Inhalt
Im Jahr 2032 wird der Halbandroide Batou, Mitglied der Anti-Terroreinhait "Sektion 9", mit einem ungewöhnlichen Fall beauftragt: Über all im Land rebelieren Sex-Roboter, sogenannte Gynoide, gegen ihre Besitzer und masaktieren diese bestialisch. Was zunächst wir ein Routinefall aussieht, bekommt plötzlich eine neue Dimension, als einer der Gynoide Batou mit folgenden Worten anfleht: "Hilfe!" Batou bekommt für diesen Fall einen neuen Partner zur Seite, den Vollmenschen Toguse. Seit dem Verschwinden seines alten Partners, Major Motoko Kusanagi (siehe erster "Ghost in the Shell" Film), verhält sich Batou zunehemend merkwürdig. Ishikawa, der Chef von Sektion 9, hält es deswegen für Ratsam, einen Aufpasser für Batou abzustellen. Der Ermittlungen führen das ungleiche Team zunächst von einer Yakuza-Gang und von dort zu einem Hacker namens "Kim", der in einer von Ungesetzlichen bevölkerten alten Handelszone außerhab der Stadt lebt. Kim schafft es, Togusas "Shell" zu hacken und seinen "Ghost" zu verwirren. Erst ein behrztes Eingrifen von Batou berhindert das Schlimmste. Der Fall führt weiter zum Hersteller der Gynoide, der Firma Lokus Solus, die ein Fabrikschiff betreibt. Dort schafft es Batou den Fall zu lösen ... allerdings nicht ohne Hilfe eines sehr guten alten Freundes.
Besprechung
Ich weiß gar nicht, wo ich zuerst anfangen soll: Dass es einen Nachfolger zu meinem zweiten Lieblings-Manga-Streifen gibt, der erste ist natürlich "Akira", wusste ich seit langem. Aber das dieser so gut ist und in weiten Bereichen seinen Vorgänger so dermaßen in den Schatten stellt, das hätte ich im Leben nicht gedacht.
Der Regissuer ist der selbe, wie bei "Ghost in the Shell" und den aufmerksamen Lesern des Forums seit "Avalon" sicherlich ein Begriff: Mamori Oshii. Nun ist der selbe Regisseur für eine Fortsetzung zwar kein Garant für einen guten Film, aber auf der anderen Seite macht eben zumindest derjenige die Fortsetzung, der sich auch schon in den ersten Film hinein gearbeitet hat. Das kann klappen (Terminator) kann aber auch ganz fürchterlich in die Hose gehen (Highlander). Dass zum Glück für alle GitS-, SF- und - ja, ich nehme das Wort bewusst in den Mund - Cyberpunk-Fans ersteres der Fall ist, kann man dem Absatz ein paar Bildschirmpixel weiter oben entnehmen.
Da wäre zunächst die Optik: Sieht man den ersten Streifen schon als eine Fundgrube an Detailreichtum an, so ist "Innocence" die 5.1-Surround-Version davon. Was vor allem daran liegt, dass so gut wie alle Hintergründe Computergrafik sind. Die handelnden Menschen sind dagegen in Manga-Stil des ersten Streifens gezeichnet. Das wirkt in den ersten fünf Minuten etwas verwirrend, fügt sich dann aber wunderbarerweise zu einem neuen Stil zusammen. Spätestens wenn Batou in der Eingangshalle des Domizils vom Hacker Kim steht und die Kamera über ihn hinweg und um ihn herum schwenkt, merkt man wieder den unglaublichen handwerklichen Aufwand des Films. Denn die auf den gezeichneten Batou gerichtete Kameraperspektive stimmt in jedem Frame. Wunderbare Erinnerungen an den ersten GitS und dem dort stattfindenden Kampf auf der freien Wasserfläche werden wach. Einfach schön. Und auch wenn sich Batou in bester Rambo-Manier durch die Fabrikationseinrichtung von Lukus Solus kämpft, nach einer Luke kurz nach lniks wendet um nach einem versteckten Feind Ausschau zu halte, und dann weiter nach rechts sprintet, wohlgemerkt alles mit bewegter Kamera und bewegtem Hintergrund, mag man seinen Augen nicht trauen. Da hilft nur der Griff zur DVD-Bedienung, um sich das Ganze noch einmal anzuschauen. Unglaublich!
Ich bitte meine Begeisterung zu entschuldigen, aber ich kann einfach nicht anders. Und ich fange gerade erst mit dem Schwärmen an.
Denn da ist diese Musik! Auch hier wurde wieder der selbe Musiker wie beim Vorgänger beauftragt. Offensichtlich und zum Glück mit der Weisung ähnliche Musik zu erschaffen. Nun könnte man den Komponisten des Eigen-Plagiats beschuldigen, denn die Scores sind schon recht ähnlich. Aber weniger als die Gänsehaut-Chöre des ersten Streifens hat Innocence nicht verdient. Und es funktioniert. David Lynch hat mal gesagt: Wenn das Bild mit der richtigen Musik zusammen kommt, dann entsteht etwas Größeres. Genau das ist hier der Fall.
Wobei wir beim nächsten Stilelement wären, das man auch in den anderen Filmem von Oshii kennt: Lange Einstellungen ohne Dialoge; nur Bild und Musik. Das funktioniert ganz hervorragend. Beim Anflug auf die alte Handelszone, wenn Möwenschwärme an riesigen Kathedralen vorbei ziehen oder die Einwohner der Handelszone ein merkwürdiges Fest feiern, beim Puppen auf Scheiterhaufen verbrannt werden. Die Stimmung ist einfach großartig.
Bis hierher könnte der Eindruck entstehen, der Streifen besteht aus schönen Bildern, ein wenig Action und toller Musik. Ja, genau! Aber dann ist da die Story. Oberflächlich betrachtet sieht es wie der übliche abgefahrene weltentrückte Mange-Kram aus. Aber wenn Batou und Togusa sich minutenlange philosophisch intelligente Diskussionen über das Menschsein liefern, dann passt das nicht mehr so ganz. Schnell werden inhaltliche Vergleiche zu "Blade Runner" und "Matrix" wach. Nachteil dieser Story-Elemente: Man muss verflucht noch mal aufpassen, sonst verpasst man das, worum es in dem Film eigentlich geht. Nämlich die Frage nach dem Menschsein und wann ist ein lebloses Objekt, wie eine Puppe oder ein Gynoid ein Mensch? Und darf man sich in Puppen oder auch Hunde verlieben? Spätestens bei diesen Erörterungen trägt es den arglosen Manga-Freak aus der Kurve, während der wahre SF-Fan die Scheibe gerne wieder und wieder sieht. Und das gerne.
Ich wiederhole: Ich bin völlig hin und weg von dem Streifen. Wenn ein Manga-Film das Prädikat "für Erwachsene" verdient, dann dieser. Lediglich ausgesproche Manga-Hasser dürfen sich abwenden. Allen anderen lege ich diese Scheibe wärmstens ans Herz.
Persönliche Anmerkung zum Schluss: Ich war am Ende des Films traurig. Und zwar richtig. Nicht weil Innocence schlecht endet - tut er nicht aber es ist auch kein Happy-End - sondern weil ich jetzt die Gewissheit habe, dass es weitere Geschichten dieser Art mit Batou und Toguse sowie den anderen Mitgliedern von Sektion 9 wohl nie wieder geben wird. So sehr habe ich mich in die Personen hinfühlen können. Und wir sprechen hier von einen Zeichentrickfilm!
Henrik Fisch
Links
Thread zu Ghost in the Shell im SF-Netzwerk:
http://www.scifinet....st in the Shell
Thread zu Avalon im SF-Netzwerk:
http://www.scifinet....e...0&hl=Avalon
Bearbeitet von yiyippeeyippeeyay, 01 Februar 2013 - 17:15.
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