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SF und aktuelle Zukunftsfragen


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59 Antworten in diesem Thema

#1 WeepingElf

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Geschrieben 22 September 2007 - 21:50

Diese Frage kam in der letzten Zeit in drei Threads auf, nun eröffne ich die Diskussion in einem eigenen Thread, da sie in allen drei Threads ("SF-Jahr 2007", "Accelerando", "Backup") den Rahmen des Themas sprengte.

Wir alle wissen, dass die Menschheit vor großen Herausforderungen in ihrer unmittelbaren Zukunft steht: Klimawandel, die Endlichkeit der bisher genutzten Energieressourcen, die Armut in den Entwicklungsländern (und zunehmend auch in hochentwickelten Ländern), Verkehrskollaps in den Städten und auf den Autobahnen, etc. p. p. Das sind alles Fragen, die unsere Zukunft betreffen.

Die meisten Menschen sind sich der Probleme durchaus bewusst, denke ich, aber es mangelt an Lösungsansätzen, bzw. sie sind der Allgemeinheit zu wenig bekannt. Nun ist die Zukunft das ureigenste Terrain der Science Fiction. Aber: die meiste Science Fiction setzt sich mit diesen Fragen entweder gar nicht auseinander, sondern setzt ihre Lösung mehr oder weniger stillschweigend voraus, indem sie von einer Menschheit fabuliert, die lange genug überlebt und sich hoch genug entwickelt hat, um zu den Sternen aufzubrechen; oder sie beleuchtet sie nur negativ, indem sie die katastrophalen Folgen eines "Weiter so" ausfabuliert. (Manche SF schildert auch die katastrophalen Folgen von Entwicklungen, die derzeit noch gar nicht absehbar sind und vielleicht nie eintreten werden.) Der Science Fiction scheint die Zukunft abhanden gekommen zu sein.

Darum möchte ich hier die Diskussion anstoßen um SF, die sich auf aktuelle Zukunftsfragen besinnt und die Suche nach einer Lösung dieser Probleme zum Thema hat. Kann oder soll die SF Lösungen aktueller Zukunftsprobleme aufzeigen? Wie kann eine solche SF aussehen? Gibt es so etwas bereits?

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#2 deval

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Geschrieben 22 September 2007 - 23:14

Mit Goethe gesagt: "Der Worte sind genug gewechselt, lasst uns nun endlich Taten sehen!"Was diese Welt nicht mehr braucht ist der 20 Aufguss irgendeiner SF Story eines 08/15 Schriftstellers der die bereits bekannten Problem der Zukunft (Überbevölkerung, Klimawandel, Umweltverschmutzung, Knappheit der Ressourcen,...) durchkaut und zu Papier bringt. Wobei ich denke, das die meisten heutigen SF Schriftsteller eh bereits Probleme mit der Ausarbeitung ihrer handelnden Charaktere haben und daher wahrscheinlich gar nicht dafür taugen die Welt auf den richtigen Weg zu bringen.Die Probleme sind bekannt und benannt, Lösungen teilweise schon ausgearbeitet, nur mit der Umsetzung hapert es. Ich wüßte nicht was SF da noch großartig zu suchen hat. SF soll mich an allererster Stelle gut unterhalten. Nicht mehr und nicht weniger. Irgendein Problemgesülze würde mich das definitiv nicht. Für die social-SF a la John Brunner konnte ich mich eh nie richtig begeistern.

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#3 simifilm

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Geschrieben 22 September 2007 - 23:27

Darum möchte ich hier die Diskussion anstoßen um SF, die sich auf aktuelle Zukunftsfragen besinnt und die Suche nach einer Lösung dieser Probleme zum Thema hat. Kann oder soll die SF Lösungen aktueller Zukunftsprobleme aufzeigen? Wie kann eine solche SF aussehen? Gibt es so etwas bereits?

Hat die SF denn das je getan? Ok, in der SF war von Mondflügen und Atombomben die Rede, lange bevor diese Dinge Wirklichkeit wurde, aber waren das "Auseinandersetzungen", die etwas bewirkten? War das die Suche Lösungen? Ist es überhaupt die Aufgabe von Literatur, nach Lösungen zu suchen? Ich glaube, dass es durchaus die Aufgabe von Literatur sein kann, bestimmte Sachverhalte zu problematisieren, aber den wenigsten literarischen Texten tut es gut, wenn sie programmatisch werden.

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#4 Ulrich

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Geschrieben 23 September 2007 - 12:51

Wie wäre es mit dieser Lösung:(Präsident der USA) Grey: "Wir vermögen gerade noch einen knappen ökologischen Ausgleich zu erzielen, die Biosphäre restaurieren und so fort - mit anderen Worten, wir können innerhalb unserer Verhältnisse leben, statt im Zustand irreparabler Dauerschädigung wie im vergangenen halben Jahrhundert -, wenn wir die zweihundert Millionen steinreichsten und verschwenderischsten Exemplare unseres Geschlechts ausmerzen."aus: John Brunner, Schafe blicken auf, Heyne 1992, S. 412 (9. Auflage)Originaltitel: The Sheep look up, 1972

#5 simifilm

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Geschrieben 23 September 2007 - 13:00

Wie wäre es mit dieser Lösung: (Präsident der USA) Grey: "Wir vermögen gerade noch einen knappen ökologischen Ausgleich zu erzielen, die Biosphäre restaurieren und so fort - mit anderen Worten, wir können innerhalb unserer Verhältnisse leben, statt im Zustand irreparabler Dauerschädigung wie im vergangenen halben Jahrhundert -, wenn wir die zweihundert Millionen steinreichsten und verschwenderischsten Exemplare unseres Geschlechts ausmerzen." aus: John Brunner, Schafe blicken auf, Heyne 1992, S. 412 (9. Auflage) Originaltitel: The Sheep look up, 1972

Ich versteh nicht ganz? Ist das Deiner Meinung nach ein Beispiel dafür, dass SF neue Wege aufzeigt, um aktuelle Probleme zu lösen? Sehr konkret ist das ja nicht. Und ähnliche Warnungen gab's in den 70ern wohl auch ausserhalb der SF. Das ist für mich mehr ein Beispiel für eine Problematisierung aber nicht für einen Lösungsvorschlag.

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#6 WeepingElf

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Geschrieben 23 September 2007 - 13:29

Problematisierungen (Darstellungen der katastrophalen Folgen des Weiter-so) gibt es in der Tat zuhauf in der Science Fiction. Hierher gehören die klassischen Dystopien ebenso wie der Cyberpunk der 1980er Jahre. Manches davon ist auch in der Tat sehr lesenswert. Dennoch: es ist ein Schritt, aufzuzeigen, dass "Weiter so" ins Verderben führt - der nächste Schritt besteht darin, aufzuzeigen, wie wir das Verhängnis vermeiden können.

Was ich in der bisheriegen SF zuhauf sehe, ist einerseits der erste Schritt - eben die oben genannten Katastrophenszenarien - und andererseits SF, die irgendwelche übernächsten Schritte geht, sprich, Space Operas und andere Fernzukunftsszenarien, die die Lösung der aktuellen Probleme nicht ansprechen, sondern stillschweigend voraussetzen. Man sieht dort oft "Future Histories", die irgendwann im 22. Jahrhundert oder noch später anfangen, während das 21. Jahrhundert ausgeblendet wird beziehungsweise, wenn auch nicht wortwörtlich, gesagt wird, "Irgendwie - ich weiß nicht wie - bekommt die Menschheit ihre Probleme in Griff, dann erfindet ein genialer Kopf den überlichtschnellen Raumschiffantrieb und der Spaß geht los". Das kann spannender Lesestoff sein - aber es ist auch unbefriedigend, weil an den wirklich wichtigen Zukunftsfragen wieder einmal vorbeigeschrieben wird. Oft werden die Probleme gar völlig ignoriert, als könne man mit fossilen Brennstoffen ein interstellares Imperium aufbauen, während in Afrika weiter Hunger herrscht. (Ganz pervers wird es, wenn manche SF-Autoren davon schwadronieren, neue Planeten in Besitz zu nehmen, weil wir die Erde ruiniert haben. Das ist keine interstellare Zivilisation, sondern eine interstellare Heuschreckenplage. Wollen wir das wirklich?)

Mir geht es auch nicht ums moralinsaure Durchdeklinieren von Problemen. Das will keiner lesen. Ich habe schon (in einem anderen Thread) Callenbachs Ecotopia als Beispiel eines unlesbaren Buches genannt. Unlesbar, weil es keine spannende Handlung hat und auch die dort dargelegte Utopie trotz einiger sympathischer Züge nicht wirklich attraktiv ist - Ecotopia ist im Grunde genommen ein Ostblockland ohne Umweltverschmutzung, mit geschlossenen Grenzen, einer sozialistischen Mangelwirtschaft und einer Geheimpolizei. Bäääh. Und es wird einfach so aus dem Ärmel geschüttelt, eine plausible Historie - Fehlanzeige.

Nein, mir schwebt eine Science Fiction vor, die Lösungsansätze der aktuellen Probleme aufgreift. Damit meine ich keine Friede-Freude-Eierkuchen-Welten, in denen es keine sozialen Probleme gibt. Ich meine vielmehr eine Welt in der Umbruchphase vom fossil-nuklearen zum Solarzeitalter. Da wird es - weil es viel zu viele Leute gibt, die entweder am jetzigen System festhalten wollen, weil sie davon profitieren (viele Konzerne und Politiker), oder es durch etwas noch Schlimmeres ersetzen wollen (z.B. Al Qaida oder die NPD) - eine Menge Konflikte geben, die wiederum Stoff für spannende Geschichten liefern.

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#7 Ulrich

Ulrich

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Geschrieben 23 September 2007 - 13:48

@simifilm: ich verstehe deine Antwort nicht. Eine Warnung ist das nicht, warum sollte das überhaupt eine sein? Denn das Katastophenszenario als Warnung wurde im Romantext vorher behandelt. Das angeführte Zitat ist die Lösung, ein Handlungsvorschlag, zwar oberflächlich und nicht detailliert, es ist aber die Antwort auf die Frage, wie man die Zukunft der Menschheit sichern kann. Anstatt sich z.B. durch Verträge zu einem besseren Verhalten zu bewegen, etwa durch Klimaschutzprotokolle, wird folgendes vorgeschlagen: diejenigen, die am meisten der Umwelt schaden, werden beseitigt. Das ist eine Lösung in einer Geschichte, einer Dystopie. Ich teile die Meinung im Roman nicht. Aber ja, es ist aktuell. Denn es stellt sich die Frage, in welchem Umfang man Leute gewähren lassen soll, die anderen schaden. Entweder gibt es keine Strafen oder Geldbußen, Gefängnis und anderes.

Und ähnliche Warnungen gab's in den 70ern wohl auch ausserhalb der SF.

etwa den Club of Rome? Seit wann zeigt die Science Fiction neue Lösungen auf (und ich spreche hier von Lösung, weil siehe oben), und zwar in einer Form, die sofort umsetzbar wären und die noch nie außerhalb der SF in ähnlicher Form vorgeschlagen worden sind? Ich denke, die SF hat bisher noch nie ausführliche Technikfolgeabschätzungen, Konstruktionsbaupläne für neue Technologien oder Gesetze für neue Gesellschaften gezeigt, die 1:1 in der Wirklichkeit übernommen werden. Eher ist die Science Fiction dafür bekannt, dass sie vorhandene Ansätze oder Ideen übernimmt und in Geschichten weiterentwickelt. Der Regelfall wird kaum sein, dass die SF selbständig Lösungsansätze, Modelle und anderes entwickelt, die dann übernommen werden. Allenfalls gibt die SF Anregungen. Nun ja, ich sehe, dass ich die Ausgangfrage des Threads falsch verstanden habe. Es geht also um Lösungen, die wir in der Wirklichkeit umsetzen können. Und es soll darum gehen, dass die SF eine Art Vorreiterrolle in Problemlösungsfragen einnimmt bzw. um die Frage, ob sie das kann. Ich habe aber von einer fiktiven Lösung gesprochen wie sie in einer Geschichte vorgeschlagen wird, ohne dass sie tatsächlich umgesetzt wird. Entschuldigung, da ich das hier falsch verstanden habe, werde ich mich hier nicht weiter an der Suche nach Lösungsansätzen beteiligen. Ob der Thread beim Thema Spekulation besser aufgehoben wäre?

Bearbeitet von Ulrich, 23 September 2007 - 13:53.


#8 simifilm

simifilm

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Geschrieben 23 September 2007 - 14:23

@simifilm: ich verstehe deine Antwort nicht. Eine Warnung ist das nicht, warum sollte das überhaupt eine sein? Denn das Katastophenszenario als Warnung wurde im Romantext vorher behandelt.

Ich kenne den Roman nicht, aber die im Zitat gestellte Alernative ist ja zwischen Reparieren und dauerhafter Schädigung, das verstehe ich durchaus als Warnung. Und wenn der einzige Ausweg ein Massenmord ist, dann ist das erst recht eine Warnung.

Das angeführte Zitat ist die Lösung, ein Handlungsvorschlag, zwar oberflächlich und nicht detailliert, es ist aber die Antwort auf die Frage, wie man die Zukunft der Menschheit sichern kann. Anstatt sich z.B. durch Verträge zu einem besseren Verhalten zu bewegen, etwa durch Klimaschutzprotokolle, wird folgendes vorgeschlagen: diejenigen, die am meisten der Umwelt schaden, werden beseitigt. Das ist eine Lösung in einer Geschichte, einer Dystopie.

Ok, aber das ist nun ja wirklich kein Vorschlag, der tatsächlich diskutierenswert wäre, oder?

Ich teile die Meinung im Roman nicht. Aber ja, es ist aktuell. Denn es stellt sich die Frage, in welchem Umfang man Leute gewähren lassen soll, die anderen schaden. Entweder gibt es keine Strafen oder Geldbußen, Gefängnis und anderes.

Aber das Problem ist doch: Je konkreter und detaillierter die Lösungsvorschläge werden, desto weniger wird es ein Roman, sondern politische Kleinarbeit. Oder anders rum: Wenn jemand tatsächlich eine zündende Idee hat, die ein aktuelles Problem lösen könnte, sollte er diese meiner Meinung nach besser in den politischen Prozess einbringen, anstatt einen Roman zu verfassen.

Seit wann zeigt die Science Fiction neue Lösungen auf (und ich spreche hier von Lösung, weil siehe oben), und zwar in einer Form, die sofort umsetzbar wären und die noch nie außerhalb der SF in ähnlicher Form vorgeschlagen worden sind? Ich denke, die SF hat bisher noch nie ausführliche Technikfolgeabschätzungen, Konstruktionsbaupläne für neue Technologien oder Gesetze für neue Gesellschaften gezeigt, die 1:1 in der Wirklichkeit übernommen werden.

Siehe oben: Ich glaube, SF, die das tun würde, wäre wirklich keine Literatur mehr (und das meine ich nicht als Wertung, sondern gewissermassen als Gattungseinteilung).

Eher ist die Science Fiction dafür bekannt, dass sie vorhandene Ansätze oder Ideen übernimmt und in Geschichten weiterentwickelt. Der Regelfall wird kaum sein, dass die SF selbständig Lösungsansätze, Modelle und anderes entwickelt, die dann übernommen werden. Allenfalls gibt die SF Anregungen.

Mehr kann und soll sie meiner Meinung nach auch nicht.

Bearbeitet von simifilm, 23 September 2007 - 15:36.

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#9 simifilm

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Geschrieben 23 September 2007 - 14:26

Nein, mir schwebt eine Science Fiction vor, die Lösungsansätze der aktuellen Probleme aufgreift. Damit meine ich keine Friede-Freude-Eierkuchen-Welten, in denen es keine sozialen Probleme gibt. Ich meine vielmehr eine Welt in der Umbruchphase vom fossil-nuklearen zum Solarzeitalter. Da wird es - weil es viel zu viele Leute gibt, die entweder am jetzigen System festhalten wollen, weil sie davon profitieren (viele Konzerne und Politiker), oder es durch etwas noch Schlimmeres ersetzen wollen (z.B. Al Qaida oder die NPD) - eine Menge Konflikte geben, die wiederum Stoff für spannende Geschichten liefern.

Verstehe ich das richtig: Es ginge also weniger, um das Aufzeigen neuer Lösungsansätze, sondern mehr um ein Durchspielen, was geschehen würde, wenn eines der aktuell diskutierten Szenarien umgesetzt würde? Also eine Nahzeit-SF? Gibt es so was nicht? Ich bin zu wenig bewandert, um das zu beurteilen, wäre aber erstaunt, wenn es das nicht geben würde.

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#10 † Christian Weis

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Geschrieben 23 September 2007 - 15:55

Es ist vielleicht ein bisschen viel verlangt, von einem Autor Lösungsansätze oder gar komplexe Lösungen zu erwarten, die Generationen von Politikern nicht zu Wege gebracht haben und weiterhin wohl nicht zu Wege bringen werden. Das heißt nicht, dass ein Autor solche Lösungsansätze nicht bringen darf - und sie werden ja auch zuhauf gebracht, aber oftmals halt nur in kleinerem Rahmen oder in einigen Details. Oder nur andeutungsweise, dann muss der Leser den Gedanken eben weiterspinnen.Und das gilt für mich nicht nur für die SF, sondern für jedes Genre. Wenn jemand z.B. einen Roman über die Probleme eines Hartz IV-Empfängers schreibt, seinen täglichen Kampf und all die Schwierigkeiten schildert, mit denen er sich herumschlagen muss, dann könnte der Autor natürlich Vorschläge einbauen, wo anderweitig Geld abgezweigt werden könnte, um die Hartz-IV-Sätze auf ein menschenwürdiges Maß zu erhöhen. Aber muss er das? Wenn er es ohne Kenntnisse über die Verquickungen von Haushaltsposten macht, könnte sein Vorschlag schnell ins Leere laufen. Ich finde, er muss keine konkreten Vorschläge machen. Wenn er die Situation schildert, geht er einen Schritt und schreibt damit vielleicht einen fesselnden Roman. Vielleicht bewirkt er auch etwas damit, das wäre dann der nächste Schritt.Bei Cory Doctorows Roman BACKUP wurde ja die Kritik angebracht, dass der Autor keine Lösungsansätze für die großen Probleme unserer Zeit bringt. So wie ich den Roman bisher verstanden habe (hab ca. 200 Seiten gelesen), geht es Doctorow nicht darum. Ihm geht es darum, wie seine Protagonisten mit der Möglichkeit des Backups und der Wiederbelebung umgehen. Da ist, auch bezogen auf 280 Seiten, eine ganze Menge drin, finde ich. Es ist ein Ausschnitt aus einer möglichen Zukunft, und der Roman schildert, wie einige Leutchen mit ihrer Lebenssituation umgehen. Wie sich die Welt dahin entwickelt hat, wo der Roman auf Seite 1 beginnt, fließt nur spärlich ein, aber es würde auch ein Epos erfordern, das entsprechend umzusetzen. Und dann wär das ganze eher eine Chronik - sowas hat auch seine Reize, aber es ist halt nicht Doctorows Ansatz.

#11 Pogopuschel

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Geschrieben 23 September 2007 - 16:56

An Lösungsvorschlägen mangelt es sicher nicht, nur ist niemand - der die Macht dazu hat - bereit diese Umzusetzen. Für dieses Problem sollte eine Lösung gefunden werden. Lösungsvorschläge müssen ja auch nicht unbedingt funtionieren, aber man sollte sie zumindest ausprobieren. Nur wenn mal ein Weg gegangen wird, bei dem sich herausstellt, dass er nicht funtioniert, ist niemand bereit dies einzugestehnen und zurück zur rudern.Ich finde die größte Leistung der SF ist es, zu zeigen wie es nicht funktioniert. Solche Warnungen werden eher registriert als Möglichkeiten, wie es funktionieren könnte.

#12 simifilm

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Geschrieben 23 September 2007 - 17:04

Ich denke, man sollte sich eines grundsätzlichen Unterschieds zwischen Literatur und realer Politik bewusst sein. In der Literatur geht es meist ums Ganze: Was ist gut, was ist schlecht, kriege ich meine Liebe, siegt das Imperium? In der Tagespolitik sieht es meist anders aus (wenn ich nicht gerade Herrscher in einem totalitären Staat bin). Dann geht es immer um Kompromisse, wie kann ich das, was ich als wünschenswert und richtig empfinde, so umsetzen, dass eine Mehrheit damit zurechtkommt. Wie kann ich einen Weg finden, der von einer Mehrheit getragen wird. Politik - hier durchaus im Sinne von Proplemlösen verstanden - ist immer Austarieren und Schliessen von Kompromissen, und das ist literarisch nur selten fruchtbarer Boden.

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#13 Pogopuschel

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Geschrieben 23 September 2007 - 17:07

Ich stimme simifilm zu.Und SF-Geschichten in denen alles gut läuft und nur heile Welt herrscht sind meistens auch sehr langweilig, auch wenn es da Ausnahmen gibt.

Bearbeitet von Pogopuschel, 23 September 2007 - 17:08.


#14 simifilm

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Geschrieben 23 September 2007 - 17:17

Ich stimme simifilm zu. Und SF-Geschichten in denen alles gut läuft und nur heile Welt herrscht sind meistens auch sehr langweilig, auch wenn es da Ausnahmen gibt.

Von heiler Welt habe ich ja nicht gesprochen, ich glaube einfach nicht, dass konkrete Finden Lösungen ein Feld ist, in dem Literatur glänzen kann. Wenn es um grundsätzlichere Fragen geht - sind Roboter mit Gefühlen Menschen, darf man Menschen klonen - kann SF durchaus als Möglichkeit dienen, Szenarien durchzuspielen, aber konkrete Lösungen müssen wir ja dennoch in der Realität finden.

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#15 WeepingElf

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Geschrieben 23 September 2007 - 17:25

Verstehe ich das richtig: Es ginge also weniger, um das Aufzeigen neuer Lösungsansätze, sondern mehr um ein Durchspielen, was geschehen würde, wenn eines der aktuell diskutierten Szenarien umgesetzt würde? Also eine Nahzeit-SF? Gibt es so was nicht? Ich bin zu wenig bewandert, um das zu beurteilen, wäre aber erstaunt, wenn es das nicht geben würde.

Natürlich gibt es einiges an Nahzeit-SF. Ich will auch nicht behaupten, dass es keine SF gibt, die interessante Ansätze zu einer lebenswerteren Zukunft beinhaltet (in diese Richtung tendiert beispielsweise Inseln im Netz von Bruce Sterling). Die meiste in der nahen Zukunft angesiedelte SF bietet aber entweder ein pessimistisches Zukunftsbild (so z.B. der größte Teil des Cyberpunk) oder spielt mit Pseudoproblemen herum und befast sich nicht mit wirklich relevanten Themen (hierzu wäre u.a. das zu rechnen, was Michael Iwoleit so treffend als "Nerd-SF" bezeichnet hat, z.B. Accelerando von Charles Stross).

Wie Pogopuschel sagt, mangelt es in der Tat nicht an Lösungsansätzen. Nur schlummern die meist in Sachbüchern und Zeitschriftenartikeln vor sich hin, die zu wenige Leute lesen, und in der tagespolitischen Debatte gehen sie allzu oft unter. Die SF könnte vielleicht einen bescheidenen Beitrag leisten, solche Konzepte stärker ins Bewusstsein zu rücken und dafür Begeisterung zu wecken.

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#16 Pogopuschel

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Geschrieben 23 September 2007 - 17:28

Wobei es für den SF-Autor sehr verlockend ist, neue "phantastische" Probleme Auftauchen zu lassen. Ich denke da vor allem an die Bücher von Robert Charles Wilson, wie z. B. "Spin". Bücher wie Andreas Eschbachs "Ausgebrannt" sind ja eher unspektakulär, wobei sie mir trotzdem gut gefallen. Ich bin mal auf das Nachtstudio heute abend gespannt. Die Gesprächsführung von Volker Panzer gefällt mir sehr gut.

#17 Pogopuschel

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Geschrieben 23 September 2007 - 17:34

Was ich in der SF vermisse, ist das Thema Afrika. Ich habe noch keinen Science Fiction Buch gelesen, dass in Afrika spielt - mit Ausnahme von Tad Williams Otherland.

#18 Gast_R.H._*

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Geschrieben 23 September 2007 - 18:59

„HEAT“ von George Monbiot (britischer Journalist, schreibt für den Guardian) ist ein interessantes Buch zum Thema Klimawandel und wie der CO2-Ausstoß minimiert werden kann. Ist allerdings ein Sachbuch.Das Ziel, dass der Autor gesetzt hat, ist CO2-Reduktion in UK um 90% bis 2030. (Diese Werte hat er sich übrigens nicht aus dem Hintern gezogen, sondern kam nach sorgfältiger Analyse zu dem Schluss, dass das notwendig ist um die Klimakatastrophe abzuwenden.) Bei der Energieproduktion setzt er vor allem auf Windernergie mit sehr großen Anlagen, die mehrere Kilometer vor der Küste stehen sollen, was erst vor kurzem durch neue Kabeltechnologie wirtschaftlich sinnvoll geworden sei. Für alle anderen Bereiche sind seine Lösungen ziemlich low-tech, also schon vor 20 Jahren drin gewesen, wenn die Regierung denn gewollt hätte.Beim Verkehr setzt er auf Busse, ganz normale, was laut ihm für die 90%-Reduktion problemlos ausreicht: Man brauche nur mit denen hauptsächlich über die Autobahn fahren und dabei nur alle 12 Kilometer oder so zu stoppen, statt durch die Innenstadt zu kriechen. Auf der Autobahn bekommt eine Spur ein bischen Extrabepinselung und ist dann exklusiv für Busse, außerdem sollen die Busse bei den Ampeln Vorfahrt kriegen - und fertig ist die Laube! Die Fahrzeit soll trotz der niedrigeren Höchstgeschwindigkeit der heutigen Fahrzeit per Auto entsprechen.Zu Flugzeugen schreibt er: Da gibt es keine Lösung, keinen Silberstreif am Horizont oder sowas. Das heißt, der Flugverkehr muss massiv reduziert werden.:-/ Vielleicht gibt es dann mehr Zeppelineverkehr.

#19 Diboo

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Geschrieben 23 September 2007 - 19:10

(Ganz pervers wird es, wenn manche SF-Autoren davon schwadronieren, neue Planeten in Besitz zu nehmen, weil wir die Erde ruiniert haben. Das ist keine interstellare Zivilisation, sondern eine interstellare Heuschreckenplage. Wollen wir das wirklich?)

Aber ja. Wenn dieser Planet alle ist, holen wir uns einen neuen. Das wäre eine feine Sache. Wo exakt liegt das Problem?

"Alles, was es wert ist, getan zu werden, ist es auch wert, für Geld getan zu werden."
(13. Erwerbsregel)

"Anyone who doesn't fight for his own self-interest has volunteered to fight for someone else's."
(The Cynic's book of wisdom)

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#20 Lemmy

Lemmy

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Geschrieben 23 September 2007 - 19:25

Was ich in der SF vermisse, ist das Thema Afrika. Ich habe noch keinen Science Fiction Buch gelesen, dass in Afrika spielt - mit Ausnahme von Tad Williams Otherland.

Ian Mc Donald - Chaga und die Fortsetzung Kirinja spielen in Afrika. Kann ich nur wärmstens empfehlen.

#21 Amtranik

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Geschrieben 23 September 2007 - 19:41

Ian Mc Donald - Chaga und die Fortsetzung Kirinja spielen in Afrika. Kann ich nur wärmstens empfehlen.

Haben diese Romane irgendeinen Bezug zu seiner Kurzgeschichte " Toward Kilimanjaro" ? Diese Story hat mir sehr gefallen.

#22 WeepingElf

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Geschrieben 23 September 2007 - 19:50

Wobei es für den SF-Autor sehr verlockend ist, neue "phantastische" Probleme Auftauchen zu lassen.

Ja, und da liegt ein Knackpunkt. Viele Leute wollen so etwas lesen, gerade weil es nichts mit unserer (näheren) Zukunft zu tun hat, sondern im Grunde genommen nur Fantasy (es sagt schon eine Menge aus, dass Fantasy noch populärer als "zukunftsblinde" SF ist) in anderem Gewand ist. Gewisse Serien beispielsweise versuchen sich auf diesem Sektor immer weiter selbst zu überbieten. Dabei wird der Fortbestand unserer Zivilisation weniger durch Flimmerphänomene, kosmische Strings oder technologische Singularitäten bedroht, als durch Treibhausgase, Resssourcenverschwendung und sich immer mehr verschärfende soziale Gegensätze.

Die meiste Nahe-Zukunft-SF bleibt bei der Exposition der Probleme stehen, und das mögen viele Leute nicht. Die Reaktion ist, "Ja, das weiß ich doch alles schon längst, dass es wie gehabt nicht mehr lange gut geht, aber was kann man dagegen tun?" Und diese Frage zielt genau in eine ganz große Fehlstelle der gegenwärtigen Science Fiction.

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#23 † Christian Weis

† Christian Weis

    Temponaut

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Geschrieben 23 September 2007 - 22:01

Ja, und da liegt ein Knackpunkt. Viele Leute wollen so etwas lesen, gerade weil es nichts mit unserer (näheren) Zukunft zu tun hat, sondern im Grunde genommen nur Fantasy (es sagt schon eine Menge aus, dass Fantasy noch populärer als "zukunftsblinde" SF ist) in anderem Gewand ist.

Ich finde das etwas zu kurz gesprungen. Wenn SF (auch) die die Lösung künftiger Probleme (oder von Problemen, die sich jetzt schon abzeichnen) behandelt, dann darf sie doch gleichermaßen 10 wie 100 oder 10.000 Jahre in die Zukunft schauen. Und in 100 oder 1000 Jahren beschäftigen sich Menschen möglicherweise mit ganz anderen Dingen als nächstes Jahr oder in 10 Jahren. Wenn SF in einem Gewand daherkommt, das nicht zu den kommenden Jahrzehnten passt, sondern höchstens eine Welt in 1000 oder 10.000 Jahren beschreibt - oder eine Welt fern der Erde -, dann ist es doch immer noch SF, keine Fantasy.

#24 Armin

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Geschrieben 24 September 2007 - 08:00

Haben diese Romane irgendeinen Bezug zu seiner Kurzgeschichte " Toward Kilimanjaro" ?

Ja, haben sie. Vor dem Chaga-Hintergrund spielt außerdem auch die Novelle "Tendeléo's Story" (Tendeléos Geschichte), deutsch in: Peter Crowther (Hrsg.): Unendliche Grenzen (Bastei-Lübbe 23266, 2003).

#25 mindblasted

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Geschrieben 24 September 2007 - 10:28

@weeping elfBist du auf der Suche nach Inspirationsquellen für Solarpunk? :)Ich habe, vorneweg, nicht den Anspruch an SF das sie solche Lösungen aufzeigt. Ich möchte in allererster Linie spannende Bücher lesen.Dazu kommt noch das ich genau auf das Gegenteil stehe, also möglichst heruntergekommene und kaputte Welten mit einem Anflug dezenter Hoffnungslosigkeit. Wenn mir allerdings eine nette positive Utopie unterkommt verschlinge ich die normalerweise auch. Aber bei den meisten Romanen ist es ja eher so das sowohl schwerwiegende Problematiken einerseits als auch tolle Lösungen (mal mehr mal weniger Ärmelschüttelei) gleichermassen Raum im selben Buch einnehmen und der Plot sich meistens um was ganz anderes dreht.Und die "Ansätze" wachsen immer auch schon auf anderweitig ("real") vorhandenen. Zum Beispiel ist Ursula K le Guins "The Dispossessed" eine schöne Extrapolation eienr anarchosyndikalistischen Gesellschaft, wurde aber schon vom realen Anarchismus in Spanien und der ansonsten vorhandenen Theorie vorweggenommen. Was nicht heisst das dieser Gesellschaftsentwurf unkreativ wäre, immerhin macht sie ihn richtig fühlbar, unter anderem durch die Sprache.Ökologische SF nach der du wahrscheinlich suchst kenne ich nicht viel...auf jeden Fall keine allzu positiven Gesellschaftsentwürfe die nicht direkt ins phantastische abgleiten. Aber ich bin gespannt auf deinen Versuch in dieser Sache...
"Es gibt eine größere Dunkelheit als die, die wir bekämpfen ... Viel schwerwiegender als der Tod der körperlichen Materie ist der Tod der Hoffnung, der Tod der Träume, und vor dieser Gefahr dürfen wir niemals kapitulieren. Die Zukunft ist überall um uns herum. In der Phase des Übergangs wartet sie darauf, in der Phase der Erleuchtung neu geboren zu werden. Niemand weiß, wie die Zukunft aussieht und wohin sie uns führen wird. Nur eines wissen wir. Sie wird stets unter Schmerzen geboren."
  • (Buch) gerade am lesen:Walter Jon Williams-Hardwired
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#26 Matthias

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Geschrieben 24 September 2007 - 11:44

Lösungsvorschläge in der Literatur, speziell SF:Das setzt ein immenses Fachwissen des Autors voraus. Selbst für einen Wissenschaftler,der auf diesem Gebiet forscht, dürfte es schwierig werden, Lösungen aufzuzeigen.Einziger Ausweg dürfte intensive Rücksprache mit Fachleuten sein.
Lieblingsautoren: Alastair Reynolds, R.C. Wilson, G. Benford

#27 WeepingElf

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Geschrieben 24 September 2007 - 13:40

Ich finde das etwas zu kurz gesprungen. Wenn SF (auch) die die Lösung künftiger Probleme (oder von Problemen, die sich jetzt schon abzeichnen) behandelt, dann darf sie doch gleichermaßen 10 wie 100 oder 10.000 Jahre in die Zukunft schauen. Und in 100 oder 1000 Jahren beschäftigen sich Menschen möglicherweise mit ganz anderen Dingen als nächstes Jahr oder in 10 Jahren. Wenn SF in einem Gewand daherkommt, das nicht zu den kommenden Jahrzehnten passt, sondern höchstens eine Welt in 1000 oder 10.000 Jahren beschreibt - oder eine Welt fern der Erde -, dann ist es doch immer noch SF, keine Fantasy.

Da hast Du natürlich Recht. Wenn es in 100 oder 1000 Jahren noch Menschen gibt, und wenn sie nicht ins Mittelalter oder in die Steinzeit zurückgefallen sind, dann werden sie die heute anstehenden Probleme gelöst haben - sonst wären sie nicht da, wo sie sind. Dafür werden sie andere Dinge haben, die sie bewegen. Vielleicht treten sie mit außerirdischen Intelligenzen in Kontakt - was auf jeden Fall eine Menge Fragen aufwerfen wird; vielleicht werfen KIs ganz neue philosophische Probleme auf. Das ist alles ganz legitim und auch interessant zu untersuchen.

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#28 WeepingElf

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Geschrieben 24 September 2007 - 13:44

@weeping elf
Bist du auf der Suche nach Inspirationsquellen für Solarpunk? :)

Ja, und ich will mit meinen Thesen auch andere motivieren, Ähnliches zu versuchen.

Ich habe, vorneweg, nicht den Anspruch an SF das sie solche Lösungen aufzeigt. Ich möchte in allererster Linie spannende Bücher lesen.
Dazu kommt noch das ich genau auf das Gegenteil stehe, also möglichst heruntergekommene und kaputte Welten mit einem Anflug dezenter Hoffnungslosigkeit.

Nun, kaputte hoffnungslose Welten mag ich gerade nicht. Natürlich sollte SF in erster Linie spannend sein - aber wenn sie Hoffnung weckt und nützliche Ideen vermittelt, um so besser.

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#29 Jürgen

Jürgen

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Geschrieben 24 September 2007 - 18:40

Was ist denn das für eine Diskussion ?Seit wann bietet die SF überhaupt globale Lösungen an? Und viel wichtiger... warum sollte sie das tun?Die SF LEBT von der Prämisse, die Diboo hier mal kurz reingepostet hat. Erde kaputt, nur chinesische Garantie - neue kaufen!Science Fiction war schon immer lediglich eine Blaupause zukünftiger technischer und sozialer Entwicklungen. Egal, ob es sich um 8000 Jahre in der Zukunft handelt und fantasielose Autoren nichts anderes einfällt, als mächtige Königshäuser wieder an die Macht zu bringen oder lediglich um 500 Jahre, um dann Raumschiffe mit WARP durchs All fliegen zu lassen - es sind alles Szenarien, die nicht einmal ansatzweise Lösungen auf belastbare Daten bieten.Aber sie sind spannend zu lesen und betrachtet man die SF als das, was sie ist, nämlich Unterhaltungsliteratur, dann kommt sie ihrer Aufgabe genügend nach.Natürlich gibt es auch SF-Bücher, die eine Botschaft enthalten, wie wir alle in Friede, Freude, Eierkuchen zukünftig zusammenleben werden. Nur... die liest keiner, weil sie so interessant sind, wie das Löschblatt in einem Schulheft..Die erfolgreichsten Bücher des Genres behandeln den Kampf ums überleben. Ob es sich dabei um Space Operas wie den Armagddon-Zyklus handelt oder um den Hacker in einer unmenschlichen Gesellschaft - es wird gekämpft.Dabei besitzt die SF durchaus das Potential, dem Leser wieder Hoffnung zu geben. Nur macht sie es nicht mit global gültigen Bedienungsanleitungen.Sie macht es in Form von Parabeln und Analogien, wie die Fantasy auch. Sie besitzt meist eine Message - und die heißt "wenn du dich nicht selbst aufgibts, dann ist noch nichts verloren". Das Positive an der SF ist, daß der Leser den Kampf gegen Ungerechtigkeit und die Probleme der Zukunft ein klein wenig auf seine persönliche Situation tranportieren kann. Nicht umsonst galt und gilt SF als Literatur der Aussenseiter und Spinner, die zwar im Schachclub oder am Rechner tolle Leistungen präsentieren, aber beim Fussball oder anderen Sportarten kläglich versagen.In den SF-Romane sind es nämlich nicht die 100 Meter Sprinter oder Linksaußen, die die Welt durch die Technik nachhaltig verändern, sondern Eierköpfe wie sie selbst. Das erzeugt Selbstvertrauen in ihre eigene Leistungsfähigkeit (ganz abgesehen davon, daß SIE es sind, die später mit sechsstelligen Entgelten nach Hause gehen und den Fußballstars der ehemaligen C- Und B-Jugend sagen, was sie zu tun haben.Es gibt ihn - den positiven Einfluß der SF, aber der ist kein Richtungsweiser in eine bessere Zukunft für die Allgemeinheit. Er ist viel persönlicher....Und überhaupt... was zur Hölle ist denn nun wieder Solarpunk?Strebt jetzt etwa auch die Sonne nach Automie und will sich nicht mehr durch die Marktliberallisierung drangsalieren lassen ?Oh Mann, wenn das Diboo hört :)

Bearbeitet von Jürgen, 24 September 2007 - 18:47.

Aus dem Weg! Ich bin Sys-Admin...

#30 WeepingElf

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Geschrieben 24 September 2007 - 19:23

Was ist denn das für eine Diskussion ?

Seit wann bietet die SF überhaupt globale Lösungen an? Und viel wichtiger... warum sollte sie das tun?

Die SF LEBT von der Prämisse, die Diboo hier mal kurz reingepostet hat. Erde kaputt, nur chinesische Garantie - neue kaufen!

Science Fiction war schon immer lediglich eine Blaupause zukünftiger technischer und sozialer Entwicklungen. Egal, ob es sich um 8000 Jahre in der Zukunft handelt und fantasielose Autoren nichts anderes einfällt, als mächtige Königshäuser wieder an die Macht zu bringen oder lediglich um 500 Jahre, um dann Raumschiffe mit WARP durchs All fliegen zu lassen - es sind alles Szenarien, die nicht einmal ansatzweise Lösungen auf belastbare Daten bieten.

Dagegen habe ich doch gar nichts! Aber SF kann sich doch mit so ziemlich allem befassen - warum dann nicht auch mit nachhaltiger Entwicklung? Mir ist schon klar, dass der durchschnittliche SF-Leser nicht mit dem Anspruch an seine Lieblingsliteratur herantritt, konkrete Handlungsoptionen für die ganz reale Zukunft zu erhalten. Mein Gedanke bei dieser Diskussion ist, dass SF dazu benutzt werden kann, Konzepte nachhaltiger Entwicklung populärer zu machen.

Aber sie sind spannend zu lesen und betrachtet man die SF als das, was sie ist, nämlich Unterhaltungsliteratur, dann kommt sie ihrer Aufgabe genügend nach.
Natürlich gibt es auch SF-Bücher, die eine Botschaft enthalten, wie wir alle in Friede, Freude, Eierkuchen zukünftig zusammenleben werden. Nur... die liest keiner, weil sie so interessant sind, wie das Löschblatt in einem Schulheft..

Zweifellos. Solche Bücher will ich auch gar nicht schreiben. Mir schweben spannend zu lesende Geschichten vor, die mehr so nebenbei darstellen, wie ein nachhaltiger Entwicklungsweg aussehen kann. Unmöglich?

Die erfolgreichsten Bücher des Genres behandeln den Kampf ums überleben. Ob es sich dabei um Space Operas wie den Armagddon-Zyklus handelt oder um den Hacker in einer unmenschlichen Gesellschaft - es wird gekämpft.

Ist das Bemühen um einen positiven zukunftsfähigen Entwicklungsweg, gegen Klimakatastrophe und weltweiten Ökokollaps, nicht Kampf genug? Ich bin mir sicher, daraus kann man so manches spannendes Garn spinnen.

Dabei besitzt die SF durchaus das Potential, dem Leser wieder Hoffnung zu geben. Nur macht sie es nicht mit global gültigen Bedienungsanleitungen.
Sie macht es in Form von Parabeln und Analogien, wie die Fantasy auch. Sie besitzt meist eine Message - und die heißt "wenn du dich nicht selbst aufgibts, dann ist noch nichts verloren". Das Positive an der SF ist, daß der Leser den Kampf gegen Ungerechtigkeit und die Probleme der Zukunft ein klein wenig auf seine persönliche Situation tranportieren kann. Nicht umsonst galt und gilt SF als Literatur der Aussenseiter und Spinner, die zwar im Schachclub oder am Rechner tolle Leistungen präsentieren, aber beim Fussball oder anderen Sportarten kläglich versagen.
In den SF-Romane sind es nämlich nicht die 100 Meter Sprinter oder Linksaußen, die die Welt durch die Technik nachhaltig verändern, sondern Eierköpfe wie sie selbst. Das erzeugt Selbstvertrauen in ihre eigene Leistungsfähigkeit (ganz abgesehen davon, daß SIE es sind, die später mit sechsstelligen Entgelten nach Hause gehen und den Fußballstars der ehemaligen C- Und B-Jugend sagen, was sie zu tun haben.

Es gibt ihn - den positiven Einfluß der SF, aber der ist kein Richtungsweiser in eine bessere Zukunft für die Allgemeinheit. Er ist viel persönlicher....

Schon klar, und wird von mir auch nicht bezweifelt. Aber wenn der Leser das Buch mit dem Gedanken zuklappt, dass die Geschichte nicht nur spannend und optimistisch war, sondern auch Stoff zum Nachdenken über unsere eigene konkrete Zukunft liefert, um so besser! In den Geschichten, die mir vorschweben, kämpfen die Hauptpersonen für eine bessere Welt, und der Leser denkt vielleicht, "Ja, das ist auch ein Problem, das uns betrifft".

Und überhaupt... was zur Hölle ist denn nun wieder Solarpunk?

Strebt jetzt etwa auch die Sonne nach Automie und will sich nicht mehr durch die Marktliberallisierung drangsalieren lassen ?
Oh Mann, wenn das Diboo hört :)

"Solarpunk" ist nur ein Arbeitstitel für ein Nahzukunftsszenario von mir, das ich unter diesem Namen schon ein paar Mal im Weltenbastler-Forum und im CPC-Forum erwähnt habe, und in dem der Kampf um eine nachhaltige Entwicklung im Zentrum steht. "Solar" wie in Solarenergie und "Punk" wegen der Cyberpunk-Elemente. Aber das ist nur ein Arbeitstitel.

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