Corona-Story: Rendezvous mit Satan
#1
Geschrieben 04 November 2006 - 20:13
In der Story-Rubrik haben wir die zweitplatzierte Geschichte zum Thema âPioniereâ anzubieten. Der Beitrag âRendezvous mit Satanâ stammt von Benedict Marko, von dem zuletzt schon in Ausgabe 169 die Story âĂbermachtâ zu lesen war. Wie immer freuen sich Autorin und Redaktion ĂŒber Feedback zur Story.
Auch an dieser Stelle der Hinweis auf die nĂ€chsten Themen unseres Wettbewerbs: Einsendeschluss fĂŒr âEin neuer Morgenâ ist am 1. Februar 2007, die Deadline fĂŒr âSchattenâ haben wir fĂŒr den 1. April 2007 festgelegt. Wer Interesse hat, sich mit einer Kurzgeschichte (Science-Fiction, Fantasy, Horror, Phantastik - keine Fan-Fiction) zu beteiligen, die einen Umfang von 20.000 Zeichen nicht ĂŒberschreitet, schickt seine Story (möglichst als rtf-Datei) rechtzeitig per E-Mail an die Kurzgeschichten-Redaktion, die unter kurzgeschichte@corona-magazine.de zu erreichen ist.
Neu: Armin RöĂler - Die Nadir-Variante
Armin RöĂler - Entheete (Neuauflage) +++ Armin RöĂler - Cantals TrĂ€nen +++ Hebben/Skora/RöĂler (Hrsg.) - Elvis hat das GebĂ€ude verlassen
Das Argona-Universum
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Mein Blog
#2
Geschrieben 14 November 2006 - 20:14
Mein Blog: Schreibkram & BĂŒcherwelten
#3
Geschrieben 14 November 2006 - 23:08
#4
Geschrieben 15 November 2006 - 17:18
Mein Blog: Schreibkram & BĂŒcherwelten
#5
Geschrieben 15 November 2006 - 22:25
nicht so einfach stehen lassen - dieser "Stil" hat nix mit Klassik oder alt zu tun, sondern einfach mit Komprimierung (was ja gerade beim Schreiben von Short Storys zu den wihtigsten Aspekten gehört). Aber auch bei lĂ€ngeren ErzĂ€hlungen und auch Romanen ist dieser "Stil" ganz alltĂ€glich. Ich könnte ihn nicht missen. Z.B. habe ich hier mehrere Strugatzkis auf meinem Schreibtisch liegen, die alle mindestens dreimal oder vierlmal so dick wĂ€ren, wenn die BrĂŒder nicht diese herrlich rasant komprimierten ErzĂ€hlpassagen hĂ€tten. Dialog macht bei denen höchstens zehn prozent des Textes aus. Gilt genauso fĂŒr andere stilistische GroĂmeister der Phantastik - Stanislaw Lem oder Kobo Abe oder oder oderIn der klassischen Phantastik, z.B. H. P. Lovecraft, Wells etc., wurde dieser Stil hĂ€ufiger verwendet.
Wird ja hier gemacht. Ich meine, das ist alles in indirekter Rede und sehr detailliert. In der Story steckt ungeheuer viel drin.nd Dialoge, die nur durch GedankenĂŒbertragung stattfinden, kann man genauso detailliert schildern, wie Dialoge "von Mund zu Mund".
Zett Be?Da gÀbe es verschiedene Möglichkeiten.
#6
Geschrieben 16 November 2006 - 19:26
Das alleine ist aber noch kein Indiz dafĂŒr, ob der Text gut oder schlecht ist - zumindest nicht fĂŒr mich. Die Dialoglastigkeit oder -menge hĂ€ngt ja auch von der Story an sich ab.Dialog macht bei denen höchstens zehn prozent des Textes aus.
Die aber sehr vielfĂ€ltig sein können, daher sehe ich es nicht als erstrebenswert an, Dialoge weitgehend zu vermeiden und nur an ganz exponierten Stellen zu verwenden. Aber das ist wohl auch eine Frage des Lesegeschmacks.Dialoge sind ein groĂartiges literarisches Werkzeug, aber nur fĂŒr bestimmte Aufgaben.
GrundsÀtzlich ziehe ich
»Ich habe eine ErkÀltung und muss zum Arzt.«
einem
Er sagte, er hĂ€tte eine ErkĂ€ltung und mĂŒsse zum Arzt
vor.
(Vorziehen wĂŒrde ich es auch, keine ErkĂ€ltung zu haben, aber das ist ein anderes Thema ...
Es ist deshalb kein Wunder, dass diese Leute dauernd 600-Seiten-Schinken auswerfen, die trotzdem weniger Handlung aufweisen als ein 200-Seiten-Roman von Lem.
Möglichst viel Handlung in möglichst kurze Texte zu packen ist fĂŒr mich auch nicht unbedingt erstrebenswert. Wo bleibt da der LesespaĂ?
Endlos lange, schwafelige Texte mit wenig oder gar keiner Handlung sind natĂŒrlich auch nicht das Wahre.
Es kommt eben immer darauf an ...
Da ich das Buch nicht kenne, kann ich nichts dazu sagen. Aber wenn der Tod einer Hauptperson mit ein paar wenigen SĂ€tzen abgehandelt wird, erscheint mir das ein wenig sonderbar. Wenn der Held spannende Abenteuer erlebt, möchte ich die im Allgemeinen möglichst hautnah miterleben und nicht nur erzĂ€hlt bekommen, dass er spannende Abenteuer erlebt hat.Der Protagonist macht gegen Ende des Buches eine vierzigtĂ€gige Reise quer durch einen feindlichen Kontinent, verliert seinen besten Freund, der uns wĂ€hrend des ganzen Romans begleitet hat (!), wird vom Feind gefangengenommen, lĂ€uft zur Gegenseite ĂŒber und erklimmt in dessen Reihen die Hierarchie bis in hohe Regierungskreise, und das alles wird in sechs Seiten abgedeckt, weil es fĂŒr das Thema, den eigentlichen Kern des Buches, nicht von groĂer Bedeutung ist. DAS nenne ich Stilsicherheit!
Es mag durchaus sein (und nicht nur im Bereich SF), dass mancher Autor Defizite mit Dialogen zu ĂŒbertĂŒnchen versucht. Auf der anderen Seite gehören fĂŒr mich gute, lebensnahe, ungekĂŒnstelte, lebendige Dialoge zum Grundhandwerkszeug eines Autors. Wenn Dialoge weitgehend vermieden werden, zeugt das ja nicht automatisch von der Reife des Autors, denke ich.Langer Rede kurzer Sinn: Die Dialoglastigkeit mancher SciFi-Autoren zeugt von mangelnder Reife.
Ja, du hast Recht ...Ups, lange off topic gewesen. ZurĂŒck zum Thema:
Dazu ein kurzer Textauszug:Ich meine, das ist alles in indirekter Rede und sehr detailliert. In der Story steckt ungeheuer viel drin.
Nichtsdestotrotz entspann sich schnell ein lebhaftes GesprÀch. Wir versuchten zunÀchst, gemeinsame Bezugspunkte in der Galaxis festzulegen, um die jeweiligen Heimatwelten lokalisieren zu können.
Mir wĂ€re es lieber, wenn ich mir selbst ein Bild davon machen könnte, wie lebhaft ein GesprĂ€ch ist anstelle erzĂ€hlt zu bekommen, es sei ein lebhaftes GesprĂ€ch gewesen - ganz im Sinne von âShow, donâ âąt tellâ. Gerade ein lebhaftes GesprĂ€ch kann doch einen Teil der WĂŒrze eines Textes ausmachen - zumindest fĂŒr meinen Geschmack.
Ăber viele AbsĂ€tze hinweg indirekte Rede zu lesen macht mir persönlich weit weniger SpaĂ, als ein GesprĂ€ch hautnah mitzuverfolgen.
Leg mich jetzt bitte nicht auf konkrete Fundstellen fest, aber ich habe schon die unterschiedlichsten Varianten gesehen, wie man so was ohne indirekte Rede machen kann. Sei es, dass die GedankensĂ€tze kursiv gesetzt werden oder aber dass einfache AnfĂŒhrungszeichen âș ... âč den Unterschied zu gesprochenen Dialogen » ... « kennzeichnen. Auch reine Dialogpassen, in denen jeder Sprecher benannt oder gekennzeichnet wird, sind ja möglich. In irgendeiner NOVA-Ausgabe wurde z.B. jeder neue Sprecher durch einen Gedankenstrich gekennzeichnet - sinngemĂ€Ă:Zett Be?
- Hallo!
- Hallo, wie gehtâ âąs?
- Gut. Und dir?
- Schlecht.
Eine Fundstelle hab ich doch: SPHERE von Crichton. Dort wurde es (sinngemĂ€Ă!) so gestaltet:
»Hallo.«
Hallo.
»Kommunizierst du per GedankenĂŒbertragung?«
Genau.
Ah, sehr interessant. Und es funktioniert prÀchtig.
So ist es.
HĂ€tte ich nicht gedacht.
Aber wie schon mehrfach gesagt: Die GeschmĂ€cker sind natĂŒrlich unterschiedlich, und das ist ja grundsĂ€tzlich gut so.
Mein Blog: Schreibkram & BĂŒcherwelten
#7
Geschrieben 21 November 2006 - 19:54
Unterm Strich können wir das bestimmt so stehen lassen. Aber wenn du Lust hast, können wir noch ein bisschen ĂŒber die Details diskutieren.Aber wie schon mehrfach gesagt: Die GeschmĂ€cker sind natĂŒrlich unterschiedlich, und das ist ja grundsĂ€tzlich gut so.
Das Problem ist halt, dass "normale" Dialoge zu 90% aus Redundanz bestehen. Und dann lauten Textpassagen halt so:Das alleine ist aber noch kein Indiz dafĂŒr, ob der Text gut oder schlecht ist - zumindest nicht fĂŒr mich. Die Dialoglastigkeit oder -menge hĂ€ngt ja auch von der Story an sich ab.
Die aber sehr vielfÀltig sein können, daher sehe ich es nicht als erstrebenswert an, Dialoge weitgehend zu vermeiden und nur an ganz exponierten Stellen zu verwenden. Aber das ist wohl auch eine Frage des Lesegeschmacks.
GrundsÀtzlich ziehe ich
»Ich habe eine ErkÀltung und muss zum Arzt.«
einem
Er sagte, er hĂ€tte eine ErkĂ€ltung und mĂŒsse zum Arzt
vor.
"Morgen. Gut geschlafen?"
"Ja, und selber?"
"Schlecht getrÀumt. Wie geht's mit der Arbeit voran?"
"Mal so, mal so. Könnte besser gehen."
"Bei mir auch."
Ein guter Autor wĂŒrde einfach schreiben:
Sie begrĂŒĂten einander und diskutierten ĂŒber die Arbeit.
Damit ist schon alles gesagt!
Kommt darauf an, worin fĂŒr dich der LesespaĂ besteht. FĂŒr mich soll eine Geschichte vor allem eins tun: Eine Geschichte erzĂ€hlen. Und eine Geschichte besteht nun einmal aus interessanten Informationen, die in einer Handlung angeordnet sind. Alles, was weder eine Information liefert noch die Handlung vorantreibt, ist fehl am Platze. Das gilt fĂŒr Romane und ErzĂ€hlungen, aber erst recht fĂŒr Kurzgeschichten. Wie lautet das obligatorische Schreibgesetz, das Hemingway formuliert hat? "Putting in [information] and leaving out [redundancies]".Möglichst viel Handlung in möglichst kurze Texte zu packen ist fĂŒr mich auch nicht unbedingt erstrebenswert. Wo bleibt da der LesespaĂ?
Naja, Abenteuer kannst du eigentlich nicht durch Dialoge erleben, sondern gerade nur durch ErzÀhltextDa ich das Buch nicht kenne, kann ich nichts dazu sagen. Aber wenn der Tod einer Hauptperson mit ein paar wenigen SÀtzen abgehandelt wird, erscheint mir das ein wenig sonderbar. Wenn der Held spannende Abenteuer erlebt, möchte ich die im Allgemeinen möglichst hautnah miterleben und nicht nur erzÀhlt bekommen, dass er spannende Abenteuer erlebt hat.
Viele der bedeutendsten Abenteuerromane sind denn ja auch vollstÀndig oder fast vollstÀndig in indirekter Rede erzÀhlt: Die Reise zum Mittelpunkt der Erde, In 80 Tagen um die Welt (sowie das meiste von Jules Verne), aber auch H.G. Wells, Frankenstein von Mary Shelley etc. Wenn da jedes GesprÀch in direkter Rede abgelaufen wÀre, wÀren die aber dreimal so dick
Der umgekehrte Fall aber noch weniger. Wenn du dir Fan-Fiction ansiehst, wirst du normalerweise von Dialogen erschlagen - weil angehende Autoren das nötige schriftstellerische Handwerkszeug noch nicht erlernt haben, mit was fĂŒr Mitteln neben Dialogen man eine Handlung erzĂ€hlen kann. SelbstverstĂ€ndlich ist das Schreiben von Dialogen eine groĂe Kunst. Wenn du dir die bedeutendsten Vertreter dieser Kunst ansiehst, wirst du aber auch erkennen, dass sie immer versucht haben, die Dialoge so kurz und die Informationsdichte so groĂ wie möglich zu halten. Bestes Beispiel ist Shakespeare. Im 20. Jahrhundert könnte man Stanley Kubrick anfĂŒhren.Es mag durchaus sein (und nicht nur im Bereich SF), dass mancher Autor Defizite mit Dialogen zu ĂŒbertĂŒnchen versucht. Auf der anderen Seite gehören fĂŒr mich gute, lebensnahe, ungekĂŒnstelte, lebendige Dialoge zum Grundhandwerkszeug eines Autors. Wenn Dialoge weitgehend vermieden werden, zeugt das ja nicht automatisch von der Reife des Autors, denke ich.
WeiĂ nicht, was mit dem Satz nicht in Ordnung ist: Er enthĂ€lt alles, was fĂŒr die Geschichte wichtig ist. Das "lebhafte GesprĂ€ch" ist ja schlieĂlich nur eine Marginalie in der Geschichte dieses Kontakts. Worum es eigentlich geht, ist der Kontakt an sich. Wenn man dem GesprĂ€ch mehr Raum gegeben hĂ€tte, hĂ€tte man vielleicht einige lustig-missverstĂ€ndliche Dialoge erfinden können, aber es hĂ€tte fĂŒr den Leser keinerlei Informationsgewinn gegeben.Dazu ein kurzer Textauszug:
Nichtsdestotrotz entspann sich schnell ein lebhaftes GesprÀch. Wir versuchten zunÀchst, gemeinsame Bezugspunkte in der Galaxis festzulegen, um die jeweiligen Heimatwelten lokalisieren zu können.
Mir wĂ€re es lieber, wenn ich mir selbst ein Bild davon machen könnte, wie lebhaft ein GesprĂ€ch ist anstelle erzĂ€hlt zu bekommen, es sei ein lebhaftes GesprĂ€ch gewesen - ganz im Sinne von âShow, donâ âąt tellâ. Gerade ein lebhaftes GesprĂ€ch kann doch einen Teil der WĂŒrze eines Textes ausmachen - zumindest fĂŒr meinen Geschmack.
Was mir an deinem Argument besonders komisch vorkommt: "Show, don't tell" ist eigentlich eine Regel des Mediums Film und befiehlt dem Filmemacher, von der Handlung so viel wie möglich durch die Kamera (Bilder) und so wenig wie möglich durch Dialoge zu ĂŒbermitteln. Ist also eigentlich genau das Gegenteil von dem, was du sagst
Okay, das sind die Sachen, wie man sie typischerweise bei "universal translator"-Passagen oder beim Gedankenlesen sieht. Ich denke, das ist hier mit Absicht nicht gemacht worden. Diese Markierungen sind ja letztendlich nichts anderes als Substitute fĂŒr normale AnfĂŒhrungszeichen. Diese Geschichte dreht sich ja gerade darum, dass mit einer Alienrasse kein "normaler" Dialog möglich ist, weil Kommunikationsmethode, Bewusstsein, Denkstrukturen alle völlig anders sind und ein hohes MaĂ an Interpretation nötig wird. Ăber ein HintertĂŒrchen wieder die klassischen AnfĂŒhrungszeichen einzufĂŒhren, wĂ€re also reichlich kontraproduktiv gewesenLeg mich jetzt bitte nicht auf konkrete Fundstellen fest, aber ich habe schon die unterschiedlichsten Varianten gesehen, wie man so was ohne indirekte Rede machen kann. Sei es, dass die GedankensĂ€tze kursiv gesetzt werden oder aber dass einfache AnfĂŒhrungszeichen âș ... âč den Unterschied zu gesprochenen Dialogen » ... « kennzeichnen. Auch reine Dialogpassen, in denen jeder Sprecher benannt oder gekennzeichnet wird, sind ja möglich. In irgendeiner NOVA-Ausgabe wurde z.B. jeder neue Sprecher durch einen Gedankenstrich gekennzeichnet - sinngemĂ€Ă:
- Hallo!
- Hallo, wie gehtâ âąs?
- Gut. Und dir?
- Schlecht.
Eine Fundstelle hab ich doch: SPHERE von Crichton. Dort wurde es (sinngemĂ€Ă!) so gestaltet:
»Hallo.«
Hallo.
»Kommunizierst du per GedankenĂŒbertragung?«
Genau.
Ah, sehr interessant. Und es funktioniert prÀchtig.
So ist es.
HĂ€tte ich nicht gedacht.
#8
Geschrieben 23 November 2006 - 02:14
Ich fĂŒrchte, das wĂŒrde dann doch recht weit von der Story wegfĂŒhren ...Unterm Strich können wir das bestimmt so stehen lassen. Aber wenn du Lust hast, können wir noch ein bisschen ĂŒber die Details diskutieren.
Aber da wir hier die Alleinunterhalter spielen, wird man es uns vielleicht verzeihen.
Ich versuche, mich kurz zu fassen, damits nicht zuviel Off Topic wird.
Wenn's tatsĂ€chlich soviel ist, dann wĂ€re es auch mir wohl zuviel. Aber glĂŒcklicherweise ist es nicht immer so viel - zumindest nach meinem Eindruck.Das Problem ist halt, dass "normale" Dialoge zu 90% aus Redundanz bestehen. Und dann lauten Textpassagen halt so:
Ich bin aber kein Purist, was das betrifft, d.h., ich lese ErzĂ€hlungen oder Romane eher als Gesamtheit und schaue nicht so sehr auf einzelne SĂ€tze oder AbsĂ€tze. Wenn also unnötige SĂ€tze drinstehen, die aber nicht weiter auffallen bzw. nicht ausufern, ist es fĂŒr mich okay, wenn die Story spannend rĂŒberkommt oder mir die Personen so interessant erscheinen, dass ich ihnen gerne beim Plaudern zuhöre (immer in MaĂen natĂŒrlich). Nicht jeder Satz, der keine immens wichtige Info enthĂ€lt, erscheint mir von vornherein unnötig.
Das sehe ich nur teilweise so. Die Story und die Informationen, die fĂŒr die Story wichtig sind, sollten natĂŒrlich im Vordergrund stehen. Aber es gibt auch ErzĂ€hlungen oder Passagen in Romanen mit relativ wenig Handlung, an denen ich durchaus Gefallen finden kann - sei es, dass eine besondere AtmosphĂ€re vermittelt wird, oder ein witziger Dialog, eine interessante Anekdote usw.Kommt darauf an, worin fĂŒr dich der LesespaĂ besteht. FĂŒr mich soll eine Geschichte vor allem eins tun: Eine Geschichte erzĂ€hlen. Und eine Geschichte besteht nun einmal aus interessanten Informationen, die in einer Handlung angeordnet sind. Alles, was weder eine Information liefert noch die Handlung vorantreibt, ist fehl am Platze. Das gilt fĂŒr Romane und ErzĂ€hlungen, aber erst recht fĂŒr Kurzgeschichten. Wie lautet das obligatorische Schreibgesetz, das Hemingway formuliert hat? "Putting in [information] and leaving out [redundancies]".
Ich lese sehr gern ErzÀhlungen, die wie ein Film vor dem geistigen Auge ablaufen - und da passt es durchaus, wenn die Akteure tatsÀchlich reden und nicht nur erzÀhlt wird, was sie gesagt haben.Naja, Abenteuer kannst du eigentlich nicht durch Dialoge erleben, sondern gerade nur durch ErzÀhltext
Aus diesem Grund hatte ich ja in meinem zweiten Posting auf die klassische Phantastik verwiesen.Viele der bedeutendsten Abenteuerromane sind denn ja auch vollstÀndig oder fast vollstÀndig in indirekter Rede erzÀhlt: Die Reise zum Mittelpunkt der Erde, In 80 Tagen um die Welt (sowie das meiste von Jules Verne), aber auch H.G. Wells, Frankenstein von Mary Shelley etc.
Die von dir angesprochenen Romane hab ich alle gelesen, fast alle sogar mehrfach und einige ungekĂŒrzt (da steht teilweise viel ĂberflĂŒssiges drin), da Jules Verne mir die ersten Kontakte zur SF beschert hat und mich Klassiker durchaus interessieren (heute nicht mehr ganz so sehr wie noch vor Jahren). Aber ich hab den ErzĂ€hlstil auch im Kontext zu der Zeit gesehen, in der diese Werke entstanden sind.
"Show, don't tell" begegnet einem auch in der Literatur immer wieder. Bin mir nicht mehr ganz sicher, aber der Ausspruch wurde z.B. von Henry James verwendet oder gar geprĂ€gt.Was mir an deinem Argument besonders komisch vorkommt: "Show, don't tell" ist eigentlich eine Regel des Mediums Film und befiehlt dem Filmemacher, von der Handlung so viel wie möglich durch die Kamera (Bilder) und so wenig wie möglich durch Dialoge zu ĂŒbermitteln. Ist also eigentlich genau das Gegenteil von dem, was du sagst
Gemeint ist damit, dass man nicht niederschreiben soll "Karl war mies drauf", sondern dass man besser mit einer geeigneten Szene zeigen soll, dass er mies drauf ist. Der Leser soll spĂŒren, dass etwas so ist - ohne dass ihm der Autor explizit sagt, wie es ist. Der Leser kann das z.B. durch einen Dialog sehr gut spĂŒren, wenn Karl entsprechend mĂŒrrische Antworten gĂÂbt etc.
So war das auch - beispielhaft - beim "lebhaften GesprÀch" gemeint.
Wenn aber ein Mensch an dieser Kommunikation beteiligt ist, dann ist sein in Gedanken gefĂŒhrtes GesprĂ€ch von einem mĂŒndlich gefĂŒhrten doch nicht gar so weit weg, oder?Diese Geschichte dreht sich ja gerade darum, dass mit einer Alienrasse kein "normaler" Dialog möglich ist, weil Kommunikationsmethode, Bewusstsein, Denkstrukturen alle völlig anders sind und ein hohes MaĂ an Interpretation nötig wird. Ăber ein HintertĂŒrchen wieder die klassischen AnfĂŒhrungszeichen einzufĂŒhren, wĂ€re also reichlich kontraproduktiv gewesen
Zumal es in der Story heiĂt:
Je lĂ€nger wir redeten, desto mehr redeten wir aneinander vorbei ... Ich widersprach jedenfalls vehement ihrer Auffassung, es habe sich dabei um den Sohn eines Mitglieds der sie erschaffenden technisch ĂŒberlegenen Rasse namens ETWAS gehandelt.
Damit war fĂŒr mich eigentlich klar, dass diese Kommunikation doch in gewissen Bahnen ablĂ€uft, die einem echten GesprĂ€ch nicht so unĂ€hnlich sind. Und auch hier gilt fĂŒr mich wieder "show, don't tell". Mir als Leser wird zwar gesagt, dass die beiden aneinander vorbeireden, aber ich wĂŒrde - zumindest in Ausschnitten oder exemplarisch - gern "live" miterleben, wie sie andeinander vorbei reden bzw. wie vehement dieser Widerspruch tatsĂ€chlich ausfĂ€llt, ich mache mir also gern selbst ein Bild von der Sache.
(Somit hab ich wenigstens die Kurve zurĂŒck zur Story gekriegt.
Mein Blog: Schreibkram & BĂŒcherwelten
#9
Geschrieben 25 November 2006 - 00:14
#10
Geschrieben 29 November 2006 - 02:55
Hm, gegen sinnvolles KĂŒrzen hab ich nichts - meist ist KĂŒrzen auch notwendig. Aber wenn Dialoge aus GrĂŒnden einer TextkĂŒrzung rausgelassen oder gestrichen werden, dann sehe ich das ziemlich zwiespĂ€ltig.Der Mangel an Dialog, wie auch immer er nun geartet sein könnte, ist vor allem ein Resultat der ZeichenbeschrĂ€nkung. 20.000 lĂ€sst halt nur gewisse TextlĂ€ngen zu - um die zehn Seiten, also weniger ein Short- als eine Short-Short-Story. Da ich die Geschichte etwas zu ausufernd geplant hatte und mir die Zeit fehlte, sie angemessen umzuschreiben, mussten mehrere HandlungsstrĂ€nge gestrafft oder entfernt werden.
Das Fehlen von Dialogen ist hier ja nicht nur der non-verbalen Kommunikation geschuldet, auch die Dialoge zwischen den Menschen werden nur in indirekter Rede wiedergegeben.
Bei Textstellen wieDialoge in direkter Rede hatte ich allerdings tatsÀchlich von vornherein ausgeschlossen. Einfach deswegen, weil es lÀcherlich ist, dass die vorgestellten Kreaturen wie Menschen denken, geschweigedenn ihre Gedanken vermitteln.
Je lĂ€nger wir redeten, desto mehr redeten wir aneinander vorbei ... Ich widersprach jedenfalls vehement ihrer Auffassung, es habe sich dabei um den Sohn eines Mitglieds der sie erschaffenden technisch ĂŒberlegenen Rasse namens ETWAS gehandelt.
kann ich das allerdings nur bedingt nachvollziehen. Klar soll sich diese Kommunikation von einem GesprÀch unterscheiden, aber nach einigen Beschreibungen in der Story erscheint es mir nach wie vor so, dass diese Art der Kommunikation von unseren GesprÀchen doch nicht soo gravierend abweicht.
Bearbeitet von ChristianW, 29 November 2006 - 02:57.
Mein Blog: Schreibkram & BĂŒcherwelten
#11
Geschrieben 02 Dezember 2006 - 18:07
Klar. Das gilt z.B. fĂŒr humoristische Einlagen oder Passagen, die einfach die Stimmung transportieren sollen. Gerade bei unerfahrenen Autoren nehmen solche Passagen manchmal ĂŒberhand, mit dem Ergebnis, dass ihre Geschichte vielleicht lustig ist oder gut klingt, aber belanglos ist.Ich bin aber kein Purist, was das betrifft, d.h., ich lese ErzĂ€hlungen oder Romane eher als Gesamtheit und schaue nicht so sehr auf einzelne SĂ€tze oder AbsĂ€tze. Wenn also unnötige SĂ€tze drinstehen, die aber nicht weiter auffallen bzw. nicht ausufern, ist es fĂŒr mich okay, wenn die Story spannend rĂŒberkommt oder mir die Personen so interessant erscheinen, dass ich ihnen gerne beim Plaudern zuhöre (immer in MaĂen natĂŒrlich). Nicht jeder Satz, der keine immens wichtige Info enthĂ€lt, erscheint mir von vornherein unnötig.
Hoppla. Ist ja das gleiche, wie ich es gerade gesagt habe. Von daher also volle ZustimmungDas sehe ich nur teilweise so. Die Story und die Informationen, die fĂŒr die Story wichtig sind, sollten natĂŒrlich im Vordergrund stehen. Aber es gibt auch ErzĂ€hlungen oder Passagen in Romanen mit relativ wenig Handlung, an denen ich durchaus Gefallen finden kann - sei es, dass eine besondere AtmosphĂ€re vermittelt wird, oder ein witziger Dialog, eine interessante Anekdote usw.
In dem Punkt werden wir uns wohl nie einig werden. Film und Literatur sind zwei völlig unterschiedliche Medien, und Literatur, die "wie ein Film vor dem geistigen Auge" ablÀuft, ist normalerweise absichtlich so geschrieben worden und gehört zur Trivialliteratur. Die Werkzeuge der Literatur hingegen sind an sich völlig andere. Mich beeindruckt ein Autor dann, wenn er genau diese Mittel beherrscht (Kafka, Joyce, Proust...), und mich nicht in das Rezeptionsmuster eines anderen Mediums hineinzwingen möchte (Stephen King, Michael Crichton, Tom Clancy, Andreas Eschbach...).Ich lese sehr gern ErzÀhlungen, die wie ein Film vor dem geistigen Auge ablaufen - und da passt es durchaus, wenn die Akteure tatsÀchlich reden und nicht nur erzÀhlt wird, was sie gesagt haben.
Noch einmal: Das hat nichts mit Klassik oder der Entstehungszeit zu tun, es gilt fĂŒr moderne Literatur genauso (man schaue sich nur Heinlein oder Joe Haldeman an). Was bei Jules Verne, Mary Shelley oder H.G. Wells ĂberflĂŒssiges drinstehen soll, wird mir allerdings nicht klar. Am ehesten noch Jules Verne, der einen gerne mit Informationen ĂŒberschwemmt (seinem Zettelkasten sei dank).Aus diesem Grund hatte ich ja in meinem zweiten Posting auf die klassische Phantastik verwiesen.
Die von dir angesprochenen Romane hab ich alle gelesen, fast alle sogar mehrfach und einige ungekĂŒrzt (da steht teilweise viel ĂberflĂŒssiges drin), da Jules Verne mir die ersten Kontakte zur SF beschert hat und mich Klassiker durchaus interessieren (heute nicht mehr ganz so sehr wie noch vor Jahren). Aber ich hab den ErzĂ€hlstil auch im Kontext zu der Zeit gesehen, in der diese Werke entstanden sind.
Ich habe gerade das hier ausgegraben. Ist vom gleichen Autor, und du bist verstĂ€ndlicherweise so lange von der Geschichte angetan, wie sie nach dem "Show, don't tell"-Prinzip funktioniert. In dem Moment aber, wo er diese ErzĂ€hlposition verlĂ€sst, wirfst du ihm das vor. Das ist fĂŒr mich der Knackpunkt. Du hast dich zu sehr auf ein ErzĂ€hlschema versteift und bist nicht mehr fĂŒr die zahllosen anderen ErzĂ€hlmechanismen literarischen ErzĂ€hlens empfĂ€nglich, so kommt es jedenfalls rĂŒber."Show, don't tell" begegnet einem auch in der Literatur immer wieder. Bin mir nicht mehr ganz sicher, aber der Ausspruch wurde z.B. von Henry James verwendet oder gar geprĂ€gt.
Gemeint ist damit, dass man nicht niederschreiben soll "Karl war mies drauf", sondern dass man besser mit einer geeigneten Szene zeigen soll, dass er mies drauf ist. Der Leser soll spĂŒren, dass etwas so ist - ohne dass ihm der Autor explizit sagt, wie es ist. Der Leser kann das z.B. durch einen Dialog sehr gut spĂŒren, wenn Karl entsprechend mĂŒrrische Antworten gĂÂbt etc.
So war das auch - beispielhaft - beim "lebhaften GesprÀch" gemeint.
Wenn aber ein Mensch an dieser Kommunikation beteiligt ist, dann ist sein in Gedanken gefĂŒhrtes GesprĂ€ch von einem mĂŒndlich gefĂŒhrten doch nicht gar so weit weg, oder?
Zumal es in der Story heiĂt:
Je lĂ€nger wir redeten, desto mehr redeten wir aneinander vorbei ... Ich widersprach jedenfalls vehement ihrer Auffassung, es habe sich dabei um den Sohn eines Mitglieds der sie erschaffenden technisch ĂŒberlegenen Rasse namens ETWAS gehandelt.
Damit war fĂŒr mich eigentlich klar, dass diese Kommunikation doch in gewissen Bahnen ablĂ€uft, die einem echten GesprĂ€ch nicht so unĂ€hnlich sind. Und auch hier gilt fĂŒr mich wieder "show, don't tell". Mir als Leser wird zwar gesagt, dass die beiden aneinander vorbeireden, aber ich wĂŒrde - zumindest in Ausschnitten oder exemplarisch - gern "live" miterleben, wie sie andeinander vorbei reden bzw. wie vehement dieser Widerspruch tatsĂ€chlich ausfĂ€llt, ich mache mir also gern selbst ein Bild von der Sache.
(Somit hab ich wenigstens die Kurve zurĂŒck zur Story gekriegt.)
Um dir noch ein Beispiel dafĂŒr zu liefern, wie wenig aussagekrĂ€ftig das Vorhandensein von Dialogen ist, zwei Beispiele aus dem Buch "Frieden auf Erden" von Stanislaw Lem:
Die Probleme blieben natĂŒrlich nicht auf die Erotik beschrĂ€nkt. Ein zwölfjĂ€hriger SchĂŒler zum Beispiel, dessen Rechtschreibefehler beim Diktat mit einer schlechten Note bestraft wurden, benutzte einen athletisch gebauten Sendling, um den Lehrer windelweich zu prĂŒgeln und ihm die Wohnung zu demolieren. Dieser Sendling war ein sogenannter HaushĂŒter, ein Modell, das reiĂenden Absatz fand, und der Vater des SchĂŒlers hielt ihn in einer HĂŒtte auf seinem GrundstĂŒck, um es vor Dieben zu schĂŒtzen. Deswegen ging der EigentĂŒmer stets in einem Spezialpyjama mit eingenĂ€hten Elektroden zu Bett, und wenn die Alarmanlage die Anwesenheit fremder Personen anzeigte, brauchte er nicht einmal aufzustehen, um sogar mit mehreren Einbrechern fertig zu werden und sie bis zum Eintreffen der Polizei festzuhalten.
Einer der beiden AbsĂ€tze war in wörtlicher Rede verfasst, einer war ErzĂ€hltext. Trotzdem ist die Struktur fast gleich, und wĂŒrden keine AnfĂŒhrungszeichen stehen, könnte man das eine kaum vom anderen unterscheiden. Mit anderen Worten: Innerhalb einer ErzĂ€hlung ist Exposition in Form von Dialog und in Form von ErzĂ€hltext hĂ€ufig austauschbar. Das ist etwas völlig anderes als der Unterschied zwischen OFF-Narration und Dialog in Film und Fernsehen, das muss man sich klar machen.Sicher hat es viele Arten gegeben, und die meisten sind, wie es die Evolution mit sich bringt, ausgestorben. Nach einiger Zeit sind symbiotische Gattungen aufgetreten, solche also, die zusammenarbeiten, weil es allen Seiten nĂŒtzt. Sie sind - wie etwa die Grippevieren - lediglich zu einer groĂen Modifikationsvielfalt imstande. Im Unterschied zu den irdischen Bakterien sind sie keine Parasiten, weil sie gar keine Wirte haben konnten, sieht man von den Rechnerruinen ab, aus denen sie schlĂŒpften. Diese waren ja nur der anfĂ€ngliche NĂ€hrboden. Die Sache komplizierte sich dadurch, dass es inzwischen zu einer Zweiteilung sĂ€mtlicher Waffen gekommen war, die dort entstanden, solange die Programme noch einigermaĂen nach ihren Vorgaben arbeiteten.
#12
Geschrieben 02 Dezember 2006 - 18:39
1. Kein Problem.Sorry, dass ich erst jetzt antworte - die Diskussion im Gewinnerthread hatte meine Aufmerksamkeit gebunden. Ich hoffe, du bist immer noch streitbar
2. Da die Zeit knapp ist und wir das OFF TOPIC vielleicht nicht zu sehr ausbreiten sollten, versuche ich mich knapp zu fassen:
Hier kommt unsere unterschiedliche Sichtweise relativ deutlich raus:Film und Literatur sind zwei völlig unterschiedliche Medien, und Literatur, die "wie ein Film vor dem geistigen Auge" ablÀuft, ist normalerweise absichtlich so geschrieben worden und gehört zur Trivialliteratur. Die Werkzeuge der Literatur hingegen sind an sich völlig andere.
Ich unterteile nicht in "Trivialliteratur" und "Literatur". Diese Unterscheidungen sind fĂŒr mich nachrangig. FĂŒr mich geht es in erster Linie darum, ob mich ein Werk anspricht oder nicht. Da spielen neben einigen objektiven Kriterien auch etliche subjektive Kriterien hinein. Insofern sehe ich mich nicht als jemanden, der ein Werk nach literaturwissenschaftlichen oder -historischen Kriterien beurteilt, sondern ich sehe mich in erster Linie als Leser. Und als Leser gefĂ€llt mir das eine besser, das andere weniger gut, und manches auch gar nicht. In der Regel schreibe ich in meine Kommentare auch rein "gefĂ€llt mir/gefĂ€llt mir nicht" - insofern sind das keine literaturwissenschaftlichen Bewertungen und sollen es auch nicht sein.
Auch hier ein Unterschied: Mich sprechen die Werke der genannten Autoren kaum an - hab auch nur Kafka gelesen und Joyce nach wenigen Dutzend Seiten abgebrochen. Wenn also ein Autor mit den Mitteln schreibt, die diese Autoren verwendet oder geprÀgt haben, kann ich zwar die Mittelverwendung bewundern, aber ob mir das Werk dann auch als Leser zusagt, steht wieder auf einem anderen Blatt Papier.Mich beeindruckt ein Autor dann, wenn er genau diese Mittel beherrscht (Kafka, Joyce, Proust...)
Knackpunkt: Sehe ich auch so.Ich habe gerade das hier ausgegraben. Ist vom gleichen Autor, und du bist verstĂ€ndlicherweise so lange von der Geschichte angetan, wie sie nach dem "Show, don't tell"-Prinzip funktioniert. In dem Moment aber, wo er diese ErzĂ€hlposition verlĂ€sst, wirfst du ihm das vor. Das ist fĂŒr mich der Knackpunkt. Du hast dich zu sehr auf ein ErzĂ€hlschema versteift und bist nicht mehr fĂŒr die zahllosen anderen ErzĂ€hlmechanismen literarischen ErzĂ€hlens empfĂ€nglich, so kommt es jedenfalls rĂŒber.
Auf ein ErzĂ€hlschema versteift: Bis zu einem gewissen Grad sicherlich, ganz einfach weil mir das eher zusagt. Wobei ich nicht ausschlieĂlich solche Sachen lese, aber es trifft meinen persönlichen Geschmack in aller Regel am ehesten. Gerade in Anthologien lese ich auch Storys, die von diesem Schema abweichen. Einige von denen fand ich auch beindruckend, etliche waren schlichtweg nicht mein Fall (Stichwort: LesespaĂ - meine Zeit ist leider zu knapp bemessen, um mich ausfĂŒhrlich Werken zu widmen, die meine Interessen nicht ansprechen).
Mit anderen Worten: Wenn eine Story/ein Roman innovativ ist oder hochliterarischen AnsprĂŒchen genĂŒgt und mich anspricht: Toll! Wenn's mich nicht anspricht, lege ich das Buch irgendwann beiseite oder komme, wenn ich bis zum Ende lese, möglicherweise zu dem Schluss, dass mir das Werk - in Teilen oder in GĂ€nze - nicht gefĂ€llt oder nicht lebendig genug ist etc.
Bearbeitet von ChristianW, 02 Dezember 2006 - 18:40.
Mein Blog: Schreibkram & BĂŒcherwelten
#13
Geschrieben 03 Dezember 2006 - 14:55
Die von dir beschriebene Unterteilung existiert ja auch nicht. Es gibt Hochliteratur, Unterhaltungsliteratur und Trivialliteratur, die alle zusammen genommen die "Literatur" ergeben.Hier kommt unsere unterschiedliche Sichtweise relativ deutlich raus:
Ich unterteile nicht in "Trivialliteratur" und "Literatur". Diese Unterscheidungen sind fĂŒr mich nachrangig. FĂŒr mich geht es in erster Linie darum, ob mich ein Werk anspricht oder nicht.
WeiĂt du was? Das macht jeder Mensch soInsofern sehe ich mich nicht als jemanden, der ein Werk nach literaturwissenschaftlichen oder -historischen Kriterien beurteilt, sondern ich sehe mich in erster Linie als Leser. Und als Leser gefĂ€llt mir das eine besser, das andere weniger gut, und manches auch gar nicht.
Mit der Kunst (und hier kann man Literatur, Malerei, Musik usw. alle subsumieren) ist es genauso. Es gibt interessante Studien, die zeigen, dass Kinder Geschichten von Kafka (oder sogar jahrtausendealte Epen wie die "Odyssee"
Verstehst du, was ich damit sagen will? Deine Argumentation zu "literaturwissenschaftlichen oder -historischen Kriterien" lĂ€uft ins Leere, weil das gar nicht Gegenstand meiner Kritik war. Kein Mensch, auch ich nicht, bewertet eine Geschichte, die er liest, unter solchen Gesichtspunkten, sondern immer danach, welchen Eindruck sie auf ihn macht. Aber dieser Eindruck ist stark davon abhĂ€ngig, inwieweit ich mich selbst gegenĂŒber den Ausdrucksmitteln einer Kunstrichtung sensibilisiert habe oder dafĂŒr sensibilisiert wurde.
Mit anderen Worten: Wenn jemand sagt, dass er Kafka, Joyce, Eco, Fo, Borges, Dante, Baudelaire, Chaucer "getestet" hat und sie alle nicht mochte, dann kann die Ursache dafĂŒr nicht mehr der Geschmack sein, sondern man kann definitiv daraus schlieĂen, dass er eine extrem eingeschrĂ€nkte Perzeption besitzt. Die Ursache ist dann in der Regel, dass man ihn in seiner Kindheit und Jugend zu wenig mit Kunst jenseits des AlltĂ€glichen konfrontiert hat. Die Konsequenz ist geistige Verarmung.
Denn, um das noch einmal deutlicher herauszustellen: Die "GroĂen" der Literatur (und jeder anderen Kunst) gelten ja nicht als solche, weil irgendein RauschebarttrĂ€ger an einer Uni das einmal so festgelegt hat. Vielmehr, weil diese Autoren Mittel und Wege gefunden haben, ihren Lesern etwas so Wichtiges so effizient zu vermitteln, dass man sie nie mehr vergessen hat. Auch wenn in dieser Sekunde alle Literaturwissenschaftler verschwinden wĂŒrden, wĂŒrde man in hundert Jahren noch Borges und Dante lesen. Ein zentrales Merkmal qualitativ hochwertiger Literatur ist Zeitlosigkeit.
Deswegen gibt es sehr Wohl Mittel und Wege, die QualitĂ€t von Literatur zu bestimmen, und das sogar anhand nachprĂŒfbarer, allgemeingĂŒltiger Aspekte jenseits von "Mir hat's gefallen" und "Ich fand's doof" http://www.scifinet....tyle_emoticons/default/cool.png .
#14
Geschrieben 03 Dezember 2006 - 15:00
#15
Geschrieben 03 Dezember 2006 - 16:47
Kommt darauf an, was man darunter versteht. Wenn man tatsÀchlich keinen Richtlinien folgt, ist das schon "aus dem Bauch heraus" bewertetNa, ja. Nur weil man keinen formalen Bewertungskatalog hat, bewertet man ja nicht aus dem Bauch heraus.
#16
Geschrieben 03 Dezember 2006 - 17:20
SelbstverstĂ€ndlich gehe ich beim KĂŒrzen nicht hin und streiche als erstes die Dialoge. Ich bin hier einfach gar nicht erst dazu gekommen, sie zu schreibenHm, gegen sinnvolles KĂŒrzen hab ich nichts - meist ist KĂŒrzen auch notwendig. Aber wenn Dialoge aus GrĂŒnden einer TextkĂŒrzung rausgelassen oder gestrichen werden, dann sehe ich das ziemlich zwiespĂ€ltig.
Das Fehlen von Dialogen ist hier ja nicht nur der non-verbalen Kommunikation geschuldet, auch die Dialoge zwischen den Menschen werden nur in indirekter Rede wiedergegeben.
Damit bist zum Kern des Problems bei dieser Geschichte vorgedrungen - allerdings von der falschen Seite. Nicht das Fehlen der Dialoge ist das Problem, sondern dass im Rest der Narrativen nicht der Eindruck vermieden wird, dass ein Dialog stattfindet. An dieser Stelle versagt mein Text ganz klĂ€glich, das war mir auch bewusst. Ich habe ĂŒberlegt, ob die Story ĂŒberhaupt so veröffentlicht werden soll (Armin wird sich noch gut an die lange Verzögerung erinnern), aber da ich partout nicht die Zeit gefunden habe, diese Schnitzer ohne eine massive VerlĂ€ngerung des Textes auszubessern, habe ich am Ende davor kapituliert. Und es ist ja auch prompt aufgefallen. Ein gutes Beispiel dafĂŒr, was fĂŒr einen durchschlagenden Effekt stilistische MĂ€ngel haben können.Bei Textstellen wie
Je lĂ€nger wir redeten, desto mehr redeten wir aneinander vorbei ... Ich widersprach jedenfalls vehement ihrer Auffassung, es habe sich dabei um den Sohn eines Mitglieds der sie erschaffenden technisch ĂŒberlegenen Rasse namens ETWAS gehandelt.
kann ich das allerdings nur bedingt nachvollziehen. Klar soll sich diese Kommunikation von einem GesprÀch unterscheiden, aber nach einigen Beschreibungen in der Story erscheint es mir nach wie vor so, dass diese Art der Kommunikation von unseren GesprÀchen doch nicht soo gravierend abweicht.
@Dunkler Oberlord der Sith,
da du "meinen" Thread ja bereits fĂŒr deine Diskussion leicht zweckentfremdet hast und zum eigentlichen Thread-Thema ohnehin kaum Diskussion zu erwarten ist, werde ich einmal auf deine Punkte nĂ€her eingehen.
Bei deinen Bedenken bist du zwar in vielerlei Hinsicht im Recht, aber leider hier an der völlig falschen Adresse, ihnen Ausdruck zu verleihen. Hochliteratur war schon immer hauptsÀchlich auf die Printmedien konzentriert. Das war immer so und wird immer so bleiben. Genauso wenig, wie das Fernsehen revolutionÀre intellektuelle Glanzleistungen hervorbringt, wird das das Internet tun. Ursache? Bei McLuhan, 1967 nachzulesen. Der vielzitierte (und viel öfter missverstandene und missbrauchte) Satz "Das Medium ist die Message" trifft hier voll zu.
Kurz gesagt, liegt es an der Natur des Mediums Internet. Das Internet ist ein Medium, dessen herausragendstes Merkmal seine Geschwindigkeit ist. Informationen ĂŒber Amine oder Giovanni Pacini lassen sich genauso schnell recherchieren, wie die Liste der bulgarischen BeitrĂ€ge beim Eurovision Song Contest. Dementsprechend baut sich beim Benutzer eine Erwartungshaltung auf, wenn er das Medium benutzt: Dass alles, was er daraus bezieht, schnell erreichbar und verwertbar sei. Die Haltung des Konsumenten ist bekanntermaĂen mit dem Anbieter rĂŒckgekoppelt ("Die Nachfrage bestimmt das Angebot"). So kommt es dazu, dass im Internet v.a. Inhalte angeboten werden, die schnell konsumierbar sind. Die Eigenschaften des Mediums formen die Message, das war es, was McLuhan meinte.
Im Falle von reinen Informationen ist das natĂŒrlich Klasse. Zum Recherchieren von Artikeln, Hausaufgaben oder zum Informieren ĂŒber Events und zum Kontakt mit Leuten am anderen Ende der Welt ist das Internet ein göttliches Medium. FĂŒr Kunstliebhaber ist es eher unverdaulich, denn Kunst setzt immer voraus, dass man sich mit ihr lange beschĂ€ftigt und betrĂ€chtliche mentale Ressourcen auf sie verwendet. Dass sich dieser Anspruch nicht gut mit dem Internet vertrĂ€gt, liegt auf der Hand.
Und genau das ist hier auch der Fall. Von einem E-Zine das Aufziehen der nĂ€chsten Generation legendĂ€rer SciFi-Autoren zu erwarten, ist ein Oxymoron. Das ist auch der Grund dafĂŒr, weswegen so wenige in E-Zines veröffentlichte Storys irgendwelche Preise gewinnen. E-Zines sind fĂŒr den schnellen und kurzfristigen LesespaĂ da. Du wirst in ihnen keine Hochliteratur finden und sie auch nicht dazu bringen können, sie herauszubringen.
Nimm das Beispiel von ChristianW:
Dieser Satz hat fĂŒr Literatur ungefĂ€hr die gleiche Bedeutung wie "Ich lese sehr gern Zeitschriften, in denen es viele Bilder gibt" fĂŒr das Pressewesen oder "Ich esse sehr gerne alle Sachen mit Ketchup" fĂŒr die Gastronomie. Jemand, der beim Lesen von ErzĂ€hlungen auf das allersimpelste Handlungsmuster, auf das "Innere Auge" festgelegt ist, wird aus den Meisterwerken der Weltliteratur, die bei den literarischen Mitteln aus dem Vollen schöpfen, wenig Gewinn ziehen - er besitzt einfach nicht die nötigen Mittel, um den dargebotenen Schatz verwerten zu können. In dem Punkt trifft dein Kommentar zur Sensibilisierung den Kern. Genauso wĂŒrde auch jemand, der gerne Illustrierte liest, aus der LektĂŒre der SĂŒddeutschen, FAZ oder NY Times wenig Nutzen ziehen. Und an jemanden, dessen Geschmack nie sensibilisert wurde (und deshalb alles mit Ketchup isst), sind auch Topinambur-TrĂŒffelomelettes, gedĂ€mpftes Bressehuhn und Ratatouille-Vinaigrette verschwendete LiebesmĂŒh.Ich lese sehr gern ErzĂ€hlungen, die wie ein Film vor dem geistigen Auge ablaufen
Die Sache ist nur die, dass man das niemandem zum Vorwurf machen kann. Genausowenig wie ChristianW sich vorzuwerfen lassen braucht, dass er von Literatur nichts versteht, muss ich mir vorwerfen lassen, dass ich von Feinschmeckerei nichts verstehe. Ich esse z.B. fĂŒr mein Leben gern TĂŒtensuppen und könnte einen Chianti Canaiolo geschmacklich nicht vom berĂŒhmten ChĂÂąteau Mouton-Rothschild unterscheiden. Das liegt daran, dass ich niemals die Gelegenheit hatte, meinen Geschmack auszubilden (der Speiseplan meiner Kindheit war recht eintönig) - mit dem Ergebnis, dass ich fĂŒr die Wunder der Ess- und Trinkkultur "blind" geworden bin. Jeder Gourmet wĂŒrde auf mich herabsehen. Aber das ist völlig egal, ich habe auf anderen Gebieten meine StĂ€rken.
Da niemand sich fĂŒrs Blindsein entscheidet, sondern man stets durch die "Ă€uĂeren UmstĂ€nde" dazu gelangt, liegt es in niemandes Verantwortung und muss sich auch niemand fĂŒr seine Blindheit entschuldigen.
An dieser Stelle will ich einen kleinen Exkurs in die Funktionsweise der menschlichen Psyche geben, um dir die Sache mit der "Sensibilisierung", die du angesprochen hast, und dem "Geschmack" deutlicher zu machen (denn du meinst zwar das Richtige, aber deine Begrifflichkeit ist ein bisschen durcheinander):
Die meisten psychischen Prozesse laufen unbewusst ab, so auch der abstrakte Prozess des "Geschmacks". Deshalb ist den meisten Leuten gar nicht klar, dass das, was sie ihren "persönlichen Geschmack" nennen, ein psychisches Konstrukt zur Legitimation der Aktion Konsumieren bzw. Nicht-Konsumieren (oder, aufs Thema bezogen, Lesen/Nichtlesen) ist. Auf beiden Seiten der Bewertungsskala fĂŒr dieses Konstrukt steht der Utilitarismus - auf der einen Seite Output (was bekomme ich dafĂŒr?) auf der anderen Input (was muss ich dafĂŒr leisten?).
Der Output (O) wiederum entsteht in enger Verkettung mit dem Milieu. Will sagen: Wenn jemandem wĂ€hrend seiner Jugend klargeworden ist oder klargemacht wurde, dass er aus Hochliteratur (bzw. Malerei, Kino etc.) einen reichen Schatz an ethischen, moralischen, sozialen, interkulturellen und performativen Mustern, historischem, philosophischem, religiösem, praktischem und pragmatischem Wissen und vielerlei anderem beziehen kann, dann wird der Output-Pattern steigen. In anderen Worten: Weil dem Individuum unterbewusst klar ist, dass es aus der Auseinandersetzung mit den Meisterwerken vergangener Epochen Gewinn schöpft, steigt der Belohnungsanreiz. (Es spielen zahlreiche weitere Faktoren - etwa persönliche Verbindung mit dem Thema - mit hinein, die ich der KĂŒrze und des VerstĂ€ndnisses halber weglasse.)
Der Input (I) entsteht durch den natĂŒrlichen psychischen TrĂ€gheitsfaktor. Er reprĂ€sentiert die (unterbewussten) Ăberlegungen: "Wieviel Zeit muss ich dafĂŒr aufwenden, um das zu lesen?" "Wie lange muss ich stillsitzen, um das zu lesen?" aber auch, und das ist bei den meisten "Leseratten", die aber nur Trivialliteratur konsumieren, der eigentliche Auslöser der Malese: "Wie viel Arbeit muss ich in das VerstĂ€ndnis des Textes investieren?" und "Wie stark muss ich mein gefestigtes Weltbild hinterfragen (oder vielleicht sogar verĂ€ndern), wenn ich mich mit diesem Text beschĂ€ftige?"
Wenn (O) ĂŒber (I) steigt, "öffnet" sich der Verstand langsam dem Text. Das ist bei einem Erwachsenen mit niedrigem (O) schwer zu erreichen. Aber wenn es einmal geschieht, wird die ganze Sache oft zum SelbstlĂ€ufer. Und das liegt am sogenannten Musterreiz.
KLAMMER AUF: Der Musterreiz (M) ist ein Unteraspekt des Outputs (bei diversen Erkrankungen, v.a. Schizophrenie, spielt er eine wichtige Rolle, da er dann etwa andere Reize ĂŒberlagern kann). Dabei handelt es sich um den Belohnungsanreiz, der aus "imaginativen" Leistungen des Gehirns entsteht. Psychologisch gesehen besteht eine "imaginative Leistung" darin, in einem unbekannten System ein Muster zu finden (daher auch der Name).
Beispiel: Die Konsumption der "Divina Commedia" ist fĂŒr das Gehirn Schwerstarbeit, weil dieses Werk aus einer anderen Zeit und Gesellschaft stammt, vor allem aber ein völlig anderes Weltbild transportiert und uns in ĂŒbernatĂŒrliche - höllische wie himmlische - SphĂ€ren entfĂŒhrt. Die Hineinversetzung in die Welt der "Divina Commedia" wird, wenn sie erfolgreich ist, durch den Musterreiz (M) belohnt, aber nur, wenn (O) bereits hoch ist, weil sonst das Ăbergewicht des Inputfaktors die Belohnungsentstehung blockiert. Typischerweise wĂ€re das der gelangweilte Gymnasiast, dem sein Lehrer befohlen hat, die "Divina Commedia" zu lesen, obwohl darauf nicht die geringste Lust hat. Hier kann es nicht zur (M)-AusschĂŒttung kommen, weil (O) von (I) (Input) ĂŒberlagert wird oder gar nicht vorhanden ist. KLAMMER ZU.
Wenn also unser Erwachsener, dessen (O) knapp ĂŒber (I) liegt, die "Divina Commedia" zu lesen beginnt, so wird er das am Anfang widerwillig tun. Je lĂ€nger er liest, desto effizienter wird sein Geist die dem Text zugrunde liegenden Muster entschlĂŒsseln, lernen, begreifen und dadurch (M) auslösen. Die Belohnung durch (M) (AusschĂŒttung von Endorphinen) wird nach einiger Zeit in (O) integriert, das dadurch steigt. Die Relation zwischen (O) und (I) Ă€ndert sich also zugunsten von (O). Bei einem so tiefgrĂŒndigen Werk wie unserem Beispiel kann (O) schwindelnde Höhen erreichen.
Oder, noch einmal am Beispiel ausgedrĂŒckt: Man beginnt widerwillig zu lesen, begreift am Anfang gar nichts, aber je mehr man begreift, desto mehr SpaĂ macht die Sache. Man ist (meist unbewusst) stolz darauf, dass man eine schwierige mentale Leistung vollbracht hat, was den Anreiz, weiterzulesen, verstĂ€rkt. So geht das ganze nach dem Schneeballprinzip weiter. Das Problem bei der Sache ist, (O) erst einmal groĂ genug werden zu lassen, und das geht nur, indem man das Interesse weckt - Zwang nĂŒtzt gar nichts.
Ich sollte hinzufĂŒgen, dass (O) kein allgemeiner Wert ist, sondern fĂŒr jedes StĂŒck Literatur, Malerei Film etc. individuell existiert und auch im Lauf der Zeit variiert.
Eine wichtige Konsequenz aus diesen Erkenntnissen der Psychologie ist auf jeden Fall, dass Kunst tatsĂ€chlich anhand objektiver Eigenschaften bewertbar ist (die in den von dir erwĂ€hnten normativen Systemen kategorisiert werden). SchlieĂlich springt der Musterreiz auf QualitĂ€tskriterien an, die viel Planung und Hingabe erfordern, also einen Text aus dem Trivialen oder rein Unterhaltenden erheben und psychologisch viel bleibendere Effekte haben. Einer der GrĂŒnde, weswegen auch Araber von Hesse und Franzosen von Li Bo begeistert sind.
FĂŒr den Gelegenheitsleser, und damit fĂŒr die meisten, die hierher kommen, um zu lesen, ist das jedoch gar nicht von Belang. Es geht ihnen nicht darum, durch BeschĂ€ftigung mit dem Text zu neuen Horizonten zu gelangen oder auch nur irgend etwas mitzunehmen, das ihr Leben auf Dauer bereichern wĂŒrde. Glaubst du, irgend jemand wĂŒrde die hier veröffentlichten Geschichten mehr als zweimal durchlesen? Obwohl schon zweimal in den meisten FĂ€llen ĂŒbertrieben ist. Nein, hier geht es um Zerstreuung. Ein E-Zine ist das literarische Ăquivalent zu einem Fast-Food-Laden. Als Beilage fĂŒr das eigentliche Hauptgericht - Informationen! - wird ein leicht verdaulicher Happen Literatur geliefert. Ist daran irgend etwas Schlechtes? Sicher nicht, schlieĂlich besuchen die meisten von uns ab und an auch McDonalds oder Pizza Hut und mĂŒssen kein schlechtes Gewissen deswegen haben.
Um es dir zu illustrieren: Ich habe vor ein paar Jahren eine kleine Testreihe unternommen und unter einem Aliasnamen Storys berĂŒhmter Autoren bei diversen Phantastik-Schreibwettbewerben im Internet eingesandt. (Um einen Prozess wegen Plagiatur zu vermeiden, musste ich eine ErklĂ€rung hinterlegen, aber das war's wert.) Das Ergebnis war, dass keins der Meisterwerke einen Preis gewann. Darunter waren herausragende Geschichten von Kafka, Philip K. Dick und Kurt Vonnegut. Auf Nachfrage, warum "meine" Geschichte nichts gewonnen hĂ€tte, erklĂ€rte man mir z.B. bei der Kafka-ErzĂ€hlung, sie habe zwar eine gute Grundidee, verschenke aber ihr Potenzial - die Geschichte habe weder AtmosphĂ€re noch Schaueffekte. Der viel subtilere Horror und die grotesken Konsequenzen, die die Geschichte implizierte, wurden ĂŒberhaupt nicht erkannt bzw. fĂŒr das Publikum als unpassend empfunden. Eine direkte Folge der oberflĂ€chlichen Auseinandersetzung mit Formalia und Inhalt, entweder bei den Juroren oder ihrem Publikum. (In ca. 20% der FĂ€lle wurden die Plagiate entdeckt, was fĂŒr die Juroren spricht, aber glĂŒcklicherweise fĂŒr mich folgenlos blieb, nachdem ich den Zweck meines Handelns erklĂ€rte.) Ich wĂŒnschte, ich hĂ€tte die Zeit, ein Paper ĂŒber die Testreihe zu schreiben.
Um meine AusfĂŒhrungen abzuschlieĂen: Die Bewertungskriterien sind bei E-Zines einfach ganz andere, und die Einsendungen unterscheiden sich auch von denen bei Printmedien. Wenn du das Genre revolutionieren willst, ist die Verlagsarbeit das Richtige fĂŒr dich. Dort werden Innovationen geboren. Im Internet bekommst du nur den Status Quo, aber den dafĂŒr zuverlĂ€ssig, qualitativ hochwertig und die ganze Bandbreite. Ich wollte auch schon lange 'mal wieder einen Wettbewerb auf die Beine stellen - mein letzter, der "Golden Age Story Contest" ist schon in der Planungsphase versumpft - falls du also Interesse an einer Kooperation hĂ€ttest, kannst du mich jederzeit anmailen. Ist immer gut, ein paar verstĂ€ndige Leute an Bord zu haben.
P.S.: Da das hier zu einem Aufsatz geworden ist
McLuhan, Marshall: Understanding Media: The Extensions of Man. London: Routledge & Kegan Paul Ltd.
Luhmann, Niklas: Organisation und Entscheidung. Opladen: Westdeutscher Verlag.
Jungermann, Helmut: Die Psychologie der Entscheidung. Heidelberg: Spektrum Akademischer Verlag.
Barkhaus, Annette: IdentitÀt Leiblichkeit NormativitÀt: Neue Horizonte anthropologischen Denkens. Aachen: Sokrates.
Raast, Sylvia: Psychologie des Entscheidens. MĂŒnchen: MĂŒnchner UniversitĂ€tsverlag.
Logue, A. W.: Die Physiologie des Essens und Trinkens. Heidelberg: Spektrum Akademischer Verlag.
Fred, W.: Psychologie der Mode. Berlin: Bard Marquardt.
So, und jetzt verschwinde ich
#17
Geschrieben 03 Dezember 2006 - 22:41
#18
Geschrieben 04 Februar 2007 - 12:07
Vielen Dank fĂŒr den erschöpfenden Vortrag, Muside.
GrĂŒĂe
Alex / molo
Bearbeitet von molosovsky, 04 Februar 2007 - 12:07.
MOLOSOVSKY IST DERZEIT IN DIESEM FORUM NICHT AKTIV: STAND 13. JANUAR 2013.
Ich weiß es im Moment schlicht nicht besser.
#19
Geschrieben 08 Februar 2007 - 16:11
Warum ich das hier schreibe? Weil ich die Geschichte kĂŒrzlich gelesen habe und sie sehr gelungen finde. Es kann nĂ€mlich auch eine Geschichte, die auf Dialoge verzichtet, sehr spannend und anschaulich sein, und das ist etwas, was der Autor beherrscht.
Schöne Geschichte, zurecht platziert. Und unterschĂ€tzt die E-Zines nicht, auch meine Erfahrung besagt, dass man hier manchmal mit den AuĂenseiterbeitrĂ€gen landen kann.
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