Es wäre doch schön, wenn man die Kluft zwischen der akademischen Definition und der umgangssprachlichen Nutzung des Begriffs verringern könnte.
Das Problem ist doch bereits, dass es
die akademische Definition nicht gibt und auch gar nicht geben muss. Das begriffliche Werkzeug, das ich verwende, muss in erster Linie für die jeweilige Aufgabe geeignet sein, es muss aber keineswegs überall gelten. Wenn ich mich in meinem Buch stark auf Todorov beziehe, dann in erster Linie, weil sein Ansatz dazu geeignet ist, einige Punkte, die mir wichtig erscheinen, herauszuarbeiten, aber nicht, weil ich ich das Gefühl habe, er würde 'Phantastik' am besten oder treffendsten charakterisieren. Je nach Kontext ist ein weiter Begriff besser geeignet.
Vielleicht ist das ja eine laienhafte Vorstellung meinerseits, daß es möglich sein müßte, eine Definition zu finden die sich gestuft aufbaut.
Eine einfach zu nutzende Kerndefinition, die auch Laien benutzen können, die ergänzt wird mit weiteren Regeln für die Feindifferenzierung der Randzonen, die für die wissenschaftliche Präzision erforderlich sind.
Das funktioniert in meiner Erfahrung so nicht. Denn die Welt ausserhalb der Geisteswissenschaft interessiert sich herzlich wenig für deren Erkenntnisse. Und letztlich ist dies ja auch gar nicht der Anspruch der Geisteswissenschaft.
Ich dachte immer, eine solche Definition diene der Klassifikation von Bücher, oder nicht ?
Aber eine Klassifikation ist nie wertungsfrei und erfolgt immer vor einem bestimmten Hintergrund aus und mit bestimmten Zielen. Buchhändler klassifizieren nach anderen Kritierien als Fans und die wieder nach anderen als Wissenschaftler. Wenn ich beispielsweise untersuchen will, wie 'Phantastik' im Buchmarkt beworben wird, werde ich sehr wahrscheinlich eine andere Definition anlegen (müssen), als wenn ich schauen will, wie sich bestimmte phantastische Motive im Laufe der Zeit entwickelt haben. Eine Grundfrage, die ich schon früher angetönt habe, ist, ob ich 'Phantastik' als abstraktes Kriterium verstehe - alle Texte, die x aufweisen, sind phantastisch - oder als pragmatisches Konzept, also als Begriff, der so von den Leuten auch verwendet wird. Im ersten Fall kann ich ahistorisch alle möglichen Texte zusammenfassen (das macht Todorov), im zweiten muss ich konkret hingehen und schauen, als was ein Text verkauft wurde, wie er in Rezensionen eingestuft wurde etc. Dabei macht man dann oft die interessante Enteckung, dass sich der Gebrauch von Begriffen sehr stark wandeln kann, und das ein Text, der 1920 als 'Phantastik' eingestuft wurde, heute vielleicht nicht mehr in diese Kategorie fällt.
Beide Ansätze haben - je nach Ziel - ihre Berechtigung, aber man muss sich schon im Klaren sein, was man eigentlich macht. Das Hauptproblem bei Todorov ist eben genau, dass er einen rein abstrakten, systematischen Ansatz wählt, den er aber - via die Unterscheidung von systematischer und historischer Gattung - als historischen verkaufen will; leider funktioniert das aber so nicht.
Ich hatte angenommen, daß dir als Kenner der Fachliteratur der zitierte Vorwurf bekannt ist.
Obwohl der Text als PDF auf meiner Festplatte liegt, kann ich ihn (noch) nicht auswendig.