Wieso denn? Im Gegensatz zum Geist aus der Flasch oder einem Dämon, die jeweils einen klaren Bruch mit der naturwissenschaftlichen Weltordnung markieren, suggeriert ein ausserirdisches Wesen eben Kompatibilität. Das ist nicht etwas aus einer anderen - teuflischen, göttlichen, märchenhaften - Sphäre, sondern Teil unserer Welt. Und mach nicht den Fehler 'Realismusbehauptung' mit 'Realismus' zu verwechseln. Ich sage keineswegs, dass SF 'realistisch' oder technisch plausibel sein muss, sondern dass SF von der impliziten Behauptung ausgeht, dass ihre Welt eine Verlängerung der unsrigen ist (oft in die Zukunft oder in die Weiten des Alls).
Ich behaupte nicht nur, dass in vielen Texten die Realismusbehauptung nur eine Krücke ist (siehe Lem), sondern, dass ein großer Teil der SF diese Realismusbehauptung gar nicht macht. Dass ausserirdische Wesen Kompatibilität mit den Naturwissenschaften suggerieren, könnte unter Naturwissenschaftlern nur ein gewisser von Däniken abnicken . Ich finde das Auftauchen von Aliens ist in sich selbst so phantastisch, dass mans kaum plausibilieren kann. Und die von Dir so stark gemachten Plausibilisierungsstrategien ändern m.E. an diesem Phantasma nichts.
Abgesehen sind Aliens nicht selten, die
explizit der teuflischen, göttlichen, märchenhaften - Sphäre entstammen. Während Du aber wohl diese Texte & Filme aussonderst bzw. wie bei Star Wars (vage) "irgendwo" SF und Fantasy einordnen würdest, sehe ich sie als originären, in der Pulp-Zeit und früher wurzelnden Teil des SF-Korpus. Für mich sind phantastische Elemente wie die "Macht", "Aliens", "Telepathie", "In PC-Monitor verschluckt werden" all right und keine Grund die Texte nicht mehr zur eigentlichen Science Fiction zu zählen. Wenn man nämlich die "Realismusbehauptung" als Muss setzt, wird der SF-Korpus ziemlich klein. Stattdessen würde ich dafür plädieren, sich in den Texten zunächst die binnenfiktionale Verwendungsweise des jeweiligen Motivs anzuschauen. Ob es Realismus, eine Pseudo-Realismusbehauptung oder gar keine Realismusbehauptung vorliegt, kann man m.E. erst dann entscheiden und nicht pauschal, wie Du es anscheinend (auf einer normativen Ebene) tust und wahrscheinlich dann mit einem bereits vorab in diesem Sinne reduzierten, aber trotzdem Allgemeingültigkeit beanspruchenden Untersuchungskorpus bestätigst ?!
Das ist nicht etwas aus einer anderen - teuflischen, göttlichen, märchenhaften - Sphäre, sondern Teil unserer Welt.
Im Übrigen kann man m.E. die teuflische, göttliche, märchenhafte Sphäre, den Mythos von "unserer" Welt nicht trennen. Die Stärke der SF ist, dass sie eben dieses Wechselverhältnis von Mythos und den Naturwissenschaften, worin eben, "gott"seidank

, "unsere" welt nciht aufgeht, (auf hoffentlich spannende

) Weise widerspiegelt
Weil Star Wars diese Zusammenspiel von Mythos und Pseudo-Naturwissenschaften so gut gelingt, ist dieses Werk für mich originäre Science Ficiton (kein Zwitter von Fantasy und Science Fiction) und im übrigen der Grund, warum Star Wars eine nicht unbeträchtliche Fan-Schar hat... (von denen mitunter nicht wenige mit Fantasy nichts anfangen kann)...
Eben. Da schwingt doch immer mit: "Alle die behaupten, dass SF keine 'ernste' Literatur ist, passt mal auf: SF ist sogar superliterarisch." Und was heisst schon 'Anschluss an die übrige Literatur'?:
eben , es ging ihm (und mir) nicht ums nobilitieren, sondern darum literaraturwissenschaftliche Verfahrensweisen aufzuzeigen, die sich gleichermaßen auf SF und Nicht-SF anwenden lassen, anstatt wie viele anderen Theoretiker andauernd Sonder-Zugangsweisen zur SF zu suchen und damit indirekt eben das Genre zu ghettoisieren, es "anders" zu machen (daher rührte übrigens, meine sich als übertriebene herausgestellte Initialkritik an dem von Molo geposteten Zitat aus Deiner Arbeit)
Natürlich ist SF auch Literatur und nichts grundlegend Anderes oder Neues. Sie hat einige Eigenheiten, aber das hat ja jede literarische Form.
dito!
Auch wenn Lem das wohl abschätzig meint, genau darum geht es: Die SF 'tut immer so', als ob ihre Nova grundsätzlich möglich und technisch plausibel wären, obwohl das oft keineswegs der Fall ist. Das ist das, was ich mit Naturalisierung bzw. Realismusbehauptung meine, und das entspricht zumindest teilweise Suvins 'cognition' (obwohl der noch einiges mehr in den Begriff reinpackt) und Freedmans 'cognition effect'.
Wie Lem möchte ich die Realismusbehauptung nicht so ernst nehmen, das schrieb ich schon eben.
Was ich Freedman zu Gute halten möchte, ist , dass er eben den "cognition effect" nicht verabsolutiert und den SF-Korpus unnötig klein macht. Freedman argumentiert so gut wie gar nicht normativ, worin ich eine der Stärken seines Ansatzes sehe.
In der SF geschieht genau das Gegenteil: Ein schleimiges Alien oder ein Raumschiff sind keine ungewöhnlichen Darstellungen gewöhnlicher Dinge. Vielmehr werden in der SF die Nova eben naturalisiert, was im Grunde das Gegenteil von Verfremdung ist.
Ich würde ja sagen, weil die Naturalisierung eben nicht gelingt (in dem meisten Fällen würde ich wertneutral ein Versagen der Science Fiction diagnostizieren) bzw. diese Naturalisierung gar nicht erwünscht ist, ist Alienschleim eins der besten Verfremdungsmittel, die man sich denken kann

. Was ich eigentlich ganz gut finde...
Verstehe die obigen Zeilen bitte unter Vorbehalt, ich werde mir in den nächsten Deinen Artikel durchlesen und vielleicht dann doch noch zu Deiner Sicht der Dinge "konvertieren".
Bearbeitet von UdoTascher, 10 Juli 2007 - 08:48.