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Déjà Vu - oder wie man FX mit 'nem bekannten Plot aufpeppt


6 Antworten in diesem Thema

#1 yiyippeeyippeeyay

yiyippeeyippeeyay

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Geschrieben 08 Januar 2007 - 03:36

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Kennt jemand schon den neuen SF-Film von Regisseur Tony Scott? (Nicht verwechseln mit Ridley Scott, wie's mir gerade geschah...) Eigentlich eine Krimi-Romanze mit SF (und einigen erstaunlichen Effekten - FX), über einen US-Beamten aus einer Spezialabteilung (dem "AFTE") des Justice Department, der als Berater einer Untersuchung in eine ungeheure Explosion einer Stadt-Fähre dem FBI zugeordnet wird, weil es dabei um die 500 Opfer gab, und sie waren fast alle Mitglieder oder Familienangehörige der US-Navy. Man wittert also ein neues "9/11".

Neben den "CSI-Elementen" inkl. der sehr effektvollen Explosion am Anfang war es den Kreativen (u.a. Produzent Bruckheimer) wohl wichtig eine aktuelle Geschichte zu erzählen, weswegen die superschlaue AFTE-Spürnase auch niemand anders als Denzel Washington ist, und er ermittelt immerhin in New Orleans, nach Katrina! Washington spielt den AFTE-Mann Carlin sehr gut, und schon wegen ihm ist der Film hineingehenswert. Auch gibt es eine halbvirtuelle Autohetzjagd, die sich gewaschen hat.

Ich möchte hier aber einen anderen Aspekt besprechen: Die frappierende Ähnlichkeit des Plotkonzeptes, und der 2 Hauptprotagonisten, mit einem über 60 Jahre alten Klassiker - Otto Premingers Laura (s. Cover im Anhang unten), mit Dana Andrews als Cop und Gene Tierney als (angebliches) Mord-Opfer. Warum wurde dieser Plot in seiner Essenz kopiert, und dann in eine SF-Fassung gefasst?

(Ab hier SPOILERt der Rest dieses Posts nur noch!:lol: Im alten Film untersucht ein Detektiv einen brutalen Mord einer jungen allseits beliebten Anzeigen-Unternehmerin (Tierney); ihr Körper wird im Negligé in ihrem Appartement gefunden, das Gesicht mit einer Ladung Schrot weg geblasen. Zwei Umwerber, des einen Geliebte und eine Bedienstete kommen in Frage. Außerdem verknallt sich der Cop in die Erinnerung der toten Frau, so wie sie ihm von den Verdächtigen geschildert wird, und von einem großen Gemälde in ihrer Wohnung, das er immer wieder anstarrt. Nach einer Weile wagt einer der beiden Männer ihm sogar vor zu werfen, er hätte sich in eine Leiche verliebt. Auf einmal aber erscheint die "Tote" wieder quicklebendig nach einem längeren einsamen Land-Wochenende und alles wird neu aufgemischt. Der Rest des Films wird ein erstaunliches Rennen gegen die Zeit mit dem Mörder, der erneut versucht, sie aus zu löschen. Der Cop kann sie aber davor gerade noch schützen.

Diese relativ markanten Plotelemente zeigt Déjà Vu auch auf. Ich stelle mir also vor, dass die Drehbuchautoren sich überlegten, wie man diese Geschichte in Zeiten von "CSI" aktuell wieder erzählen könnte. (Gleichzeitig stelle ich mir vor wie Bruckheimer sich überlegte "wie kann ich meine nächsten tollen FX begründen, möglichst kunstvoll?"... :coool:) Das Problem ist, heutzutage würde die Polente schneller erkennen, dass es sich bei der Leiche nicht um die Appartement-Inhaberin handelt. Da aber High-Tech-SF in Hollywoodfilmen inzwischen gang und gebe ist, sagten sie sich evtl., wir lassen sie wirklich sterben, geben aber dem Cop eine Chance in die Vergangenheit zu reisen, und sie zu warnen. Dort streuen wir dann noch ein wenig die scheinbare Unveränderlichkeit des Schicksals ein und so. Am Ende ist sie dann doch nicht tot, und der wirkliche Mörder kann gestellt werden. Im Unterschied zu vor 60 Jahren erlauben wir einer Power-Frau von heute auch ihren Möchtegern-Massen-Mörder selber kalt zu machen.

Und so geschah's (ist meine These, zumindest). Bleibt noch die Frage warum Scott und die Bautenentwerfer so "mainstreamig" an die SF-Elemente heran gegangen sind. Wer weiß? Jedenfalls gibt es eine längere "Plot-Timeout"-Erklär-Szene mit etwas lückenhafter/verquerer Physik, in der der intelligente Normalo-Cop von den FBI-Gurus wissen will, wie das alles sein kann, und ob das nicht eine Folge von versteckte Kamera ist, usw. usf.. Der (ältere?) Zuschauer soll sich wohlfühlen insofern die SF-Elemente einem SF-Laien doch etwas bizarr anmuten, vielleicht. Hätte ich von einem Film in 2006 nicht mehr erwartet...

So oder so frage ich mich mal wieder wer hier die anvisierten Zielgruppen waren. Von einer bin ich mir ganz sicher: Afro-amerikanische Frauen. (Im Kino in Berlin erstaunlich gut vertreten.) Jugendliche mal ausnahmsweise eher weniger. (Oder?)

Jedenfalls letztendlich Schade, dass der sehenswerte neue Film nicht mehr Zeit hatte für die Protagonisten, so dass wir sie ein wenig besser kennen lernen konnten. Wie die im Urfilm. Der hatte aber keine Action- und Ideologie-Ansprüche und daher wahrscheinlich mehr Zeit für geschliffene Dialoge und einfach gutes Schauspielen.

Meine Wertung in der DB: 6 von 9. Eure?

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Bearbeitet von yiyippeeyippeeyay, 08 Januar 2007 - 05:32.

/KB

Yay! SF-Dialog Ende März...
Senator: Und dies ist nun die Epoche der Laser?

Farmer: [..] Die Anzahl der Menschen auf der Erde, die voller Hass/Frustration/Gewalt sind, ist zuletzt furchterregend schnell gewachsen. Dazu kommt die riesige Gefahr, dass das hier in die Hände nur einer Gruppierung oder Nation fällt... (Schulterzucken.) Das hier ist zuviel Macht für eine Person oder Gruppe, in der Hoffnung dass sie vernünftig damit umgehen. Ich durfte nicht warten. Darum hab ich es jetzt in die Welt verstreut und kündige es so breit wie möglich an.

Senator: (erblasst, stockt) Wir werden das nicht überleben.

Farmer: Ich hoffe Sie irren sich, Senator! Ich hatte eben nur eine Sache sicher kapiert - dass wir weniger Chancen dazu morgen haben würden als heute.

(Leiter eines US-Congress-Kommittees vs. Erfinder des effektivsten Handlasers, den es je gab, grob übersetzt aus der 1. KG aus Best of Frank Herbert 1965-1970, im Sphere-Verlag, Sn. 38 & 39, by Herbert sr.)


#2 Gast_Jorge_*

Gast_Jorge_*
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Geschrieben 08 Januar 2007 - 04:15

Eure?

Hier: http://www.scifinet....e...3079&st=120

#3 yiyippeeyippeeyay

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Geschrieben 08 Januar 2007 - 04:28

Ach so ja... auf simifilms Daumen-nach-Unten hin, meintest du:

Tja, Bruckheimer/Scott - keine hohe Filmkunst oder gar Logik, sondern eine Menge Krawumm und Bildgetöse...mehr hatte ich auch nicht erwartet.

Meinst du denn Scott macht nur noch eher vergessbare Filme heutzutage (oder schon immer :lol:)?

Wie fandst du denn Laura so? Ich finde (natürlich Blasphemie auf einem SF-Board! :lol:) sie hätten den alten Plot auch ohne SF mit der Fährenexplosion verbinden können. Dann hätte allerdings diese "bifokale" Hetzjagd nicht statt finden können; vielleicht war ja diese Szenenfolge der Urgrund diesen Film überhaupt zu machen, und die Drehbuchautoren waren einfach nur Preminger-Fans... :coool:

/KB

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Senator: (erblasst, stockt) Wir werden das nicht überleben.

Farmer: Ich hoffe Sie irren sich, Senator! Ich hatte eben nur eine Sache sicher kapiert - dass wir weniger Chancen dazu morgen haben würden als heute.

(Leiter eines US-Congress-Kommittees vs. Erfinder des effektivsten Handlasers, den es je gab, grob übersetzt aus der 1. KG aus Best of Frank Herbert 1965-1970, im Sphere-Verlag, Sn. 38 & 39, by Herbert sr.)


#4 Gast_Jorge_*

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Geschrieben 08 Januar 2007 - 04:51

Meinst du denn Scott macht nur noch eher vergessbare Filme heutzutage?

Das kann ich voll und ganz bejahen.

Wie fandst du denn Laura so?

Laura ist ein Klassiker, ich würde niemals wagen, diesen Film mit der Scott`schen Hochglanzwerbeästhetik(schicke Bilder - fader Inhalt) zu vergleichen.

Allein schon deswegen, um nicht von Premingers wutschnaubendem Geist verfolgt zu werden, der für dieses Sakrileg Rache fordert :coool: ...

#5 yiyippeeyippeeyay

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Geschrieben 08 Januar 2007 - 05:27

Allein schon deswegen, um nicht von Premingers wutschnaubendem Geist verfolgt zu werden, der für dieses Sakrileg Rache fordert :lol: ...

:lol: Ok, ich lass heute nacht im Schlafzimmer lieber mal das Licht an... :coool:

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Senator: (erblasst, stockt) Wir werden das nicht überleben.

Farmer: Ich hoffe Sie irren sich, Senator! Ich hatte eben nur eine Sache sicher kapiert - dass wir weniger Chancen dazu morgen haben würden als heute.

(Leiter eines US-Congress-Kommittees vs. Erfinder des effektivsten Handlasers, den es je gab, grob übersetzt aus der 1. KG aus Best of Frank Herbert 1965-1970, im Sphere-Verlag, Sn. 38 & 39, by Herbert sr.)


#6 simifilm

simifilm

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Geschrieben 08 Januar 2007 - 06:10

Ach so ja... auf simifilms Daumen-nach-Unten hin, meintest du:
Meinst du denn Scott macht nur noch eher vergessbare Filme heutzutage (oder schon immer :lol:)?

Tony Scott hat eigentlich mit sehr wenigen Ausnahmen fast nur gelackten Schrott gedreht.

Wie fandst du denn Laura so? Ich finde (natürlich Blasphemie auf einem SF-Board! :lol:) sie hätten den alten Plot auch ohne SF mit der Fährenexplosion verbinden können. Dann hätte allerdings diese "bifokale" Hetzjagd nicht statt finden können; vielleicht war ja diese Szenenfolge der Urgrund diesen Film überhaupt zu machen, und die Drehbuchautoren waren einfach nur Preminger-Fans... :coool:

Eine interessane Idee. Muss allerdings gestehen, dass ich "Laura" nicht mehr genug präsent habe, um dazu wirklich was sagen zu können. Ich weiss noch, dass wir den Film in einem Seminar zum Thema Voice-Over behandelt haben und dass darin ein sehr ungewohnter Wechsel der Erzählperspektive stattfindet. Irgendwann in der Mitte, als der Polizist (oder was immer ist) einschläft. So oder so ist es zu viel der Ehre für ein zusammengeschusterten Machwerk wie "Deja Vu", wenn man derartige Vergleiche bemüht.

Signatures sagen nie die Wahrheit.

Filmkritiken und anderes gibt es auf simifilm.ch.

Gedanken rund um Utopie und Film gibt's auf utopia2016.ch.

Alles Wissenswerte zur Utopie im nichtfiktionalen Film gibt es in diesem Buch, alles zum SF-Film in diesem Buch und alles zur literarischen Phantastik in diesem.
 

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  • (Buch) gerade am lesen:Samuel Butler: «Erewhon»
  • (Buch) als nächstes geplant:Samuel Butler: «Erewhon Revisited»
  • • (Film) gerade gesehen: «Suicide Squad»
  • • (Film) Neuerwerbung: Filme schaut man im Kino!

#7 MartinHoyer

MartinHoyer

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Geschrieben 09 Januar 2007 - 22:51

Tony Scott hat eigentlich mit sehr wenigen Ausnahmen fast nur gelackten Schrott gedreht.

Ich präzisiere: Er hat bisher fast nur gelackte Serien gedreht. Der Schrott-Aspekt entsteht imho durch die Diskrepanz zwischen TV-Serien und der Leinwand. Gerade Bruckheimer hat die Grenze zwar verwischt, was das Unterhaltungskino angeht, aber gewisse grundlegende Erwartungshaltungen unterscheiden sich dennoch. Gerade was das Timing der Handlungshöhepunkte oder das Erfassen von Zielgruppen angeht. Vermutlich ist der Film deshalb so beliebig - als hätte Scott erwartet, das jemand in den Film rein zappt, der 1.) nicht schon vorher ansatzweise wusste, was ihn erwartet und 2.) gleich mit einer Werbepause rechnet, um sich ein Bier zu holen.
Though my soul may set in darkness, it will rise in perfect light;
I have loved the stars too fondly to be fearful of the night.
(Sarah Williams: The Old Astronomer To His Pupil)



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