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Politische Systeme in Historie, Gegenwart und Zukunft


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19 Antworten in diesem Thema

#1 MartinHoyer

MartinHoyer

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Geschrieben 04 Januar 2007 - 00:09

MOD-EDIT - MartinHoyer schrieb am 5.1.: "Eine aus dem Thema "Ist die Science-Fiction-Szene geistlos geworden?" ausgegliederte Diskussion kann hier fortgesetzt werden." Das ist hiermit am 6.1. geschehen. /KB
_______________________________________________________

Blickt man nämlich ein wenig über den braunen Tellerrand hinaus, sieht man schnell, dass ein verantwortungsvoller Tyrann einer verantwortungslosen oder zumindest inkompetenten Demokratie durchaus überlegen sein kann, wenn man das nachhaltige Wohlergehen des Staatsvolkes und Einvernehmen mit anderen Mächten als Kriterium heranzieht.

Ist mir ziemlich übel aufgestoßen. Auf den ersten Blick scheinst das vielleicht ein interessanter Gedankengang, aber das kleine Wörtchen Nachhaltigkeit ist dann doch sehr fehl am platz. Gesetzt der Fall der "gute König" stirbt wer garantiert die Verlässlichkeit seines Nachfolgers, der ja ebenfalls schalten und walten kann wie er will. Gesellschaftliche Kontrolle (wie zB Gewaltenteilung) ist schon was feines.

Du projizierst Eigenheiten einer absolutistischen Erbmonarchie auf die Tyrannis. Den Platz eines "guten Alleinherrschers" kann ebenso ein "schlechter Alleinherrscher" einnehmen, wie eine "gute Demokratie" durch eine "schlechte Demokratie" ersetzt werden kann.

Das Problem ergibt sich nicht aus dem jeweiligen politischen Modell, sondern aus seiner Umsetzung, und die ist prinzipiell ja erst einmal chancengleich, was Vorteile und Risiken angeht. Die Chance, einen verantwortungsvollen Tyrannen zu finden ist in etwa so groß/klein wie die, ein ganzes Volk zu finden, dass demokratische Verantwortung tragen kann und tragen will.
Eine Tyrannis schließt Gewaltenteilung überdies nicht prinzipiell aus. Die Vollmachten eines modernen Alleinherrschers ließen sich durchaus beschränken, sowohl zeitlich als auch regulativ.

Ich postuliere mal stark vereinfacht: Man gebe jemanden ein uneingeschränktes, unveränderliches Machtpotential über einen festgelegten Zeitraum und richte ein Kontrollgremium ein, welche das Potential im Falle von Missbrauch vorzeitig entziehen kann, aber ansonsten über keine Entscheidungsbefugnisse verfügt. Das wäre die zivilisierte Form sowohl des Tyrannenmordes als auch der Eigenheit atavistischer Kulturen, ihre Herrscher zu blenden oder durch anderweitige Verstümmelungen daran zu hindern, das ihm gegebene Machtpotential eigennützig zu verändern.

Wichtig ist für jede Staatsform ist, dass sich das Individuum seiner Mitverantwortung bewusst ist, egal wie viel Gewalt ihm im Staat zukommt. Dass alle Gewalt vom Volk ausgehen möge ist nur so lange eine schöne Vorstellung, wie das Volk mit dieser Gewalt umgehen kann. Mehrheitlichkeit löst nicht automatisch alle Probleme, denn im Extremfall ist mir ein einziger Pazifist mit Atombomben lieber als eine unbewaffnete Horde tumber Schläger.

Bearbeitet von yiyippeeyippeeyay, 06 Januar 2007 - 20:04.

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#2 simifilm

simifilm

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Geschrieben 04 Januar 2007 - 15:06

Du projizierst Eigenheiten einer absolutistischen Erbmonarchie auf die Tyrannis. Den Platz eines "guten Alleinherrschers" kann ebenso ein "schlechter Alleinherrscher" einnehmen, wie eine "gute Demokratie" durch eine "schlechte Demokratie" ersetzt werden kann. Das Problem ergibt sich nicht aus dem jeweiligen politischen Modell, sondern aus seiner Umsetzung, und die ist prinzipiell ja erst einmal chancengleich, was Vorteile und Risiken angeht. Die Chance, einen verantwortungsvollen Tyrannen zu finden ist in etwa so groß/klein wie die, ein ganzes Volk zu finden, dass demokratische Verantwortung tragen kann und tragen will.

Hmm, das finde ich ziemlich fragwürdig. Das Hauptproblem bei Deiner Aussage ist wohl, dass nicht klar ist, was Du unter "guter Herrschaft" verstehst. Ist eine Regierung dann gut, wenn sie das macht, was die Mehrheit will, oder wenn sie die richtigen Entscheide trifft. Wenn Du für Letzteres bist, folgt gleich die Frage, was denn das Richtige ist. Wer bestimmt das? Die Nachwelt, ein aussenstehender Weiser, irgendwelche abstrakten Standards? Oder landen wir dann nicht unweigerlich wieder bei Punkt 1, nämlich, dass das richtig ist, was die Mehrheit will? Natürlich kann eine solche "Diktatur der Mehrheit" ebenfalls sehr bedenkliche Folgen haben, aber das Problem ist doch, dass es keine objektiven Standards gibt, anhand derer die Qualität einer Regierung(sform) gemessen werden kann. Möglicherweise macht der benevolente Tyrann lauter Dinge, die er für weise und gerecht hält, die seiner Bevölkerung aber nicht passen. Ist ein Herrscher, dessen Entscheide von der Mehrheit der Bevölkerung regelmässig abgelehnt werden, ein guter Herrscher? Bei allen Mängeln hat die Demokratie immerhin den Vorteil, dass die Bevölkerung am Ende das letzte Wort hat, dass nichts geschehen wird, was ihr komplett gegen den Strich geht.

Eine Tyrannis schließt Gewaltenteilung überdies nicht prinzipiell aus. Die Vollmachten eines modernen Alleinherrschers ließen sich durchaus beschränken, sowohl zeitlich als auch regulativ.

Ein Alleinherrscher, der ein Gremium über sich hat, das ihn entmachten kann, ist kein Alleinherrscher.

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Alles Wissenswerte zur Utopie im nichtfiktionalen Film gibt es in diesem Buch, alles zum SF-Film in diesem Buch und alles zur literarischen Phantastik in diesem.
 

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#3 MartinHoyer

MartinHoyer

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Geschrieben 04 Januar 2007 - 21:51

Bei allen Mängeln hat die Demokratie immerhin den Vorteil, dass die Bevölkerung am Ende das letzte Wort hat, dass nichts geschehen wird, was ihr komplett gegen den Strich geht.

Die Illusion löst sich dann auf, wenn man sich erst einmal bewusst gemacht hat, dass es "die" Bevölkerung nicht gibt und Demokratie heute entweder die Diktatur einer Mehrheit oder die Aristokratie von Repräsentanten ist, die das Demos aus einer nicht demokratisch entstandene Elite wählen darf. Faktisch demokratische Gesellschaften können im Grunde nur funktionieren, wenn Minderheiten die Möglichkeit haben, sich auszugliedern und komplett losgelöst vom Mutter-System (also ohne weiter von diesem zu luxurieren) einen eigenen Staat zu machen. Das funktioniert aber deshalb nicht, weil es heute keine Ausweichräume mehr gibt und weil entweder die Mehrheit keine Abweichler zulässt oder die Abweichler aufgrund ihrer höheren Intensität die Mehrheit unter die Fuchtel zu nehmen versuchen - eine unzufriedene Minderheit ist grundsätzlich entschlossener als eine zufriedene Masse. Deshalb versuchen moderne Demokratien, die Bildung solcherart handlungsfähiger Minderheiten zu unterbinden. Das geschieht zum Beispiel dadurch, dass bei der ständig anfallenden Neuverteilung Verteilung gesellschaftlicher Lasten immer gerade diejenigen ausgespart werden, die am ehesten unruhig werden könnten. Den Rest reguliert am Beispiel der BRD ein Grundgesetz, welches sich trefflich dagegen schützt, etwas anderes als die Gewinner der Nachkriegszeit an der Macht teilhaben zu lassen - unter dem Vorwand, den Staat vor der Zersplitterung der Weimarer Republik und dem daraus resultierenden Nationalsozialismus zu schützen. Etablierte Parteien lassen sich daher ebenso wenig durch neue ersetzen wie ein Diktator, nur dass ihre Methoden der Machtkonsolidierung nicht unbedingt nach Schießpulver riechen. Das Vertrauen des Volkes in eine parlamentarische Demokratie ist heute zu gering, um neuen Parteien eine Chance zu geben, aber noch lange nicht gering genug, um bereits existierenden Parteien grundlegend das Vertrauen zu entziehen und ihre Parlamentarier wieder unmittelbar einzusetzen. Aber selbst wenn sie das wollten, könnten sie es nicht mehr, denn die Parteien sind zu sehr in alle Prozesse des gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Lebens integriert - wie ein Krebsgeschwür, das man nicht entfernen kann, ohne lebenswichtige Organe gleichfalls zu schädigen. Immerhin darf das Volk noch ein wenig bestimmen, wohin und wie schnell das Geschwür wuchert - indem sie zwischen den Geschwüren wählen und bis zum nächsten Wechsel zugunsten des einen das andere schwächen.

Ein Alleinherrscher, der ein Gremium über sich hat, das ihn entmachten kann, ist kein Alleinherrscher.

Ein Alleinherrscher herrscht allein, wie der Name schon sagt. Das ist lediglich eine Aussage darüber, dass es keine Person und kein Organ gibt, das dem Alleinherrscher Weisungen erteilen kann. Ein Kontrollgremium wäre ein Organ, welches sich im Ernstfall als erstes dem Herrschaftsanspruch widersetzt und den restlichen Volkskörper dazu anhält, dies ebenso zu handhaben. Folgt das Volk diesem Aufruf nicht, hat das Gremium geirrt und der Herrscher ist dem Volk immer noch genehm. Das Vorteilhafte daran ist, dass im schlimmsten Fall ein einziger wackerer Bürger ausreichen kann, um eine Unrechtsherrschaft unter Umgehung von Kontrollorganen zu beenden, falls diese ausgeschaltet oder korrumpiert sind. Der Hydra einer Parteien-Tyrannei kann man nicht so schnell den Schädel abschlagen, selbst wenn viele Hände viele Schwerter führen. Das soll jetzt übrigens nicht heißen, dass ich eine Tyrannis dem jetzigen System der Bundesrepublik Deutschland prinzipiell vorziehen würde. Ich vertrete an dieser Stelle lediglich den Gegenpol, um zu verdeutlichen, dass unsere Sicht dessen, was politisch gut und richtig ist, zum Großteil direkte und indirekte Erziehung durch das System ist, in dem wir leben. Bis ich ungefiltert von Alternativen erfahren habe, erschien mir das System der damaligen DDR auch durchaus erträglich und andere Optionen als wenig erstrebenswert.
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#4 simifilm

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Geschrieben 04 Januar 2007 - 21:55

Die Illusion löst sich dann auf, wenn man sich erst einmal bewusst gemacht hat, dass es "die" Bevölkerung nicht gibt und Demokratie heute entweder die Diktatur einer Mehrheit oder die Aristokratie von Repräsentanten ist, die das Demos aus einer nicht demokratisch entstandene Elite wählen darf. Faktisch demokratische Gesellschaften können im Grunde nur funktionieren, wenn Minderheiten die Möglichkeit haben, sich auszugliedern und komplett losgelöst vom Mutter-System (also ohne weiter von diesem zu luxurieren) einen eigenen Staat zu machen. Das funktioniert aber deshalb nicht, weil es heute keine Ausweichräume mehr gibt und weil entweder die Mehrheit keine Abweichler zulässt oder die Abweichler aufgrund ihrer höheren Intensität die Mehrheit unter die Fuchtel zu nehmen versuchen - eine unzufriedene Minderheit ist grundsätzlich entschlossener als eine zufriedene Masse.

Das ist eine sehr eigenwillige Auffassung von Demokratie. Zur Demokratie gehört eben auch, dass sich die Minderheit fügt, wenn die Mehrheit was anderes will.

Deshalb versuchen moderne Demokratien, die Bildung solcherart handlungsfähiger Minderheiten zu unterbinden. Das geschieht zum Beispiel dadurch, dass bei der ständig anfallenden Neuverteilung Verteilung gesellschaftlicher Lasten immer gerade diejenigen ausgespart werden, die am ehesten unruhig werden könnten. Den Rest reguliert am Beispiel der BRD ein Grundgesetz, welches sich trefflich dagegen schützt, etwas anderes als die Gewinner der Nachkriegszeit an der Macht teilhaben zu lassen - unter dem Vorwand, den Staat vor der Zersplitterung der Weimarer Republik und dem daraus resultierenden Nationalsozialismus zu schützen. Etablierte Parteien lassen sich daher ebenso wenig durch neue ersetzen wie ein Diktator, nur dass ihre Methoden der Machtkonsolidierung nicht unbedingt nach Schießpulver riechen. Das Vertrauen des Volkes in eine parlamentarische Demokratie ist heute zu gering, um neuen Parteien eine Chance zu geben, aber noch lange nicht gering genug, um bereits existierenden Parteien grundlegend das Vertrauen zu entziehen und ihre Parlamentarier wieder unmittelbar einzusetzen. Aber selbst wenn sie das wollten, könnten sie es nicht mehr, denn die Parteien sind zu sehr in alle Prozesse des gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Lebens integriert - wie ein Krebsgeschwür, das man nicht entfernen kann, ohne lebenswichtige Organe gleichfalls zu schädigen.

Ich weiss ja, dass Politikbashing in Deutschland momentan sehr in ist, aber vielleicht solltest Du Dich mal in Deinen Nachbarländern umsehen. Dann wird Dir auffallen, dass auch Formen der Demokratie gibt, in der das Volk erstaunlich viel Macht hat, und dass Deine Aussagen vielleicht für Deutschland zutreffen mögen, aber keineswegs für das System Demokratie insgesamt.

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#5 mindblasted

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Geschrieben 05 Januar 2007 - 03:13

Ist ja hochinteressant was für Wendungen dies Thema nimmt. Ich will mich hier nicht zum Apolegeten des demokratischen Systems aufschwingen, der ich eigentlich nicht bin. Trotzdem sehe ich in der von dir vorgestellten "kontrollierten Diktatur" nur den Rückweg in die Barbarei geschweige denn eine Alternative.

Du projizierst Eigenheiten einer absolutistischen Erbmonarchie auf die Tyrannis. Den Platz eines "guten Alleinherrschers" kann ebenso ein "schlechter Alleinherrscher" einnehmen, wie eine "gute Demokratie" durch eine "schlechte Demokratie" ersetzt werden kann.

Nachfolger heißt nicht zwangsläufig Erbe. Naja und die politisch Verantwortlichen in demokratischen Staaten herrschen nicht uneingeschränkt, sie sind juristisch verantwortlich und können bei Fehltritten durch Medien und Kollegen zum Rücktritt gebracht werden. Der "schlechte Alleinherrscher" ist weitaus handlungsfreier als die "schlechte Demokratie". Er ist gleichzeitig auf Berater und Untergebene angewiesen (Macht kann nie von einem alleine ausgehen, es braucht auch welche die sie tragen). Diese jedoch auch viel mehr auf ihn, als die Parteimitglieder auf ihre Vorgesetzten. Diese könnten zB immer noch zur Konkurrenz abwandern. Die Untergebenen des Diktators müssen fressen oder sterben und sind damit zum unbedingten Gehorsam verpflichtet. Das gilt auch für die Mitglieder des Kontrollgremiums die gut beraten wären sich gut mit dem Objekt ihrer Wachsamkeit zu stellen. Sie sind immerhin auch in der von ihm beherrschten Gesellschaft verwurzelt und damit erpressbar.

Folgt das Volk diesem Aufruf nicht, hat das Gremium geirrt und der Herrscher ist dem Volk immer noch genehm.

Oder der Herrscher hat einen guten Geheimdienst, loyale Polizei und Militär. Oder kontrolliert das Gremium diese? Und wer bewacht die Bewacher? So oder so ist die Tyrannis hochgradig instabil wenn sie nicht auf starren Hierarchien und Gewaltanwendung gegen das "Volk" aufbaut. Solte das Volk tatsächlich verzweifelt genug sein den Herrscher "abzusetzen" wird das eine sehr blutige Angelegenheit und das Experiment der "kontrollierter" Diktatur wird wohl beendet sein. Einen zweiten Versuch wird wohl niemand mehr unterstützen.

Das Vorteilhafte daran ist, dass im schlimmsten Fall ein einziger wackerer Bürger ausreichen kann, um eine Unrechtsherrschaft unter Umgehung von Kontrollorganen zu beenden, falls diese ausgeschaltet oder korrumpiert sind.

Das ist Käse. Siehe oben.

Den Rest reguliert am Beispiel der BRD ein Grundgesetz, welches sich trefflich dagegen schützt, etwas anderes als die Gewinner der Nachkriegszeit an der Macht teilhaben zu lassen

Ich weiß ja nicht was du unter Verlierern der Nachkriegszeit verstehst, aber ich bin da von meinem Verständnis her teilweise ganz glücklich drüber.

Faktisch demokratische Gesellschaften können im Grunde nur funktionieren, wenn Minderheiten die Möglichkeit haben, sich auszugliedern und komplett losgelöst vom Mutter-System (also ohne weiter von diesem zu luxurieren) einen eigenen Staat zu machen.

Naja da sind wir schon eher beim Konsensprinzip bzw. beim anarchistischen Gedanken. Demokratie ist als die Herrschaft der Mehrheit über die Minderheit konzipiert. Wahlen können garnicht anders funktionieren. Mit Basisdemokratie oder im gegensätzlichen Extremfall von Volksentscheiden usw. siehts da ganz genauso aus, da brauch mensch sich keine Illusionen zu machen.

Etablierte Parteien lassen sich daher ebenso wenig durch neue ersetzen wie ein Diktator, nur dass ihre Methoden der Machtkonsolidierung nicht unbedingt nach Schießpulver riechen.

Da gebe ich dir recht. Eigentlich fast alle "demokratisch organisierten Staaten" bilden eine dauerhafte Zwei-Parteien Konfrontation heraus (Republikaner, Demokraten// SPD, CDU) mit etwaigen Koalitions-Zünglein an der Waage die zwar "Königsmacher" spielen dürfen, im politischen Tagesgeschäft jedoch das Nachsehen haben (die Minderheit ne). Demokratie ist eine Möglichkeit der breiten Masse das Gefühl von Souveränität zu geben, ohne es diese wirklich praktizieren zu lassen. Wie du richtig festgestellt hast liegt die Macht nicht beim "Volk"(bzw den Mitgliedern im nationalen Club, was bitte ist ein Volk? Die Masse der vom jeweiligen System Beherrschten, oder ein Traditionspflegerverein mit größtem gemeinsamen kulturellen Nenner?) sondern beim eingespielten Politikapparat (Parteine, Lobbygruppen). Dessen Programme basieren nicht auf dem möglicherweise "richtigen" politischen Weg sondern auf den Punkten, welche die größte Sympathie im Wahlvolk bzw beim Geldgeber genießen. Dieses Wahlvolk ist in der Mehrzahl nicht mündig genug die eigenen Interessen zu vertreten oder auch nur zu erkennen. Es ist ja auch nicht die Aufgabe der Parteioberen die Erziehung politisch mündiger Menschen zu fördern, sondern vielmehr sich die größte Zustimmung zu sichern. Das klappt, salopp gesagt, mit dummen Menschen einfacher. Eine Diktatur funktioniert aber ganz ähnlich und ist dazu noch auf bedingunslosen Gehorsam angewiesen, der notfalls mit Waffengewalt durchgesetzt wird.
"Es gibt eine größere Dunkelheit als die, die wir bekämpfen ... Viel schwerwiegender als der Tod der körperlichen Materie ist der Tod der Hoffnung, der Tod der Träume, und vor dieser Gefahr dürfen wir niemals kapitulieren. Die Zukunft ist überall um uns herum. In der Phase des Übergangs wartet sie darauf, in der Phase der Erleuchtung neu geboren zu werden. Niemand weiß, wie die Zukunft aussieht und wohin sie uns führen wird. Nur eines wissen wir. Sie wird stets unter Schmerzen geboren."
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#6 simifilm

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Geschrieben 05 Januar 2007 - 04:01

Demokratie ist eine Möglichkeit der breiten Masse das Gefühl von Souveränität zu geben, ohne es diese wirklich praktizieren zu lassen. Wie du richtig festgestellt hast liegt die Macht nicht beim "Volk"(bzw den Mitgliedern im nationalen Club, was bitte ist ein Volk? Die Masse der vom jeweiligen System Beherrschten, oder ein Traditionspflegerverein mit größtem gemeinsamen kulturellen Nenner?) sondern beim eingespielten Politikapparat (Parteine, Lobbygruppen). Dessen Programme basieren nicht auf dem möglicherweise "richtigen" politischen Weg sondern auf den Punkten, welche die größte Sympathie im Wahlvolk bzw beim Geldgeber genießen. Dieses Wahlvolk ist in der Mehrzahl nicht mündig genug die eigenen Interessen zu vertreten oder auch nur zu erkennen. Es ist ja auch nicht die Aufgabe der Parteioberen die Erziehung politisch mündiger Menschen zu fördern, sondern vielmehr sich die größte Zustimmung zu sichern. Das klappt, salopp gesagt, mit dummen Menschen einfacher. Eine Diktatur funktioniert aber ganz ähnlich und ist dazu noch auf bedingunslosen Gehorsam angewiesen, der notfalls mit Waffengewalt durchgesetzt wird.

Es ist mir ja fast ein wenig unangenehm, wenn ich mich hier zum Lokalpatrioten aufschwinge, aber ich möchte doch noch auf die Demokratievariante, wie sie in der Schweiz praktiziert wird, hinweisen, die mir - mit zahlreichen Einschränkungen - in vielem sehr intelligent gebaut scheint. Kurze Lektion in Staatslehre: In der Schweiz herrscht seit Jahrzehnten ein grosse Koalition aus den vier grossen Parteien. Die Exekutive setzt sich aus 7 Ministern zusammen (einen Präsidenten oder Kanzler gibt es in dem Sinne nicht), die vom Parlament gewählt werden und sich aus den 4 Parteien (ein rechtsbürgerlich, eine bürgerlich-liberal, eine christlich-sozial und die Sozialdemokraten) zusammen. Diese ewige Koalition scheint nun das ideal Rezept für totalen Stillstand und Vetternwirtschaft zu sein, tatsächlich ist das aber nur teilweise der Fall, denn in der Schweiz muss so gut wie jeder Entscheid vors Volk. Zahlreiche Beschlüsse unterliegen dem obligatorischen Referendum und gegen jeden Entscheid kann das Referendum ergriffen werden. Wenn ich mit einem Gesetz nicht einverstanden bin, muss ich in einem bestimmten Zeitraum eine gewisse Anzahl von Unterschriften sammeln, und dann stimmt das Volk darüber ab. Daneben gibt es noch die Iniative, da kann, bei genügend Unterschriften, eine Verfassungsänderung beschlossen werden. Von beiden Instrumenten wird rege Gebrauch gemacht, im Schnitt werden die Schweizer drei bis viermal pro Jahr an die Urne gebeten, um jeweils über2-6 Vorlagen abzustimmen. Was ist nun der Effekt dieses Systems: Da die vier Parteien in ihrem Wähleranteil mehr oder weniger stabil sind, kommt es nie zu einer Koalition, in der eine oder zwei Parteien alleine das Sagen haben. Und selbst wenn es dazu kommen sollte, wäre das nicht einmal so gravierend, da kein Entscheid von grösserer Tragweite ohne Zustimmung des Volkes gefällt werden kann. Bei jedem Gesetz müssen sich die Beteiligten gut überlegen, ob sie damit vor dem Volk durchkommen. Das hat auch zur Folge, dass der Bundesrat (das Ministergremium, die Exekutive) weniger stark von Parteiengezänk belastet ist als andere Koalitionsregierungen. Denn es reicht eben nicht, wenn man sich im Parlament oder der Exekutive durchsetzt, am Ende hat fast immer das Volk das letzte Wort. Der Nachteil des Systems: Es ist langsam. Schnelle Entscheidungen sind fast unmöglich, da alles vors Volk muss. Der Vorteil ist aber, dass die beschlossene Politik dann meist breit abgestützt und gut austariert ist. Es ist ein System der ständigen Kompromisse, das zwar kaum grosse Würfe zulässt, dafür aber sehr stabil ist. Bei allen Problemen (ich rege mich oft genug, über die hiesige Politik auf), scheint mir diese Form von direkter Demokratie in vielerlei Hinsicht ideal oder zumindest den meisten anderen Varianten überlegen. Ob sie allerdings in einem grössen und weniger wohlhabenden Land als der Schweiz praktizierbar ist, weiss ich nicht.

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#7 yiyippeeyippeeyay

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Geschrieben 06 Januar 2007 - 20:12

Dieses Wahlvolk ist in der Mehrzahl nicht mündig genug die eigenen Interessen zu vertreten oder auch nur zu erkennen.

Im G&G stehe ich zu den Systemen wie simifilm im vorhergehenden Post; mir wäre eine funktionierende GEWALTLOSE Anarchie lieber, aber die Frage ist, ob das auf Dauer je möglich ist. Den zitierten Satz finde ich aber extrem abgebrüht, und lehne ich ab; klar bekommt ein Volk im Schnitt die Regierung die es "verdient", aber universelle Unmündigkeit an zu nehmen und danach zu handeln ist m.E. faschistoid, egal aus welcher politischen Ecke das kommen mag. Ich behalte mir, wie jeder Mensch, das Recht vor, nicht von "Besserwissenden" trivialisiert zu werden...

P.S.: Ich habe jetzt 6 Posts aus dem "Geistlos"-Thread (s. ganz oben in DIESEM Thread) hierher geholt. Wie immer war es schwierig einen Schnitt zu finden. Sagt Bescheid wenn ihr einen anderen Schnitt setzen wollt.

/KB

Yay! SF-Dialog Ende März...
Senator: Und dies ist nun die Epoche der Laser?

Farmer: [..] Die Anzahl der Menschen auf der Erde, die voller Hass/Frustration/Gewalt sind, ist zuletzt furchterregend schnell gewachsen. Dazu kommt die riesige Gefahr, dass das hier in die Hände nur einer Gruppierung oder Nation fällt... (Schulterzucken.) Das hier ist zuviel Macht für eine Person oder Gruppe, in der Hoffnung dass sie vernünftig damit umgehen. Ich durfte nicht warten. Darum hab ich es jetzt in die Welt verstreut und kündige es so breit wie möglich an.

Senator: (erblasst, stockt) Wir werden das nicht überleben.

Farmer: Ich hoffe Sie irren sich, Senator! Ich hatte eben nur eine Sache sicher kapiert - dass wir weniger Chancen dazu morgen haben würden als heute.

(Leiter eines US-Congress-Kommittees vs. Erfinder des effektivsten Handlasers, den es je gab, grob übersetzt aus der 1. KG aus Best of Frank Herbert 1965-1970, im Sphere-Verlag, Sn. 38 & 39, by Herbert sr.)


#8 simifilm

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Geschrieben 06 Januar 2007 - 22:08

Im G&G stehe ich zu den Systemen wie simifilm im vorhergehenden Post; mir wäre eine funktionierende GEWALTLOSE Anarchie lieber, aber die Frage ist, ob das auf Dauer je möglich ist. Den zitierten Satz finde ich aber extrem abgebrüht, und lehne ich ab; klar bekommt ein Volk im Schnitt die Regierung die es "verdient", aber universelle Unmündigkeit an zu nehmen und danach zu handeln ist m.E. faschistoid, egal aus welcher politischen Ecke das kommen mag. Ich behalte mir, wie jeder Mensch, das Recht vor, nicht von "Besserwissenden" trivialisiert zu werden...

P.S.: Ich habe jetzt 6 Posts aus dem "Geistlos"-Thread (s. ganz oben in DIESEM Thread) hierher geholt. Wie immer war es schwierig einen Schnitt zu finden. Sagt Bescheid wenn ihr einen anderen Schnitt setzen wollt.

Für mich kommt in mindblasteds Aussage etwas zum Ausdruck, was ich ziemlich typisch ist für die momentane deutsche Politikverdrossenheit: Auf der einen Seite kümmern sich die Politiker nicht um die wahren Anliegen des Volkes, sondern betreiben eine korrupte Klüngelwirtschaft. Gleichzeitig ist das breite Volk aber sowieso zu dumm für Demokratie. Also braucht es einen benevolenten Diktator.

Tut mir leid, aber da muss ich mit aller Macht widersprechen. Das hatten wir in Deutschland schon einmal, und die Folgen waren fatal.

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#9 molosovsky

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Geschrieben 07 Januar 2007 - 00:55

Ein paar Gedanken.Erstaunlich find ich, wie gern ›man‹ über politische Systeme urteilt, als ob die sich vergleichen lassen wie Touristikangebote. Geht man von dem aus, was auf der Verpackung steht, leben wir hier in Mitteleuropa in unterschiedlich gebastelten Demokratien. Wenn man aber diese tatsächlichen Demokratien mit dem weitem ›Ideenfeld‹ zum Thema vergleicht, kann man durchaus zur Feststellung gelangen, daß es sich um Quasi- und Protodemokratien handelt. Aber mit welcher Sicherheit kann man diese tatsächlichen (verbesserungswürdigen) tatsächlichen Demokratien denn nun vergleichen, mit Staatsformen die mal waren (z.B. Aristokratie) oder die wir nur als Ideen kennen, weil sie kaum jemals Wirklichkeit geworden sind (z.B. Anarchie).Das Grundproblem scheint mir darin zu liegen, dass man sich in Sachen Politik ratzfatz dazu hinreißen läßt, zu glauben, dass man hier tatsächliche Erfahrungen miteinander vergleicht. Das ist aber nicht der Fall. Der tatsächliche Zustand selber wird eben nur teilweise durch unsere Begrifflichkeiten gefasst, und über die gar nicht wirklich vorzufindenen (oder nicht mehr anzutreffenden) Staats- oder Großgesellschaftsverfassungen können wir nur so dahermeinen, wie auch in Sachen Innenwelten oder dem, was sich unseren Sinnen (und deren technischen Erweiterungen) entzieht: im Modus der Phantastik.Die SF kommt da nun als ein mehr oder weniger bestimmter Konventions-Fundus daher, mit dessen Hilfe sich über gesellschaftlich-menschliche Großentwicklungen tratschen läßt. ›Großentwicklung‹ bezieht sich dabei zum Beispiel auf solche eigentlich nicht vom Einzelnen fassbaren Angelegenheiten wie: 1) Zeitspannen, die den Erfahrungshorizont des Individuums übersteigen; 2) Gruppengrößen, die vom einzelnen nur abstrakt nachvollzugen werden können; 3) Komplexitäten und Verschachtelungen, die man zerlegen und ebenfalls abstahieren muß, um mit ihren hantieren zu können.Die Tönungen der SF beim Tratschen über solche Großzusammenhänge lassen sich übersichtlich auf zumindest folgende Möglichkeiten zusammendengeln:1) Hoffnung, Trost und gute Zusprache; Verbreitung von guten Botschaften; Anpreisung von möglichen Engagementsgebieten; Unterbreitung von ›Heils‹-Visionen und Soll-Zielen die es zu bewahren, an die es anzuknüfen oder die es anzustreben gilt;2) Wachsamkeit, Beunruhigung und Schelte; Verbereitung von kritischen Botschaften; Anprangern von schändlichen und schädlichen Engagementgebieten; Unterbreitung von Unheils-Visionen und Warnungen (Vermeidungs-Zielen), die es zu beachten, an die sich zu halten oder die anzustreben sind;3) und freilich das vielleicht interessanteste Feld der drei Grundtönungen des SF-Modus beim Sprechen über Politik, nämlich die Ambivalenz, also das nicht ganz eindeutige ›Sowohl als Auch‹ mit dem 1) und 2) vermengt behandelt werden kann.Nicht nur in Sachen Genre-Einteilung, auch in Angeleheiten der Politik ist es wohl hinderlich, sich allzusehr auf trügerische Idealismen zu konzentrieren. Politik kennt einen ganzen Haufen einander widerstrebender Ambitionen und Motivationen. Die meisten haben sich wohl schon in der Schule gefragt, wie denn z.B. die Schlag-Werte der franz. Revolution denn widerspruchsfrei zugleich umsetzbar sein sollen, denn schließen sich Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit nicht gegenseitig aus und hindern sich? †” Am heftigsten kommen sich wohl die allgemeine menschliche Sehnsucht nach stabilen Verhältnissen und der schlichte Wandel der Welt einander in die Quere.Soviel mal an grobflächigen Gedanken zum Thema.GrüßeAlex / molosovsky

MOLOSOVSKY IST DERZEIT IN DIESEM FORUM NICHT AKTIV: STAND 13. JANUAR 2013.

Ich weiß es im Moment schlicht nicht besser.

Mehr Gesabbel von mir gibts in der molochronik

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#10 mindblasted

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Geschrieben 07 Januar 2007 - 03:54

klar bekommt ein Volk im Schnitt die Regierung die es "verdient", aber universelle Unmündigkeit an zu nehmen und danach zu handeln ist m.E. faschistoid, egal aus welcher politischen Ecke das kommen mag.

Holla so schnell ist mensch also faschistoid. Na dann vielen Dank, ich spar mir mal die unnötige Retourkutsche ähnlich großzügig mit dämlichen Zuweisungen umzugehen. Pardon Leute mir gigns nicht um die "universelle" Unmündigkeit sondern um die derzeitige in diesem Land vorherrschende. Scheiße nochmal, wir haben zwei Regierungsparteien die uns genau denselben Mist anders gefärbt verkaufen können. Wir haben Hartz 4 und keinen Reichsarbeitsdienst, das ist doch schonmal was. Ach ja und sozial höcht ungerechtes Elterngeld, ne höhere Mehrwertsteuer, zig BW- Auslandseinsätze, demnächst mal Flüchtlingslager in der nordafrikanischen Wüste in denen es dann ganz human zugeht (wir wollen ja nicht das die Leute ertrinken), Polizisten die dienjenigen dies bis hierhin geschafft haben straffrei bei lebendigem Leib abfackeln können und einen VS der sich zumindest schon in einem Bundesland in private Computer einhacken darf. Neonazis in den Parlamenten ( Auschwitz ist ja schon mehr als ein halbes Jahrhundert her, die muss mensch auch tolerieren (Demokratie ne?) und außerdem waren die Deutschen ja eh die wahren Opfer). Ich könnte meinen Frust noch 10 Seiten weiter auskotzen aber das muss ich mir und euch nicht antun. Wenn das die Mehrheit entschieden hat (die durchaus die Möglichkeit dazu hätte auch das Gegegnteil durchzusetzen, wir leben in einer funktionierenden (!) Demokratie) wäre das ihr gutes Recht, und ich und ne Menge anderer Leute dürften uns als unterdrückte Minderheit fühlen. Hat sie aber nicht. Der Mehrheit ist egal was da läuft. Die Mehrheit scheißt auf alles was über ihren Tellerrand hinausgeht (und zieht sich dazu am liebsten mit nem Springerblatt in der Hand auf die Klobrille zurück). Soweit so polemisch. Ich unterstelle hier nur leider keinen Schwachfug sondern bezeichne Tatsachen. Selbst die optimistischsten Demokraten müssten das Zittern kriegen bei den aktuellen Wahlbeteiligungen. Die Bestätigung könnt ihr euch meinetwegen auch aus weiteren einschlägigen aktuellen Statistiken (Politikverdrossenheit ne?) herauslesen, ihr könnt sie euch auch abholen wenn ihr mal im Bekanntenkreis ein wenig rumfragt. Geht zumindest mir so.

Ich behalte mir, wie jeder Mensch, das Recht vor, nicht von "Besserwissenden" trivialisiert zu werden...

Hatte ich auch nicht vor. Faschistoid wäre es Unmündigkeit die Notwendigkeit einer Diktatur (also eine Intensivierugn der Unmündigkeit sondergleichen) statt die einer Erziehung zur Mündigkeit ( Aufklärung, Bildung, Emanzipation gleichermaßen für alle) abzuleiten. Ich versuche dich nicht zu trivialisieren. Ich habe lediglich festgestellt das die momentane Majorität der Bundesbürger offensichtlich nicht in der Lage ist die ihr zukommende Rolle des Souveräns auszuüben. Dazu würde nämlich nicht nur das Wählen gehen alle paar Jahre sondern auch das kritische Hinterfragen der Tagespolitik und das aktive Mitgestalten mittels Druck auf Abgeordnete, Volksbegehren etc. gehören. Und ich unterstelle den politisch Verantwortlichen darüber nicht unglücklich zu sein. Das mag in der Schweiz vielleicht anders sein, um das bestätigen zu können müsste ich mich eingehenderweise mit diesem politischen System beschäftigen.

Für mich kommt in mindblasteds Aussage etwas zum Ausdruck, was ich ziemlich typisch ist für die momentane deutsche Politikverdrossenheit: Auf der einen Seite kümmern sich die Politiker nicht um die wahren Anliegen des Volkes, sondern betreiben eine korrupte Klüngelwirtschaft. Gleichzeitig ist das breite Volk aber sowieso zu dumm für Demokratie. Also braucht es einen benevolenten Diktator.

Pardon, derjenige mit dem Diktator war Martin. Das das "Volk" (ich mag diesen Begriff garnicht) zu "dumm" (diesen auch nicht wirklich, obwohl ich ihn selber unten in polemischer Absicht benutzt habe) ist gewährleistet das die Klüngelwirtschaft funktioniert. Und dein Schluss hin zum Diktator aus meiner Argumentation bleibt mir wie gesagt unverständlich. Und ja, ich bin verdrossen über die Politik. Bin ich ganz glücklich drüber, würde ich mich wohl nicht mehr im Spiegel angucken können, wäre ichs nicht.

Aber mit welcher Sicherheit kann man diese tatsächlichen (verbesserungswürdigen) tatsächlichen Demokratien denn nun vergleichen, mit Staatsformen die mal waren (z.B. Aristokratie) oder die wir nur als Ideen kennen, weil sie kaum jemals Wirklichkeit geworden sind (z.B. Anarchie).

Mit nicht viel davon. Zumindest meistens nicht mit persönlicher Erfahrung ,aber sehr wohl zumindest teilweise mit historischen Quellen. Hätten allerdings die alten Griechen und ihre Nachfolger deinen Standpunkt geteilt lebten wir heute immer noch im Gottkönigtum uÄ. - Aristokratie ist wohl die älteste und traditionsreichste Regierungsform überhaupt. Wenn mensch ihren Erfolg an Wohlstand und politischer Freiheit der Untertanen misst hat sie auf der ganzen Linie versagt. - Zur Anarchie gab es übrigens ne unüberschaubar große Menge an historischen Experimenten mit kleinen Gruppen, sowie zwei Großexperimente die im selben Maßstab ziemlich erfolgreich liefen und dann relativ schnell von Demokraten, Faschisten und Stalinisten gemeinsam kaltgemacht wurden (Spanien, Ukraine).

Nicht nur in Sachen Genre-Einteilung, auch in Angeleheiten der Politik ist es wohl hinderlich, sich allzusehr auf trügerische Idealismen zu konzentrieren. Politik kennt einen ganzen Haufen einander widerstrebender Ambitionen und Motivationen. Die meisten haben sich wohl schon in der Schule gefragt, wie denn z.B. die Schlag-Werte der franz. Revolution denn widerspruchsfrei zugleich umsetzbar sein sollen, denn schließen sich Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit nicht gegenseitig aus und hindern sich? — Am heftigsten kommen sich wohl die allgemeine menschliche Sehnsucht nach stabilen Verhältnissen und der schlichte Wandel der Welt einander in die Quere.

Bin dir für die zweite Hälfte deines Posts außerordentlich dankbar. Seh ich genauso. Und nicht vergessen: das Paradies des einen ist leider die Hölle des anderen. Nur: Diese von dir angeprangerten "trügerischen Idealismen" bestimmen bereits die Tagespolitik. Es geht nur darum wessen Idealismus. Politik (egal in welchem System) ist in erster Linie eine Sache der Kräfteverhältnisse und nicht der Rationalität.

mir wäre eine funktionierende GEWALTLOSE Anarchie lieber, aber die Frage ist, ob das auf Dauer je möglich ist

Kommt drauf an was du unter Anarchie verstehst. Die beste aller Welten ist das sicher nicht aber Utopia heißt eh "Nirgendwo". Gewaltlos ist eh kein politisches System an sich, nur gäbs in der Anarchie kein Gewaltmonopol, dafür aber ne den Alltag durchziehende politische Kultur. Ob dir das lieber wäre musst du wissen. So hoffe mal das sich in diesem schnell runtergetippten Roman keine Missverständlichkeiten und nicht allzu viele Tippfehler finden. Letztere dürft ihr behalten sofern ihr sie findet. Erstere bitte nicht.

Bearbeitet von mindblasted, 07 Januar 2007 - 04:38.

"Es gibt eine größere Dunkelheit als die, die wir bekämpfen ... Viel schwerwiegender als der Tod der körperlichen Materie ist der Tod der Hoffnung, der Tod der Träume, und vor dieser Gefahr dürfen wir niemals kapitulieren. Die Zukunft ist überall um uns herum. In der Phase des Übergangs wartet sie darauf, in der Phase der Erleuchtung neu geboren zu werden. Niemand weiß, wie die Zukunft aussieht und wohin sie uns führen wird. Nur eines wissen wir. Sie wird stets unter Schmerzen geboren."
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#11 yiyippeeyippeeyay

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Geschrieben 07 Januar 2007 - 05:45

ich spar mir mal die unnötige Retourkutsche ähnlich großzügig mit dämlichen Zuweisungen umzugehen.

Die Retourkutsche hat sich trotzdem bis hierhin durchgezwängt. Ok, ich nehm zurück, dass der U.-Vorwurf faschistoid ist in deinem Fall, aber, um eine Hintertür deiner Kutsche zu nutzen, "dämlich" ist er schon: Wir Deutschen (bzw. die meisten von uns, wie du meinst - ich zähle mich jetzt mal dazu) sind nicht unmündig, sondern es geht uns gut genug, dass wir es uns leisten können, uns vorübergehend von der Politik bei Verdrossenheit darüber ab zu wenden. Ich denke die meisten in der BRD sehen aber, dass das System noch "gesund" genug ist, dass es nicht unweigerlich demnächst zusammen bricht, wenn man mal die Bundestags-Politiker einige Jahre lang mit Schweigen straft (bei den letzten 2 Bundeswahlen habe ich einen langen Strich durch die Zweitstimmenseite gezogen - für die nächste überlege ich einer der Kleinstparteien bei zu treten). Trotzdem denke ich, dass die meisten genau beobachten was diese tun, und ob deren Versuche in Richtung Meinungsmache und Selbstbereicherung zu extrem/demagogisch werden. In der Zwischenzeit beteiligen wir "U's" uns an der Bearbeitung lokalerer sozialer Problembereiche, plädieren für die Abschaffung des Beamtenstatus, versuchen Wege zu finden Freunden finanziell/ökonomisch nachhaltig unter die Arme zu greifen... Und informieren uns weiter, u.a. durch einen "Tatsachen"-Thread wie diesen. :)

Bearbeitet von yiyippeeyippeeyay, 07 Januar 2007 - 07:36.

/KB

Yay! SF-Dialog Ende März...
Senator: Und dies ist nun die Epoche der Laser?

Farmer: [..] Die Anzahl der Menschen auf der Erde, die voller Hass/Frustration/Gewalt sind, ist zuletzt furchterregend schnell gewachsen. Dazu kommt die riesige Gefahr, dass das hier in die Hände nur einer Gruppierung oder Nation fällt... (Schulterzucken.) Das hier ist zuviel Macht für eine Person oder Gruppe, in der Hoffnung dass sie vernünftig damit umgehen. Ich durfte nicht warten. Darum hab ich es jetzt in die Welt verstreut und kündige es so breit wie möglich an.

Senator: (erblasst, stockt) Wir werden das nicht überleben.

Farmer: Ich hoffe Sie irren sich, Senator! Ich hatte eben nur eine Sache sicher kapiert - dass wir weniger Chancen dazu morgen haben würden als heute.

(Leiter eines US-Congress-Kommittees vs. Erfinder des effektivsten Handlasers, den es je gab, grob übersetzt aus der 1. KG aus Best of Frank Herbert 1965-1970, im Sphere-Verlag, Sn. 38 & 39, by Herbert sr.)


#12 simifilm

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Geschrieben 07 Januar 2007 - 18:35

Wenn das die Mehrheit entschieden hat (die durchaus die Möglichkeit dazu hätte auch das Gegegnteil durchzusetzen, wir leben in einer funktionierenden (!) Demokratie) wäre das ihr gutes Recht, und ich und ne Menge anderer Leute dürften uns als unterdrückte Minderheit fühlen. Hat sie aber nicht. Der Mehrheit ist egal was da läuft. Die Mehrheit scheißt auf alles was über ihren Tellerrand hinausgeht (und zieht sich dazu am liebsten mit nem Springerblatt in der Hand auf die Klobrille zurück). Soweit so polemisch. Ich unterstelle hier nur leider keinen Schwachfug sondern bezeichne Tatsachen. Selbst die optimistischsten Demokraten müssten das Zittern kriegen bei den aktuellen Wahlbeteiligungen.

Wieso? Wahlabsenz kann viele Gründen, einer davon ist, dass man nicht eigentlich ganz zufrieden ist mit der aktuellen Situation.

Ich versuche dich nicht zu trivialisieren. Ich habe lediglich festgestellt das die momentane Majorität der Bundesbürger offensichtlich nicht in der Lage ist die ihr zukommende Rolle des Souveräns auszuüben. Dazu würde nämlich nicht nur das Wählen gehen alle paar Jahre sondern auch das kritische Hinterfragen der Tagespolitik und das aktive Mitgestalten mittels Druck auf Abgeordnete, Volksbegehren etc. gehören. Und ich unterstelle den politisch Verantwortlichen darüber nicht unglücklich zu sein.

Aber offensichtlich bist Du auch nicht unzufrieden genug, um Dich zu engagieren, dass es anders wird.

Das mag in der Schweiz vielleicht anders sein, um das bestätigen zu können müsste ich mich eingehenderweise mit diesem politischen System beschäftigen.

Die Schweiz hat eine noch niedrigere Wahlbeteiligung als Deutschland und das schon lange. Die Frage ist nur, was man aus dieser Zahl tatsächlich herauslesen kann. Bedeutet sie Verdrossenheit oder Faulheit? Tatsache ist, dass es nur wenige Länder gibt (wahrscheinlich sogar kein anderes), in der das Stimmvolk so direkten Einfluss auf die politischen Entscheide hat, dass es vielen aber egal ist, weil ein grosser Teil der politischen Entscheide ihr Leben nicht weiter tangiert und es ihnen eigentlich ziemlich gut geht.

Pardon, derjenige mit dem Diktator war Martin.

Ok, habe nicht genug aufgepasst.

Das das "Volk" (ich mag diesen Begriff garnicht) zu "dumm" (diesen auch nicht wirklich, obwohl ich ihn selber unten in polemischer Absicht benutzt habe) ist gewährleistet das die Klüngelwirtschaft funktioniert. Und dein Schluss hin zum Diktator aus meiner Argumentation bleibt mir wie gesagt unverständlich.

Nun, selbst wenn Du das mit der Diktatur nicht gemeint hast, frage ich mich doch, wo Du mögliche Perspektiven siehst, denn so wie Du es darstellst, ist das demokratische System am Ende.

Pardon Leute mir gigns nicht um die "universelle" Unmündigkeit sondern um die derzeitige in diesem Land vorherrschende. Scheiße nochmal, wir haben zwei Regierungsparteien die uns genau denselben Mist anders gefärbt verkaufen können. Wir haben Hartz 4 und keinen Reichsarbeitsdienst, das ist doch schonmal was. Ach ja und sozial höcht ungerechtes Elterngeld, ne höhere Mehrwertsteuer, zig BW- Auslandseinsätze, demnächst mal Flüchtlingslager in der nordafrikanischen Wüste in denen es dann ganz human zugeht (wir wollen ja nicht das die Leute ertrinken), Polizisten die dienjenigen dies bis hierhin geschafft haben straffrei bei lebendigem Leib abfackeln können und einen VS der sich zumindest schon in einem Bundesland in private Computer einhacken darf. Neonazis in den Parlamenten ( Auschwitz ist ja schon mehr als ein halbes Jahrhundert her, die muss mensch auch tolerieren (Demokratie ne?) und außerdem waren die Deutschen ja eh die wahren Opfer). Ich könnte meinen Frust noch 10 Seiten weiter auskotzen aber das muss ich mir und euch nicht antun.

Ja, die Welt ist schlecht, das ist wahr, leider war das schon immer so. Die Frage ist, inwieweit die Missstände, die anprangerst (dass Du alles wild zusammenwirfst, lassen wir mal), auch nur ansatzweise etwas mit dem politischen System in Deutschland zu tun haben.

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#13 mindblasted

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Geschrieben 07 Januar 2007 - 20:16

Aber offensichtlich bist Du auch nicht unzufrieden genug, um Dich zu engagieren, dass es anders wird.

Woher weißt du das denn? Du nimmst gerne Sachen an oder?

wo Du mögliche Perspektiven siehst, denn so wie Du es darstellst, ist das demokratische System am Ende.

Ist es das ? Ich glaube nicht. Es steckt in einer Krise, und da gabs auch schon härtere. Ich formuliere gerne absichtlich ein wenig übertrieben, lass dich davon doch nicht gleich ins Bockshorn jagen. Ich glaube das viel zu viel schief läuft (und ja ich habe mal wild alles aufgezählt was mir auf die Schnelle an wirklich krassen Misständen eingefallen ist) Ich halte Demokratie nebenbei nicht für die Beste aller Ideen aber für das Beste was wir haben (um mal Churchill zu verballhornen). Die Frage mit dem Zusammenhang mit der deutschen Politik kapiere ich jetzt nicht so ganz. Natürlich könnte der ganze Kram auch in jedem anderen System so durchkommen. Tut er aber gerade in unserem oder etwa nicht ? Wie gesagt, es geht um Kräfteverhältnisse. Was ich tue ist 1. bezweifeln das der eigentlich beabsichtigte Souverän in demokratischen Staaten (die Bevölkerung) eine relevante Rolle als "Kraft" spielt. Wenn nicht heißt das aber nicht das das Ende der Demokratie gekommen ist. Sondern schlicht das sie Diskrepanzen zum idealen Modell aufweist ( siehe molosovsky weiter unten, das ideale ist so gut wie nie das wahre). 2. Ich unterstelle dem politischen Apparat (den Parteien, Spezialisten) diesen Zustand zu begrüßen und an seinem Erhalt zu arbeiten was langfristig ziemlich übel ausgehen kann. Ich unterstelle also Machtkalkül. Und ich glaube wer einmal einen aktuellen Wahlkampf aufmerksam beobachtet versteht das auch.

es geht uns gut genug, dass wir es uns leisten können, uns vorübergehend von der Politik bei Verdrossenheit darüber ab zu wenden

Wer ist denn da wir? Nach deiner Argumentation müssten sich gerade die denen es richtig beschissen geht sich aktiv in die Politik einbringen. Tun sie aber nicht. Politisch engagiert sind vor allem die denens besser geht. Sich zuwenden bzw. abwenden zu können ist Luxus. Leute die zwischen Ein-Euro Job, Schlange stehen aufm Amt und Family daheim hin und her pendeln werden sich eher aus dem Grund nicht engagieren das sie einfach keine Zeit oder Energie dafür finden. Gilt auch nicht pauschal und klar gibts auch hier Ausnahmen. Du konstruierst hier "ein deutschs Volk" das es so nicht gibt. Es geht nicht pauschal allen gut. Es gibt krasse, extreme Armut in diesem Land und sie wird staatlich weiter verbreitet. Es wird momentan massiv Geld von unten nach oben abgezogen zB duch Geschichten wie das Elterngeld das bei den meisten sogar noch auf den ersten Blick einen eher positiven Eindruck macht (wenn sie vorher gut verdient haben und der eigene Vorteil im Blickfeld überwiegt). Oder guck dir beispielweise Dinge wie die Praxisgebühr an. Für dich sind es möglicherweie "nur" 10 Euro, für mich auch. Für andere dagegen ist das ein Grund nur noch zum Arzt zu gehen wenns wirklich richtig übel kommt. Es ist löblich von dir dich sofort auf die Seite der von mir so übel beschimpften Mehrheit zu stellen. Nur könnte es sein das du von dir auf andere schließt ? Wenn ich an die Mehrheit der Deutschen denke fallen mir spontan Bilder der Fußball WM, die meistverkaufteste Zeitung dieses Landes, ein paar Umfragen zu zB Sachen wie Tendenzen zu rechten Weltbildern oder halt Wahlausgänge ein. Oder unterschiedliche Reaktionen auf öffentlichen Protest hierzulande und anderswo in Europa. Wie repräsentativ das ist, darüber lässt sich trefflich und endlos streiten. Meinem subjektivem Empfinden nach ist die Mehrheit der Deutschen momentan etwas womit ich mich im Traum nicht identifizieren wollte. Das muss nicht stimmen aber es ist mein subjektives Empfinden.

Wir Deutschen (bzw. die meisten von uns, wie du meinst - ich zähle mich jetzt mal dazu) sind nicht unmündig

Mag wie gesagt sein. Mein Eindruck ist ein anderer. Wenn ich mir zB die unterschiedlichen Reaktionen hier und im Nachbarland ansehe was soziale Verschärfungen angeht kommt mir dieser schon. Kann auch sein das ich mich zu stark mit den negativen Seiten des politischen Seins befasse um einen unverstellten Blick darauf zu haben, oder das ich einfach zuviel fordere. Wir wurde ja auch schon des öfteren mal vorgeworfen zu pessimistisch und sogar paranoid zu sein. Möglicherweise stimmt das ja :) Ich hab die Wahrheit immerhin nicht gepachtet, und ein Leben ohne Widerspruch wär echt übel.
"Es gibt eine größere Dunkelheit als die, die wir bekämpfen ... Viel schwerwiegender als der Tod der körperlichen Materie ist der Tod der Hoffnung, der Tod der Träume, und vor dieser Gefahr dürfen wir niemals kapitulieren. Die Zukunft ist überall um uns herum. In der Phase des Übergangs wartet sie darauf, in der Phase der Erleuchtung neu geboren zu werden. Niemand weiß, wie die Zukunft aussieht und wohin sie uns führen wird. Nur eines wissen wir. Sie wird stets unter Schmerzen geboren."
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#14 simifilm

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Geschrieben 07 Januar 2007 - 20:36

Woher weißt du das denn? Du nimmst gerne Sachen an oder?

Du hast selbst geschrieben, dass Du verdrossen bist. Verdrossen ist für mich so ziemlich das Gegenteil von aktiv und engagiert.

Ist es das ? Ich glaube nicht. Es steckt in einer Krise, und da gabs auch schon härtere. Ich formuliere gerne absichtlich ein wenig übertrieben, lass dich davon doch nicht gleich ins Bockshorn jagen. Ich glaube das viel zu viel schief läuft (und ja ich habe mal wild alles aufgezählt was mir auf die Schnelle an wirklich krassen Misständen eingefallen ist)

Die Frage ist nur, inwiefern diese Missstände direkt etwas mit der politischen Situation (in Deutschland und anderswo zu tun haben), und ob es heute tatsächlich mehr Missstände als früher gibt. Die Welt ist nicht perfekt und wird es auch nie sein, aber viele der Dinge, die Du als Missstände wahrnimmst, wären zu früheren Zeiten kaum als Probleme oder wenn dann nur als Luxusprobleme wahrgenommen worden. Du kannst das auch als Erscheinung des politischen Fortschritts sehen.

Die Frage mit dem Zusammenhang mit der deutschen Politik kapiere ich jetzt nicht so ganz.

Du hast ja geschrieben, was Dich alles ankotzt, also scheint das für Dich mit dem politischen System zusammenzuhängen.

Was ich tue ist 1. bezweifeln das der eigentlich beabsichtigte Souverän in demokratischen Staaten (die Bevölkerung) eine relevante Rolle als "Kraft" spielt.

Was genau heisst hier 'relevant', und inwiefern könnte der Souverän relevanter sein? Das ist nicht polemisch gemeint, sondern als ehrliche Frage.

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#15 mindblasted

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Geschrieben 07 Januar 2007 - 20:58

Du hast selbst geschrieben, dass Du verdrossen bist. Verdrossen ist für mich so ziemlich das Gegenteil von aktiv und engagiert.

Dann haben wir hier ein Definitionsproblem. Für mich bedeutet verdrossen soviel wie zutiefst unzufrieden. Und ja auf der "parlamentarischen" Ebene bin ich nicht mehr aktiv (oder nur noch eher selten) sondern eher auf der "außerparlamentarischen", internationalen bis lokalen. Bzw. bis vor einem Jahr stärker gewesen aber das hat eher mit familiären Geschichten und Zeitproblemen zu tun als mit Verdrossenheit.

Die Welt ist nicht perfekt und wird es auch nie sein, aber viele der Dinge, die Du als Missstände wahrnimmst, wären zu früheren Zeiten kaum als Probleme oder wenn dann nur als Luxusprobleme wahrgenommen worden.

Das mag sein. In früheren Zeiten hatten die Menschen Probleme wie zB einen Sklavenring um den Hals oder einen "Judenstern" an der Jacke. Mensch muss sich aber nicht nach unten orientieren und diese Probleme sind heutzutage eben kein Luxus mehr sondern existenzielle Faktoren im Leben von unzählbar vielen Leuten. Das was du als politischen Fortschritt wahrnimmst ist für mich das Ergebnis von jahrhundertelangen Kämpfen. Frag mal Opa und Oma wies in den Fünfzigern mit den meisten unserer heutigen Freiheiten aussah. Das eher progressive Kräfte für ein/zwei Jahrzehnte im Westen auf der Gewinnerseite standen heißt nicht das der "Krieg" gewonnen ist.

Du hast ja geschrieben, was Dich alles ankotzt, also scheint das für Dich mit dem politischen System zusammenzuhängen.

Ich kann ehrlich gesagt auch nicht verstehen wie du annehmen kannst es hätte nichts damit zu tun.

Was genau heisst hier 'relevant', und inwiefern könnte der Souverän relevanter sein? Das ist nicht polemisch gemeint, sondern als ehrliche Frage.

Ich behaupte ja das es sich nicht mehr um den alleinigen Souverän handelt bzw. das "er" nicht mehr in der Lage ist diese Rolle angemessen wahrzunehmen. Was aber nicht bedeuten muss das das politische System per se schlecht ist, und es gibt ja auch zu dieser Behauptung von euch ganz unterschiedliche Meinungen.

Bearbeitet von mindblasted, 07 Januar 2007 - 21:09.

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#16 simifilm

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Geschrieben 07 Januar 2007 - 21:10

Dann haben wir hier ein Definitionsproblem. Für mich bedeutet verdrossen soviel wie zutiefst unzufrieden. Und ja auf der "parlamentarischen" Ebene bin ich nicht mehr aktiv (oder nur noch eher selten) sondern eher auf der "außerparlamentarischen", internationalen bis lokalen. Bzw. bis vor einem Jahr stärker gewesen aber das hat eher mit familiären Geschichten und Zeitproblemen zu tun als mit Verdrossenheit.

Dann war das ein Missverständnis, ich würde allerdings behaupten, dass die wenigsten "politikverdrossen" mit "politisch aktiv" assoziieren.

Das mag sein. In früheren Zeiten hatten die Menschen Probleme wie zB einen Sklavenring um den Hals oder einen "Judenstern" an der Jacke. Mensch muss sich aber nicht nach unten orientieren und diese Probleme sind heutzutage eben kein Luxus mehr sondern existenzielle Faktoren im Leben von unzählbar vielen Leuten.

Die Frage ist, an welchen Indikatoren Du das "Glück" oder den "Wohlstand" eines Menschen fest macht, denn wenn Du Dinge wie Lebenserwartung, medizinische Versorgung, Lebensstandard etc. zum Massstab nimmst, dann musst Du anerkennen, dass es den Menschen in Westeuropa heute deutlich besser geht als noch vor 50 Jahren. Damit will ich die Arbeitslosigkeit und Armut keineswegs verniedlichen, es handelt sich aber, wenn man einen kurzen historischen Vergleich anstellt, um Armut auf hohem Niveau.

Ich kann ehrlich gesagt auch nicht verstehen wie du annehmen kannst es hätte nichts damit zu tun.

Ja wäre es denn mit einem anderen politischen System anders? Und welches politische System wäre das?

Ic behaupte ja das es sich nicht mehr um den Souverän handelt bzw. das "er" nicht mehr in der Lage ist diese Rolle angemessen wahrzunehmen. Was aber nicht bedeuten muss das das politische System per se schlecht ist, und auc hzu dieser Behauptung gibt es ja von euch ganz unterschiedliche Meinungen.

Da er "nicht mehr" in der Lage ist, sei auch hier die Frage angebracht: Was war früher besser? Wo siehst Du die fundamentale Verschlechterung? War der "Durschnittsbürger" in den 50ern ode 70ern tatsächlich mündiger, interessierter, engagierter, mehr interessiert? Oder war's einfach friedlicher, weil alle den wirtschaftlichen Aufschwung genossen haben?

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#17 MartinHoyer

MartinHoyer

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Geschrieben 07 Januar 2007 - 22:02

Ich habe mich gerade gewaltsam von mehreren Zitaten hiesiger Kommentare und ellenlangen Kommentaren abgehalten und statt dessen versucht, eine Art Resümee zu ziehen:Ich denke, wir sind uns einig, dass es ein optimales politisches System und eine optimale Staatsform nicht gibt - unabhängig davon, was man als "optimal" definiert und auf welche Gesellschaft man es anwendet. Davon, dass man versucht, seine Struktur sendungsbewusst auf andere Kulturen zu übertragen, auf dass diese daran genesen mögen, ganz zu schweigen.Ich gehöre zu den Leuten, die bei Begriffen wie "Demokratisierung" ebenso schlucken müssen, als wenn sie von einem Militärputsch oder einer gewaltsamen Thronbesteigung erfahren. Dahinter steckt meines Erachtens grundsätzlich ein übersteigertes Ich-Bewusstsein, am besten zu wissen, was anderen frommt. Gegen Sendungsbewusstsein ist schlichter Eigennutz fast noch ein Segen, weil darin zumindest eine gewisse Berechenbarkeit liegt.Fakt ist nun einmal, dass jede gesellschaftliche Situation, jede Gesamtsumme aller Faktoren für eine bestimmte Zeit und ein bestimmtes Gebiet andere Systematiken erfordert, um ... Hm, sagen wir mal "Leben zu dessen Nutzen bestmöglich zu verwalten". In sofern ist die Suche nach dem idealen System bereits das Ziel, weil daraus die ständigen Anpassungen resultieren, die das Ganze erst funktionsfähig machen. Dahinter steckt natürlich immer die Sinnsuche, was mit Politik im engeren Sinne nichts zu tun hat, aber letztendlich die Triebfeder ist.Man fühlt sich versucht zu sagen: Ob nun Demokratie, Monarchie, Diktatur ist gleich; die Menschen leben doch, setzen Nachkommen in die Welt und erfüllen den einzigen sicheren, nicht anfechtbaren Zweck ihres Daseins, nämlich die Arterhaltung, damit ihr Dasein erhalten bleibt. Bewertungen von Systemen erfolgen nicht nach diesen Grundlagen, sondern grundsätzlich durch anderen (konkurrierende) Systeme, welche ihre moralische Messlatte anlegen.Ein kürzlich wieder einmal vieldiskutiertes Thema waren die Nürnberger Prozesse. Ein Teil der Welt (keine Ahnung wie groß oder klein) entrüstete sich darüber, dass viele Angeklagte keine Reue empfanden. Ja, aber warum - aus ihrer Weltanschauung heraus - sollten sie denn auch? Um es einer Weltanschauung recht zu machen, die aus ihrer Sicht genauso "daneben" ist, wie wir die ihre als "daneben" empfinden?Wir sind diejenigen, die leben, und die sind tot oder zumindest zurückgedrängt - also könnte man sagen, unsere Weltanschauung hat sich als die richtigere erwiesen. Dass wir (bzw. unsere genetischen und ideologischen Vorfahren) ihr genauso mit Gewalt auf die Sprünge geholfen haben, sollte man dabei niemals vergessen.Es hätte auch anders kommen können, und weil wir ja intelligente und fantasievolle Menschen sind, können wir uns sicher auch ein Bild machen, wie wir diese Diskussion hier führen würden.
Though my soul may set in darkness, it will rise in perfect light;
I have loved the stars too fondly to be fearful of the night.
(Sarah Williams: The Old Astronomer To His Pupil)

#18 molosovsky

molosovsky

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Geschrieben 08 Januar 2007 - 18:22

Auf die Gefahr, daß ich wieder zu allgemein daherblubber, hier ein Einspruch zu einem Satz aus Martins Resummee:

Ich denke, wir sind uns einig, dass es ein optimales politisches System und eine optimale Staatsform nicht gibt - unabhängig davon, was man als "optimal" definiert und auf welche Gesellschaft man es anwendet.

Wenn nicht definiert wird, was ›optimal‹ sein soll, kann man auch nicht werten. Zudem: wie kann man als Einzelner Dinge miteinander vergleichen, die man entweder gar nicht aus eigener Anschauung kennt (politische Systeme vergangener Zeiten, anderer Länder, oder solche polit. Syst. die bisher ›nur‹ als Idee da sind), oder eben nur aus seiner kleinen Froschperspektive (BRD-Demokratie, EU-Demokratie, westliche Wohlstandssphäre)?

ich denke, daß dieses Problem von großer Bedeutung ist. Sowohl Verdammung als auch Verklärung der Vergangenheit rühren wohl daher (wie auch die Verdammung und Verklärung von möglichen zukünftigen politischen Systemen).

Keinen direkten Widerspruch, aber dennoch als hochinteressant stufe ich folgenden Satz von Martin ein:

Gegen Sendungsbewusstsein ist schlichter Eigennutz fast noch ein Segen, weil darin zumindest eine gewisse Berechenbarkeit liegt.

(Das ›fast‹ relativiert die Aussage für mich hinreichend. Ich leg den Satz dennoch aus Anschauungsgründen mal unters Mikroskop) †” Sendungsbewußtsein und Eigennutz sind imho weitestgehend austauschbar. Auch wenn Sendungsbewußtsein ofmals als Uneigennützigkeit daherkommen mag, gründet es (wie Martin schon schreibt) doch zumeist auf Selbstüberhöhung. Eigennutz würde ich entsprechend ausdefinieren als ›materielle, augenfällige Eigennützigkeit‹ (Güter und Macht raffen halt), wohingehen Sendungsbewußtsein eher ›seelisch-innerliche‹ Geltungsbedürfnisse stillt.

Politik gilt ja als die Kunst des Machbaren. Insofern stehen alle Beschwörungen und Verhandlungen und Erforschungen dessen was machbar ist im Mittelpunkt. Und auf die Spitze getrieben, überschneiden sich hier Politik und ›Phantasmen‹, wenn man sich eben fragt:
†¢ Ist dieses und jenes z.B. Ideal (Gerechtigkeit, Wohlstand, Sicherheit) denn für alle erreichbar?
†¢ Wenn nicht, wie und wer entscheidet über die Verteilung? Sprich: wer ist Nutznießer und wer bleibt außen vor?

Grüße
Alex / molo

MOLOSOVSKY IST DERZEIT IN DIESEM FORUM NICHT AKTIV: STAND 13. JANUAR 2013.

Ich weiß es im Moment schlicht nicht besser.

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#19 Diboo

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Geschrieben 08 Januar 2007 - 19:10

Ich denke, wir sind uns einig, dass es ein optimales politisches System und eine optimale Staatsform nicht gibt - unabhängig davon, was man als "optimal" definiert und auf welche Gesellschaft man es anwendet.

Exakt. Mein ideales politisches System ist das, das mich bitte so weit wie nur irgendwie möglich in Ruhe läßt und auch nicht mit geöffneter Hand an jeder Straßenecke lauert, um mich auszuplündern. Also so ziemlich das Gegenteil von dem, was wir gerade haben. Andere finden es toll, ausgeplündert zu werden und nennen das dann sozial. Da findet man kaum eine gemeinsame Basis.

"Alles, was es wert ist, getan zu werden, ist es auch wert, für Geld getan zu werden."
(13. Erwerbsregel)

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#20 Tarantoga

Tarantoga

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Geschrieben 09 Januar 2007 - 15:15

_______________________________________________________ Du projizierst Eigenheiten einer absolutistischen Erbmonarchie auf die Tyrannis. Den Platz eines "guten Alleinherrschers" kann ebenso ein "schlechter Alleinherrscher" einnehmen, wie eine "gute Demokratie" durch eine "schlechte Demokratie" ersetzt werden kann. Ich postuliere mal stark vereinfacht: Man gebe jemanden ein uneingeschränktes, unveränderliches Machtpotential über einen festgelegten Zeitraum und richte ein Kontrollgremium ein, welche das Potential im Falle von Missbrauch vorzeitig entziehen kann, aber ansonsten über keine Entscheidungsbefugnisse verfügt. Das wäre die zivilisierte Form sowohl des Tyrannenmordes als auch der Eigenheit atavistischer Kulturen, ihre Herrscher zu blenden oder durch anderweitige Verstümmelungen daran zu hindern, das ihm gegebene Machtpotential eigennützig zu verändern.

Naja, eine Erbmonarchie hat den Vorteil, das der Machthaber langfristig auch das Wohl seiner Nachkommen im Auge behalten muss. Nicht umsonst vertritt Herbert in " Dune" die Meinung das der Feudalismus das beste Gesellschaftssystem für die Menschen ist. Ein normaler Diktator verhält sich je nach Gusto doch meist wie folgt : Weil er nicht weiß wie lange er an der Macht bleiben wird plündert er sei Land so schnell wie möglich aus und terrorisiert seine vermeintlichen Gegner mit allen Mitteln. War und ist auch überall auf der Welt zu beobachten. Aus seiner persönlichen Sicht verhält er sich absolut vernünftig, gesellschaftlich aber im höchsten Maße schädlich. Wie die Gesellschaft der Zukunft aussehen wird kann ich mir nicht vorstellen, es greifen da zu viele Dinge mit hinein : Gentechnik : es wird "Supermenschen" mit überlegenen Fähigkeiten geben, die vieleicht viele hunder Jahre alt werden Überwachung : Durch die Miniaturisierung wird es eine völlig überwachte Gesellschaft geben, wie sich das auswirken wird kann ich mir nicht vorstellen..jeder Schritt von der Zeugung bis zur Bahre beobachtet, verarbeitet und gespeichert..was hat das für Folgen ? Computertechnik : Ich persönlich glaube zwar nicht das es in absehbarer Zeit wirkliche " Denkmaschinen " geben wird, aber es könnte ja sein. Was passiert eigentlich wenn wir eine Intelligenz erzeugen könnten neben der wir wirken wie Ameisen ? Was macht das psychisch mit den Menschen ? Fundamentalismus : Was kaum jemand erwartet hätte, die Religionen erstarken am Anfang des 21 Jahrhunderts und sind an vielen Orten wieder dabei das Rad der Geschichte zurückzudrehen. Was für Folgen wird das haben ? Dann gibt es noch tausend andere Punkte von der Bevölkerungsexplosion bis zum Klimawandel. Was ich damit sagen will: Kein Autor, egal wie brilliant er ist ist wirklich in der Lage eine realistisches Bild der zukünftigen Welt zu zeichnen, er kann nur Teilaspekte herrausgreifen. Und wie das politische System aussehen wird ? Vermutlich nicht besser als heute


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