck, dass Gallagher von einem anderen Text spricht. ...

Echt? Ich weiß nicht. Ich hatte die ganze Zeit den Eindruck, ein Drehbuch zu einem Film zu lesen. So, als würde der Autor später noch mal zurückkommen und einen ganzen Roman daraus stricken wollen. Aber auch das ist mein ganz subjektiver Eindruck, der muß ja nicht richtig sein.
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