Für mich reicht als Merkmal für eine phantastische Geschichte, wenn nur eine Deutung (es muß nicht mal eine Variante sein) "wunderbar" ist.Also wäre für Dich nur das phantastisch, was Todorov als Phantastisch-wunderbar bezeichnet, das eindeutige Kippen ins 'Nicht-Realistische'?
Phantastik-Begriff
#61
Geschrieben 09 August 2007 - 17:10
#62
Geschrieben 09 August 2007 - 17:14
Verstehe ich mal wieder nicht. Vorhin hast Du doch gerade gesagt, dass Unsicherheit - also die Möglichkeit verschiedener Deutungen, wovon eine wunderbar ist - für Dich nicht als Phantastikmerkmal ausreicht.Für mich reicht als Merkmal für eine phantastische Geschichte, wenn nur eine Deutung (es muß nicht mal eine Variante sein) "wunderbar" ist.
Signatures sagen nie die Wahrheit.
Filmkritiken und anderes gibt es auf simifilm.ch.
Gedanken rund um Utopie und Film gibt's auf utopia2016.ch.
Alles Wissenswerte zur Utopie im nichtfiktionalen Film gibt es in diesem Buch, alles zum SF-Film in diesem Buch und alles zur literarischen Phantastik in diesem.
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#63
Geschrieben 09 August 2007 - 17:15
Ich weiß nicht wie du es mit Kategorien hältst, aber für mich sind Definitionen suspekt, bei denen die Kategorien kein "Graben" trennt.Dann gehst Du als bei Genreeinteilungen von einer Sippenhaftung aus? Wenn James in anderen Erzählungen etwas Ähnliches macht, gehören die alle in die gleiche Gattung?
#64
Geschrieben 09 August 2007 - 17:22
Ich habe gesagt, die Unsicherheit ist für mich kein Merkmal, aber die phantastische Deutung sehr wohl.Verstehe ich mal wieder nicht. Vorhin hast Du doch gerade gesagt, dass Unsicherheit - also die Möglichkeit verschiedener Deutungen, wovon eine wunderbar ist - für Dich nicht als Phantastikmerkmal ausreicht.
Die Fokussierung auf die Ambivalenz ist Kokolores; warum muß da was kippen?
#65
Geschrieben 09 August 2007 - 17:24
Das ganze Konzept Genre/Gattung basiert darauf, dass man Texte/Filme anhand gewisser übergreifender Kriterien definiert und sie eben nicht aus dem Blickwinkel des Oeuvres eines Autors betrachtet. Im Konzept 'Gattung' ist eigentlich immer - egal, wie Du die jeweilige Gattung definierst - die Idee enthalten, dass man nicht von einem einzelnen Autor ausgeht, sondern dass man Text-/Filmgruppen autoren- und je nachdem auch länder- und/oder epochenübergreifend definiert. Insofern finde ich den Einwand, dass James in anderen Erzählungen etwas Ähnliches gemacht hat, nicht sonderlich stichhaltig. Nur weil C. S. Lewis sowohl die Narnia-Reihe geschrieben hat, wird seine SF nicht zu Fantasy, selbst wenn sich da stilistische Ähnlichkeiten finden (was sicher der Fall ist). Conan Doyle hat ja auch SF geschrieben, das änder nichts daran, dass die Sherlock-Holmes-Geschichten nicht SF sind ... EDIT: Noch ein Nachtrag zu den 'Gräben'. Wenn Du auf starre Unterscheidungen aus bist, dann lass die Finger von der ganzen Gattungs-/Modusthematik, denn hier sind reine Vertreter die Ausnahme und Grenz- und Mischfälle die Regel. Gräben, die alles sauber trennen, gibt es hier leider nicht.Ich weiß nicht wie du es mit Kategorien hältst, aber für mich sind Definitionen suspekt, bei denen die Kategorien kein "Graben" trennt.
Bearbeitet von simifilm, 09 August 2007 - 18:13.
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#66
Geschrieben 09 August 2007 - 17:28
Also irgendwie habe ich bei Deinen Posts einfach regelmässig Verständnissschwierigkeiten, auch hier weiss ich nicht genau, was Du sagen willst.Ich habe gesagt, die Unsicherheit ist für mich kein Merkmal, aber die phantastische Deutung sehr wohl.
Die Fokussierung auf die Ambivalenz ist Kokolores; warum muß da was kippen?
Also, Unsicherheit im Sinne von Ambivalenz ist für Dich nicht relevant, gut. Was meinst Du nun genau mit 'phantastischer' Deutung? Wenn eine eindeutige Auflösung ins Wunderbare gegeben ist, wenn also keine Ambivalenz herrscht?
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#67
Geschrieben 09 August 2007 - 20:42
Bearbeitet von Theophagos, 09 August 2007 - 20:42.
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#68
Geschrieben 09 August 2007 - 22:03
Das ist sicher richtig. Ich habe James lediglich als Beispiel verwendet, um die Untauglichkeit der Definition zu zeigen.Das ganze Konzept Genre/Gattung basiert darauf, dass man Texte/Filme anhand gewisser übergreifender Kriterien definiert und sie eben nicht aus dem Blickwinkel des Oeuvres eines Autors betrachtet. Im Konzept 'Gattung' ist eigentlich immer - egal, wie Du die jeweilige Gattung definierst - die Idee enthalten, dass man nicht von einem einzelnen Autor ausgeht, sondern dass man Text-/Filmgruppen autoren- und je nachdem auch länder- und/oder epochenübergreifend definiert.
Der Stil dieser Autoren ist auch nicht Bestandteil einer Regel, die Genregrenzen definieren soll.Insofern finde ich den Einwand, dass James in anderen Erzählungen etwas Ähnliches gemacht hat, nicht sonderlich stichhaltig. Nur weil C. S. Lewis sowohl die Narnia-Reihe geschrieben hat, wird seine SF nicht zu Fantasy, selbst wenn sich da stilistische Ähnlichkeiten finden (was sicher der Fall ist). Conan Doyle hat ja auch SF geschrieben, das änder nichts daran, dass die Sherlock-Holmes-Geschichten nicht SF sind ...
Ach, simi, irgendwie scheinen wir nicht dieselbe Sprache zu sprechen.Also irgendwie habe ich bei Deinen Posts einfach regelmässig Verständnissschwierigkeiten, auch hier weiss ich nicht genau, was Du sagen willst.
Also, Unsicherheit im Sinne von Ambivalenz ist für Dich nicht relevant, gut. Was meinst Du nun genau mit 'phantastischer' Deutung? Wenn eine eindeutige Auflösung ins Wunderbare gegeben ist, wenn also keine Ambivalenz herrscht?
Wenn Ambivalenz irrelevant ist, dann bedeutet das doch nicht, daß es eine eindeutige Auflösung geben muß.
Es bedeutet, daß sowohl eindeutige, als auch ambivalente Geschichten zur Phantastik gerechnet werden können.
Es muß aber mindestens eine Deutung geben, bei der phantastische ("wunderbare") Elemente erkennbar sind.
Ich brauche auch keine Wandlung, die du irgendwie zu suchen scheinst (Kippen, Auflösen, etc.)
Exakt.@Konrad - Eine Verständnis-Frage:
Sehe ich das richtig, dass du ein zweigliedriges System verwendest? Also: Entweder ist eine Erzählung eine Phantastische oder sie ist eine Realistische, wobei das Phantastische im Zweifelsfall dominant ist - i.e. wenn die Geschichte eine phantastische Deutung berechtigt zulässt, dann gehört sie zur Phantastik, selbst wenn sie auch eine realistische Deutung zuließe?
Gruß,
Konrad
#69
Geschrieben 10 August 2007 - 08:17
Das ist sicher richtig. Ich habe James lediglich als Beispiel verwendet, um die Untauglichkeit der Definition zu zeigen.
Meinen Einwand widerlegen konntest Du aber nicht; nämlich dass das übrige Schaffen von James für diese Perspektive nicht wirklich relevant ist.
Der Stil dieser Autoren ist auch nicht Bestandteil einer Regel, die Genregrenzen definieren soll.
Das wäre noch zu untersuchen: Knüpft Doyle nicht sowohl in seiner SF (etwa "The Lost World") und in seinen Holmes-Geschichten sowohl sprachlich als auch stilistisch an ein wissenschaftlich-technisches Weltbild an? Geschieht da im Grunde nicht in beiden Fällen dasselbe, nämlich eine (pseudo-)rationale Erklärung eines unerklärlichen Vorgangs? Nur werden im einen Fälle neue, wunderbare Elemente eingeführt, im anderen nicht? Ich würde behaupten, dass auf formal-stilistischer Ebene etwas ganz Ähnliches vor sich geht, der Unterschied liegt auf fiktionaler Ebene, auf der Ebene der jeweiligen Handlungswelt.
Zweifellos. Ich finde es schwierig, Deine Kritik an Todorov nachzuvollziehen, wenn Du 'Phantastik' mal in seinem Sinne und dann wieder in einem anderen verwendest.Ach, simi, irgendwie scheinen wir nicht dieselbe Sprache zu sprechen.
Ok, also ein maximalistischer Ansatz, bei dem alles, was auf ein 'nicht-realistisches' Element hindeutet (hindeuten könnte), als phantastisch gilt.Wenn Ambivalenz irrelevant ist, dann bedeutet das doch nicht, daß es eine eindeutige Auflösung geben muß.
Es bedeutet, daß sowohl eindeutige, als auch ambivalente Geschichten zur Phantastik gerechnet werden können.
Es muß aber mindestens eine Deutung geben, bei der phantastische ("wunderbare") Elemente erkennbar sind.
Ich brauche auch keine Wandlung, die du irgendwie zu suchen scheinst (Kippen, Auflösen, etc.)
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#70
Geschrieben 10 August 2007 - 17:40
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#71
Geschrieben 10 August 2007 - 22:21
Ok, es ist wohl tatsächlich eher diese kleine Schnittmenge der beiden Merkmale "Ambivalent" und "Wunderbar", die irgendwie intuitiv dazu reizt, die Signifikanz des Merkmals anzuzweifeln. Einigen wir uns darauf, daß Todorov eine mögliche, nicht-intuitive Definition ist, deren Begrenztheit man aber in Frage stellen kann.Meinen Einwand widerlegen konntest Du aber nicht; nämlich dass das übrige Schaffen von James für diese Perspektive nicht wirklich relevant ist. Das wäre noch zu untersuchen: Knüpft Doyle nicht sowohl in seiner SF (etwa "The Lost World") und in seinen Holmes-Geschichten sowohl sprachlich als auch stilistisch an ein wissenschaftlich-technisches Weltbild an? Geschieht da im Grunde nicht in beiden Fällen dasselbe, nämlich eine (pseudo-)rationale Erklärung eines unerklärlichen Vorgangs? Nur werden im einen Fälle neue, wunderbare Elemente eingeführt, im anderen nicht? Ich würde behaupten, dass auf formal-stilistischer Ebene etwas ganz Ähnliches vor sich geht, der Unterschied liegt auf fiktionaler Ebene, auf der Ebene der jeweiligen Handlungswelt.
Während ich es schwierig finde, daß du diesen anderen Sinn zunächst akzeptierst und dann plötzlich wieder den Formalisten raushängen läßt, obwohl man merkt, daß du sehr wohl verstanden hast.Zweifellos. Ich finde es schwierig, Deine Kritik an Todorov nachzuvollziehen, wenn Du 'Phantastik' mal in seinem Sinne und dann wieder in einem anderen verwendest.
Ja, wenn du so willst, allerdings nicht ganz so maximalistisch wie molos Ansatz. Er schließt halt SF, Fantasy und Märchen mit ein. Für mich kommt Todorovs Ansatz aus einer vergangenen Zeit. Einer Zeit, in der jeder für plemplem angesehen wurde, der ernsthaft ein Weltbild mit "fragwürdigen" phantastischen Elementen zeigte. Einer Zeit, in der man den "reinen Geist der Aufklärung" gegen den "Schmutz der Irrationalität" verteidigen musste. Vermutlich hat man daher erst mal Geschichten geschrieben, in denen neben diesem Weltbild eine "normale" Deutung ermöglicht wird, quasi als "Rückzugsmöglichkeit" gegen den Vorwurf der "Irrationalität". Dann begann eine "Trotzphase" und man hat diese Form übersteigert, d.h. man hat die Ambivalenz, die man vorher als Deckmantel verwendet hat, als Qualität herausgestellt, ihr den Nimbus der Revolution, des Einbruchs des Phantastischen in die Realität, verpasst. Todorov ist dieser Phase verhaftet. Heute ist man aber schon weiter, "phantastische" Weltbilder werden gelassener gesehen, sind salonfähig geworden, die "Sensation" ist längst in der Normalität angekommen.Ok, also ein maximalistischer Ansatz, bei dem alles, was auf ein 'nicht-realistisches' Element hindeutet (hindeuten könnte), als phantastisch gilt.
#72
Geschrieben 11 August 2007 - 00:21
MOLOSOVSKY IST DERZEIT IN DIESEM FORUM NICHT AKTIV: STAND 13. JANUAR 2013.
Ich weiß es im Moment schlicht nicht besser.
#73
Geschrieben 11 August 2007 - 01:00
Das sollte man aber nicht unterschätzen, denn was den theoretischen Abhandlungen fehlt, ist eine Rückmeldung der Leserschaft, die schließlich mit dem Begriff leben muß.Ich denke ja, das beste was eine "kleine Philosophenrunde" wie wir hier leisten kann, ist eine Lagebesprechung des Phantastik-Begriffs, und nicht etwa eine klippklare Klärung.
Das ist ein interessanter Gedanke. Wie sähe wohl eine Fantasy-Definition in einer Fantasy-Welt aus?Gedankensprung: Nehmen wir den Fall Fantasy-Definition. In etwa geht die ja so, daß in in Fantasywelten das Wundersame akzeptierter Bestandteil des Weltenbaus ist. Und doch unterscheiden auch Fantasywelten oftmals zwischen akzeptierten Wunderbaren und unerhörten Wunderbaren.
Da stellt sich nun die Frage, ist der Begriff einem steten Wandel unterworfen oder stabilisiert er sich langsam. Gruß, KonradImmerhin: was Konrad grad schrieb, geht d'accord mit meiner Beobachtung, daß eben der Zeitgeist und dessen dominate Sicht auf die Frage "Was ist Wirklichkeit, Wahrheit, Fakt" usw. entscheident mitbestimmt, wie sich der Phantastik-Begriff darstellt und ausnimmt.
#74
Geschrieben 11 August 2007 - 07:50
Nö, muss sie sie nicht. Dem Leser (und dem Buchhandel) ist in der Regel wurscht, was die Wissenschaft macht, und das ist auch ok so. Innerhalb einer wissenschaftlichen Arbeit muss ein Begriff päzise definiert sein, damit er nachvollziehbar ist (Wink mit dem Zaunpfahl), aber er muss keineswegs irgendwelchen Alltagsbegriffen entsprechen.Das sollte man aber nicht unterschätzen, denn was den theoretischen Abhandlungen fehlt, ist eine Rückmeldung der Leserschaft, die schließlich mit dem Begriff leben muß.
Wenn ich's recht im Kopf habe, spricht Uwe Durst hier von einem "Wunderbaren zweiter Ordnung". In einer Welt, in der Blumen sprechen, sind stumme Blumen etwas Aussergewöhnliches. Allerdings geschieht meiner Meinung nach in diesem Fall etwas Neues: Da stumme Blumen für den Leser ja den Normalfall darstellen, für den Bewohner der jeweiligen Welt aber nicht, ist der Fall ein anderer. Dieses Verfahren wirkt oft witzig/satirisch. Wir finden es komisch, dass Dinge, die wir als normal empfinden, als wunderbar empfunden werden.Das ist ein interessanter Gedanke. Wie sähe wohl eine Fantasy-Definition in einer Fantasy-Welt aus?
Mit Ausnahme von molos Ansatz, gehen eigentliche alle Phantastik-Konzeptionen von einer Differenz zu einer 'Realität' aus, und diese Vorstellung von Realität ist natürlich historisch/kulturell bedingt und somit wandelbar. Damit ist auch die Vorstellung, was nicht-realistisch/wunderbar ist, nicht fix.Da stellt sich nun die Frage, ist der Begriff einem steten Wandel unterworfen oder stabilisiert er sich langsam.
Signatures sagen nie die Wahrheit.
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#75
Geschrieben 11 August 2007 - 09:46
Simi, simi,Nö, muss sie sie nicht. Dem Leser (und dem Buchhandel) ist in der Regel wurscht, was die Wissenschaft macht, und das ist auch ok so. Innerhalb einer wissenschaftlichen Arbeit muss ein Begriff päzise definiert sein, damit er nachvollziehbar ist (Wink mit dem Zaunpfahl), aber er muss keineswegs irgendwelchen Alltagsbegriffen entsprechen.
wenn wir schon bei dem Zaunpfahl sind: Die Leserschaft muß sehr wohl mit dem Begriff Phantastik leben, sie muß aber nicht die Begriffsdefinition der Wissenschaft übernehmen.
Apropos Präzision, wie du sicherlich gelesen hast, kann man die Präzision der Todorovschen Definition durchaus in Frage stellen.
Wenn ich es recht in Erinnerung habe spricht u.a. Prof. Schmitz-Emans von einer "Pseudo-Präzision".
Bearbeitet von Konrad, 11 August 2007 - 09:47.
#76
Geschrieben 11 August 2007 - 13:23
Wieder mal habe ich Verständnisprobleme. Ich habe ja selbst gesagt, dass sich der 'gemeine Leser' nicht darum scheren muss, was die Wissenschaft macht. Dieser Meinung bist Du ja anscheinend auch, nur verstehe ich nicht, den folgenden Satz nicht "was den theoretischen Abhandlungen fehlt, ist eine Rückmeldung der Leserschaft, die schließlich mit dem Begriff leben muß" . Die Leserschaft soll also der Wissenschaft rückmelden, was 'Phantastik' für sie ist. Was genau meinst Du damit? Die Leserschaft muss ja eben nicht mit dem Begriff leben, wie ihn die Wissenschaft definiert, und im Rahmen einer wissenschaftlichen Untersuchung ist es - je nach Perspektive natürlich - oft auch irrelevant, was ein Begriff im Alltagsverständnis bedeutet (wissenschaftliche Terminologie entsteht ja gerade deshalb, weil die Alltagsbegriffe oft zu unpräzise sind).Simi, simi,
wenn wir schon bei dem Zaunpfahl sind: Die Leserschaft muß sehr wohl mit dem Begriff Phantastik leben, sie muß aber nicht die Begriffsdefinition der Wissenschaft übernehmen.
Falls es Dir darum geht, dass 'Phantastik' nicht als abstraktes Gebilde (wie bei Todorov), sondern als pragmatisches Konzept, also als ein Begriff, der sich im Gebrauch konstant ändert, verstanden werden soll, kann ich dazu nur so viel sagen: Grundsätzlich bin ich damit einig. In meinem Verständnis sollten Gattungen/Genres immer als historisch-pragmatische Einheiten verstanden werden, relevant ist also die Frage, wer wann zu welchem Zweck was wie benennt. Das Problem ist nur, dass Du damit bei 'Phantastik' und SF nicht weit kommen wirst, weil die Begriffe zu breit und zu disparat sind. Das ist übrigens auch der Grund, weshalb ich in meinem Buch zwischen Modus (systematisch-ahistorisch, weit gefasst) und Genre/gattung (pragmatisch-historisch, eng gefasst) unterscheide.
Ich werde hier nicht den Todorov-Verteidiger spielen, falls Du darauf aus bist. Ich kenne die Probleme seines Ansatzes gut genug. Allerdings glaube ich, dass 'Pseudo-Präzision' hier eher darauf gemünzt ist, dass die Definition so 'präzise' ist, dass sie am Ende nur noch eine Hand voll Texte beschreibt.Apropos Präzision, wie du sicherlich gelesen hast, kann man die Präzision der Todorovschen Definition durchaus in Frage stellen.
Wenn ich es recht in Erinnerung habe spricht u.a. Prof. Schmitz-Emans von einer "Pseudo-Präzision".
Bearbeitet von simifilm, 11 August 2007 - 16:20.
Signatures sagen nie die Wahrheit.
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#77
Geschrieben 11 August 2007 - 16:51
Simi, wenn du nur die Hälfte der Ansprüche, die du an andere stellst, deinen eigenen Texten angedeien ließest, dann wären die Diskussionen mit dir nicht so schwierig. Die Aussage meines Textes ist klar und da hilft dein Rumlavieren überhaupt nicht. Die Leserschaft muß mit dem Begriff Phantastik leben. Dein Einwand "Nö, muss sie nicht" war also völlig verkehrt. Wenn ich gemeint hätte, sie müsse mit der Begriffsdefinition der Wissenschaft leben, dann hätte ich genau das geschrieben. Mein Satz war aber anders gemeint. Es war gemeint, daß die Leserschaft den Begriff nutzt, d.h. die Begriffsdefinition (nicht notwendigerweise die der Wissenschaft) anwendet. Es war gemeint, daß die Reaktionen der Leserschaft vielleicht einen heilsamen Einfluß auf die Praxistauglichkeit der Begriffsdefinition der Wissenschaft haben könne. Daß du bei deiner ersten Antwort diese Richtung der Kommunikation nicht einmal in Erwägung gezogen hast, spricht Bände.Wieder mal habe ich Verständnisprobleme. Ich habe ja selbst gesagt, dass sich der 'gemeine Leser' nicht darum scheren muss, was die Wissenschaft macht. Dieser Meinung bist Du ja anscheinend auch, nur verstehe ich nicht, den folgenden Satz nicht "was den theoretischen Abhandlungen fehlt, ist eine Rückmeldung der Leserschaft, die schließlich mit dem Begriff leben muß" .
Siehste, geht doch. Warum muß man also immer erst alles niedermachen, was man nicht gleich versteht?Die Leserschaft soll also der Wissenschaft rückmelden, was 'Phantastik' für sie ist. Was genau meinst Du damit? Die Leserschaft muss ja eben nicht mit dem Begriff leben, wie ihn die Wissenschaft definiert, und im Rahmen einer wissenschaftlichen Untersuchung ist es - je nach Perspektive natürlich - oft auch irrelevant, was ein Begriff im Alltagsverständnis bedeutet (wissenschaftliche Terminologie entsteht ja gerade deshalb, weil die Alltagsbegriffe oft zu unpräzise sind). Falls es Dir darum geht, dass 'Phantastik' nicht als abstraktes Gebilde (wie bei Todorov), sondern als pragmatisches Konzept, also als ein Begriff, der sich im Gebrauch konstant ändert, verstanden werden soll, kann ich dazu nur so viel sagen: Grundsätzlich bin ich damit einig.
Nein, ich versuche eher deine starke Fokussierung auf Präzision etwas zu relativieren.Ich werde hier nicht den Todorov-Verteidiger spielen, falls Du darauf aus bist. Ich kenne die Probleme seines Ansatzes gut genug.
Nein, der Satz bezog sich u.a. auf die Abhängigkeit von der "herrschenden" Realitätsauffassung, die keine stabile Bezugsgröße ist.Allerdings glaube ich, dass 'Pseudo-Präzision' hier eher darauf gemünzt ist, dass die Definition so 'präzise' ist, dass sie am Ende nur noch eine Hand voll Texte beschreibt.
Bearbeitet von Konrad, 11 August 2007 - 18:00.
#78
Geschrieben 12 August 2007 - 14:23
Ich drösle jetzt nicht auseinander, inwiefern Dein Statement eben nicht so eindeutig war, wie Du es darstellst, sondern belasse es bei der Feststellung, dass es zur Fehlkommunikation im Allgemeinen zwei braucht.Simi, wenn du nur die Hälfte der Ansprüche, die du an andere stellst, deinen eigenen Texten angedeien ließest, dann wären die Diskussionen mit dir nicht so schwierig. Die Aussage meines Textes ist klar und da hilft dein Rumlavieren überhaupt nicht. Die Leserschaft muß mit dem Begriff Phantastik leben. Dein Einwand "Nö, muss sie nicht" war also völlig verkehrt. Wenn ich gemeint hätte, sie müsse mit der Begriffsdefinition der Wissenschaft leben, dann hätte ich genau das geschrieben. Mein Satz war aber anders gemeint. Es war gemeint, daß die Leserschaft den Begriff nutzt, d.h. die Begriffsdefinition (nicht notwendigerweise die der Wissenschaft) anwendet.
Heilsam inwiefern? Und vor allem: tauglich für welche Praxis?Es war gemeint, daß die Reaktionen der Leserschaft vielleicht einen heilsamen Einfluß auf die Praxistauglichkeit der Begriffsdefinition der Wissenschaft haben könne.
Aha, inwiefern?Daß du bei deiner ersten Antwort diese Richtung der Kommunikation nicht einmal in Erwägung gezogen hast, spricht Bände.
Warum muss man immer extrem knappe Statements posten und sich dann darüber beschweren, dass man falsch verstanden wird?Warum muß man also immer erst alles niedermachen, was man nicht gleich versteht?
Warum lieferst Du den Kontext eigentlich erst jetzt nach?Nein, der Satz bezog sich u.a. auf die Abhängigkeit von der "herrschenden" Realitätsauffassung, die keine stabile Bezugsgröße ist.
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#79
Geschrieben 13 August 2007 - 12:42
Wenn ich trotz mehrmaligen Auseinanderhaltens zwischen meiner pragmatischen maximalen und meiner versuchsweisen supermaximalen Verwendung immer noch so einseitig wiedergegeben werde, kann ichs eigentlich aufgeben.Mit Ausnahme von molos Ansatz, gehen eigentliche alle Phantastik-Konzeptionen von einer Differenz zu einer 'Realität' ausâââ€Å¡Â¬Â¦
Mir gings hier auch (oder eben eher mehr) um eine Umkreisung des allgemeinen, medialen -- nicht speziell nur des literarischen -- Phantastik-Begriffs. Phantastik im Sinne von "Ergebnisse, Produkte der Phantasietätigkeit des Menschen". Da kann man nun sagen: Hey, das ist aber das flasche Thread-Fach dafür. Okey. Kann ich korrigieren. Soll ich?
Grüße
Alex / molo
Nur um mal auszudeuten, woher mein "supermaximalistischer" Ansatz herkommt. Natürlich geh ich nicht in einen Buchladen, werfe einen Blick in die Runde und meine mit einer alles umfassenden Armbewegung: "Krimi, Sachbuch, Kochbuch, Schwangerschaftsratgeber, Fantasy, Leibesroman, Science Fiction, alles Phantastik".Wer macht die Realität? Der "Wirklichkeitsmensch"? Dieser läuft ihr hinterher. ... Die vorhandene Realität, mit der der Realist rechnet, befindet sich immer schon in Agonie. ... Was sie {die Realisten} Gegenwart nenne, ist eine optische Täuschung, hervorgerufen durch die Unzulänglichkeit ihrer Sinne, die Langsamkeit ihrer Apperzeption. Die Welt ist immer von gestern. ... Man ist daher versucht zu sagen: alle Menschen leben prinzipiell in einer imaginären, schimärischen, illegitimen, erdichteten Welt; bis auf einen: den Dichter.
Bearbeitet von molosovsky, 13 August 2007 - 12:46.
MOLOSOVSKY IST DERZEIT IN DIESEM FORUM NICHT AKTIV: STAND 13. JANUAR 2013.
Ich weiß es im Moment schlicht nicht besser.
#80
Geschrieben 13 August 2007 - 13:18
Ok, belassen wir es dabei.Ich drösle jetzt nicht auseinander, inwiefern Dein Statement eben nicht so eindeutig war, wie Du es darstellst, sondern belasse es bei der Feststellung, dass es zur Fehlkommunikation im Allgemeinen zwei braucht.
Es wäre doch schön, wenn man die Kluft zwischen der akademischen Definition und der umgangssprachlichen Nutzung des Begriffs verringern könnte. Vielleicht ist das ja eine laienhafte Vorstellung meinerseits, daß es möglich sein müßte, eine Definition zu finden die sich gestuft aufbaut. Eine einfach zu nutzende Kerndefinition, die auch Laien benutzen können, die ergänzt wird mit weiteren Regeln für die Feindifferenzierung der Randzonen, die für die wissenschaftliche Präzision erforderlich sind.Heilsam inwiefern?
Ich dachte immer, eine solche Definition diene der Klassifikation von Bücher, oder nicht ?Und vor allem: tauglich für welche Praxis?
Ist das nicht offensichtlich? Das Stichwort heißt "Elfenbeinturm".Aha, inwiefern?
Touché!Warum muss man immer extrem knappe Statements posten und sich dann darüber beschweren, dass man falsch verstanden wird?
Ich hatte angenommen, daß dir als Kenner der Fachliteratur der zitierte Vorwurf bekannt ist.Warum lieferst Du den Kontext eigentlich erst jetzt nach?
#81
Geschrieben 13 August 2007 - 13:22
Ok, dann korriegere ich in: "Mit Ausnahme von molos experimentellem supermaximalistischen Ansatz, der nicht für den Alltagsgebrauch gedacht ist, gehen eigentliche alle Phantastik-Konzeptionen von einer Differenz zu einer 'Realität' aus".Wenn ich trotz mehrmaligen Auseinanderhaltens zwischen meiner pragmatischen maximalen und meiner versuchsweisen supermaximalen Verwendung immer noch so einseitig wiedergegeben werde, kann ichs eigentlich aufgeben.
So besser?
Unpolemisch gemeinte Frage: Warum muss man dieses 'Phantastik' nennen? Wäre ein weniger besetzter Begriff nicht sinnvoller?Mir gings hier auch (oder eben eher mehr) um eine Umkreisung des allgemeinen, medialen -- nicht speziell nur des literarischen -- Phantastik-Begriffs. Phantastik im Sinne von "Ergebnisse, Produkte der Phantasietätigkeit des Menschen". Da kann man nun sagen: Hey, das ist aber das flasche Thread-Fach dafür. Okey. Kann ich korrigieren. Soll ich?
Dass die Realität immer auch Konstruktion ist, bestreitet heute wohl kaum noch jemand, das ist ja kein wirklich neuer oder origineller Gedanke. Aber nichtsdestotrotz würde ich entschieden behaupten, dass zwischen dem, was wir als 'Realität' erleben, und dem, was gemeinhin unter 'Fiktion' läuft, ein ganz entschiedener Unterschied besteht, den wir in 99.999% der Fälle auch als solchen wahrnehmen.Nur um mal auszudeuten, woher mein "supermaximalistischer" Ansatz herkommt. Natürlich geh ich nicht in einen Buchladen, werfe einen Blick in die Runde und meine mit einer alles umfassenden Armbewegung: "Krimi, Sachbuch, Kochbuch, Schwangerschaftsratgeber, Fantasy, Leibesroman, Science Fiction, alles Phantastik".
Signatures sagen nie die Wahrheit.
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#82
Geschrieben 13 August 2007 - 13:40
Das Problem ist doch bereits, dass es die akademische Definition nicht gibt und auch gar nicht geben muss. Das begriffliche Werkzeug, das ich verwende, muss in erster Linie für die jeweilige Aufgabe geeignet sein, es muss aber keineswegs überall gelten. Wenn ich mich in meinem Buch stark auf Todorov beziehe, dann in erster Linie, weil sein Ansatz dazu geeignet ist, einige Punkte, die mir wichtig erscheinen, herauszuarbeiten, aber nicht, weil ich ich das Gefühl habe, er würde 'Phantastik' am besten oder treffendsten charakterisieren. Je nach Kontext ist ein weiter Begriff besser geeignet.Es wäre doch schön, wenn man die Kluft zwischen der akademischen Definition und der umgangssprachlichen Nutzung des Begriffs verringern könnte.
Das funktioniert in meiner Erfahrung so nicht. Denn die Welt ausserhalb der Geisteswissenschaft interessiert sich herzlich wenig für deren Erkenntnisse. Und letztlich ist dies ja auch gar nicht der Anspruch der Geisteswissenschaft.Vielleicht ist das ja eine laienhafte Vorstellung meinerseits, daß es möglich sein müßte, eine Definition zu finden die sich gestuft aufbaut.
Eine einfach zu nutzende Kerndefinition, die auch Laien benutzen können, die ergänzt wird mit weiteren Regeln für die Feindifferenzierung der Randzonen, die für die wissenschaftliche Präzision erforderlich sind.
Aber eine Klassifikation ist nie wertungsfrei und erfolgt immer vor einem bestimmten Hintergrund aus und mit bestimmten Zielen. Buchhändler klassifizieren nach anderen Kritierien als Fans und die wieder nach anderen als Wissenschaftler. Wenn ich beispielsweise untersuchen will, wie 'Phantastik' im Buchmarkt beworben wird, werde ich sehr wahrscheinlich eine andere Definition anlegen (müssen), als wenn ich schauen will, wie sich bestimmte phantastische Motive im Laufe der Zeit entwickelt haben. Eine Grundfrage, die ich schon früher angetönt habe, ist, ob ich 'Phantastik' als abstraktes Kriterium verstehe - alle Texte, die x aufweisen, sind phantastisch - oder als pragmatisches Konzept, also als Begriff, der so von den Leuten auch verwendet wird. Im ersten Fall kann ich ahistorisch alle möglichen Texte zusammenfassen (das macht Todorov), im zweiten muss ich konkret hingehen und schauen, als was ein Text verkauft wurde, wie er in Rezensionen eingestuft wurde etc. Dabei macht man dann oft die interessante Enteckung, dass sich der Gebrauch von Begriffen sehr stark wandeln kann, und das ein Text, der 1920 als 'Phantastik' eingestuft wurde, heute vielleicht nicht mehr in diese Kategorie fällt.Ich dachte immer, eine solche Definition diene der Klassifikation von Bücher, oder nicht ?
Beide Ansätze haben - je nach Ziel - ihre Berechtigung, aber man muss sich schon im Klaren sein, was man eigentlich macht. Das Hauptproblem bei Todorov ist eben genau, dass er einen rein abstrakten, systematischen Ansatz wählt, den er aber - via die Unterscheidung von systematischer und historischer Gattung - als historischen verkaufen will; leider funktioniert das aber so nicht.
Obwohl der Text als PDF auf meiner Festplatte liegt, kann ich ihn (noch) nicht auswendig.Ich hatte angenommen, daß dir als Kenner der Fachliteratur der zitierte Vorwurf bekannt ist.
Signatures sagen nie die Wahrheit.
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Alles Wissenswerte zur Utopie im nichtfiktionalen Film gibt es in diesem Buch, alles zum SF-Film in diesem Buch und alles zur literarischen Phantastik in diesem.
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#83
Geschrieben 13 August 2007 - 14:10
Bearbeitet von molosovsky, 13 August 2007 - 14:13.
MOLOSOVSKY IST DERZEIT IN DIESEM FORUM NICHT AKTIV: STAND 13. JANUAR 2013.
Ich weiß es im Moment schlicht nicht besser.
#84
Geschrieben 13 August 2007 - 14:23
Die Dramatik, die Du beschreibst, sehe ich so auf keinen Fall.Der (allgemeine) Phantastik-Begriff, oder auch Fiktionsbegriff, steht ja im Mittelpunkt von Deutungshoheits- und Gestaltungsrangeleien. Das war einige Jahrzehnte lang nicht so wahnsinnig brenzlig, aber spätestens bei den jetztigen Konkurrenzen verschiedener Weltbilder tritt dieser Deutungshoheitskrieg wieder ziemlich heftig zutage. Denn: die Prämissen/Axiome der Gegner sind Illusion, Fiktion, Phantastik; die eigenen Prämissen/Axiome sind aber freilich Fakt .
Auch das kann ich so eigentlich nicht nachvollziehen. Ob ich 'Phantastik' im todorovschen Sinn eng definiere oder weiter, sagt über mein Weltbild eigentlich nichts aus.Guckt man sich so Gesellschaftstheorien an, in der es mindestens drei verschiedene Wahrheiten gibt -- die Wahrheiten der Elite, die Wahrheiten des einfachen Volkes und die Wahrheiten der vermittelnden Gelehrten -- dann wird verständlich, warum "Phantastik" so eine wichtige Rolle spielt. So Genre-Fragen geben da grad mal das Planschbecken des Diskurses ab.
Das ist auch nicht, was ich geschrieben habe.Ich bin mir nicht so sicher, daß 99,999% sich darüber im Klaren sind, daß eine Mischung aus Leichtsinn (Raten), Kalkül (Berechnen) und Propaganda (Stimmungswettermacherei) unsere Weltbilder bestimmt.
'Im Gegenteil' zu was? Sehe gerade den Widerspruch nicht, zu dem, was Du vorher geschrieben hast.Im Gegenteil orientieren sich meiner Erfahrung grad die "Kunden" überwiegend an ziemlich altbackenen hierarchischen Sytemen.
Irgendwie kann ich diesen Kurzschluss von Gattungseinteilungen und Weltbildern, den Du vornimmst, nicht nachvollziehen; vor allem aber scheint er mir die (wissenschaftliche) Diskussion keineswegs so zu prägen, wie Du es beschreibst.Das ist ein weites Feld, ich weiß. Und ich wünschte, ich könnte das mit der gebotenen Schärfe und Tiefe darstellen, ohne vollkommen zum schwurbelnden Schwätzer zu werden. Immerhin: da sich Verständnis und Handhabung von Begriffen ändern (können), entstehen Konflikte. Wenn ich mich hinstelle und aufgrund meiner Erfahrung mit dem pluralistischtischen Weltenbau- und Weltdeut-Umgang der modernen Genre-Phantastik an solche Dinge wie Religionen und Ideologien herangehe, stelle ich nun mal (nicht als einziger!) fest, daß es sich hierbei um Großraumphantastik, um sogenannte "Sinnmachmaschinen" dreht. Für mich persönlich ist das erstmal eine nicht groß wertende Feststellung über den ständige Balance-Akt, den der Einzelne und Gesellschaften leisten, um sich zu orientieren. Für überzeugte Anhänger besagter religiöser und ideologischer Weltbilder aber ist meine "Relativiererei" aber sicherlich bereits eine ungehörige Wertung, ja eben AB-Wertung ihrer vermeindlichen ewigen Wahrheiten.
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#85
Geschrieben 13 August 2007 - 14:28
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#86
Geschrieben 13 August 2007 - 14:29
Aber von welchem ideologisch umkämpftem Phantastik-Begriff sprichst Du denn? Den der Leser hier im Forum? Wo wird der Phantastikbegriff den auf die Weise, die Du beschreibst, verhandelt?Wiegesagt Simi, nagel mich nicht immer auf "wissenschaftlichen" oder "literarischen" Diskrus zum PH-Behriff fest, wenn ich explizit davon schreibe, daß ich von Seiten des allgemeinen medialen Diskurses dem PH-Begriff nähere. -- Das ist ein Tauziehen um den Rahmen des Diskurses und damit eine glatte Bestätigung meines paranoiden Ansatzes
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#87
Geschrieben 13 August 2007 - 14:38
Bearbeitet von molosovsky, 13 August 2007 - 14:44.
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#88
Geschrieben 13 August 2007 - 14:52
Also irgendwie sehe ich da nur eine Zirkelschluss Deinerseits: Denn um 'Phantastik' geht's da da nur, wenn man Deine Maximaldefinition anlegt, und das ist irgendwie eine seltsame Form des Nachweises (so im Stil von: "Alle Welt redet immer über Schokolade. Wenn man unter 'Schokolade' noch das 'Wetter' und die 'aktuelle politische Lage' fasst).Zwei Beispiele:
Wirtschaft: "Wie bekämpft man den *Reformwiderstand*? -- Das ZEW-Mannheim als Psychodoktor"
Infowar, Abteilung Geschichtenerzählen: "Eine gute Story – Die Macht ist mit dem, der die beste Geschichte erzählt"
Weitere Felder die mich schon lange umtreibebn sind: "absolute Offenbahrungswahrheiten" versus "neuzeitlicher Pluralismus" (Grundlagen der Moral), das Selbstverständnis des Menschenbildes, Aufbruchsgemeinschaften und Abstammungsgemeinschaften usw.
Flappsig umschrieben ist der allgemeine (nicht der literaturwissenschaftliche) PH-Begriff aufgespannt zwischen den Polen "den Teufel an die Wand malen" und "den Silberstreif am Horizont ausdeuten", sprich: Angst- und Hoffnungsmacherei. Um sich wohin zu entwickeln, z.B. einer Bewegung anzuschließen, brauchts erstmal Vor-"Bilder" und diese müssen "gezeigt" werden. Siehe meine supermaximalistische Wohnzimmer-"Def", daß Phantastik die Erzeugnisse der Phantasie sind (womit ich aber eher die medialen PH-Produkte meine).
Grüße
Alex / molo
EDIT: Vielleicht haben wir auch unterschiedliche Vorstellungen davon, was ein Diskurs ist. Aber wenn Du schreibst, dass Du "von Seiten des allgemeinen medialen Diskurses dem PH-Begriff" näherst, dann heisst das für mich, dass innerhalb des 'allgemeinen medialen Diskurses' ein Phantastikbegriff verhandelt wird. Und wenn Du das mit zwei Links belegst, in denen der Begriff 'Phantastik' gar nicht fällt, dann komm ich nicht mehr mit. Oder vielmehr: dann heisst das für mich, dass Du einen existierenden Diskurs mit dem Begriff 'Phantastik' versiehst, aber das ist dann wieder eben eine Privatdefinition Deinerseits. Denn um den Phantastikbegriff selbst - also um die Frage, was 'Phantastik' bezeichnet - geht es in diesem Diskurs nicht, soweit ich das sehe. Kurz: Ich finde es seltsam, wenn Du explizit davon sprichst, dass der "der (allgemeine) Phantastik-Begriff, oder auch Fiktionsbegriff, [...] im Mittelpunkt von Deutungshoheits- und Gestaltungsrangeleien" steht und dies dann mit Texten belegst, in denen dieser Begriff gar nicht vorkommt. Vielleicht ist das, was Du unter 'Phantastik' verstehst, heiss umkämpft, aber kaum der "allgemeine Phantastik-Begriff".
Bearbeitet von simifilm, 13 August 2007 - 16:32.
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#89
Geschrieben 13 August 2007 - 16:45
Bearbeitet von molosovsky, 13 August 2007 - 16:50.
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#90
Geschrieben 13 August 2007 - 17:55
Ich empfehle in diesem Zusammenhang die Kindergeschichte "Jodock" von Peter Bichsel. Aber ernsthaft: Korrigiere mich bitte, wenn ich falsch liege, aber ich habe den Eindruck, dass Du fortlaufend das Referenzsystem wechselst. Zuerst kritisierst Du, dass ich Dich auf Deinen "supermaximalen" Phantastik-Begriff reduziere, und fast im gleichen Atemzug verwendest genau diesen Ansatz, nennst es aber einen "allgemeinen Phantastik-Begriff". Man muss nun wirklich kein Wortklauber sein, wenn man damit Mühe hat ...@ Simi: Bei Schokolade ist es eine schokoladige Schokolade, wie schokoladig man mittels Schokolade über Schokolade schokoladet. Da ich so schokoladig versuche über die schokolagigen, dem Schokoladenselbstverständis zugrundliegenden Schokoladen zu schreiben, ist es wenig schokoladig zu meinen, daß ich schokoladig mit Schokolade verfahre. Grüße Alex / molo
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