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Die Große Schlange kommt nach Deutschland


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29 Antworten in diesem Thema

#1 Beverly

Beverly

    Temponaut

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Geschrieben 23 März 2007 - 11:12

In diesem Strang möchte ich die Hintergründe meines akuten Schreibprojektes

DAS KOMMEN DER GROSSEN SCHLANGE

diskutieren.

Das Exposé:

Irgendwann in naher Zukunft breitet sich von Amerika aus der Kult der "Großen Gefiederten Schlange Quetzalcoatlus" über die Welt aus. Seine "Quetzals" genannten Anhänger verteilen Geld und Drogen ("SPEID") unter das Volk und finden so bei den verarmten Massen immer mehr Anhänger und Sympathisanten. Ein Staat nach dem anderen fällt ihnen zum Opfer, darunter auch Deutschland. Einen eigenen, straff organisierten Machtapparat bauen die "Quetzals" nicht auf, doch sie errichten überall Pyramiden, auf denen sie öffentlich Menschenopfer abhalten. Dass diese in Anlehnung an die Azteken vollzogenen Menschenopfern von den modernen Indianern selbst als barbarisch veruteilt werden, hält die Quetzals - von denen die allermeisten keine Indiander sind - nicht von ihren wahnsinnigen Treiben ab.
So entsteht auch in Berlin am Alexanderplatz und direkt gegenüber dem Roten Rathaus - wo dann kein Senat mehr sitzt - eine Pyramide und auch hier finden Menschenopfer statt, die de facto nichts weiter als Lynchmorde an Angehörigen der früheren Eliten sind.
Ich erzähle das Ganze aus der Perspektive eines früheren Staatssekretärs, der sich nun verstecken und voller Ekel und Entsetzen den Aufstieg der Quetzals erlebt. Ebensosehr entsetzt ihn, wie das einfache Volk, das bis dato sich brav und duckmäuserisch hat regieren lassen, nun den Quetzal-Wahn goutiert. So nach dem Motto: früher waren wir brave BRD-Bürger, jetzt sind leben wir unter der Großen Schlange.

Als ich vor ca. eineinhalb Jahren die Idee zu DAS KOMMEN DER GROSSEN SCHLANGE hatte, schien sie mir selbst nicht nur trashig und wegen einer blutiger Szenen obszön, sondern auch extrem unwahrscheinlich.

Heute ... sie ist in dem Sinne unwahrscheinlich wie jedes andere Zukunftsszenario, aber mittlerweile halte ich etwas in der Art des Kultes der Großen Schlange für ein ernst zu nehmendes Zukunftsszenario. Meine Gründe:

1. Nachdem ich die Idee zur Großen Schlange und einem auf Drogen basierenden Kult hatte, sah ich im Fernsehen Berichte über die Droge Methamphetamin, die sich mit rasender Geschwindigkeit in den USA ausbreitete. "Methamphetamin liebt euch alle", hieß es. So etwas zwei Größenordnungen höher und man hat den Drogenrausch weltweit.

2. Gestern Abend recherchierte ich für eine Episode bei Google über "Armut in Polen". Mit Armut hatte ich gerechnet, als erster Link kam ein Bericht über Hunger! In Teilen Polens sind viele Kinder unterernährt, weil sie von 10 Euro Sozialhilfe im Monat nicht leben können. Ach ja, in einem Bericht auf "Kulturzeit" auf 3sat zitierte die Rektorin einer Neuköllner Hauptschule aus einem Entschuldigungsschreiben: "Mein Kind kann nicht zur Schule kommen. Wir haben nichts zu Essen und es kann mit leerem Bauch nicht lernen."

3. Damit sind wir mal wieder beim Thema "Legitimation" einer Politik, die selbst in den reichsten Ländern Menschen hungern lässt. In meinem Szenario wird sich das so realisieren, dass viele aus dem ehemals linksliberalen Spektrum, die früher Demokratie, Wohlfahrtsstaat und Marktwirtschaft mit getragen haben, angesichts des Kommens der Großen Schlange einfach zuschauen werden, wie die Quetzals ein System, aus dem sie - siehe Günter Grass - rausgemobbt wurden, zu Fall bringen.
Ich selbst sehe mit den Apologeten von status quo oder noch mehr vom status quo kaum noch eine Gesprächsgrundlage. Die BRD zu einer zweiten Schweiz mit Bundesländern auf Kantonsgröße und Volksabstimmungen zu machen, könnte den Patienten Deutschland noch vom Totenbett holen, aber frag mal unsere Politiker, ob sie das tun würden.

Jakob monierte den primitiven, gegen Symptome anrennenden Antikapitalismus, den radikale Linke und Rechte in Internet-Foren verbreiten. Doch auf einen Dummfug-Post von links oder rechts kommen mittlerweile 10 bis 20 Dummfug-Posts aus den Reihen der Neoliberalen und Rechtsbürgerlichen. Nachdem in einem anderen Forum einer aus deren Reihen qua Globalisierung das Patriarchat zum erfolgreichen Zukunftsmodell erklärt hat, hatte ich endgültig die Faxen dicke. Wenn so schöne Dinge wie Abschaffung des Frauenwahlrechts, religiöser Fundamentalismus im Zeichen von Kreuz und Halbmond, ein unabhängiger Staat Bayern und "Muselbashing" bis zum Abwinken die Zukunft sein sollen, kann gern die Große Schlange kommen. Ach ja, die bürgerlichen Hetzer werden es - bei aller notwendigen scharfen Kritik an seinen Verbrechen - nicht müde, gegen Christian Klar bestenfalls die Verweigerung einer Begnadigung, schlimmstenfalls sein Lynchen zu fordern. Wohin der Ruf nach Lynchjustiz führt, habe ich heute vormittag sehr schön ausgearbeitet.

4. Thema Zivilgesellschaft und Engagement. Eine Gesellschaft lebt davon, dass sich ihre Bürger für sie engagieren und einsetzen, auch dann, wenn es ihnen keinen unmittelbaren Vorteil bringt. Für was soll man sich aber noch in einer BRD einsetzen, die meines Erachtens immer mehr von den o. g. rechtsbürgerlich-reaktionären Diskursen dominiert wird?
In meinen Szenario führt das dazu, dass die Quetzals mit Geld und Drogen um sich schmeißen und sich immer weiter ausbreiten können, weil niemand mehr Lust hat, für ein weiteren Sozialabbau und zur Ablenkung des Volkes Kriege planendes System auf die Straße zu gehen. Kaum ist die BRD allerdings Geschichte und zeigen die Quetzals mit dem Abschuss eines Passagierflugzeugs, wie schlimm sie sind, gehen eine halbe Million Menschen auf die Straße. Die Zivilgesellschaft lebt also noch.

Bearbeitet von Beverly, 24 März 2007 - 10:14.


#2 deval

deval

    Skeptiker

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Geschrieben 23 März 2007 - 13:45

Ich weiß ja nicht was du so für Drogen nimmst, aber du solltest besser damit aufhören.

Vielleicht liegt es aber auch einfach nur an mir das ich den Großteil deiner Threads einfach nicht verstehe.

"Dein Wort ist meines Fusses Leuchte und ein Licht auf meinem Weg."
Psalm 119, 105

 

www.fantasybuch.de


#3 Diboo

Diboo

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Geschrieben 23 März 2007 - 14:11

Ich weiß ja nicht was du so für Drogen nimmst, aber du solltest besser damit aufhören.

Vielleicht liegt es aber auch einfach nur an mir das ich den Großteil deiner Threads einfach nicht verstehe.

Beverly lebt in ihrer ganz eigenen Welt. Das macht auch nichts, das tun wir im Grunde alle. Leider hat sie das Bedürfnis, davon ständig zu erzählen, und das führt zunehmend zu Kopfschütteln. Sie dreht mit jedem Mal ein kleines wenig mehr ab. Wer weiß, wo das endet. :coool:

"Alles, was es wert ist, getan zu werden, ist es auch wert, für Geld getan zu werden."
(13. Erwerbsregel)

"Anyone who doesn't fight for his own self-interest has volunteered to fight for someone else's."
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#4 UdoTascher

UdoTascher

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Geschrieben 23 März 2007 - 16:14

2. Gestern Abend recherchierte ich für eine Episode bei Google über "Armut in Polen". Mit Armut hatte ich gerechnet, als erster Link kam ein Bericht über Hunger! In Teilen Polens sind viele Kinder unterernährt, weil sie von 10 Euro Sozialhilfe im Monat nicht leben können. Ach ja, in einem Bericht auf "Kulturzeit" auf 3sat zitierte die Rektorin einer Neuköllner Hauptschule aus einem Entschuldigungsschreiben: "Mein Kind kann nicht zur Schule kommen. Wir haben nichts zu Essen und es kann mit leerem Bauch nicht lernen."

Hallo
vielleicht als eine Anregung für Deinen Schreibprozess ein empfehlenswertes Buch über die erschreckende Kinderarmut in Deutschland
http://www.socialnet...nsionen/786.php

Mit besten Grüßen
u d o

(first post :coool:

PS
Wenn ich die direkten Reaktionen auf Deinen Post lesen,frage ich mich, ob es hier im Forum eine Nettiquette gibt? Vielleicht eine blöde Fragen, bin neu sorry...

#5 yiyippeeyippeeyay

yiyippeeyippeeyay

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Geschrieben 23 März 2007 - 16:39

Wenn ich die direkten Reaktionen auf Deinen Post lesen,frage ich mich, ob es hier im Forum eine Nettiquette gibt? Vielleicht eine blöde Fragen, bin neu sorry...

(Hi Udo , lass dich nicht abschrecken. Es gibt schon ein Netiquette, aber bestimmte Leute haben sich hier im SFN schon seit langem aufeinander eingeschossen. Das führt dann dazu, dass sie meinen ihre personenbezogenen Fazite immer gleich am Anfang posten zu müssen; leider tun dies inzwischen auch der ein oder andere Moderator. Die meisten von uns bemühen uns um Sachlichkeit. Diskutier ruhig mit!)

Bearbeitet von yiyippeeyippeeyay, 23 März 2007 - 17:21.

/KB

Yay! KI-generiertes SF-Zitat Ende November...
"In the sprawling city forums of the galaxy, where chaos reigns and time flows differently, true power is found not in dominance, but in moderation. The wise use their influence to temper ambition with reason, and chaos with order."

(auf Bing.de generierter Monolog von der Copilot-S/W - die ich hiermit NICHT bewerbe! - nach Aufforderung nach einem "s.f. quote" mit einem bestimmten Wort darin; ich ersetzte nur das 4. Wort mit "city forums")


#6 UdoTascher

UdoTascher

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Geschrieben 23 März 2007 - 16:49

(Hi Udo , lass dich nicht abschrecken. Es gibt schon ein Netiquette, aber bestimmte Leute haben sich hier im SFN schon seit langem aufeinander eingeschossen. Das führt dann dazu, dass sie meinen ihre personenbezogene Fazite immer gleich am Anfang posten zu müssen; leider tun dies inzwischen auch der ein oder andere Moderator. Die meisten von uns bemühen uns um Sachlichkeit. Diskutier ruhig mit!)

THX - dann weiss ich ja Bescheid und werde mich im Überlesen solcher Antagonismen üben!

#7 DarkWriter

DarkWriter

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Geschrieben 23 März 2007 - 17:07

Hallo, hmm ... ich konnte das Posting durchaus nachvollziehen. Ich finde den Plot an sich nicht zu trashig (wenn man bedenkt, was in der SF noch alles rumläuft, inklusive Tentakel und Raumschiffe und der ganze Kram - (war jetzt allgemein gesprochen, Diboo, kein Angriff auf dein Werk)Jedoch habe ich noch zwei kleine Anregungen: 1) Es sollte nicht zu nahe in der Zukunft sein2) Etwas müsste passieren, dass zu einem radikalen Glaubensumschwung führt. Der Zusammenbruch des Systems Weltweit, eine weitere Weltwirtschaftskrise, ausgelöst durch Kriege im Nahen Osten oder eine gewaltige Naturkatastrophe, ein Meteor ... irgend etwas, das das Umschwenken der Leute glaubwürdig macht. GrüßePS: Schaut man sich moderne Literatur an, dann kann auch dein Werk ruhig obszön sein.
Quod Me Nutrit, Me Destruit
  • (Buch) gerade am lesen:Erich von Däniken - Götterdämmerung (Kopp)
  • (Buch) als nächstes geplant:Dan Brown - The Lost Symbol
  • • (Buch) Neuerwerbung: Jennifer Rardin - Ein vampir ist nicht genug
  • • (Film) gerade gesehen: Alice im Wunderland
  • • (Film) als nächstes geplant: Poltergeist III - Mal wieder anschauen †¦
  • • (Film) Neuerwerbung: Die Purpurnen Flüsse II

#8 Diboo

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Geschrieben 23 März 2007 - 17:18

(Hi Udo , lass dich nicht abschrecken. Es gibt schon ein Netiquette, aber bestimmte Leute haben sich hier im SFN schon seit langem aufeinander eingeschossen. Das führt dann dazu, dass sie meinen ihre personenbezogene Fazite immer gleich am Anfang posten zu müssen; leider tun dies inzwischen auch der ein oder andere Moderator. Die meisten von uns bemühen uns um Sachlichkeit. Diskutier ruhig mit!)

Du hast in diesem Falle Recht, es war eine unnötige ad hominem Attacke meinerseits.
Als Kompensation gelobe ich, Beverlys Werk nach Erscheinen käuflich zu erwerben und hier zu rezensieren.

"Alles, was es wert ist, getan zu werden, ist es auch wert, für Geld getan zu werden."
(13. Erwerbsregel)

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#9 yiyippeeyippeeyay

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Geschrieben 23 März 2007 - 17:20

Als Kompensation gelobe ich, Beverlys Werk nach Erscheinen käuflich zu erwerben und hier zu rezensieren.

Gebon't! :( :coool: Bin schon gespannt...

/KB

Yay! KI-generiertes SF-Zitat Ende November...
"In the sprawling city forums of the galaxy, where chaos reigns and time flows differently, true power is found not in dominance, but in moderation. The wise use their influence to temper ambition with reason, and chaos with order."

(auf Bing.de generierter Monolog von der Copilot-S/W - die ich hiermit NICHT bewerbe! - nach Aufforderung nach einem "s.f. quote" mit einem bestimmten Wort darin; ich ersetzte nur das 4. Wort mit "city forums")


#10 Gast_Jorge_*

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Geschrieben 23 März 2007 - 17:38

Der Plot an sich

klingt ein bißchen bekannt:

In Gore Vidals "Messias"(Messiah) ist ein kleiner kalifornischer Bestatter namens John Cave der Begründer einer neuen Religion, deren einfache Botschaft("Der Tod ist das Ende des Unglücklichseins im Leben") von seinen Anhängern(den Caviten) zwar nicht mit Pyramiden und Menschenopfern, dafür aber mit Selbstmordcentern(was auf das gleiche hinausläuft :coool: ) mit durchschlagendem Erfolg weltweit verbreitet wird und denen auch ihr Schöpfer zum Opfer fällt.

Erzählt wird das alles aus der Perspektive eines ehemaligen Wegbegleiters von Cave, der sich im Exil in Ägypten versteckt, jedoch ohne Erfolg: Auch die Islamische Welt unterliegt am Ende...

#11 DarkWriter

DarkWriter

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Geschrieben 23 März 2007 - 17:54

Hallo,

klingt ein bißchen bekannt:

In Gore Vidals "Messias"(Messiah) ist ein kleiner kalifornischer Bestatter namens John Cave der Begründer einer neuen Religion, deren einfache Botschaft("Der Tod ist das Ende des Unglücklichseins im Leben") von seinen Anhängern(den Caviten) zwar nicht mit Pyramiden und Menschenopfern, dafür aber mit Selbstmordcentern(was auf das gleiche hinausläuft :coool: ) mit durchschlagendem Erfolg weltweit verbreitet wird und denen auch ihr Schöpfer zum Opfer fällt.

Erzählt wird das alles aus der Perspektive eines ehemaligen Wegbegleiters von Cave, der sich im Exil in Ägypten versteckt, jedoch ohne Erfolg: Auch die Islamische Welt unterliegt am Ende...

hehe. Letztlich ist es doch so, dass nahezu alles schon einmal erzählt wurde. Geht es nicht darum, alten Stoff neu und lebendig zu verpacken? Da stimme ich "Mad Mike" zu, der dies ebenfalls postuliert hat. Hin und wieder taucht ein unverbrauchter Stoff auf, aber letztlich ...

Grüße
Quod Me Nutrit, Me Destruit
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#12 Beverly

Beverly

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Geschrieben 23 März 2007 - 22:01

Hallo, hmm ... ich konnte das Posting durchaus nachvollziehen. Ich finde den Plot an sich nicht zu trashig (wenn man bedenkt, was in der SF noch alles rumläuft, inklusive Tentakel und Raumschiffe und der ganze Kram - (war jetzt allgemein gesprochen, Diboo, kein Angriff auf dein Werk) Jedoch habe ich noch zwei kleine Anregungen: 1) Es sollte nicht zu nahe in der Zukunft sein 2) Etwas müsste passieren, dass zu einem radikalen Glaubensumschwung führt. Der Zusammenbruch des Systems Weltweit, eine weitere Weltwirtschaftskrise, ausgelöst durch Kriege im Nahen Osten oder eine gewaltige Naturkatastrophe, ein Meteor ... irgend etwas, das das Umschwenken der Leute glaubwürdig macht. Grüße PS: Schaut man sich moderne Literatur an, dann kann auch dein Werk ruhig obszön sein.

DarkWriter, danke für deine Anmerkungen. Der Zeitraum ist so Mitte des 21. Jahrhunderts und als Auslöser für den im übrigen eher oberflächlichen "Glaubenswechsel" habe ich keine singuläre Mega-Katastrophe vorgesehen. Ich dachte vielmehr als Hintergrund für die Erzählung an die Summierung vieler Legitimation alter Werte, bestehender politischer und wirtschaftlicher Systeme erodierende Faktoren. Da wären weiter wachsende soziale Gegensätze, eine Politik, die weiterhin standhaft am einschlägigen "Reform"kurs festhält und zu allem Übel Wirtschaftsliberalismus noch mit einem scharfen Rechtsruck verbindet. Viele der heute von anderen oder sich selbst gefeierten "Global Player" sind dann entweder auf dem absteigenden Ast und / oder so unbeliebt, dass manche es gar nicht ungern sehen, wenn sie im Rachen der "Großen Schlange" verschwinden. So ist der Boom in China vorbei und die "Quetzals" überschwemmen auch den Orient, womit sich das Thema Islamismus und "Kampf der Kulturen" erledigt hat.

#13 Beverly

Beverly

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Geschrieben 23 März 2007 - 22:11

Letztlich ist es doch so, dass nahezu alles schon einmal erzählt wurde.

Das stimmt allerdings. Für mich stand im Mittelpunkt meiner schriftstellerischen Intention aber nicht die Entstehung einer neuen, dogmatisch ausgeklügelten und durchorganisierten Religion womöglich noch mit einem Messias in der Art von Paul Muad'dib in DUNE. Was die Quetzals da zu bieten haben, wird den Religionswissenschaftler ob seiner Vulgarität hoffentlich mit Grausen erfüllen. Die Quetzals und ihr Treiben sind eher "Mittel zum Zweck", dass die Geschichte der Menschheit mitten im 21. Jahrhunderts eine drastische und völlig unerwartete Wendung nimmt. Das gleiche Prinzip - aber völlig anders ausgearbeitet - wie bei QUAL von Greg Egan, wo die Formulierung der Großen Vereinheitlichten Theorie zu dem Wunder wird, das die Menschheit erlöst. Nur dass es bei mir kein Wunder, sondern eine Katastrophe ist, die den Wandel bewirkt.

#14 simifilm

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Geschrieben 24 März 2007 - 08:38

Ok, ignorieren wir mal die politischen Exkurse (was hat Günter Grass mit der Sache zu tun? Und wenn Du Dir die Politik der Schweit ansiehst, dann wirst Du sehen, dass sie in einigen Punkten - direktdemokratisch abgesegnet - sehr viel wirtschaftsliberaler ist, als Dir lieb sein kann) und konzentrieren wir uns auf den Plot, dann stellen sich für mich einige Fragen: - Woher haben die Quetzals Geld?- Woher kommen die Quetzals überhaupt? Wo und wie sind sie entstanden?- Wie konnten sie sich in der Anfangsphase ausbreiten?- Wer wird da zu welchem Zweck geopfert?- Was haben die Quetzals für Ziele? Sind diese offen deklariert, oder ist es eine gnostische Truppe, bei der nur ein innerer Zirkel weiss, was wirklich geschieht?- Warum schiessen sie ein Flugzeug ab, und warum ist dieses Attentat in den Augen der Bevölkerung schlimmer als öffentliche Menschenopfer?Fragen über Fragen.

Signatures sagen nie die Wahrheit.

Filmkritiken und anderes gibt es auf simifilm.ch.

Gedanken rund um Utopie und Film gibt's auf utopia2016.ch.

Alles Wissenswerte zur Utopie im nichtfiktionalen Film gibt es in diesem Buch, alles zum SF-Film in diesem Buch und alles zur literarischen Phantastik in diesem.
 

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  • (Buch) gerade am lesen:Samuel Butler: «Erewhon»
  • (Buch) als nächstes geplant:Samuel Butler: «Erewhon Revisited»
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#15 Beverly

Beverly

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Geschrieben 24 März 2007 - 10:35

(...) Fragen über Fragen.

@simifilm, danke für deine Anregungen. Ich habe mir über die von dir gestellten Fragen schon Gedanken gemacht, aber möchte nicht alles verraten, weil die Antworten zum Plot gehören. Richtige, eigentständige religiös-dogmatische Ziele haben die Quetzals nicht und ihr "innerer Kreis" ... naja, als meine Hauptfigur herausfindet, wer das ist, erlebt er eine böse Überraschung. Ich verrate wohl auch nicht zu viel, wenn ich sage, dass die "Rituale" der Quetzals kaum mehr sind als religiös verbrämter Lynchmord an verhassten Eliten, weswegen sie der Masse bestenfalls egal sind, sofern sie nicht aus Sensationslust zuschaut. Was den Wirtschaftsliberalismus betrifft ... nun, im "System" der Quetzals, wo es so gut wie keine Gesetze mehr gibt, BGB und StGB nur noch von historischen Interesse sind und sich Juristen ehrliche Arbeit suchen müssen, ist es z. B. völlig legal Tickets zu horten und zu überhöhten Preisen weiter zu verkaufen oder sie zu versteigern. Allerdings ist in ihrem so gesehen radikal deregulierten und konsequent wirtschaftsliberalen System mit Staat und Gesetzen auch das Privateigentum an Produktionsmitteln gefallen, weil niemand mehr da ist, der es schützt.

#16 Beverly

Beverly

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Geschrieben 25 März 2007 - 11:33

Hier eine Leseprobe aus dem Manuskript, die illustriert wie man sich DAS KOMMEN DER GROSSEN SCHLANGE vorstellen muss:Die Große PyramideGrünlich schimmernd und an den Rändern etwas unscharf erhob sich die Große Pyramide über den Alexanderplatz. An allen vier Seiten führten breite Treppen bis zur Plattform an der Spitze. Dort befanden sich der Opferstein und ein Loch, durch das die Leichen der Opfer geworfen werden sollten. Mercy schauderte bei dem Anblick. Das waren nicht mehr Bilder in den Nachrichten und von sich aus wäre sie nie auf den Alexanderplatz gegangen. Doch Sina hatte darauf bestanden, zweifellos, um sie ein wenig zu ängstigen und gefügig zu machen. Ihre Liebhaberin strich nun über Mercys Schenkel und flüsterte: »Schau es dir gut an, es ist sicher eine interessante neue Datei für dein Wissensarchiv.«»Es ist krank!«»Hat das jemals wer bestritten?«Vor den Opferungen erschienen an riesigen Schautafeln an den Seiten des Alexanderplatzes die Bilder noch flüchtiger Erwählter der Großen Schlange. Mercy erkannte das kantige Gesicht von Senator Thompson las darunter: »Eine Milliarde Euro sind demjenigen gewiss, der hilft, den ehemaligen Diener der Gefallenen USA Thompson mit der Großen Schlage zu vereinen.«Eine Milliarde! Aufgeregt überlegte Mercy, dass die Quetzals nicht ohne Grund so eine exorbitante Belohnung für Thompson aussetzten. Vielleicht war er nicht nur in Freiheit, sondern TAT etwas gegen diese Wahnsinnigen.»Mehr als für den Präsidenten.« Sina pfiff durch die Zähne. »Dann muss dieser Thompson ein besonders großes Arschloch gewesen sein.«»Thompson ist kein Arschloch!« Mercy senkte die Stimme und sprach weiter: »Er war einer der wenigen Egalitaristen im Senat und wollte sogar die USA auflösen, um ganz neu anzufangen.«»Dann hat er sein Ziel ja erreicht. Aber jetzt geht es los.«Auf der Plattform erschien eine gebeugte Gestalt, die Mercy nur zu gut kannte: der Außeminister des Gefallenen Deutschlands, Ronald Sutterling. Sie zuckte zusammen ... bald würde ihr ehemaliger Dienstherr auf dem Stein liegen und einer dieser Wahnsinnigen in seine offene Brust greifen, um ...„Contenance, Schätzchen“, sagte Sina, die ihre Gedanken erriet. „Und hingucken! Los, du sollst alles sehen!“„Fick dich“, flüsterte Mercy.„Später.“Ein Quetzal trat neben Sutterling und seine Stimme hallte über den Alexanderplatz: „In ihrer Güte und unermesslichen Weisheit hat Quetzalcoatlus, die Große Gefiederte Schlange das Flehen um Gnade des Dieners des Gefallenen Deutschlands Ronald Sutterling erhört. Ronald Sutterling soll leben und in Frieden alt werden!“Unendlich erleichtert sah Mercy zu der Pyramide hoch. Schritt für Schritt ging Sutterling ihre Treppe herunter und erreichte den Boden. Die Zuschauer bildeten eine Gasse und er ging zu einem der Taxis. „Weg hier“, flüsterte er. „Bringen Sie mich weg!“„Nenee“, entgegnete der Taxifahrer. „Die haben den Etterling und det will ick nich verpassen!“„Kommen Sie, ich fahr sie“, sagte eine Taxifahrerin und zischte ihren Kollegen zu: „Sadistisches Schwein!“ Sie öffnete die Tür des Wagens und half dem ehemaligen Außenminister hinein. †šSic transit gloria mundi†™, dachte Mercy, als sie sah, wie Ronald Sutterling zitternd auf den Rücksitz kletterte. Die Fahrerin musste ihn unter der Achsel festhalten, damit er nicht stürzte. „Ich habe sie gesehen“, jammerte er. „Leibhaftig.“„Schon gut“, sagte die Fahrerin. „Es ist vorbei, beruhigen Sie sich.“Sie machte die Türen ihres Taxis zu und raste mit quietschenden Reifen davon.Auf der Plattform erschien Bruno Etterling, letzter Kanzler des Gefallenen Deutschlands. Er hielt sich aufrecht und gerade, war nicht gebrochen wie sein Außenminister. Sein Vollbart und die Haare waren ordentlich frisiert und er trug einen adretten anthrazitfarbenen Anzug. Sina stieß Mercy in die Seite: „Das Arschloch tut so als ob es noch immer Kanzler wäre.“„Ist er das nicht? Er hat nie seinen Rücktritt erklärt und es gab weder eine Abwahl noch eine Absetzung.“„Was er ist, wirst du gleich sehen!“„Mitbürger!“ Etterlings Stimme hallte über den Alexanderplatz. „Ich beschwöre Sie, machen Sie dem irrsinnigen Treiben ein Ende und lassen Sie uns die Probleme gemeinsam lösen. Kehren wir zur verfassungsmäßigen Ordnung zurück und bauen unser Land neu auf. Ich weiß, wir müssen wieder Vertrauen zueinander finden nachdem, was geschehen ist. Aber das ist möglich und nur so können wir die Wahnsinnigen, die dieses Schandmal errichtet haben, stoppen!“Die Menschen um die Pyramide sahen sich skeptisch an und Mercy begriff: die Quetzals ließen Etterling reden, weil sie wussten, dass seine Phrasen ins Leere laufen würden. „... Mitbürger ... Probleme gemeinsam lösen ... unser ... verfassungsmäßige Ordnung ... Vertrauen ...“ - es waren die Elemente aus einem Rhetorikbaukasten, aus dem sich Politiker der BRD und der DDR über achtzig Jahre lang bedient hatten. Zu lange und in den letzten Jahrzehnten mit zu wenig Erfolg, um noch jemanden zu überzeugen.„Es sind Fehler gemacht worden!“ Etterling breitete beschwörend die Arme aus. „Aber Fehler kann man korrigieren und lassen Sie uns das gemeinsam anpacken!“„Ja, Fehler wurden gemacht“, flüsterte Mercy. „Arschloch!“Die Leute um sie nickten beifällig. „So muss es nicht enden!“ Jetzt schrie Etterling. „Lassen Sie uns diesen Wahnsinn sofort beenden, um uns wieder wie zivilisierte Menschen zu benehmen!“„Zivilisiert?!“ Eine Frau schrie. „Meine Tochter haben sie in der AC so fertig gemacht, dass die in der Psychiatrie gelandet ist. War das zivilisiert? Ich sag dir was das war, du Arschloch. Ein Verbrechen war es und dafür kommst du jetzt auf den Stein!“„Auf den Stein!“„Auf den Stein!“„Auf den Stein!“„AUF DEN STEIN!“Mercy hielt sich die Ohren zu, doch Sina schlug ihr die Hände herunter: „Wir wollen doch nichts verpassen als Zeitzeugen! Dein Kanzler geht jetzt in die Geschichte ein!“Plötzlich standen Quetzals neben Etterling, packten ihn an Armen und Beinen und hielten ihn hoch in die Luft. Ein Quetzal rief: „Die Große Gefiederte Schlange hat dem Kanzler des Gefallenen Deutschlands dem Urteil der Menschen überlassen. Die Menschen haben ihr Urteil gesprochen und nun wird es vollstreckt!“„Nicht! Aufhören! Es reicht!“, rief Mercy, doch keiner hörte sie. Noch immer schrien die Zuschauer: „Auf den Stein!“ und etwas prasselte wie Hagelkörner - Pillen mit SPEID, von den Quetzals in die Menge geworfen, um sie weiter aufzuputschen.Die Quetzals warfen Etterling auf den spitzen Opferstein, der sein Rückgrat nach oben drückte und Bauch und Brust hervorwölbte. „Nein!“ „NEIN!“ Jetzt schrie Etterling nur noch. „NEIN!“Der Opferpriester, ein riesiger nackter Kerl mit behaartem Leib, langen dunkelbraunen Haaren und zottigen Bart, von Kopf bis Fuß mit Federn beklebt, hob etwas, das wie ein Faustkeil aussah. Immer wieder fuhr es auf Etterling herab und zerfetzte seinen Anzug, Krawatte, Unterhemd und Unterhose. Etterlings Schreie hatten nichts Menschliches mehr an sich, doch noch lauter als er schrie der Mob:„AUF DEN STEIN!“„AUF DEN STEIN!“„AUF DEN STEIN!“Auch Sina schrie, bis ihr Mercy ins Gesicht schlug. Sie blickte Mercy an, als ob sie aus einem Traum erwacht wäre, sagte aber nichts. Etterlings Schreie brachen ab, als ihn ein Quetzal immer wieder gegen den Kopf trat. Vermutlich war er bewusstlos oder schon tot und Mercy fragte sich, ob der Quetzal das praktiziert hatte, was bei ihnen als Mitleid galt. So spürte der ehemalige Kanzler wenigstens nichts mehr, als der Opferpriester das scharfe Obsidianmesser in seine Brust senkte, sie aufschnitt und das Herz heraus riss. Hoch hielt er es in die Luft und schrie: „So stirbt der letzte Diener des gefallenen Deutschlands!“„So stirbt der letzte Diener des gefallenen Deutschlands!“Eine Stimme dröhnte über den Alexanderplatz und über den Opferstein erhob sich ein massiger Kopf mit vier Augen, darunter ein riesiger Schlangenleib.„Ich bin Quetzalcoatlus, die Große Gefiederte Schlange und Bruno Etterling wird Mir Rechenschaft ablegen! So wie ich sein Leben genommen habe, werde ich sein Herz nehmen!“Der Kopf senkte sich und der Opferpriester warf Etterlings Herz in das riesige Maul.„Die Große Gefiederte Schlange hat Etterlings Herz genommen!“, schrie er. „Preist Quetzalcoatlus!“„Quetz-zal-co-at-lus!“, schrien die Quetzals und das Ding - Roboter? Gentech-Konstrukt? - verschwand wieder in der Pyramide.Der von Etterlings Blut rot gefärbte Opferstein sank nach unten und als er wieder zum Vorschein kam, war auf ihn ein nackter Mann, mit Händen und Füßen an seine vier Ecken gefesselt. Der Opferpriester hob sein Messer hoch in die Luft und ... Mercy starrte auf ihre Fußspitzen und hielt sich die Ohren zu. Sina nahm sie in die Arme und flüsterte: »Es tut mir Leid, unendlich Leid. Ich habe diese Schweine so gehasst, den Etterling und all die kleinen Dreckschweine unter ihm. Aber ich ...« Sie schluchzte haltlos.»Schon gut.« Mercy erwiderte ihre Umarmung und nun hörte sie die Schreie von der Spitze der Pyramide. Es waren Lustschreie, laute, gellende Schreie der Ekstase, die erst abbrachen, als der Opferpriester dem Opfer das Herz heraus riss. Mehr wollte Mercy nicht sehen, doch sie war unfähig, sich zu bewegen und rings um sie und Sina drängten sich Schaulustige und nackte, bunt bemalte und mir Federn beklebte Quetzals. Das nächste Opfer, eine junge, langgliedrige Frau, schrie sein Leben ebenfalls in Geilheit und Ekstase heraus. Erst jetzt registrierte Mercy die Fleischstückchen, die von der Spitze der Pyramide flogen und von den Quetzals aufgesammelt und gierig gegessen wurden. Jeder Erwählte wurde in kleine Stücke zerteilt und sein Fleisch unter die Anhänger der Großen Schlange verteilt. Die waren rings um die Große Pyramide bald unter sich, zusammen mit anderen Zuschauern zwängten sich Mercy und Sina zum Rand des Alexanderplatzes. »Zum Kotzen, wie die Nazis!«, schimpfte eine alte Frau und die Umstehenden nickten. „Nach dem Etterling hätten sie aufhören sollten“, meinte ein Mann.„Schon vorher!“, widersprach Mercy. „Das Schwein abzusetzen hätte genügt.“„Das nun nicht“, entgegnete eine Frau. „Er musste totgemacht werden, damit er nicht seine Kontakte für einen Putsch nutzen konnte.“„Seine Kontakte sind entweder tot oder auf der Flucht, da hätte er nichts nutzen können.“Ein Knall ließ Mercy zusammenzucken und sie sah wieder zur Pyramide.Es war ein Schuss aus einem der umliegenden Hochhäuser. Ihm folgte noch einer, der den hoch gewachsenen Opferpriester traf. Er schwankte, hielt sich aber aufrecht und schrie: „Nehmt mein Fleisch und werdet zu meinem Fleisch! Nehmt mein Fleisch, so wie euer Fleisch genommen wird!“Kugel auf Kugel schlug in ihn ein. Schon die erste hätte einen normalen Menschen getötet, doch er hielt sich unnatürlich lange aufrecht. „Mein Fleisch ist euer Fleisch!“, schrie er. „Nehmt mein Fleisch und euer Fleisch wird genommen!“ Endlich legte der Schütze ein Dum-Dum-Geschoss ein und zielte auf seinen Kopf. Er trat und der Kopf des Priester zerplatzte in einer Explosion wie eine blutrote Blume. Sein kopfloser Leib wäre vielleicht noch aufrecht geblieben, doch die Kollegen des Priesters packten ihn, zerteilten ihn und warfen sein Fleisch unter die Quetzals am Fuße der Pyramide. In die kam nun Bewegung, ihre nackten Leiber zuckten und wogten hin und her wie ein einziges, großes Lebewesen. ›Sie sind randvoll mit SPEID‹, begriff Mercy. ›Die Priester, die Opfer, alle!‹Immer hektischer wurden die Bewegungen der nackten Quetzals. Gekrümmte Finger mit langen Nägeln fuhren in nackte Haut, rissen Fleischstücke heraus und führten sie in wartende Münder. Zähne bissen in Leiber und die Gebissenen schrieen freudig auf, von SPEID so aufgeputscht, dass sie es nicht erwarten konnten, zerrissen zu werden. Das SPEID in den Leibern der Zerfleischten trieb die, welche davon gegessen hatten zur Raserei, sie töteten oder wurden getötet und es war ihnen egal. In die Lustschreie mischte sich Hysterie, Erkennen und Entsetzen und nach und nach lösten sich Quetzals aus dem blutigen Pulk um die Große Pyramide und rannten schreiend und johlend durch die Straßen.Ärzte, Polizisten und Feuerwehrleute kamen auf den Platz. Die Ärzte versorgten verletzte Quetzals und die Feuerwehr äscherte die mit SPEID angereicherten Leichten ein. Ein Trupp Polizisten stürmte im Laufschritt auf die Spitze der Großen Pyramide und führte die dort verbliebenen Priester der Großen Schlang ab. Trotz ihrer hohen Stöckel rannte Mercy zu den Polizeiautos und tobte: »Warum seid ihr Arschlöcher nicht vorher gekommen?«»Weil sie uns vorher so zerfleischt hätten wie sich selbst«, entgegnete ein Polizist. »Wir können nur auf den Platz, wenn alles vorbei ist und sie zu KO sind, um noch auf jemand los zu gehen. Die Vögel da« - er deutete auf die Opferpriester - »sind entweder bald auf Kaution draußen oder den Quetzals ist es egal, ob sie im Knast verschimmeln. Hör lieber auf, dich aufzuregen und Beamte zu beleidigen, mach dir noch ein paar schöne Tage und sei froh, dass die Große Schlange nur in Partylaune ist.«»Ich wünschte, ich wäre tot!«, explodierte Mercy, doch Sina, die ihr gefolgt war, zerrte sie von den Polizisten fort. »Hör auf!«, zischte sie. »Ich geb ja zu, dass es eine Riesendummheit von mir war, uns hier hin gehen zu lassen. Aber hör jetzt auf und mach dich nicht selbst kaputt!«

#17 Diboo

Diboo

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Geschrieben 25 März 2007 - 11:48

Was den Wirtschaftsliberalismus betrifft ... nun, im "System" der Quetzals, wo es so gut wie keine Gesetze mehr gibt, BGB und StGB nur noch von historischen Interesse sind und sich Juristen ehrliche Arbeit suchen müssen, ist es z. B. völlig legal Tickets zu horten und zu überhöhten Preisen weiter zu verkaufen oder sie zu versteigern. Allerdings ist in ihrem so gesehen radikal deregulierten und konsequent wirtschaftsliberalen System mit Staat und Gesetzen auch das Privateigentum an Produktionsmitteln gefallen, weil niemand mehr da ist, der es schützt.

Ich empfehle Dir - nur zur Weiterbildung, Du musst es ja nicht gut finden - den Gallatin-Zyklus von L. Neil Smith zur Lektüre, in dem er eine - idealisierte - anarchokapitalistische Zukunft beschreibt und u. a. auch die anarchokapitalistische Lösung des Sicherheitsproblems beschreibt. Ganz nebenbei sind die ersten 2-3 Bände auch noch spannende Unterhaltung.

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#18 WeepingElf

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Geschrieben 25 März 2007 - 16:04

Hallo!Ich halte Beverlys Szenario für reichlich unwahrscheinlich - wie sollten solche barbarischen Sitten Fuß fassen? (Na gut, das Dritte Reich hat es auch gegeben.) Was den Gallatin-Zyklus betrifft: ganz lustig zu lesen, aber unrealistisch. Eine solche Gesellschaft würde ziemlich bald wie Somalia aussehen, wenn nicht noch schlimmer.

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#19 Beverly

Beverly

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Geschrieben 25 März 2007 - 17:08

(...) wie sollten solche barbarischen Sitten Fuß fassen?

In deinem nächsten Satz gibst du die Antwort darauf:

(Na gut, das Dritte Reich hat es auch gegeben.)

und das hatten sich Menschen wohl schon oft in der Geschichte gefragt.

Eine solche Gesellschaft würde ziemlich bald wie Somalia aussehen, wenn nicht noch schlimmer.

Aus 4000 Kilometern Entfernung immer "Somalia" zitieren, wenn es um die Auflösung des Staates geht, halte ich nicht für zwingend. Ebensogut könnte man "Somalia" rufen, um zu sagen, wohin autoritäre patriarchalische Gesellschaften die Menschen führen - ins Chaos, weil es die Menschen nie gelernt haben, ohne den Zuchtmeister "Staat" miteinander oder auch nur nebeneinander klar zu kommen. Wobei wir im übrigen auch bei einem Aspekt der "Großen Schlange" sind. Die Quetzals bringen die bestehenden Staaten zum Einsturz, OHNE einen gleichermaßen durchorganisierten Staatsapparat aufzubauen. Dadurch schaffen sie Freiraum für Formen nicht-staatlicher Organisation. Das kann natürlich in "Somalia" enden, aber ebensogut kann es zu Lösungen führen, die konstruktiver sind als der heutige unselige Dreiklang von Kapitalismus und Konzernherrschaft, sich aus der Verantwortung für das Gemeinwesen verabschiedenden, aber zugleich bürokratisch wuchernden Staat und letztendlich staatsfixierten Ideologien in der Art von religiösem Fundamentalismus und Faschismus.

Bearbeitet von Beverly, 25 März 2007 - 17:23.


#20 simifilm

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Geschrieben 25 März 2007 - 18:54

In deinem nächsten Satz gibst du die Antwort darauf: und das hatten sich Menschen wohl schon oft in der Geschichte gefragt.

Glaubst Du tatsächlich, dass das Dritte Reich möglich gewesen wäre, wenn die Ermordung der Juden mitten auf dem Alex stattgefunden hätte? Ich nicht. Da wäre Verdrängung doch wohl für die meisten zu schwierig geworden.

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#21 Gast_Jorge_*

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Geschrieben 25 März 2007 - 23:34

wie sollten solche barbarischen Sitten Fuß fassen?

Lies mal

Norman Spinrad
"Die Bruderschaft des Schmerzes"(The men in the jungle)

oder

Michael Bishop
"Gestohlene Gesichter"(Stolen Faces) - hier übernimmt man übrigens ebenfalls aztekische Rituale(inbesondere den Kult um Xipe Totec)

#22 Beverly

Beverly

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Geschrieben 26 März 2007 - 08:04

Glaubst Du tatsächlich, dass das Dritte Reich möglich gewesen wäre, wenn die Ermordung der Juden mitten auf dem Alex stattgefunden hätte? Ich nicht. Da wäre Verdrängung doch wohl für die meisten zu schwierig geworden.

Es gibt auch Fälle, wo die Nazis ihre Opfer in aller Öffentlichkeit auf dem jeweiligen Marktplatz vor den Augen der Bevölkerung hingerichtet haben. Einige waren darüber entsetzt, während manche A***** sich daran belustigt haben und das von einem Fensterplatz aus verfolgt haben. Nachtrag: Hundert Jahre nach den Nazis ist unter den Quetzals die Lage noch festgefahrener. Die Quetzals begehen ihre Lynchmorde an von vielen gehassten Vertretern der "Alten Ordnung", wie in der Leseprobe unschwer zu erkennen ist. Und heute vormittag habe ich einen Dialog zwischen der Hauptfigur und einer von den Quetzals wegen ihres Aussehens - jung und attraktiv - und ihrer hohen Position in der "Alten Ordnung" verfolgten Frau geschrieben. Diese Frau sieht trotz traumatischer Erlebnisse keine Alternative zu den Quetzals, weil sowohl das Fortbestehen der "Alten Ordnung" als auch ein Umsturz hm ... politisch eher orthodoxer linker und rechter Kräfte Deutschland in einen (noch übleren) Obrigkeitsstaat verwandelt hätten. Damit sind wir beim Thema "Hass auf die bürgerliche Gesellschaft". Das wird sowohl linken als auch rechten Extremisten nachgesagt, es wurde bei den Dadaisten und "Professor Unrat" verortet. Etwas in der Art der Quetzals reiht sich da in einer lange, illustre Ahnengalerie ein und das erklärt auch, warum es so zwiespältig ist. Einerseits machen die Früchtchen, die diesen Hass schieben, bestenfalls dadurch aufmerksam, dass sie für ein normales, korrektes Verhalten im öffentlichen Raum schlicht zu blöd sind. Schlimmstenfalls wird es dann sowas wie die RAF. Andererseits schürt die "bürgerliche Gesellschaft" selbst diesen Hass immer wieder und das auch bei anfangs noch gutwilligen Menschen. Waren wir nicht 1989 alle Liberale, alldiweil jetzt bei manchen Linksliberalen die seltsamsten Mutationen zu beobachten sind. Den Satz "ihn totmachen, damit er seine Kontakte nicht nutzen kann" gibt es wirklich und die Frau, die als Erwerbslose in der Psychiatrie landet, kenne ich zumindest vom Hörensagen.

Bearbeitet von Beverly, 26 März 2007 - 09:47.


#23 Beverly

Beverly

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Geschrieben 09 Mai 2007 - 16:40

ZITAT(WeepingElf @ 25 Mar 2007, 17:04)
wie sollten solche barbarischen Sitten Fuß fassen?

Lies mal

Norman Spinrad
"Die Bruderschaft des Schmerzes"(The men in the jungle)

oder

Michael Bishop
"Gestohlene Gesichter"(Stolen Faces) - hier übernimmt man übrigens ebenfalls aztekische Rituale(inbesondere den Kult um Xipe Totec)

Dich wird interessieren, dass in den Jahren und Jahrzehnten vor dem Quetzal-Kult die Menschheit so unnütze Dinge wie Raumfahrt, Suche nach Exoplaneten und Reisen dorthin komplett aufgegeben hat und sich ganz auf unorthodoxe Methoden zur "Lösung der Probleme auf der Erde" konzentriert.

#24 MartinHoyer

MartinHoyer

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Geschrieben 10 Mai 2007 - 13:03

Glaubst Du tatsächlich, dass das Dritte Reich möglich gewesen wäre, wenn die Ermordung der Juden mitten auf dem Alex stattgefunden hätte? Ich nicht. Da wäre Verdrängung doch wohl für die meisten zu schwierig geworden.

Erst einmal das, aber es kommen noch andere Punkte hinzu: Es ist ein Unterschied, ob es ... 1.) ... eine schon lange vorher mit Vorurteilen bedachte und über Jahrhunderte immer wieder verfolgte Minderheit trifft, ... 2.) ... oder ob sich die Gesellschaft mehrheitlich einer Lebensweise zuwendet, die von ihnen verlangt, Opfer aus ihrer eigenen, akzeptierten Gruppe zu bringen ... 3.) ... und zudem den durchweg als positiv empfundenen Aspekten ihrer bisherigen Lebensweise komplett zuwider läuft. Der Nationalsozialismus hat schließlich keine bestehenden Strömungen umgekehrt, sondern diese instrumentalisiert und einzelne Akzente radikalisiert. Kurz, die bestehenden Bedürfnisse wurden (scheinbar) bedient. Und so lange es hierzulande kein breites Verlangen nach blutigen Opferkulten gibt, bleibt das Ganze ein groteskes und - je nach Umsetzung auch interessantes - Gedankenspiel, dem allerdings jede gesellschaftswissenschaftliche Basis fehlt. Damit eignet es sich weniger eher für Hard-SF als für eine Future Opera, für diese dafür aber gleich richtig. :coool:
Though my soul may set in darkness, it will rise in perfect light;
I have loved the stars too fondly to be fearful of the night.
(Sarah Williams: The Old Astronomer To His Pupil)

#25 Beverly

Beverly

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Geschrieben 10 Mai 2007 - 22:06

... und zudem den durchweg als positiv empfundenen Aspekten ihrer bisherigen Lebensweise komplett zuwider läuft. Der Nationalsozialismus hat schließlich keine bestehenden Strömungen umgekehrt, sondern diese instrumentalisiert und einzelne Akzente radikalisiert. Kurz, die bestehenden Bedürfnisse wurden (scheinbar) bedient. Und so lange es hierzulande kein breites Verlangen nach blutigen Opferkulten gibt, bleibt das Ganze ein groteskes und - je nach Umsetzung auch interessantes - Gedankenspiel, dem allerdings jede gesellschaftswissenschaftliche Basis fehlt. Damit eignet es sich weniger eher für Hard-SF als für eine Future Opera, für diese dafür aber gleich richtig. :huh:

Es soll ein groteskes Gedankenspiel bleiben, wenn du willst eine "Future Opera". Aber der Realitätsbezug stellt sich dadurch her, dass der breiten Massen bisher als positiv empfundene "Lebensweisen" zuwider werden könnten. Ein Beispiel: die im Zeichen des "Kampfes der Kulturen" betriebene nationalistische und religiöse Demagogie könnte propagandistisch nach hinten losgehen. Der deutsche Michel fühlt sich von Priestern, Rabbis und Imamen gleichermassen angewidert und setzt die allerorten geforderte neue Religiosität in einer Art um, an der ihre Urheber nicht in ihren kühnsten Alpträumen zu denken wagten.

#26 MarcM

MarcM

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Geschrieben 16 Mai 2007 - 08:57

Hallo BeverlyIch habe mit dem Gedankengebäude, dass du konstruierst, grundsätzlich keine Probleme. Das Argument der Unwahrscheinlichkeit kann gar nicht greifen. Schließlich kann man einen Roman nicht daran messen, ob Raumschiffe mit einer Technik fliegen, die wahrscheinlich ist oder nicht. Niemand käme auch auf den Gedanken, Brave New World zu kritisieren, nur weil er auf einer unwahrscheinlichen Genmanipulation + Konditionierung + Droge basiert.Welches Szenario du für deine Zukunftsvision wählst, bleibt letztlich dir überlassen. Das kann die blutige Inszenierung eines südamerikanischen Kultes sein, das kann ein Rückfall in vormoderne christliche Praktiken oder ein martialischer Sport-Kult sein, bei dem die "Menschenopfer" im Boxring dargebracht werden.Das einzige Problem sehe ich in dem Konzept der ersatzlosen Auflösung staatlicher und gar gesellschaftlicher Strukturen. Du sagst, durch dieses Vakuum böte sich ein Freiraum zur Bildung nicht-staatlicher Organisation. Das ist m.E. die entscheidende Schwachstelle deiner Denkfigur. In diesen Räumen werden sich zwangsläufig Gedanken einnisten, die sich gegen die Auflösungsbemühungen der Quetzals richten. Der Mensch ist ein soziales Tier; und wenn es unter seinem eigenen Herdentrieb zu leiden hat, so wird es dennoch zu irgendeiner Form von Herde zurückfinden. Und es wird äußere Feinde bekämpfen, die die Herde zu zerstören versuchen.Nun könntest du den fehlenden inneren Zusammenhalt mit der Droge Speid erklären; diese scheint aber eher antisoziale Wirkung zu haben, nichts, was einen Zusammenhalt oder ein Zusammengehörigkeitsgefühl der Konsumenten fördert (außer im Hass auf einen "Feind", den es zu vernichten gilt). Wenn aber der Kult weltweit um sich greift und auch bestand haben soll, dann muss der Auflösung der alten die Bildung einer neuen Ordnung folgen; bleibt diese aus, würde ich (als Leser) einen klassischen Pyrrhus-Effekt erwarten: Die Bewegung, der es nicht gelingt, ihren Anhängern eine klare Perspektive zu geben, müsste sich in einem massiven Exzess selbst verzehren. Das kann natürlich bedeuten, dass sie in einem gigantischen Selbstzerstörungsprozess mündet; es kann aber auch sein, dass sich die Quetzals irgendwann erschöpft und frustriert von ihrem einstigen Kult abwenden. Welchen Vorteil, welche Verbesserung soll ihnen denn dieses Terror-System bringen, außer dass sie sich in einem heftigen, aber endlichen Wutausbruch an ihren (vermeindlichen) Peinigern rächen? Welcher Sinngehalt füllt die danach eintretende Leere? Ackerbau und Viehzucht?Die kultische Überhöhung der Bewegung genügt mir nicht, um die Fragen zu beantworten. Insbesondere sagst du, dass der Kult um die Schlange stark instrumentalisiert wird, und das wird auch den Menschen nicht entgehen. Dass die Massen auch für blutige Exzesse immer wieder gern zu haben sind, ist weder neu noch unwahrscheinlich; auch wurde mit dem Gedanken schon erfolgreich gearbeitet (in "Die Geschichte der Dienerin" werden Gerichtsurteile nach Maßgabe des Alten Testaments in Sportstadien vollstreckt). Aber er muss fokussiert und immer wieder motiviert werden, wie in 1984 auf die äußeren Feinde. Und dazu bedarf es einer konsequenten Führung, die Freiräume erbarmungslos zumauert.Auch die Droge hilft nur bedingt weiter. Wie kriege ich die in mehrere Milliarden Hälse? Kipp sie meinetwegen ins Grundwasser oder in die Zahncreme und mach aus ein paar Menschen, die besonders übel darauf reagieren, die Hohepriester oder was auch immer; aber mach sie nicht zu einem zentralen Bestandteil deiner Vision, denn keine Droge hält (längerfristig), was sie verspricht. Es ist ein massiver Unsicherheitsfaktor in deinem Konstrukt.Und schließlich: Mach dir Gedanken darüber, was nach dem ersten großen Aufflammen des Kultes geschieht. Wenn der Flächenbrand in der BRD angekommen ist, muss er sich andernorts schon erschöpft haben. Vielleicht sind inzwischen die globalen Kommunikationswege ausgefallen, vielleicht nutzen sie nur noch einige wenige Eingeweihte. Aber ein paar Informationen oder Gerüchte müssen noch immer die Runde machen.Und schließlich: Was geschieht, wenn sich die Schlange in den Schwanz beißt? Was passiert, wenn der Kult den Erdball umrundet hat und an seinem Ausgangsort anlangt? Kein Glaube bleibt unbeeinflusst von den Gedanken derjenigen, die er assimiliert/auslöscht/verdrängt/überlagert. Das waren nur ein paar unsortierte Gedanken. Vielleicht kannst du etwas damit anfangen.--Marc
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#27 Beverly

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Geschrieben 17 Mai 2007 - 16:03

Das einzige Problem sehe ich in dem Konzept der ersatzlosen Auflösung staatlicher und gar gesellschaftlicher Strukturen. Du sagst, durch dieses Vakuum böte sich ein Freiraum zur Bildung nicht-staatlicher Organisation. Das ist m.E. die entscheidende Schwachstelle deiner Denkfigur. In diesen Räumen werden sich zwangsläufig Gedanken einnisten, die sich gegen die Auflösungsbemühungen der Quetzals richten. Der Mensch ist ein soziales Tier; und wenn es unter seinem eigenen Herdentrieb zu leiden hat, so wird es dennoch zu irgendeiner Form von Herde zurückfinden. Und es wird äußere Feinde bekämpfen, die die Herde zu zerstören versuchen.

@MarcM, interessante Gedanken von dir. Auf alles möchte ich konkret nicht eingehen (sonst verrate ich auch zu viel), sondern dir nur zum Thema Ordnung antworten: 1. Löst sich Ordnung, löst sich Sinn nicht schon vor unseren Augen auf? 2. Sind Ordnung und Sinn soweit noch vorhanden, nicht längst dysfunktional und repressiv? 3. Wie weit braucht man "Ordnung" jenseits von Infrastruktur? Wenn ich mit Freunden über die heutige BRD diskutiere, ist man sehr schnell bei folgendem Punkt angelangt. Alles, was mit Infrastruktur, sozialer Absicherung und materieller Versorgung zu tun hat, wird grundsätzlich positiv gesehen. Was darüber hinaus von "Politik", "Wirtschaft" oder auch "Kirche" an spezifischen Ordnungsvorstellungen losgelassen wird, ist bestenfalls irrelevant, schlimmstenfalls ein Graus. Bei Frankreich habe ich mich nach der Wahl von Sarkozy gefragt, ob die Franzosen nicht OHNE einen Präsidenten, der jeweils nur von der Hälfte der Menschen getragen wird, besser dran wären. Ordnun sozusagen nur noch als selbstrefenzielles System, wie eine Feuerwehr, welche die Brände selbst legt, die sie dann löscht. Ein Beispiel aus dem Roman: in Berlin fällt während des Umsturzes das U- und S-Bahnnetz (schon mit Magnetschwebetechnik) aus, aber dann fährt es wieder. Nur die Namen der Bahnhöfe wurden geändert - sie sind nicht mehr nach privaten Sponsoren benannt, sondern tragen wieder ihre ursprünglichen Namen.

#28 Pirx

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Geschrieben 17 Mai 2007 - 23:04

@MarcM, interessante Gedanken von dir. Auf alles möchte ich konkret nicht eingehen (sonst verrate ich auch zu viel), sondern dir nur zum Thema Ordnung antworten: 1. Löst sich Ordnung, löst sich Sinn nicht schon vor unseren Augen auf? 2. Sind Ordnung und Sinn soweit noch vorhanden, nicht längst dysfunktional und repressiv? 3. Wie weit braucht man "Ordnung" jenseits von Infrastruktur? Wenn ich mit Freunden über die heutige BRD diskutiere, ist man sehr schnell bei folgendem Punkt angelangt. Alles, was mit Infrastruktur, sozialer Absicherung und materieller Versorgung zu tun hat, wird grundsätzlich positiv gesehen. Was darüber hinaus von "Politik", "Wirtschaft" oder auch "Kirche" an spezifischen Ordnungsvorstellungen losgelassen wird, ist bestenfalls irrelevant, schlimmstenfalls ein Graus. Bei Frankreich habe ich mich nach der Wahl von Sarkozy gefragt, ob die Franzosen nicht OHNE einen Präsidenten, der jeweils nur von der Hälfte der Menschen getragen wird, besser dran wären. Ordnun sozusagen nur noch als selbstrefenzielles System, wie eine Feuerwehr, welche die Brände selbst legt, die sie dann löscht. Ein Beispiel aus dem Roman: in Berlin fällt während des Umsturzes das U- und S-Bahnnetz (schon mit Magnetschwebetechnik) aus, aber dann fährt es wieder. Nur die Namen der Bahnhöfe wurden geändert - sie sind nicht mehr nach privaten Sponsoren benannt, sondern tragen wieder ihre ursprünglichen Namen.

Verstehe ich dich insofern richtig, als dass du der Meinung bist, dass die BRD keine Ordnung (Iudikative, Exekutive) braucht?
Gruß

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#29 MarcM

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Geschrieben 22 Mai 2007 - 19:41

1. Löst sich Ordnung, löst sich Sinn nicht schon vor unseren Augen auf?

Ich habe den Ordnungsbegriff "sinnfrei" verwendet; die Beobachtung, dass sich die gegebene Ordnung auflöst, wird von Generation zu Generation neu gemacht. Ich habe das menschliche Bedürfnisse nach irgendeiner Form von Gesellschaft oder Gruppenzusammenhalt wertfrei gebraucht. Ob dieser Zusammenhalt sinnhaft ist, steht auf einem anderen Blatt. Es ist aber nicht der Sinn, der sich auflöst, sondern immer nur die gesellschaftspolitische Perspektive. Immer wieder lösen sich alte Strukturen auf und werden durch neue ersetzt. In der Regel bedarf es einigerGenerationen, ehe sich tiefgreifende Wandlungsprozesse vollziehen. Aber es hat sie immer gegeben, von den Pfahlbauern bis in unsere "Informationsgesellschaft". Und es wird sie weiterhin geben, alles andere wäre fatal (wer will schon in einer stagnierenden Welt/Gesellschaft leben?)

2. Sind Ordnung und Sinn soweit noch vorhanden, nicht längst dysfunktional und repressiv?

Wie ich schon sagte, man muss Ordnung und Sinn nicht in einem Atemzug denken. Es gibt durchaus sinnlose Ordnungen; man darf sie in der Regel tyrannisch und menschenverachtend nennen. Derartige Tendenzen sehe ich im Moment nicht in der BRD.

3. Wie weit braucht man "Ordnung" jenseits von Infrastruktur?

Ich weiß nicht genau, was du unter Ordnung verstehst. Ich habe ja ausdrücklich den menschlichen Herdentrieb genannt, der nicht unbedingt mit "Ordnung" zu tun hat; er hat mit Strukturen zu tun, die das Verhalten der Individuen im Verband bestimmen. Natürlich führt dies wiederum zu einer wie auch immer gearteten Ordnung, solange die Individuen sich "strukturkonform" verhalten. Das hat aber nichts mit Ideologie oder Gesetzen zu tun, sondern ist m.E. ein zeichen dafür, dass die Mitglieder einer Gruppe die gemeinsamen Übereinkünfte akzeptieren. Tun sie es nicht, werden sie - im Einzelfall - ausgestoßen. Erweisen sich die Strukturen als untauglich, kommt es zu den Auflösungserscheinunen und zur Revolution, zum Zerfall oder, im schlimmsten Fall - zur Tyrannei weniger über viele. Die Tyrannei bedarf, wegen der latenten Opposition der Vielen, einer eisernen Ordnung und Kontrolle, um eben Freiräume zu verunmöglichen.

Wenn ich mit Freunden über die heutige BRD diskutiere, ist man sehr schnell bei folgendem Punkt angelangt. Alles, was mit Infrastruktur, sozialer Absicherung und materieller Versorgung zu tun hat, wird grundsätzlich positiv gesehen. Was darüber hinaus von "Politik", "Wirtschaft" oder auch "Kirche" an spezifischen Ordnungsvorstellungen losgelassen wird, ist bestenfalls irrelevant, schlimmstenfalls ein Graus.

Welches Gemeinwesen erfreut sich schon der Zustimmung aller. Zu kritisieren gibt es immer mehr, als man zu loben weiß. Und es ist auch nicht unsere Aufgabe, den Politikern jeden Tag aufzusagen, was sie für Helden sind. Ich sehe auch keine rosige Zukunft und hege meine Zweifel, in welcher Wechselwirkung z.B. politische Maßnahmen und Arbeitslosenzahlen wirklichen zueinander stehen. Ich halte die Wahrheit für ernüchternd, aber das nur am Rande. Es ist wohl ein globales Phänomen, dass die zahl derjenigen, die sich jammernd oder frohlockend vom System mitnehmen lassen, immer um ein Vielfaches höher liegt als die Zahl derer, die den Willen und die Kraft haben, daran aktiv mitzuwirken. Es bedarf schon eines gewissen Menschenlages, sich in die Wirren der politischen Maschinerie zu begeben und darin zu bestehen. Das gilt im Positiven wie im Negativen. Und es ist auch meine Überzeugung, dass der Mensch veranlagungsmäßig immer danach streben wird, sich in einem Verband welcher Art auch immer zu organisieren. Die Organisationsform verändert sich, das sieht man allenthalben auf der Welt. Manche Gemeinwesen können sich aus einer unbefriedigenden Situation mittels eines gesellschaftlichen Konsenses befreien; andere verharren traditionsgemäß in ewig gleichen Strukturen, die wir Außenstehende kopfschüttelnd mit sektiererischen Strukturen vergleichen; wieder andere treiben den Teufel mit dem Belzebub aus, ersetzen ein fehlerhaftes System durch ein kriminelles. Den golden Weg der Mitte kann wohl niemand für sich beanspruchen, denn auch hier macht sich wieder ein essenzieller Wesenszug der Menschen bemerkbar: Wir sind nunmal alle verschieden.
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#30 Beverly

Beverly

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Geschrieben 23 Mai 2007 - 18:26

Verstehe ich dich insofern richtig, als dass du der Meinung bist, dass die BRD keine Ordnung (Iudikative, Exekutive) braucht?

So sehr würde ich micht nicht festlegen wollen. Aber ich glaube, dass die BRD und die anderen deutschen Staatswerdungen vor ihr - DDR, Drittes Reich, Weimarer Republik, Kaiserreich - beim Thema "Ordnung" weit über das Ziel hinausgeschossen sind und die Menschen mehr bevormundet als geschützt haben.


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