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MRR und seine Lücke


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22 Antworten in diesem Thema

#1 molosovsky

molosovsky

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Geschrieben 21 Oktober 2007 - 13:21

Mädels, Jungs, holt die Beruhigungstropfen, klemmt Euch das Beißholz zwischen die Zähne und erst dann rate ich Euch, zu meinem Eintrag über Marcel Reich-Ranickis Antwort auf die Fragen zweier seiner Leser bzgl. SF in der »Fragen die RR«-Spalte zu klicken. Ein Musterbeispiel des vom Thema-ablenkens! Viel ›Vergnügen‹. Grüße Alex / molo

Bearbeitet von molosovsky, 21 Oktober 2007 - 13:22.

MOLOSOVSKY IST DERZEIT IN DIESEM FORUM NICHT AKTIV: STAND 13. JANUAR 2013.

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#2 HMP †

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Geschrieben 21 Oktober 2007 - 14:58

Mädels, Jungs, holt die Beruhigungstropfen, klemmt Euch das Beißholz zwischen die Zähne und erst dann rate ich Euch, zu meinem Eintrag über Marcel Reich-Ranickis Antwort auf die Fragen zweier seiner Leser bzgl. SF in der »Fragen die RR«-Spalte zu klicken. Ein Musterbeispiel des vom Thema-ablenkens! Viel ›Vergnügen‹. Grüße Alex / molo

MRR war, ist und bleibt für mich ein verkannter Star der deutschen Comedy-Szene. Dahin habe ich ihn gesteckt und in dieser Schublade bleibt er auch. Das Literarische Quartet habe ich mir nur aus einem einzigen Grund angetan: des Comedy-Elements wegen... Von daher...über das was MRR von sich gibt, rege ich mich schon längst nicht mehr auf...Valium also nicht nötig :D ...aber Danke für diese Erheiterung am Sonntag-Nachmittag!
Universal Columnist

Es gibt immer etwas, wozu es etwas zu sagen gibt. Immer!
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#3 Theophagos †

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Geschrieben 21 Oktober 2007 - 15:00

Alex schreibt in seinem Blog:

"Zur Sache mit der gegenüber SF so ignoranten heimischen Literaturkritik weiß MRR korrekt zu konstatieren, dass dieses Genre trotz seiner Erfolge beim Publikum bei der Kritik nur dürftiges Echo zeitigt, und dass dies freilich kein Zufall sei. Woran das liegt (Achtung festhalten, jetzt kommt hochkonzentriertester Stuss): Die Vorzüge der Science Fiction-Prosa hätten nun mal mit Kunst (besser wohl: Kunscht) nichts zu tun! †” »Womit denn dann?«, frag ich mich da. Mit Statik oder Statistik? Mit Teegebäck? Mit Feinrippunterwäsche? Oder gar mit diesen klebrigen Fuseln, die man nach einem 3-monatigen Suvival-Trekkingurlaub in Wales (oder Tirol) bisweilen ausm Bauchnabel zu puhlen vermag?"

Nun mag man MMR vorwerfen, dass er Triviales sagt, der SF gegenüber abfällig ist es jedoch nicht.

Iwoleit hat an anderer Stelle gesagt:

"Ein Kollege hat mir mal geraten: "Wenn du ambitionierte Literatur schreiben willst, dann bloß nicht
in der SF." Obwohl ich die Fahne der SF gegenüber Ignoranten immer hoch gehalten habe, neige
ich allmählich dazu, ihm zuzustimmen und das Schreiben für ein anderes Publikum noch einmal ganz
neu anzugehen. Wenn ich sehe, daß einem hochbegabten Kollegen wie Marcus Hammerschmitt der
verdiente Erfolg bisher versagt geblieben ist, gestern auf dem Buchmessecon aber ein Marcus Heitz
gleich drei Preise abräumt, dann fürchte ich, daß die SF- und Phantastikszene zu weiten Teilen ein
Tummelplatz von dummen, ungebildeten Jungs ist, die von der Welt im Allgemeinen und der Literatur
im Besonderen nichts mitbekommen haben. Eine Szene, von der man sich auf lange Sicht vielleicht
wirklich distanzieren sollte, wenn man mit seiner Arbeit als Autor mehr erreichen will als eingefahrene
Leseerwartungen zu bedienen."

(SF-Netzwerk-Diskussion zu VISIONEN 4; Beitrag 123)

Starke, scharf wertende Worte. Aber er bringt damit zumindest einen Diskussionsstrang auf dem Punkt (wenn man die Wertung weglässt): Die meisten Leser der SF erwarten von einem guten Buch andere Eigenschaften als die meisten Leser der Hochliteratur (Iwoleit nennt es "Mainstream-Literatur", MMR nennt es "Kunst", MMR-Hasser sagen "Lidderradurr"; es gibt noch viele, viele Bezeichnungen mehr).

Etwas Anderes bringt MMR nicht zum Ausdruck. Nun mag man meinen, dass in Kunst vs SF bereits eine Abwertung steckt - aber dann müsste sich MMR nicht ob seines Unwissens bzgl. der SF entschuldigen, dann könnte er einfach sagen: "Ich kenne es nicht - wozu auch!"

Und auch für Literaturkritiker gilt, dass sie nicht alle Zeit der Welt haben um Bücher zu lesen, die kaum den Ansprüchen der Hochliteratur genügen - Kritiker sollen schließlich zweierlei: a) Ein bekanntes, in Frage kommendes Buch bewerten oder b) ein unbekanntes, lesenswertes Buch bekannt machen. Da nun einmal das Diktum besteht, dass SF den Ansprüchen der Hochliteratur nicht genügt, kommen die Werke für a nicht in Frage, und da offenbar das Diktum tendenziell stimmt, investiert ein offener Kritiker zu viel Zeit in zu viele 'schlechte' Bücher um zu wenige den Ansprüchen genügende Bücher zu entdecken. Das es nicht prinzipiell gegen Themen der SF geht, zeigt die Akzeptanz von SF-Werken von H. Hesse, A. Carter, K. Ishiguro, C. McCarthy oder D. Lessing.

Theophagos
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#4 molosovsky

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Geschrieben 21 Oktober 2007 - 15:23

HMP schrieb:

Danke für diese Erheiterung am Sonntag-Nachmittag!

Ich fühle ich wohlverstanden :D Ansonsten zur Erinnerung nochmal die 6 Funtionen der Lit-Kritik (nach Thomas Anz): 1. Informierende Orientierung (= Überblick zur unüberschaubaren Produktion) 2. Selektion (a†”Welche Werke sind überhaupt eine Rezi wert?; b†”Wertung liefert Lese/Kaufentscheidungshilfe) 3. Didaktische Vermittlung fürs Publikum (= Wissensvermittlung damit Lesefähigkeiten verbessert werden) 4. Didaktische Sanktionierung für Produzenten (= Hinweis auf Stärken und Schwächen, damit man zukünftig bessere Bücher machen kann) 5. Reflektion und Kommunikation stimulieren (Förderung von a†”öffentlichem Nachdenken/Reden über Literatur; b†”Selbstreflektierenden Prozessen innerhalb des Lit-Systems) 6. Unterhaltung (= Ja, auch Rezis lassen sich als Story lesen). Da ich ja zuallermeist die Rolle eines eklektischen Arrogantlings spiele, bin ich nun mal der Meinung: 90% aller Literaturen sind Schrott. Deshalb ist es fatal, wenn man ganze Literatur-Kontinente ad hoc ihre Literarizität abspricht (SF ist keine Kunst, sondern ›irgendwas anderes‹). †” Die Anglo-Amis kennen den wunderfeinen Begriff vom ›Marktplatz der Ideen‹. So einer wie MRR hat lange Zeit als strenger Grenzwächter dafür gesorgt, dass eben z.B. SF draussen bleibt. †” Obwohl ich was Unterhaltung/Kunst angeht ein zuweilen schräcklich elitärer, eigenwilliger Sack bin, pfleg ich die Absicht, dass man erstmal Pluralismus zulassen muss, um eben die Gemmen aus dem Schlamm fischen zu können. Sprich: wer sich von vorneherein zu fein fürs Schlammbad ist, findet weniger Perlen. Wir leben doch eigentlich nicht mehr in den Zeiten, in denen klapprige alte Männer in irgendwelchen Akademien bestimmen sollten, was gemäß der gehobenen Milieus ›Kunscht‹ zu sein hat, und was nicht. †” Mir erscheint das in etwa so, als ob man umgekehrt sagte: »Ach, Bach und Beethoven tauchen gar nicht den Pop-Charts auf und können deshalb nix wert sein.« Ich sehe kaum einen Unterschied zwischen der Ignoranz und selbstgefälligen Genügsamkeit, wie sie Iwoleit so schon beschreibt, und der Ignoranz einer Literaturvermittlerszene die sich in ihrem bracken Badewasser suhlend für alles interessiert, nur nicht für das, was tatsächlich gelesen wird. (Die meist entsprechend ungeschickten Auseinandersetzungen mit dem ›populären Gewirks‹ lesen sich zwar sehr vergnüglich, bleiben aber trotzdem ärgerlich. Anderer beispielhafter Schmunzelanlass hier.). †” Auf beiden Seiten bleibt man halt unter sich, und damit, weil meiner bescheidenen Größenwahn-Auffassung eine der wertvollsten Aspekte von Kunst/Medien das Brückenbauen ist, freiwillig unmündig. Kurz: Populismus und Elitarismus gegeneinander auszuspielen führt zu nichts (Gutem). Grüße Alex / molo

Bearbeitet von molosovsky, 21 Oktober 2007 - 15:33.

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#5 Theophagos †

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Geschrieben 21 Oktober 2007 - 16:33

@ Alex: Ob die sechs Funktionen nun alle gleichwertig sind, das wage ich ernsthaft zu bezweifeln; aber das nur am Rande.MMR der Grenzwächter. Halte ich für verfehlt. Den Vergleich mit Bach & Beethoven, die nicht in den Pop-Charts erscheinen, finde ich sehr erhellend: Sollte man jemanden, der auf die Pop-Charts schaut Bach empfehlen? Ich glaube das ist ein prima Rezept um unglückliche Hörer zu generieren; von Zwangsmissionierung halte ich nicht viel. MMR bedient halt seine Klientel - die will keine 'Raumschlachten', die will 'Nabelschau'. Nun gibt es sehr wenige 'Raumschlachten' mit 'Nabelschau', warum sollte MMR sie also lesen um dann festzustellen, dass bei 100 gelesenen 'Raumschlachten' nur 1 'Nabelschau' dabei ist? MMR ist kein LitWi, der frei Forschen darf, sondern ein Dienstleister im Kulturbetrieb, der auf Effizienz achten muss.MMR, das habe ich aber schon gesagt, wertet die SF nicht ab. Man kann sich nun darüber aufregen, dass er den Begriff "Kunst" für die von ihm behandelte Textgruppe verwendet, doch ich finde ein Streiten um Begriff zumeist eher langweilig. Falls es dir Spaß bringt, will ich dir diesen aber keineswegs nehmen.Theophagos
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#6 Gevo

Gevo

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Geschrieben 21 Oktober 2007 - 17:05

Den Unterschied zwischen Literatur und Science Fiction treffen schon die Verlage: Wenn ein (hervorragendes) Buch wie "Die Geschwindigkeit des Dunkels" von Elizabeth Moon eben nicht in einer SF-Reihe erscheint, sondern in der "normalen", und peinlich dafür gesorgt wird, dass nirgends auf und in dem Buch Wörter wie "Science Fiction" auftauchen, so ist dies genau auf die Tatsache zurückzuführen, dass der Verlag befürchtet, ansonsten jede Chance für einen Verkaufserfolg zu verlieren.Aber vielleicht schafft es das Buch ja so auf MRRs Bücherstapel?!GevoPS: Ich habe inzwischen zwei reinrassige "Literaten" in meinem Bekannten-/Freundeskreis dazu gebracht, das Buch zu lesen. Beide Rückmeldungen waren enthusiastisch, und ich habe sie im anschließenden Gespräch sogar dazu gebracht, dass sie anerkannt haben, dass Science Fiction niveauvolle Literatur (!) sein kann.

#7 molosovsky

molosovsky

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Geschrieben 21 Oktober 2007 - 17:25

Theophagos schrieb:

Ob die sechs Funktionen nun alle gleichwertig sind†¦

Schrieb ich das? Grüße Alex / molo

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#8 UdoTascher

UdoTascher

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Geschrieben 21 Oktober 2007 - 17:39

@Molo: "So einer wie MRR hat lange Zeit als strenger Grenzwächter dafür gesorgt, dass eben z.B. SF draussen bleibt." das verstehe ich nicht ganz --> dass die SF >wo< draussen bleibt? - im Literaturolymp ? (den Nobelpreis für Gregor Gysis Tante konnte auch MRR nicht verhindern), - auf den Bestseller-Listen? (dorthin verirren sich ja, wie wir alle wissen, durchaus mal SF-Romane), - in deutschen Schulen? (MRR sind gottseidank nicht die Schulbuchverlage und das Bildungsministerium), - im Fernsehen? (es gibt TV-Kanäle, in denen das SF-Genre durchaus präsent ist) - in der Literaturgeschichte? (darauf hat er keinen Einfluss, unter Literaturwissenschaftlern und -historiker geniesst MRR im übrigen einen sehr durchwachsenen Ruf, ... was ich im Laufe meines Germ.-Studiums in Vorlesungen so alles über MRR gehört habe.... - im literarischen Quartett und MRRs KANON ? (da würde ich Dir zustimmen, aber darüber keine Träne vergiessen... ich glaube nicht, dass MRRs KANON eine solche Bedeutung* zukommt, wie er sie sich wünscht; seine KANON ist kein Kanon der (Durchschnitts-)Leser, sondern eben der Hochliteratur) (Ein Zusatz: MRR bedient seit Jahrzehnten ein bestimmtes Lesepublikum mit bestimmten Lektüreinteressen, wie Theophagos schon richtig schrieb. Darin ist er aus verschiedenen Gründen recht erfolgreich. Ich gehöre zu denen, die ihm diesen Erfolg gönnen (nicht nur, weil ich ihn als Rhetoriker, Entertainer :D und Autor durchaus schätze --> Punkt 6 nach Anz), seine Ansichten zur Science Fiction sind mir da weitgehend schnuppe, weil er für mich auf diesem Gebiet einfach keine Autorität darstellt. Wie könnte er auch, ich nehme stark an, dass er seit seit den 1950er-Jahre keine einziges Buch in der Hand hatte, auf dem SF drauf stand ;) ) * "Was aber unsere heutige Kanon-Bibliothek von allen vergleichbaren Entwürfen aus der Vergangenheit unterscheidet, ist ihr Adressat. Dies ist ein Kanon für Leser. Selbstverständlich hoffe ich, daß auch Lehrer und Bibliothekare, Studenten und Schüler, daß alle, die sich mit der Literatur in erster Linie aus beruflichen Gründen beschäftigen und also Romane oder Erzählungen oder Gedichte nicht immer und nicht ganz freiwillig zur Kenntnis nehmen, aus dieser Bibliothek Nutzen ziehen werden" MRR http://www.derkanon.de/romane.html

Bearbeitet von UdoTascher, 21 Oktober 2007 - 17:41.


#9 simifilm

simifilm

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Geschrieben 21 Oktober 2007 - 17:50

Ach je, wieder mal eine Diskussion über die arme, ausgeschlossene und ins Ghetto verbannte SF ...

Tatsache ist: SF war von ihrer Herkunft her und ist auch heute noch primär Massenliteratur, die meist keinen hohen literarischen Anspruch hat. Das ist keine Wertung, sondern eine schlichte Tatsache. Dass es auch genügend SF gibt, die hohe literarische Ansprüche erfüllt, ist wohl ebenso unbestritten.

Im Grunde führt diese Diskussion aber zu nichts, denn die SF gibt es nicht. Wir sind hier wieder beim alten Definitionsproblem. Wenn wir primär ökonomische Aspekete anschauen - SF ist das, was als SF verkauft wird - muss man MRR vollkommen Recht geben. Das Wenigste, was als SF verkauft wird, hat den Anspruch, das zu sein, was MRR wohl unter 'Kunst' versteht.

Wenn wir andere Definitionskriterien anlegen, werden wir plötzlich feststellen, dass genug Vertreter anerkannter Hochliteratur gibt, die eigentlich als SF gelten können. Dass "Brave New World", "1984" oder - als neueres Beispiel - "Morbus Kittahara" 'Kunst' sind, wird MRR kaum bestreiten. Nur wird er wahrscheinlich sagen, dass das auch nicht SF ist. Womit eigentlich nur bestätigt ist, dass die Frage nicht ist, ob SF 'Kunst' ist, sondern wie ich SF definiere.

@Alex: und ich möchte mich Udo anschliessen: Ich habe das Gefühl, dass Du MRRs Einfluss gnadenlos überschätzt.

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#10 simifilm

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Geschrieben 21 Oktober 2007 - 18:06

Ich sehe kaum einen Unterschied zwischen der Ignoranz und selbstgefälligen Genügsamkeit, wie sie Iwoleit so schon beschreibt, und der Ignoranz einer Literaturvermittlerszene die sich in ihrem bracken Badewasser suhlend für alles interessiert, nur nicht für das, was tatsächlich gelesen wird.

Ich muss gestehen, ich finde diesen Absatz höchst unfair. MRR gibt ja zu, dass er von SF nichts versteht. Was willst Du noch mehr? Er bespricht keine SF, weil sie ihn nicht interessiert, weil er davon nichts versteht und weil man es von ihm nicht erwartet. Genauso wenig spricht er über Arztromane, Krimis, Liebesromane, Grisham oder Dan Brown, obwohl er das Deiner Meinung nach offensichtlich müsste - denn das ist das, was "tatsächlich gelesen wird".

Bearbeitet von simifilm, 21 Oktober 2007 - 18:08.

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#11 Theophagos †

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Geschrieben 21 Oktober 2007 - 18:21

Da war ich nur kurz zum Essen und so viel Zustimmenswertes (aus meiner Sicht) wurde geschrieben. @ Alex:

Theophagos schrieb: "Ob die sechs Funktionen nun alle gleichwertig sind†¦" Schrieb ich das? Grüße Alex / molo

Nicht explizit, nein, aber ich habe die - für meinen Punkt - wesentlichen Aufgaben genannt und du hast sechs aufgezählt. Irgendwie hatte ich angenommen, du hättest meine Einschätzung korrigieren wollen. Ich glaube aber, das wir jetzt gänzlich ins Off abtreiben. Ansonsten:

Simifilm: "Wenn wir andere Definitionskriterien anlegen, werden wir plötzlich feststellen, dass genug Vertreter anerkannter Hochliteratur gibt, die eigentlich als SF gelten können. Dass "Brave New World", "1984" oder - als neueres Beispiel - "Morbus Kittahara" 'Kunst' sind, wird MRR kaum bestreiten. Nur wird er wahrscheinlich sagen, dass das auch nicht SF ist. Womit eigentlich nur bestätigt ist, dass die Frage nicht ist, ob SF 'Kunst' ist, sondern wie ich SF definiere."

Bingo. Theophagos
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#12 † Christian Weis

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Geschrieben 21 Oktober 2007 - 18:27

Auch wenn man die SF jetzt nicht gleich unter Artenschutz stellen muss: Nach meiner Wahrnehmung haben Sachen, die zur SF gezählt werden können (egal nach welcher Definition), bei vielen Literaturpäpsten schlichtweg schlechte Karten - jetzt mal unabhängig von MRR gesehen.Mag sein, dass es im Bereich SF vieles gibt, was hohen und höchsten Ansprüchen nicht genügt, aber das trifft doch auf alle anderen Genres bzw. auf alle Themenbereiche zu, über die geschrieben wird. Ramschliteratur gibt es in jedem Genre zuhauf - auch in allen Bereichen, in denen die Reich-Ranickis dieser Welt Romane oder Erzählungen als Hochliteratur feiern. Es gibt in der SF jede Menge Werke, denen sie die Zugehörigkeit zur anspruchsvollen Literatur im Einzelfall nicht absprechen - der SF als Genre sprechen sie Qualität aber mitunter offen oder durch die Blume ab.Ich kann mich manchmal des Eindrucks nicht erwehren, dass über die SF die Nase gerümpft wird, weil sich das Genre eben nicht ausschließlich mit der Aufarbeitung von realen menschlichen Problemen, Befindlichkeiten, Bedürfnissen und was-weiß-ich-alles oder historischen Wahrheiten befasst. Da geht es mitunter um Parallelwelten oder Außerirdische - unerhört! ;) Auch ein Orwell, Huxley, Lem, Vonnegut oder etwa eine Doris Lessing haben es nicht geschafft, den Stempel abzuwaschen, den die SF irgendwann mal aufgedruckt bekommen hat. Gerade Doris Lessing ist aktuell ein gutes Beispiel dafür. Sie hat zwar den Literaturnobelpreis bekommen, über ihre SF-Werke rümpfen die Literaturpäpste jedoch mehrheitlich die Nase (soweit ich es in den Medien verfolgt habe). Nach dem Motto: Sie hat den Preis trotz, nicht wegen ihrer SF-Werke erhalten. Und dabei stufen SF-Leser ihre SF-Werke als durchaus literarisch anspruchsvoll ein.Genauso gut könnte man Literatur, die sich mit der Beziehung zwischen den Geschlechtern befasst, als Schund bezeichnen, weil es Berge von Liebes-, Arzt- und Heimatromanen übelster Qualität gibt. Hier wird aber nicht ein ganzes Genre (soweit man hier überhaupt von einem Genre sprechen kann, vielleicht sollte man besser Themengebiet sagen) zu Schund erklärt und wurde es auch nie. Da spielt der Anteil an seichter Kost oder Ramsch keine Rolle, obwohl er vermutlich ebenso groß ist wie in der SF.Trotzdem: Man muss sich nicht grämen, wenn man SF liest. :D

Bearbeitet von ChristianW, 21 Oktober 2007 - 18:29.


#13 simifilm

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Geschrieben 21 Oktober 2007 - 19:03

Auch ein Orwell, Huxley, Lem, Vonnegut oder etwa eine Doris Lessing haben es nicht geschafft, den Stempel abzuwaschen, den die SF irgendwann mal aufgedruckt bekommen hat

Zumindest bei den beiden Erstgenannten ist diese Einschätzung in meinen Augen schlicht falsch. Mir wäre neu, das Orwell und Huxley wegen ihrer SF tiefer eingestuft werden.

Gerade Doris Lessing ist aktuell ein gutes Beispiel dafür. Sie hat zwar den Literaturnobelpreis bekommen, über ihre SF-Werke rümpfen die Literaturpäpste jedoch mehrheitlich die Nase (soweit ich es in den Medien verfolgt habe).

Welche "Literaturpäpste" meinst Du? Offensichtlich nicht die im Nobelpreiskomitee ...

Nach dem Motto: Sie hat den Preis trotz, nicht wegen ihrer SF-Werke erhalten. Und dabei stufen SF-Leser ihre SF-Werke als durchaus literarisch anspruchsvoll ein.

Ich habe bislang nichts von Lessing gelesen, kann dazu also nichts sagen. Aber zumindest in einem Artikel, den ich zu Lessings Nobelpreis gelesen habe, stand genau das Gegenteil drin: Nämlich dass Lessings SF zwar zum Schwächeren in ihrem Oeuvre gehört, weil es schlechte SF ist und nicht weil es SF ist ...

Genauso gut könnte man Literatur, die sich mit der Beziehung zwischen den Geschlechtern befasst, als Schund bezeichnen, weil es Berge von Liebes-, Arzt- und Heimatromanen übelster Qualität gibt. Hier wird aber nicht ein ganzes Genre (soweit man hier überhaupt von einem Genre sprechen kann, vielleicht sollte man besser Themengebiet sagen) zu Schund erklärt und wurde es auch nie. Da spielt der Anteil an seichter Kost oder Ramsch keine Rolle, obwohl er vermutlich ebenso groß ist wie in der SF.

Diese Einschätzung finde ich schon deshalb mehr als problematisch, weil "Liebe" nun definitiv nicht zu irgendeiner Genredefinition taugt. Es gibt wohl insgesamt nur sehr wenig Literatur, in der nicht eine Liebesgeschichte vorkommt.

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#14 molosovsky

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Geschrieben 21 Oktober 2007 - 19:15

Ich kann mich nur wundern wie authoritär und ›ernst‹ ich anscheinend auf Euch wirke.GrüßeAlex / molo

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#15 simifilm

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Geschrieben 21 Oktober 2007 - 19:29

Ich kann mich nur wundern wie authoritär und ›ernst‹ ich anscheinend auf Euch wirke. Grüße Alex / molo

'Autoritär' weiss ich nicht, aber Du da ja in Deinem Blog-Eintrag nicht gerade zimperlich bist und Dich mit eher kraftvollen Ausdrücken nicht unbedingt zurückhältst, sehe ich durchaus Berechtigung, Dich ernst zu nehmen. Offensichtlich scheint Dich das Thema ja umzutreiben ...

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#16 † Christian Weis

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Geschrieben 21 Oktober 2007 - 19:41

Zumindest bei den beiden Erstgenannten ist diese Einschätzung in meinen Augen schlicht falsch. Mir wäre neu, das Orwell und Huxley wegen ihrer SF tiefer eingestuft werden.

So war es auch nicht gemeint, den "negativen Beigeschmack des SF-Schaffens" hab ich bei Lessing wahrgenommen. Allerdings beruht diese Wahrnehmung auf ein paar Artikeln, die ich gelesen bzw. Kommentaren, die ich im Radio mitbekommen habe. Repräsentativ ist das natürlich nicht - lediglich meine Wahrnehmung. Dass ihre SF als schlechte SF eingestuft wurde, hab ich allerdings aus diesen Artikeln bzw. Kommentaren nicht in Erinnerung. Auf Orwell und Huxley bezogen ist mir auch nicht bekannt, dass sie wegen ihres SF-Schaffens niedriger eingestuft wurden. Aber dass die SF als Genre positiv gesehen wird, weil diese (und andere) Autoren auch SF geschrieben haben, ist mir bisher auch eher nicht untergekommen.

Diese Einschätzung finde ich schon deshalb mehr als problematisch, weil "Liebe" nun definitiv nicht zu irgendeiner Genredefinition taugt. Es gibt wohl insgesamt nur sehr wenig Literatur, in der nicht eine Liebesgeschichte vorkommt.

Das war natürlich ein bisserl sehr plakativ, zumal Genredefinitionen eh immer in der Diskussion sind. Aber mein (zugegebenermaßen nicht wissenschaftlich untermauerter) Eindruck ist, dass Themen aus dem Bereich SF anders eingestuft werden als gegenwarts- oder vergangenheitsbezogene Themen.

#17 simifilm

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Geschrieben 21 Oktober 2007 - 19:58

So war es auch nicht gemeint, den "negativen Beigeschmack des SF-Schaffens" hab ich bei Lessing wahrgenommen. Allerdings beruht diese Wahrnehmung auf ein paar Artikeln, die ich gelesen bzw. Kommentaren, die ich im Radio mitbekommen habe. Repräsentativ ist das natürlich nicht - lediglich meine Wahrnehmung. Dass ihre SF als schlechte SF eingestuft wurde, hab ich allerdings aus diesen Artikeln bzw. Kommentaren nicht in Erinnerung. Auf Orwell und Huxley bezogen ist mir auch nicht bekannt, dass sie wegen ihres SF-Schaffens niedriger eingestuft wurden. Aber dass die SF als Genre positiv gesehen wird, weil diese (und andere) Autoren auch SF geschrieben haben, ist mir bisher auch eher nicht untergekommen.

Ich glaube, was in diesem Zusammenhang nicht zu unterschätzen ist, sind nationale Traditionen. Nicht ganz zufällig sind sowohl Huxley als auch Orwell Briten. In der britischen Literatur waren 'nicht-realistische' Genres nie derart aus der 'hohen Literatur' ausgegrenzt wie das andernorts der Fall ist. Während die SF in den USA primär ein Phänomen des Zeitschriftenmarktes war, waren Autoren wie Wells, Huxley oder Orwell Teil des anerkannten literarischen Diskurses. Die britische 'Scientific Romance' hatte einen den Status als die US-amerikanische Zeitschriften-SF. Wie das in Deutschland zur gleichen Zeit ist, weiss ich nicht. Aber wenn Du die USA und England miteinander vergleichst, kannst Du schön sehen, wie das gleiche Genre ganz unterschiedlich eingestuft wird, weil es in unterschiedlichen Kontexten entsteht. Das eine Mal eben als Teil der 'hohen Literatur', das andere Mal als Teil der Groschenliteratur.

Das war natürlich ein bisserl sehr plakativ, zumal Genredefinitionen eh immer in der Diskussion sind. Aber mein (zugegebenermaßen nicht wissenschaftlich untermauerter) Eindruck ist, dass Themen aus dem Bereich SF anders eingestuft werden als gegenwarts- oder vergangenheitsbezogene Themen.

Das scheint mir falsch: Was ist denn ein Buch wie "Elementarteilchen" anderes als SF (das es ein gnadenloses dummes Buch ist, ist eine andere Frage)? Oder Pynchon? Und was ist Philip Roths "The Plot Against America" anderes als Alternate History? Und auch Updike hat meines Wissens einiges geschrieben, was als Phantastik und/oder SF gelten kann. Oder nimm, um mal was ganz anderes anzuführen, "Heliopolis" von Ernst Jünger. Du findest haufenweise SF-Themen in der 'hohen Literatur', nur werden sie oft nicht als das verkauft.

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#18 † Christian Weis

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Geschrieben 21 Oktober 2007 - 20:25

Wie das in Deutschland zur gleichen Zeit ist, weiss ich nicht. Aber wenn Du die USA und England miteinander vergleichst, kannst Du schön sehen, wie das gleiche Genre ganz unterschiedlich eingestuft wird, weil es in unterschiedlichen Kontexten entsteht. Das eine Mal eben als Teil der 'hohen Literatur', das andere Mal als Teil der Groschenliteratur.

Kann gut sein, dass in Deutschland die Einschätzung aus den USA (mit vielem anderen) zumindest teilweise übernommen wurde, die britische Einschätzung hat da eher nicht abgefärbt. Die Magazine und Heftchen hatten in den USA ein anderes Gewicht als bei uns, denke ich. Zumindest dürfte es eine vergleichbare Magazin- und Heftchenszene bei uns nicht gegeben haben.

Das scheint mir falsch: Was ist denn ein Buch wie "Elementarteilchen" anderes als SF (das es ein gnadenloses dummes Buch ist, ist eine andere Frage)? Oder Pynchon? Und was ist Philip Roths "The Plot Against America" anderes als Alternate History? Und auch Updike hat meines Wissens einiges geschrieben, was als Phantastik und/oder SF gelten kann. Oder nimm, um mal was ganz anderes anzuführen, "Heliopolis" von Ernst Jünger. Du findest haufenweise SF-Themen in der 'hohen Literatur', nur werden sie oft nicht als das verkauft.

Alternate History und in der realen Gegenwart stark verhaftete Themen dürften nicht den Schwerpunkt der SF ausmachen, schätze ich. Und es stimmt natürlich, dass vieles, was SF-Themen aufgreift, nicht als SF verkauft wird - aber das ist unter anderem auch Folge dessen, dass die SF teilweise aus der "hohen Literatur" ausgegrenzt wird, wie du selbst festgestellt hast. Überspitzt ausgedrückt: "Gute SF-Themen" werden in die "hohe Literatur" übernommen, dort aber nicht als SF eingestuft; "schlechte SF-Themen" dürfen in der SF bleiben und beweisen, dass die SF zurecht ausgegrenzt wird bzw. eben keinen hohen Stellenwert hat. Das sind natürlich nur subjektive Wahrnehmungen, und es liegt mir fern, nach Artenschutz zu schreien. Ich denke auch nicht, dass Kreuzritter gegen die SF zu Felde ziehen. Trotzdem fällt eine gewisse Geringschätzung der SF oder von SF-Themen bei Literaturkritikern auf. Andere Bereiche, in denen ebenfalls viel Triviales oder Ramsch produziert wird, werden nicht unbedingt ebenso negativ gesehen. Allerdings kann es sein, dass meine Wahrnehmung dessen, was zur SF so gesagt wird, eine andere ist als in anderen Bereichen.

#19 simifilm

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Geschrieben 21 Oktober 2007 - 20:30

Alternate History und in der realen Gegenwart stark verhaftete Themen dürften nicht den Schwerpunkt der SF ausmachen, schätze ich. Und es stimmt natürlich, dass vieles, was SF-Themen aufgreift, nicht als SF verkauft wird - aber das ist unter anderem auch Folge dessen, dass die SF teilweise aus der "hohen Literatur" ausgegrenzt wird, wie du selbst festgestellt hast. Überspitzt ausgedrückt: "Gute SF-Themen" werden in die "hohe Literatur" übernommen, dort aber nicht als SF eingestuft; "schlechte SF-Themen" dürfen in der SF bleiben und beweisen, dass die SF zurecht ausgegrenzt wird bzw. eben keinen hohen Stellenwert hat.

Damit sind wir wieder bei meinem ersten Post, denn Du bestätigst damit ja nur, dass die Mär von der Ausgrenzung der SF nur dann stimmt, wenn ich SF als das definiere, was als SF verkauft wird. Sobald ich SF aber mehr thematisch bestimme, sieht die Sache offensichtlich anders aus. Denn wenn ich SF thematisch definiere, dann ist 'hohe Literatur' mit SF-Themen nichts anderes als SF und die angebliche Ausgrenzung existiert nicht mehr. QED.

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#20 † Christian Weis

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Geschrieben 21 Oktober 2007 - 20:41

Damit sind wir wieder bei meinem ersten Post, denn Du bestätigst damit ja nur, dass die Mär von der Ausgrenzung der SF nur dann stimmt, wenn ich SF als das definiere, was als SF verkauft wird. Sobald ich SF aber mehr thematisch bestimme, sieht die Sache offensichtlich anders aus. Denn wenn ich SF thematisch definiere, dann ist 'hohe Literatur' mit SF-Themen nichts anderes als SF und die angebliche Ausgrenzung existiert nicht mehr. QED.

q.e.d. Aaaber ... es wäre schön, wenn die "hohe Literatur mit SF-Themen" auch bei Literaturkritikern als SF gesehen und der SF dadurch ein anderer Stellenwert in der Literatur insgesamt zugewiesen werden würde. Diese "Ausgrenzung" gilt ja nicht für SF-Themen generell, sondern meiner Wahrnehmung nach eher für das Genre SF, das vielleicht ganz gern auf die Groschenliteratur bezogen und beschränkt wird und vermeintlich die "schlechten SF-Themen" aufgreift.

#21 simifilm

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Geschrieben 21 Oktober 2007 - 20:48

q.e.d. Aaaber ... es wäre schön, wenn die "hohe Literatur mit SF-Themen" auch bei Literaturkritikern als SF gesehen und der SF dadurch ein anderer Stellenwert in der Literatur insgesamt zugewiesen werden würde. Diese "Ausgrenzung" gilt ja nicht für SF-Themen generell, sondern meiner Wahrnehmung nach eher für das Genre SF, das vielleicht ganz gern auf die Groschenliteratur bezogen und beschränkt wird und vermeintlich die "schlechten SF-Themen" aufgreift.

Aber es ist doch herzlich wurscht, wie das genannt wird, oder nicht? Es geht doch nicht darum, dass MRR oder sonst irgendein Kritiker die gleiche Nomenklatur verwendet wie Du. Oder doch?

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#22 Regis

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Geschrieben 21 Oktober 2007 - 21:06

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#23 simifilm

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Geschrieben 21 Oktober 2007 - 21:13

Ein Kritiker ist ein Mensch, der keine schöpferischen Anlagen besitzt und sich daher befähigt fühlt, das Werk von schöpferischen Menschen zu beurteilen. Darin steckt eine gewisse Logik; er ist unparteiisch - er haßt alle schöpferischen Menschen gleich. R. A. Heinlein in "Die Leben des Lazarus Long"

Ach je, gehen wir jetzt vom allgemeinen Gejammere "Niemand mag die SF" zu ähnlich unorigineller Kritiker-Schelte über?

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