Labyrinth der Spiegelungen
(Лабиринт отражений)

"Labyrinth der Spiegelungen" war vor "Wächter der Nacht" der berühmteste Roman von Sergej Lukianenko in Russland. Die Cyberpunk-Dilogie über das virtuelle Programm Deep (Tiefe) ist leider bisher noch nicht in Deutschland veröffentlicht worden.
Irgendwann war es so, dass ein ukrainischer Programmierer namens Dibenko das Programm "Deep" geschrieben hatte. Eigentlich nur als Bildschirmschoner gedacht, um beim Meditieren zu helfen, bewirkte das Programm, dass das Bewußtsein das, was im Computer passierte, als real wahrgenommen wurde.
"Der zehnsekündige Trailer, der über den Bildschirm flimmert, ist an sich harmlos. Zeigt man ihn im Fernsehen (es heißt, einige Länder haben auch das mal riskiert), spürt der Zuschauer nichts, wird nicht zum Teilnehmer eines Films. Dmitri selbst wollte bloß einen angenehmen Bildschirmschoner zum Meditieren am Computer entwickeln. Er programmierte ihn, ließ ihn übers Netz verteilen und wußte von nicths zwei Wochen lang.
Und dann hat sich ein junger Mann aus der Ukraine die bunten Farben des Deep-Programms angeguckt, zuckte mit den Schultern und startete sein Lieblingsspiel, "Doom". Gezeichnete Flure und Gebäuden, gräßliche Monster und ein tapferer Pumpgun schwingender Held. Ein simples 3D-Spiel, das den Grundstein für das ganze Genre von 3D-Ballerspielen legte.
Und er kam ins Spiel.
Die leere (es war spät am Abend) Halle des Patemtamts, in dem er arbeitete, verschwand. Der Junge sah den Computer, an dem er saß, nicht mehr. Seine Finger drückten die Tasten und ließen die Figur laufen, drehen, schießen - doch er fühlte, wie er selbst über die Fluren lief und sich vor Feuerbällen und grinsenden Fratzen wegduckte. Er verstand, dass es ein Spiel war, aber wußte nicht, warum es real wurde und wie man es verläßt.
Das einzige, was ihm eingefallen ist war, das Spiel bis zum Ende durchzuspielen. Und er schaffte es, obwohl es schwieriger war, als früher.
Eine leichte Verletzung führte nicht bloß zur Verringerung der Lebensprozente auf dem Bildschirm, sondern zu dem, was eine Wunde tatsächlich ausmacht. Schmerz, Schwäche, Angst. Er stellte fest, dass der blutverschmierte Boden rutschig ist, dass die Steintafel vor dem Versteck mit Medikamenten sehr schwer wiegt, dass die Patronenhülsen heiß sind und dass der Rückstoß vom Granatenwerfer ihn beinahe zu Boden wirft. Das Elixier, das die Gesundheit wiederherstellt, hatte einen unangenehmen bitteren Geschmack. Die kugelsichere Weste war aus dünnen Metallstreifen gemacht und war leicht zu tragen - aber sie war viel zu weit, und ließ sich nur unbequem auf dem Rücken zuschnüren. Nach drei Stunden hat der Abzug der Pumpgun angefangen, zu klemmen. Man mußte ihn sorgfältig und sanft drücken, und mit dem Finger hin- und herbewegen.
Um fünf uhr morgens schaffte er das Spiel durch. Die Monster waren besiegt. Auf der Steinmauer vor ihm erschien das Spielmenü, und schreiend rammte er mit dem Lauf der Pumpgun die Exit-Taste.
Die Illusion war vorbei. Er saß vor dem friedlich surrenden Computer, seine Augen tränten, die Tastatur unter den verkrampften Fingern war völlig kaputt. Die Taste, die er im Spiel für den Abzug hielt, war eingedrückt.
Der Junge schaltete den PC aus und schlief direkt am Tisch ein. Die Kollegen, die zur Arbeit kamen, sahen, dass sein Körper mit blauen Flecken übersät war.
Er erzählte von dem, was passiert war, und natürlich hatte ihm niemand geglaubt. Nur gegen Abend, als er das ganze Revue passieren ließ, erinnerte er sich an das Meditationsprogramm von Dibenko und schöpfte Verdacht.
Nach einer Woche war die ganze Welt im Deep-Fieber.
..."
(Übersetzung von mir)
Die Tiefe wird zu einer virtuellen Welt, die wie ein Abbild unserer realen Welt im Internet existiert. Mit Hilfe des Programms "Deep" und eines VR-Helms taucht man in die virtuelle Stadt Deeptown. Die an sich krude gestaltete Stadt wird erst durch das Deep-Programm lebendig, und täglich tummeln sich Millionen von Menschen darin.
Und dann gibt es noch die Diver. Das sind wenige Menschen mit der Fähigkeit, aus der Tiefe selbständig herauszukommen - denn die meisten bleiben in der VR gefangen, bis sie sich dort am Computer ausloggen, oder aber der Timer ausgelöst wird. Die Diver bleiben anonym und werden für ihre Dienste teuer bezahlt - z.B., um in Deeptown-Server von Firmen einzubrechen und Industriespionage zu betreiben. Ein solcher Diver ist Leonid, der Held dieses Buchs.
Das Buch ist sehr empfehlenswert und spannend zu lesen. Man kann das Alter zwar teilweise ansehen (es stammt von 1997), aber die etwas älteren Leser werden die ganzen Begriffe noch kennen. Es gibt eine Fortsetzung - "Die falschen Spiegel".
Ich hoffe, dass ein deutscher Verlag sich dieses Buchs annimmt, bevor die Begriffe ganz veralten. Bisweilen aber fanübersetze ich eine kurze Leseprobe - quasi den Prolog als Kostprobe.
Zur Leseprobe (wird täglich erweitert)
Bearbeitet von TheHutt, 11 Juli 2007 - 14:16.