@Jacob B:
Ganz richtig: dieses ›in einem Rausch durchlesen‹ ist ein deutliches Zeichen für eine Lektüre, in die man reingekippt ist. — Zuletzt gings mir so mit dem neuen Hannibal. Entsprechend kurz, großzügiger Schriftsatz, flutschig geschrieben. Morgens gekauft, unterwegs begonnen, noch ein bischen Bettgehzeit überzogen ums Finale abzuschließen.Einige Tage später im Kaffeehaus nochmal ca. eine Stunde drinn rumgeblättert, dann auch nochmal ›von Außen‹ betrachtet. — Ich weiß, Thomas Harris hat eigentlich mit seinen beiden letzten Hannibals stark abgebaut, aber ohne jetzt im Detail das Führ und Wider zu begründen, ›funktionierten‹ diese Hannibal-Fantasy-Thriller bei mir ganz vorzüglich. Ich nehm den Harris prinzipiell die ›Art von Ding‹ die er drehen will ab. Kunst ist ja immer eine Bewegung zwischen ›etwas überhöhen‹ und ›etwas übergehen‹ und warum nicht auch aus etwas, das einst als ›harte Thriller‹ anhub, im Lauf der Jahre etwas eher ›mythisch Überhötes‹ machen? Warum denn nicht? Ich als Phantast hab dafür erstmal Sympathie.
Aus dem selben Grundvertrauen raus find ich ja Tom Clancy und Dan Brown (und andere) ganz knorke, obwohl ich schon sehen kann, daß deren Sachen — wie sag ich’s neutral? — skepsiswürdig sind.
Ist dieses Vertrauen in solche ›reisserischen Autoren‹ selbst nicht ganz koscher? Obwohl ich gern mal ätzend über Literatur urteile weil ich sie für bedenklich ›nuttig‹ halte, möcht ich mir nicht anmaßen diese Frage zu entscheiden. Hängt einfach von zuvielen Dingen ab.
@Theophagos:
Heu, Du geht ja gleich ans Hochreck!
Zum Krimi-Genre habe ich irgendwo mal was geschrieben. Ich les ja auch gern Krimis, bzw. hab ich schnell mal eine Krimileser-Linse auf, wenn mir das zum Genuß eines Werkes dienlich dünkt. — Krimi lebt halt von diesem wahnsinnig präsenten Gerechtigkeits-Ding: Wer wars? Warum tat er/sie das Verbrechen? Kommt man dahinter, erwischt man den Täter, vergilt man das Opfer? — Der Beobacht-Modus ist zudem oft auf Augenhöhe der Ermittler (deshalb originell z.B. eben Highsmith), kein Wunder also, daß man schnell von einem Krimi reingesaugt wird. Die große Kür aller Krimis sind ja immer die Abschnitte wo der Täter (bzw. Nichtermittler-Figuren) ›für sich‹ sind.
Zu Deiner Frage wie man »Der Süden« noch deuten kann: als Origin-Story für ne Mystery-Fantasy-Serie (Vertico-Comics-tauglich) von Dahlmann, der planlos aber eben Glück ›seine Ebene mit dem Haus‹ entdeckt (vorausgesetzt, er überlebt das Duell).
Ruft jemand ›Horror‹, denkt man erstmal an die ›krassen‹ Aspekte (unheimlich, beängstigend, klaustrophobisch, blutig, eklig usw). Damit diese Elemente gelungen als krass auftreten können, brauchts ein entsprechend kontrastierendes Umfeld, am besten ein Bettchen, aus dem die Horrorhaftigkeiten wie Folterinstrumiente entgegenkommen. — Darauf zu achten, wie das gemacht ist, werd ich bei Horrorlektüren schwer los. / Andererseits bin ich beispielswiese derart begeistert (als Nichtspieler) in die Welt von »Silent Hill« gekippt, das schon die Liedzeile »Not again not again not again« aus dem Spiele/Filmsoundtrack groovt… (Assoziation Sirenen, Finsternis. Wu-Haa.)
Zuletzt: Werke die sowohl als ›Reinkipp‹- wie auch als ›Beobacht‹-Fiktionen funktionieren … mag ich auch sehr gern und predige ja immer, daß man mit solchen Werke wunderbar ungerhaltsam z.B. das literarische Aufnahmesensorium trainieren kann. Schwerer Stil ist halt erträglicher, wenn Figuren und Ereignisse ordentlich was aufführen (im Sinne von: sorgt für Wirbel Musikanten, nehmt’s an Holzscheit und haut’s ummanand.) — Ich frage mich aber immer: ist das nun wirklich eine eigene Gattungsgruppe? Der ›gute postmoderne Roman‹. Oder ist es vielmehr die Art zu Lesen, dei sich (sag ich mal salopp) seit der Ikonoklastischen Zeitwende der Pop-Art ergeben hat?
So, jetzt hab ich auch versucht einen Hochreck-Überschlag zu machen.
@Li
nda:
Schon mal Toll, daß Du auch mit der Bühnenwerk/Orchester-Metapher Umgang pflegst. Ich höre bei Dir zudem ein Bekennis zur Ungeduld heraus. Auf Redundanzen reagier ich eher allergisch, und muß mich zurückhalten, mich nicht gleich runterziehen zu lassen, wenn’s Lesen wegen ›Dauer-Runterbeugen zum Leser‹ nervig wird. (Andererseits hab ich als Teen einen deutschen Phanatstik-Autoren für ein Überdrübergenie gehalten und versuch die Begeisterung von damals nicht zu vergessen … was mich freilich nicht hindert, mal über den seichten Geschmack der Massen/Person X oder die Irrwege der Jugend zu lästern).
In der Literatur mochte ich das ›auf sympathische Art Überrumpelt‹-Werden schon immer sehr; dagegen lerne ich erst in den letzten Jahren bei Filmen gerade dieses ›ruhig-meditativ aber verstörend‹-Gepräge immer mehr zu schätzen. Deshalb kann ich wohl Comics meine eigentliche ästhetische Homebase nennen, weil die eben beides immer verschmelzen … dafür langweilen mich Comics schnell und ich bin entsprechend hochnäsig bei der Auswahl.
Was Stimmungsabhängigkeit betrifft, darf ich mich glücklich preisen, in meiner Bude jederzeit was parat zu haben, das auf meine Stimmung passt. Ist einer der (vielleicht allzuwenigen) Vorteile, viele Bücher durcheinander zu lesen.
Soweit mein endloses Drumrum-Tänzeln um die fruchtigen Re-Aktionen von Euch dreien. Danke für den Spaß soweit!
(Ich seh schon: ich muß aufpassen, daß dieser Thread nicht zu einem Selbsterfahrungskränzchen ausartet.)
Nighty Night
Alex / molo
Bearbeitet von molosovsky, 30 Januar 2007 - 01:27.