Zum Inhalt wechseln


Foto

"Pax Terra!" - Imperien nicht nur in der Science Fiction


  • Bitte melde dich an um zu Antworten
19 Antworten in diesem Thema

#1 Beverly

Beverly

    Temponaut

  • Mitglieder
  • PIPPIPPIPPIPPIP
  • 1.668 Beiträge

Geschrieben 04 Februar 2008 - 10:28

Das Konzept des "Imperiums" oder "Großreich" gibt es in der Menschheitsgeschichte seit dem Aufkommen der ersten Hochkulturen mit Arbeitsteilung, Städten und Schriftgebrauch. Das Schema ist immer das Gleiche: in einer Weltregion bilden sich zuerst lokale oder reagionale Gemeinwesen heraus. Stadtstaaten, kleine Länder und dergleichen. Dann kommt entweder aus diesen Kleinstaaten oder von außen jemand, der sie unter seine Herrschaft zwingt. Eim Imperium ist geboren. Manche Imperien mögen damit angefangen haben, ein zersplittertes "Volk" zu einen, doch damit begnügen sie sich nicht. Selbst wenn an der Spitze eines Imperiums nur Angehörige eines Volkes stehen - zum Erobern und Unterwerfen ist ihnen jedes Volk recht. Manche Imperien gehen noch halbwegs fair mit unterworfenen Völkern um und geben ihnen zumindest als Untertanen Gleichbereichtigung - solange sie nicht aufmucken. Andere Imperien basieren auf einem mehr oder weniger großen Rassismus, der im Nazi-Reich darin gipfelte, als "minderwertig" angesehene Völker einfach umzubringen.

In der Menschheitsgeschichte dürfte das erste Imperium das Reich der Akkader im 3. Jahrtausend vor Christus gewesen sein. Es reichte von Mesopotamien bis ans Mittelmeer und ans Schwarze Meer. Das schlimmste Imperium war das Nazi-Reich, das ingesamt nur 12 Jahre bestand. Als letztes Imperium gelten derzeit die USA, die ihre diplomatische, ideologischen und wirtschaftliche Hegemonie auch auf mutmaßliche Rivalen - die EU, Russland und China - erstrecken. So nach dem Motto: Sorge dafür, dass deine Konkurrenten in der Wirtschaft und im Sozialen die gleichen oder noch schlimmere Fehler machen als du selbst, dann sind sie unglaubwürdig.

Meines Erachtens müsste schon das in der Geschichte immergleiche blutige Schema von Aufstieg und Fall zukünftige Reichsgründer und Möchtegern-Imperatoren abschrecken. Wenn nicht sie selbst, da Machtwahn gepaart mit Realitätsverlust nicht nur beim Größten Imperator aller Zeiten als herrschaftliche Tugenden gelten, dann wenigstens beim zukünftigen Fußvolk. Heute reicht es selbst für mäßig intelligende Menschen aus, bei Wikipedia nach den Assyrern oder römischen Kaisern zu recherchieren, um stutzig zu werden. War das nicht alles eine einzig große Verarsche? So "durfte" der Bürger von Damaskus, das seit 4500 Jahren ununterbrochen bewohnt ist, das Kommen und Gehen der Akkader, der Ägypter, kurzzeitig der Isralis (unter König David), der Assyrer, der Babylonier, der Perser, der Griechen, der Römer, der Byzantiner, der Araber, der Mongolen, wieder der Ägypter, der Osmanen, nach 1918 kurrzeitig der Araber unter König Faisal und dann der Franzosen erleben. Für einige Jahre regierten unter Nasser noch einmal die Ägypter, doch seitdem ist Damaskus nur noch die Hauptstadt von Syrien.
Zu erwartende Verhaltensmuster: der gemeine Bürger entwickelt Aversion und Misstrauen gegen den Staat, der in in immer neuen Inkarnationen und zum Teil - etwa bei den Mongolen - mit äußerster Brutalität entgegentritt. Man ist - im Falle der Damaszener - Moslen, Christ oder auch Agnostiker, ist ethnisch Araber, doch all die wechselnden Imperien und wechselnden Herren waren als Audruck dieser Identität nur selten tauglich. Selbst bei gemeinsamer Volkszugehörigkeit und gemeinsamen Glauben dürft oft das Trennende überwogen haben - und was hat der Damaszener mit Türken, Mongolen oder gar Franzosen gemeinsam?

Und wem Damaskus zu weit weg ist, der muss sich fragen, was uns Deutschen die zwischen 1871 und 1945 mit zunehmender Brutalität verfolgten imperialen Bestrebungen gebracht haben? Und wie ist es mit dem Ansehen von Amis, Briten und Franzosen, deren Imperien nicht so krachend untergingen, wie das Nazi-Reich, in der noch oder ehemals von ihnen beherrschten Welt wirklich bestellt?

Doch wenn es nach manchen Science-Fiction-Autoren geht, können wir uns auch in Zukunft auf neue und noch "gewaltigere" Imperien "freuen" ;) Imperiale Pracht und Herrschlichkeit und auch das mit ihr zwangsläufig einhergehende Chaos und Elend gibt es u. a. in:

- der "Future History" von Poul Anderson, wo auf die "Polesotechnische Liga" das "Imperium" von Kaiser Manuel dem Großen folgt.

- bei "Perry Rhodan", wobei sich das "Solare Imperium" neben dem ganze Galaxien unterjochenden "Hetos der Sieben" gerade harmlos und liberal ausnimmt

- im DUNE-Zyklus von Frank Herbert

- im FOUNDATION-Zyklus von Asimov

- in QUEST und DIE HAARTEPPICHKNÜPFER von Andreas Eschbach

- das "Imperium" im Todtsteltzer-Zyklus von Simon R. Green

Mit Sicherheit gibt es in der SF noch viel, viel mehr Imperien. Doch schon bei dieser Aufzählung fällt mir eine Gemeinsamkeit auf: Eigentlich möchte ich in keinem dieser Imperien leben und einige sind trotz - oder wegen? - ihrer überlegenen Technologie so entsetzlich, dass selbst die akute BRD dagegen noch Utopia ist.
Im Imperium von Ihro Majestät Löwenstein XIV. ist der einfache Bürger vor allem eines: entbehrlich. Nachdem sich das Hetos der Sieben die Milchstraße einverleibt hat, tut die wirtschaftlich einen tiefen Fall nach unten: ihre Wirtschaftsleistung sinkt auf einen winzigen Bruchteil des Wertes vor der Eroberung und ehemals pulsierende Metropolen veröden.

Und schon Poul Anderson macht klar, worum es sich bei einem "Imperium" in Wirklichkeit handelt: um ein Niedergangsphänomen. Die raumfahrende Menschheit hatte ihre Blütezeit in der Polesotechnischen Liga, die an der Gier ihrer Plutokraten zugrunde ging. Kaiser Manuel sammelte dann im Imperium nur noch die Trümmer ein und verlieh ihnen einen trügerischen Glanz. Doch schpn 3000 ahnt Dominic Flandry den kommenden Untergang und im Jahr 3500 ist die Reichsparty vorbei und der Untergang des Imperiusm riss vermutlich Milliarden mit in den Tod.

Während in Andersons Imperium noch redliche Menschen gegen den Verfall ankämpfen, macht Simon R. Green von Anfang an klar, was sein Imperium ist: eine fremde Rassen unterjochende und die Menschheit versklavende Abscheulichkeit. Rebelliert eine Welt gegen das Imperium, wird die Rebellion entweder brutalstmöglich niedergeschlagen oder diese Welt vernichtet. Zur Abschreckung. Nur ein Planet - Nebelwelt - kann unter ungeheuren Mühen alle Angriffe des Imperiums abwehren.

Manche der Ideen von "Perry Rhodan" halte ich bei aller Märchenhaftigkeit und zu simplen Charakterzeichnungen gerade heute für besser und überzeugender als das gutmenschenhafte Genörgel von Leuten, die meinen alle Probleme auf der Erde lösen zu können. Es ist richtig, die Menschheit zu einen und ihr Herausforderungen im All zu bieten, um sie davon abzuhalten, sich auf der Erde gegenseitig zu zerfleischen. Jene so schnell nicht ausrottbare Gier und Egoismus - das Negative halt - was auf der Erde mangels Betätigungsfelder in Zerstörung und Selbstzerstörung enden wird, kann sich im All austoben, ohne zur permanenten Gefahr für die Mitmenschen zu werden.
Doch eigentlich zeigt die Serie schon von Anfang an, was für ein Schmu Imperien sind. Als einfacher Astronaut begegnet Perry Rhodan gleich den Angehörigen eines Imperiums, dass seine besten Tage schon lange hinter sich hat: den Arkoniden Crest und Thora.
Auch seinem "Solaren Imperium" ergeht es nicht besser: schon in den ersten Jahrhunderten gibt es Sezessionsbestrebungen, die sich ab dem 25. Jahrhundert Bahn brechen und im 35. Jahrhundert zu einer Menschenheit führen, die ebenso gespalten ist wie im 20. Jahrhundert. Nur nicht mehr auf einem Planeten sondern in einer Galaxis. Das schon erwähnte Hetos der Sieben terminiert das Solare Imperium dann ebenso wie seine Rivalen in der Milchstraße. Es selbst ist aber trotz seiner monströsen Größe auch nicht von Dauer ...

Also: Sind Imperien in der SF nur Horror, Vision oder Horrorvision?

#2 cekay

cekay

    Infonaut

  • Mitglieder
  • PIPPIP
  • 297 Beiträge
  • Geschlecht:männlich

Geschrieben 04 Februar 2008 - 10:48

Naja... das ist eine komplizierte Frage. Nach heutigen Maßstäben ist der Gedanke eines Imperiums keine gute Sache. Europas letztes richtiges Imperium, das Römische Reich, ist aus einer Republik entstanden und kam zum Fall, als es sich nicht mehr selbst kontrollieren konnte. Dadurch riss es einen Spalt in die Geschichte dieses Kontinents, auch aufgrund der Völkerwanderung. Was folgte waren Jahrhunderte von kulturellem Schattenspiel.Die Moderne Lehre sagt, dass ein kleiner und selbstständiger aber in einer wirtschaftlichen und militärischen Vereinigung wirkender Staat viel effektiver ist, viel handlungsfähiger und besser für die Bevölkerung ist. Alleine schon wegen der kleineren bürokratischen Hürden, der auf die Bevölkerung besser zugeschnittenen Politik, der kürzeren Handlunsgwege, der geringeren geographischen Hürden sind solche Länder fähiger und sicherer. Staaten, wie Luxemburg, die Schweiz oder beispielsweise Estland sind daher nicht ohne Grund viel effizienter und werden auch nie solche Probleme haben, wie etwa der flächenmäßig und was wie ein Imperium aggierende Staat östlich des Dniepr. Die Russische Föderation, die es immer noch nicht geschafft hat, aus den Klauen des dekadenten Zarentums und des maroden Kommunismus zu gelangen. Im Gegenteil, Historiker und Sozialwissenschaftler prognostizieren diesem großen Staat einen erneuten Untergang, im rechten Spektrum. Zu sehen ist das schon heute. Die Gesinnung geht nach rechts, die Mentalität auf der Straße ist imperialistisch gestimmt, die politische Kultur deformiert sich in Extreme und erst kürzlich hat Wladimir Putin einige Dinge, wie direkte Wahlen etwa, einfach abgeschafft. Die bisher durch direkte und geheime Wahlen bestimmten Gouverneure der russischen Teilstaaten werden nun von ihm ernannt. Damit ist er ein mit einem Mäntelchen überzogener Diktator auf Zeit, um es mal so auszudrücken.Ein Imperium wäre schlicht und einfach zu gewaltig für die Belange und Probleme der Welt, die es darstellen würde. Die zu große Bevölkerung darin, die zu großen Unterschiede in sozialer und kultureller Hinsicht. Die einfach zu langen Wege von ganz unten nach ganz oben. Ja und... ein schließlich nicht kontrollierbarer Machtapparat. Denn wer sagt einem, dass dieser immer das richtige tut? In einer kleinen Demokratie hingegen kann man sich keine Patzer erlauben, auch wenn dies manchmal passiert. Jeder Fehler wird jedenfalls bestraft und daher in der Schweiz unliebsame Regierungsführer einfach abgewählt oder Schreckensgestalten wie der nun ehemalige Premier Polens abgewählt.Daher ist auch beispielsweise die Europäische Union eine tolle Sache. Die vielen Staaten bleiben sie selbst, solange dieser Wahngedanke der Nation erhalten bleibt. Nur, dass die EU noch nicht sehr weit vorangeschritten ist, in ihrer Entwicklung.

#3 Beverly

Beverly

    Temponaut

  • Mitglieder
  • PIPPIPPIPPIPPIP
  • 1.668 Beiträge

Geschrieben 04 Februar 2008 - 12:26

Naja... das ist eine komplizierte Frage. Nach heutigen Maßstäben ist der Gedanke eines Imperiums keine gute Sache. Europas letztes richtiges Imperium, das Römische Reich, ist aus einer Republik entstanden und kam zum Fall, als es sich nicht mehr selbst kontrollieren konnte. Dadurch riss es einen Spalt in die Geschichte dieses Kontinents, auch aufgrund der Völkerwanderung. Was folgte waren Jahrhunderte von kulturellem Schattenspiel. Die Moderne Lehre sagt, dass ein kleiner und selbstständiger aber in einer wirtschaftlichen und militärischen Vereinigung wirkender Staat viel effektiver ist, viel handlungsfähiger und besser für die Bevölkerung ist. Alleine schon wegen der kleineren bürokratischen Hürden, der auf die Bevölkerung besser zugeschnittenen Politik, der kürzeren Handlunsgwege, der geringeren geographischen Hürden sind solche Länder fähiger und sicherer. Staaten, wie Luxemburg, die Schweiz oder beispielsweise Estland sind daher nicht ohne Grund viel effizienter und werden auch nie solche Probleme haben, wie etwa der flächenmäßig und was wie ein Imperium aggierende Staat östlich des Dniepr. Die Russische Föderation, die es immer noch nicht geschafft hat, aus den Klauen des dekadenten Zarentums und des maroden Kommunismus zu gelangen. Im Gegenteil, Historiker und Sozialwissenschaftler prognostizieren diesem großen Staat einen erneuten Untergang, im rechten Spektrum. Zu sehen ist das schon heute. Die Gesinnung geht nach rechts, die Mentalität auf der Straße ist imperialistisch gestimmt, die politische Kultur deformiert sich in Extreme und erst kürzlich hat Wladimir Putin einige Dinge, wie direkte Wahlen etwa, einfach abgeschafft. Die bisher durch direkte und geheime Wahlen bestimmten Gouverneure der russischen Teilstaaten werden nun von ihm ernannt. Damit ist er ein mit einem Mäntelchen überzogener Diktator auf Zeit, um es mal so auszudrücken. Ein Imperium wäre schlicht und einfach zu gewaltig für die Belange und Probleme der Welt, die es darstellen würde. Die zu große Bevölkerung darin, die zu großen Unterschiede in sozialer und kultureller Hinsicht. Die einfach zu langen Wege von ganz unten nach ganz oben. Ja und... ein schließlich nicht kontrollierbarer Machtapparat. Denn wer sagt einem, dass dieser immer das richtige tut? In einer kleinen Demokratie hingegen kann man sich keine Patzer erlauben, auch wenn dies manchmal passiert. Jeder Fehler wird jedenfalls bestraft und daher in der Schweiz unliebsame Regierungsführer einfach abgewählt oder Schreckensgestalten wie der nun ehemalige Premier Polens abgewählt. Daher ist auch beispielsweise die Europäische Union eine tolle Sache. Die vielen Staaten bleiben sie selbst, solange dieser Wahngedanke der Nation erhalten bleibt. Nur, dass die EU noch nicht sehr weit vorangeschritten ist, in ihrer Entwicklung.

@kshishu, interessante Ausführungen. Wobei ich aber denke, dass auch der Föderalismus nicht unumstritten ist. So werden Erscheinungen wie die "Kultusministerkonferenz" für die Misere im deutschen Bildungswesen verantwortlich gemacht. Und der "föderale" Charakter der USA verhalf 2000 George W. Bush zur Präsidentschaft, obwohl Al Gore vielleicht mehr Stimmen hatte. Aber man kann die Misere des Föderalen oft auf zwei Dinge zurückführen: 1. Die Kompetenzen von Zentralregierung und Teilstaaten sind nicht klar getrennt. Der Teilstaat hat keinen richtigen Gestaltungsspielraum, weil er am Gängelband politischer und wirtschaftlicher Faktoren hängt, die er nicht beeinflussen kann. Die Zentralregierung kann keine wirklich verbindlichen Regelungen erlassen, weil die Teilstaaten mit ihren Vorgaben machen was sie wollen ... 2. Während in zentralistischen Staaten - siehe Russland - die Zentralgewalt sich in die Teilstaaten einmischt, mischen in dysfunktionalen Föderalismen die Regionalpolitiker in der Zentralregierung mit. So ist es in der BRD für die Ministerpräsidenten der Länder immer mehr Usus geworden, entweder durch eigene bundesweit geltende Gesetze etwa per Staatsvertrag, über den Bundesrat oder durch bundesweite Profilierungssucht Befugnisse der Zentralgewalt an sich zu reißen. Ihnen geht es dann mehr um eine Karriere in Berlin als darum, sich um das eigene Land zu kümmern. Ob das ein Herr Beck macht (so sehr ich den auch schätze) oder ein Herr Koch ... den Herrn Beck halte ich für einen guten Landespolitiker, aber in der Bundepolitik für überfordert, Herr Koch war vielleicht schon mit seinem Land überfordert. IMHO sollten sich Politiker wirklich entscheiden, ob sie lieber bodenständig "vor Ort" arbeitern oder durch die "große Welt" jetten. Beides zu vermischen führt am Ende dazu, dass sie in beidem scheitern. Doch um den Bogen mal wieder zur Science Fiction zu bekommen: dort gibt es als Gegenentwurf zum Imperium die "Föderation", einem Konzept dem "Star Trek" zum Durchbruch verholfen hat. Davor hat es aber schon Jack Vance mit dem "Gaeanischem Reich" und dem "Sternhaufen Alastor" entwickelt. Das Prinzip ist: man behält seine kulturelle und zum Teil auch politische Eigenständigkeit, ist aber Teil eines größeren Ganzen. Wenn man nicht gerade so blöd ist, das Staatsoberhaupt ermorden zu wollen oder gegen andere Teilstaaten Krieg führen zu wollen, darf man auf seinem Territorium machen was man will. So hat ihm Sternhaufen Alastor jedes Gemeinwesen eine große Autonomie und sein Herrscher, der Connat, lässt in der Regel die Dinge laufen. Richtig ungnädig reagiert er nur, wenn man ihn ermorden will. Meines Wissens erbt der Connat seine Position, es ist also eine Verbindung von monarchischem Autoritarismus und Föderalismus. Wenn Putin klug wäre, würde er auf so etwas hinarbeiten: eine Zentralgewalt, welche zu destruktiv agierende Oligarchen und Polit-Rowdys an die Kandare nimmt, aber in den einzelnen Regionen versucht, "von Unten" ein demokratisches System aufzubauen. Erst wenn er so einen Weg einschlägt und auch glaubwürdig rüberbringt, glaube ich, dass man mit Russland wieder rechnen muss. Autoritarismus pur ... du hast es selbst geschrieben: eine Neuauflage dekadenten Zarentums. Was nun die "Föderation" in "Star Trek" betrifft, so wurden bei verschiedenen Diskussionen in verschiedenen Foren Zweifel an ihrem "Friede-Freude-Eierkuchen"-Charakter und ihrer wirklich demokratischen Struktur geäußert. Ist bei denen nicht ständig Roter Alarm und führen sie nicht ständig Krieg gegen andere Machtblöcke? Der gewählte Präsident der Föderation erscheint allenfalls in ein oder zwei Folgen, die Admiräle und Admiralinnen sieht man dagegen ständig. Militärdiktatur, ick hör dir trappsen :thumb: Aber andererseits ist die Föderation wirklich eine Föderation, ein Verbund von teilweise grundverschiedenen Kulturen und Lebensweisen. Die Betazoiden sind anders als die bierernsten Vulkanier und die Menschen habe so ihre Macken und Leichen im Keller ... Selbst unter der Maßgabe, dass die "Föderation" alles andere als direktdemokratisch ist, hat sie auf mich nicht den abschreckenden Charakter wie all die Imperien in der SF. Das mag Geschmackssache sein, aber soweit ich das überblicken kann, ist sie für ganz verschiedene Lebensweisen offen. Wem es auf Betazed gefällt, der wird Vulkan wohl schrecklich finden. Trotzdem ist für beide Sichweisen Platz. In einem Imperium wäre das kaum der Fall. Entweder müssten sich die einen den anderen anpassen - also Vereinheitlichung - oder die einen wären die Herren, die anderen die Sklaven. Oder tot. Deswegen gehört vielleicht föderalen Strukturen sowohl in der wirklichen Welt als auch in der SF die Zukunft und Imperien werden von SF-Autoren vor allem zum Zwecke der Abschreckung ausgebrütet.

#4 Gast_Tempura_*

Gast_Tempura_*
  • Guests

Geschrieben 04 Februar 2008 - 13:59

Doch um den Bogen mal wieder zur Science Fiction zu bekommen: dort gibt es als Gegenentwurf zum Imperium die "Föderation", einem Konzept dem "Star Trek" zum Durchbruch verholfen hat.

Die Förderation aus Star Trek ist einfach nur eine 1:1-Kopie des realen Politischen Systems der USA. Wobei es sogar noch weiter geht und man mit der Sternenflotte eine Weichgespülte Navy/Luftwaffe/Army hat, die dann ziemlich genau die gleiche Politische Position haben, wie die realen Vorbilder.

Was nun die "Föderation" in "Star Trek" betrifft, so wurden bei verschiedenen Diskussionen in verschiedenen Foren Zweifel an ihrem "Friede-Freude-Eierkuchen"-Charakter und ihrer wirklich demokratischen Struktur geäußert. Ist bei denen nicht ständig Roter Alarm und führen sie nicht ständig Krieg gegen andere Machtblöcke?

Man sollte hier nicht Förderation aka Bundesebene mit der Armee (=Sternenflotte) und den einzelnen Mitgliedsstaaten (=Kommunalebene) vermischen. Auch sollte nicht übersehen werden das das Universum von Star Trek ein ganze Stück aggresiver ist, als unseres. Wir haben nur Lokale Konflikte, aber keine echten Kriege auf Augenhöhe. Bei Star Trek ist das anders. Da gibt es ja an jeder Ecke irgendeine Militärische gleichwertige oder (anfangs) überlegene Macht die begierig darauf wartet ihre Wirtschaft zu ruinieren für ein paar Idiologische Spielchen.

Wem es auf Betazed gefällt, der wird Vulkan wohl schrecklich finden. Trotzdem ist für beide Sichweisen Platz. In einem Imperium wäre das kaum der Fall. Entweder müssten sich die einen den anderen anpassen - also Vereinheitlichung - oder die einen wären die Herren, die anderen die Sklaven.

Interessante Sichtweise. Abe rauch ein Imperium kann die Freiheit einer Förderation bieten, genauso wie eine Förderation und sogar Demokratie, den schädlichen zwang eines Imperiums haben kann. Die Systeme haben aufgrund ihrer Natur nur größere Wahrscheinlichkeiten in die eine oder andere richtung zu driften.

#5 Beverly

Beverly

    Temponaut

  • Mitglieder
  • PIPPIPPIPPIPPIP
  • 1.668 Beiträge

Geschrieben 04 Februar 2008 - 21:15

Abe rauch ein Imperium kann die Freiheit einer Förderation bieten, genauso wie eine Förderation und sogar Demokratie, den schädlichen zwang eines Imperiums haben kann. Die Systeme haben aufgrund ihrer Natur nur größere Wahrscheinlichkeiten in die eine oder andere richtung zu driften.

Ja, sicher. So driften die realen USA schließlich zwischen Föderation, Demokratie und Imperium und sind nicht einmal davor gefeit, für schwachsinnige Ideologien ihre Gesellschaft und die Wirtschaft (und zwar exakt in dieser Reihenfolge) zu ruinieren (nur heißen die Ideologien anders als beim Erzrivalen UdSSR). Doch das Spezifische und IMHO Verhängnisvolle am Imperium ist diese Abfolge von - polyzentrische Staatenwelt: die Antike vor Rom, die Polesotechnische Liga bei Anderson - Krise der polyzentrischen Staatenwelt: endlose Kriege und Konflikte der antiken Staaten vor Rom, die Polesotechnische Liga geht an der Gier der Plutokraten zugrunde - Gründung des Imperiums als scheinbare Lösung: da unterscheiden sich Kaiser Augustus - real - und Kaiser Manuel - fiktiv - im Prinzip nicht. Beide sahen sich als Überwinder des Chaos und Begründer eines neuen Goldenen Zeitalters - die (scheinbare) Blütezeit: Rom von ca. 30 vor bis ca. 200 nach Christus, das Imperium Kaiser Manuels in der Phase seiner Expansion. Doch das Rom der Kaiserzeit war IMHO weder intellektuell noch politisch so rege und vielfältig wie die antike Welt davor und auch die Römische Republik. Von dem Herrn Mommsen wird gesagt, er fand die römische Republik ungeheuer spannend und Rom zur Kaiserzeit langweilig und der muss es ja wissen. Anderson schreibt, dass die Polesotechnische Liga fortschrittlich und das Imperium rückschrittlich waren. - der Niedergang: Rom ab Mitte des 3. Jahrhunderts, das Imperium Manuels des Großen ab dem Jahr 3000. Ein römischer Historiker sah im 4. Jahrhundert nicht nur die Hunnen, sondern auch das Ende Roms kommen. Dominic Flandry muss begreifen, dass er den Untergang nur aufhalten aber nicht verhindern kann. - das Ende: in der antiken Millionenstadt Rom lebten irgendwann im 6. oder 7. Jahrhundert nur noch 20 000 Menschen und auf dem Forum wurde Ackerbau betrieben. Im Jahr 3500 existiert Andersons fiktives Imperium nicht mehr - das nächste Imperium - so lange bis die Menschen irgendwann die Schnauze voll haben ... Meines Erachtens sind Imperien eng mit einem zyklischen Ablauf der Geschichte verbunden und zwar einer ziemlich brutalen Achterbahn von Aufstieg und Niedergang, ggfs. mit Katastrophen am Ende und Katastrophen am Neubeginn. So endeten Imperien nicht nur brutal, sondern viele Reichsgründer waren auch mehr oder weniger brutal. Diesen Zyklus empfinde ich letztendlich als Verarschung, weil sich die Menschen darin immer im Kreis drehen. Es gibt weder Fortschritt noch eine behagliche Stagnation. Mann muss so Opfer bringen, wie es die Menschheit wohl für den Fortschritt getan hat, doch wird - Abstieg und Ende - um die Früchte seiner Opfer betrogen. Man stagniert, aber ohne die Beschaulichkeit der Stagnation.

#6 †  a3kHH

†  a3kHH

    Applicant for Minion status in the Evil League of Evil

  • Mitglieder
  • PIPPIPPIPPIPPIP
  • 5.923 Beiträge
  • Geschlecht:männlich

Geschrieben 05 Februar 2008 - 07:04

Diesen Zyklus empfinde ich letztendlich als Verarschung, weil sich die Menschen darin immer im Kreis drehen. Es gibt weder Fortschritt noch eine behagliche Stagnation. Mann muss so Opfer bringen, wie es die Menschheit wohl für den Fortschritt getan hat, doch wird - Abstieg und Ende - um die Früchte seiner Opfer betrogen. Man stagniert, aber ohne die Beschaulichkeit der Stagnation.

Ein Imperium entsteht nicht aus dem Nichts. Sondern ist nur eine politische Reflektion der Geisteshaltung der Menschen, die in ihm leben. Oder anders gesagt : Jeder hat genau die politische Realität, die er verdient hat. :D Von daher sind die utopischen Imperien nur Reflektionen der Vergangenheit bzw. Projektionen der Gegenwart. Neue politische Systeme werden meines Wissens (noch ?) nicht entwickelt. Und die Imperien der SF, die Du angesprochen hast, sind meiner Meinung nach nur Echos des Römischen Reichs.

#7 cekay

cekay

    Infonaut

  • Mitglieder
  • PIPPIP
  • 297 Beiträge
  • Geschlecht:männlich

Geschrieben 05 Februar 2008 - 09:40

Ein Imperium entsteht nicht aus dem Nichts. Sondern ist nur eine politische Reflektion der Geisteshaltung der Menschen, die in ihm leben. Oder anders gesagt : Jeder hat genau die politische Realität, die er verdient hat. :) Von daher sind die utopischen Imperien nur Reflektionen der Vergangenheit bzw. Projektionen der Gegenwart. Neue politische Systeme werden meines Wissens (noch ?) nicht entwickelt. Und die Imperien der SF, die Du angesprochen hast, sind meiner Meinung nach nur Echos des Römischen Reichs.

Sehe ich ähnlich. Neue politische Systeme wurden für die SF noch nicht wirklich entwickelt und alles, was wir bisher lesen durften, war in der Realität so oder ähnlich schon da. Aber abgesehen davon glaube ich, dass ein Imperium etwas aus der Vergangenheit ist und es wohl erst einmal auch bleiben wird. Dazu sind die Menschen momentan einfach zu unterschiedlich. Zu viele Subkulturen und ein Einstellungen tummeln sich in unseren Geistern. Und eine starke, alle Schichten umfassende politische Gesinnung gibt es auch nicht. Die Zustimmung für einen imperialen Regierungsapparat wäre es also erst einmal auch garnicht gegeben.

#8 Beverly

Beverly

    Temponaut

  • Mitglieder
  • PIPPIPPIPPIPPIP
  • 1.668 Beiträge

Geschrieben 05 Februar 2008 - 09:55

(...)Und die Imperien der SF, die Du angesprochen hast, sind meiner Meinung nach nur Echos des Römischen Reichs.

Die Parallelen zum Römischen Reich sind bei Asimovs und Andersons Imperien am deutlichsten. Allerdings bezweifle ich, ob es realistisch ist, ein System der Eisenzeit so einfach auf eine moderne Gesellschaft zu übertragen. Heute braucht man nur bei Wikipedia zu recherchieren und ein bisschen nachzudenken, dann weiß man, was einem mit einem "Imperium" droht. Wer hat da noch Lust auf ein galaktisches Remake des Imperium Romanorum?

#9 Pirx

Pirx

    Giganaut

  • Mitglieder
  • PIPPIPPIPPIP
  • 695 Beiträge
  • Geschlecht:männlich
  • Wohnort:Moers

Geschrieben 05 Februar 2008 - 12:30

Die Parallelen zum Römischen Reich sind bei Asimovs und Andersons Imperien am deutlichsten. Allerdings bezweifle ich, ob es realistisch ist, ein System der Eisenzeit so einfach auf eine moderne Gesellschaft zu übertragen. Heute braucht man nur bei Wikipedia zu recherchieren und ein bisschen nachzudenken, dann weiß man, was einem mit einem "Imperium" droht. Wer hat da noch Lust auf ein galaktisches Remake des Imperium Romanorum?

Ganz schöne unhistorische schwarzweiß Malerei...
Gruß

Pirx
  • (Buch) gerade am lesen:Asprin: Tambu
  • (Buch) als nächstes geplant:Heitz: Drachenkaiser
  • • (Buch) Neuerwerbung: Greenland: Sternendieb
  • • (Film) gerade gesehen: Cargo
  • • (Film) als nächstes geplant: Illuminati
  • • (Film) Neuerwerbung: Batman - The Dark Knight

#10 Yoscha

Yoscha

    Cybernaut

  • Mitglieder
  • PIPPIPPIP
  • 304 Beiträge
  • Geschlecht:männlich
  • Wohnort:Bremen

Geschrieben 05 Februar 2008 - 13:33

"But apart from the sanitation, the medicine, education, wine, public order, irrigation, roads, the fresh-water system, and public health, what have the Romans ever done for us?"
Willkommen am Teufelsmeer.
Eine nicht ganz ernsthafte Zukunftsvision.
Coming Soon.

#11 Pirx

Pirx

    Giganaut

  • Mitglieder
  • PIPPIPPIPPIP
  • 695 Beiträge
  • Geschlecht:männlich
  • Wohnort:Moers

Geschrieben 05 Februar 2008 - 13:50

"But apart from the sanitation, the medicine, education, wine, public order, irrigation, roads, the fresh-water system, and public health, what have the Romans ever done for us?"

Ja, ja, der gute Brian :) Ein sehr schönes Beispiel. Ansonsten kann ich zu dem Thema noch aus dem Freizeitliteraturbereich Stephen Baxters "Die Zeit-Verschwörung"-Reihe empfehlen. Die römische Expansion hatte natürlich auch ihre Schattenseiten - Kriege, Vernichtung einiger germanischer Stämme etc.
Gruß

Pirx
  • (Buch) gerade am lesen:Asprin: Tambu
  • (Buch) als nächstes geplant:Heitz: Drachenkaiser
  • • (Buch) Neuerwerbung: Greenland: Sternendieb
  • • (Film) gerade gesehen: Cargo
  • • (Film) als nächstes geplant: Illuminati
  • • (Film) Neuerwerbung: Batman - The Dark Knight

#12 Beverly

Beverly

    Temponaut

  • Mitglieder
  • PIPPIPPIPPIPPIP
  • 1.668 Beiträge

Geschrieben 05 Februar 2008 - 15:44

"But apart from the sanitation, the medicine, education, wine, public order, irrigation, roads, the fresh-water system, and public health, what have the Romans ever done for us?"

Sie haben uns das Christentum in einer Form gebracht, die selbst Jesus nicht unbedingt wiedererkennen würde. Danke auch :) Soweit die o. g. Errungenschaften vorhanden war, waren es Errungenschaften aller antiken Völker und nicht nur der Römer. Die Römer haben sich das alles einverleibt und was sie nicht einverleiben konnten oder wollten, haben sie brutal ausgerottet - die Kultur der Karthager, das antike Israel. Und als für Rom Ultimo war, war auch für viele dieser Errungenschaften erst einmal Schluss, weil Rom sie mit in den Untergang riss. Schon in der Spätantike stagnierte IMHO Rom geistig und da es in der Alten Welt außer Rom nicht mehr viel gab, stagnierte die ganze Welt. Vielleicht ist es kein Zufall, dass ausgerechnet die Araber, die im Gegensatz zu den Germanen kulturell recht hoch standen, aber nie von Rom erobert wurden, frischen Wind in die Alte Welt brachten (auch wenn man über die Natur dieses "Windes" streiten kann) und sie bei ihren Eroberungen so leichtes Spiel hatten. Wobei ihr eigenes Imperium zwar zeitweise vom Indus bis zu den Pyränäen reichte, es sich bezeichnenderweise aber recht schnell auflöste.

Bearbeitet von Beverly, 05 Februar 2008 - 15:46.


#13 Yoscha

Yoscha

    Cybernaut

  • Mitglieder
  • PIPPIPPIP
  • 304 Beiträge
  • Geschlecht:männlich
  • Wohnort:Bremen

Geschrieben 05 Februar 2008 - 16:35

Man kann die Weltgeschichte wenn man Lust hat auf monokausale Zyklen zusammenstampfen. Macht aber wenig Sinn.Deine ganze Kausalkette basiert eigentlich nur auf geistenwissenschaftlichen Argumenten. Da kann ich eine rein naturwissenschaftliche Arumnetation dagegenhalten und beide sind in ihrer Monokausalität suboptimal.Nehmen wir die antike Welt.Zwischen 100 v.Chr. und ca. 400 n.Chr. hatten wir ein Klimaoptimum. Ein Klimaoptimum führte zu erhöhten Ernteerträge. Als direkte Folge davon konnte der produzierte Überschuss in Handelskontakte und kulturell-geistige Errungenschaften investiert werden.In Zeiten eines solchen Klimaoptimums kam es stets zur Bildung von organisierten politischen Entitäten, um den Fluss des Produktionsüberschusses zu gewährleisten. Schon die Gründung der ersten Hochkulturen fällt mit einem Klimaoptimum zusammen.Gegen Ende dieses Klimaoptimums verschlechterte sich das Klima, Überschüsse sanken, bis nicht mehr genug Überschüsse für den Erhalt des kulturellen Niveaus übrigblieb. Zusätzlich zwang die Klimaverschlechterung auch noch andere Völker zu Wanderungen.Ergo Roms Untergang war ein rein klimaggeschichtliches Phänomen. Selbst polyzentrische Kulturen wären unter diesen Umständen in eine Krise geraten, die ihre Existenz gefährdet hätte.Die ganze Menschheitsgeschichte ist nur eine Reaktion auf klimatische Verhältnisse.[Disclaimer: Nein, so monokausal ist mein Weltbild nicht, ich glaube an ein polykausales Geschichtsbild. Monokausale Geschichtsbilder halte ich eigentlich nicht für diskutabel.]
Willkommen am Teufelsmeer.
Eine nicht ganz ernsthafte Zukunftsvision.
Coming Soon.

#14 MartinHoyer

MartinHoyer

    Temponaut

  • Mitglieder
  • PIPPIPPIPPIPPIP
  • 1.511 Beiträge

Geschrieben 07 Februar 2008 - 10:17

"But apart from the sanitation, the medicine, education, wine, public order, irrigation, roads, the fresh-water system, and public health, what have the Romans ever done for us?"

:lol: So sehr ich den Film und den Humor auch genieße ... Diese Aussage vernachlässigt den historischen Fakt, dass die Römer ihre kulturellen Errungenschaften, die sie bei unterjochten Völkern so freigiebig verteilt haben, von zuvor unterjochten Völkern übernommen haben. Und letztendlich dienten die Errungenschaften auch nur dazu, ein im Grunde überholtes System urbaner Kolonien sowie die militärischen Nachschubwege auszubauen und am Leben zu halten. Und, das ist der Knackpunkt bei Imperien: Sie sind nur stabil, so lange sie sich ausdehnen (können). Kommen sie zur Ruhe, ersticken sie an ihrer Größe, am schieren Verwaltungsaufwand, an der damit einher gehenden Unübersichtlichkeit, der daraus resultierenden Korruption und den damit aufkommen Strukturschwächen. Hinzu kommt die an der Vielzahl innenpolitischer und gesellschaftlicher Strömungen, die wahrscheinlich der noch ausschlaggebendere Faktor sind, dass Imperien grundsätzlich eine begrenzte Haltbarkeit haben. Kurz: Imperien gehen von der irrigen Annahme aus, dass es nur eine etablierte (wenn auch ggf. sanft durchgesetzte und Bedürfnisse berücksichtigende) Ordnung braucht, in die sich die breite Masse willig fügt. Dummerweise gibt es schon "die Masse" nicht. Und Teile davon entwickeln grundsätzlich irgendwann eine Vorstellung von Ordnung, die der vorherrschenden zuwider läuft - unabhängig vom politischen System.
Though my soul may set in darkness, it will rise in perfect light;
I have loved the stars too fondly to be fearful of the night.
(Sarah Williams: The Old Astronomer To His Pupil)

#15 cekay

cekay

    Infonaut

  • Mitglieder
  • PIPPIP
  • 297 Beiträge
  • Geschlecht:männlich

Geschrieben 07 Februar 2008 - 14:34

:lol: So sehr ich den Film und den Humor auch genieße ... Diese Aussage vernachlässigt den historischen Fakt, dass die Römer ihre kulturellen Errungenschaften, die sie bei unterjochten Völkern so freigiebig verteilt haben, von zuvor unterjochten Völkern übernommen haben. Und letztendlich dienten die Errungenschaften auch nur dazu, ein im Grunde überholtes System urbaner Kolonien sowie die militärischen Nachschubwege auszubauen und am Leben zu halten. Und, das ist der Knackpunkt bei Imperien: Sie sind nur stabil, so lange sie sich ausdehnen (können). Kommen sie zur Ruhe, ersticken sie an ihrer Größe, am schieren Verwaltungsaufwand, an der damit einher gehenden Unübersichtlichkeit, der daraus resultierenden Korruption und den damit aufkommen Strukturschwächen. Hinzu kommt die an der Vielzahl innenpolitischer und gesellschaftlicher Strömungen, die wahrscheinlich der noch ausschlaggebendere Faktor sind, dass Imperien grundsätzlich eine begrenzte Haltbarkeit haben. Kurz: Imperien gehen von der irrigen Annahme aus, dass es nur eine etablierte (wenn auch ggf. sanft durchgesetzte und Bedürfnisse berücksichtigende) Ordnung braucht, in die sich die breite Masse willig fügt. Dummerweise gibt es schon "die Masse" nicht. Und Teile davon entwickeln grundsätzlich irgendwann eine Vorstellung von Ordnung, die der vorherrschenden zuwider läuft - unabhängig vom politischen System.

Sehr gut gesagt! Genau so ist es!

#16 Beverly

Beverly

    Temponaut

  • Mitglieder
  • PIPPIPPIPPIPPIP
  • 1.668 Beiträge

Geschrieben 07 Februar 2008 - 17:17

:lol: So sehr ich den Film und den Humor auch genieße ... Diese Aussage vernachlässigt den historischen Fakt, dass die Römer ihre kulturellen Errungenschaften, die sie bei unterjochten Völkern so freigiebig verteilt haben, von zuvor unterjochten Völkern übernommen haben. Und letztendlich dienten die Errungenschaften auch nur dazu, ein im Grunde überholtes System urbaner Kolonien sowie die militärischen Nachschubwege auszubauen und am Leben zu halten.

Bei den Römern habe ich den Eindruck, sie haben sich regelrecht zu Tode gesiegt. Ihre militärische und auch zivile Organisation "löste" mit den Mitteln einer vormodernen Kultur alle Probleme so gut, dass jeder Zwang entfiel, sich weiter zu entwickeln. Es fing IMHO an mit Karthago: im dritten Punischen Krieg haben die Römer die Stadt einfach ausgelöscht und ihre Bewohner zu Sklaven gemacht. Kein Gedanke daran, Karthago - sei es als Klientelstaat, sei es als Provinz - irgendwie in das römische System zu integrieren und sich dadurch deren kulturelle Leistungen etwa in der Seefahrt zunutze zu machen. Nein, die Karthager konnten ja als Sklaven auf den Latifundien schuften, dafür brauchte man dann keine freien Bauern mehr. Die zogen nach Rom und wurden dort als Unterschicht zum Nährboden für die Konflikte am Ende der Republik. Am verhängnisvollten war IMHO der Sieg von Crassus über Spartakus. Hätten die aufständischen Sklaven im Rom ein bisschen gewütet oder wären sie wenigstens auf See oder über die Alpen entkommen, wäre ihren Ex-Herren der Schreck so in die Glieder gefahren, dass sie aus Angst vor Wiederholungen die Sklaverei irgendwie begrenzt hätten. Das hätte vielleicht Überlegungen die Tür geöffnet, menschliche Arbeit durch Geräte zu ersetzen, also Vor- und Frühformen der Industrialisierung eingeläutet. Aber nein, die Römer siegten, nagelten 5000 Sklaven ans Kreuz und Ruhe war - bis zum bitteren Ende. Schließlich der Dauerkonflikt in der Provinz Judäa. Da gab es eine Rebellion nach der anderen, doch die Römer lösten alles mit ihrem "bewährten" Hausmittel: militärischer Überlegenheit und Gewalt. Andere Formen der Konfliktauslösung hätten vielleicht dem erstarrten politischen System neue Impulse gegeben. Was wäre, wenn z. B. die Juden ein Sit-In vor dem Palatin gemacht hätten? Sie alle abzuschlachten, wäre vielleicht in Rom selbst den Römern irgendwann sauer aufgestoßen und sie hätten sich Gedanken darüber gemacht, wie man ihr Reich so gestalten könnte, dass es für alle halbwegs bewohnbar war.

Und, das ist der Knackpunkt bei Imperien: Sie sind nur stabil, so lange sie sich ausdehnen (können). Kommen sie zur Ruhe, ersticken sie an ihrer Größe, am schieren Verwaltungsaufwand, an der damit einher gehenden Unübersichtlichkeit, der daraus resultierenden Korruption und den damit aufkommen Strukturschwächen. Hinzu kommt die an der Vielzahl innenpolitischer und gesellschaftlicher Strömungen, die wahrscheinlich der noch ausschlaggebendere Faktor sind, dass Imperien grundsätzlich eine begrenzte Haltbarkeit haben.

Entweder expandieren Imperien oder - wenn Expansion nicht möglich ist - praktizieren sie Kampf und Konflikt als Selbstzweck. Siehe die USA: kaum war mit der SU der letzte wirkliche Rivale Geschichte geworden, "entdeckten" sie in Dingen wie dem "Islam" und den "internationalen Terrorismus" ein neuen Feind. IMHO demonstrieren die USA auch, dass wenn den Imperatoren die Feinde ausgehen, sie auch über bisherige Freunde herfallen. War nicht Saddam Hussein lange Zeit ein Verbündeter der USA? In Panama soll der CIA Noriega an die Macht gebracht haben - das hinderte die USA nicht daran, ihn wieder abzusetzen.

Imperien gehen von der irrigen Annahme aus, dass es nur eine etablierte (wenn auch ggf. sanft durchgesetzte und Bedürfnisse berücksichtigende) Ordnung braucht, in die sich die breite Masse willig fügt. Dummerweise gibt es schon "die Masse" nicht. Und Teile davon entwickeln grundsätzlich irgendwann eine Vorstellung von Ordnung, die der vorherrschenden zuwider läuft - unabhängig vom politischen System.

Vielleicht sind Föderationen und Staatenbünde deshalb so populär, um diesen Fehler zu vermeiden - sei es in der SF, sei es in der Realität.

#17 Beverly

Beverly

    Temponaut

  • Mitglieder
  • PIPPIPPIPPIPPIP
  • 1.668 Beiträge

Geschrieben 14 Februar 2008 - 00:33

Zu "Imperialismus" in Geschichte und Gegenwart hier eine Zusammenfassung:

http://de.wikipedia....i/Imperialismus

Daran fällt auf, dass die Größe mancher Imperien enorm zugenommen hat und ebenso die Geschwindigkeit, mit der sie zusammenerobert wurden. Siehe die schnelle Aufteilung Afrikas Ende des 19. Jahrhunderts.
Was aber auch zugenommen hat ist die Instabilität, Aufstieg und Fall gingen immer schneller vonstatten. Die Römer hielten noch Jahrhunderte durch, moderne imperialistische Staaten oft nur Jahrzehnte.
Noch weniger als bei früheren Imperien konnte man bei modernen Imperien irgendetwas Ordnung schaffendes erkennen. Es wurden von z. T. völlig fremden Völkern Territorien mit Beschlag begelgt und diesen ein ausschließlich auf die Bedürfnisse des jeweiligen Herrenvolkes zugeschnittenes System übergestülpt. Eher früher als später brach das System zusammen und den Unterjochten wurden strukturelle Deformationen hinterlassen, deren negative Auswirkungen sich mit denen "richtigen" Mordes und Totschlags durchaus messen können. Die Nachkommen der Unterjochten und ihrer Unterjocher schieben sich vermutlich noch heute die Schuld für die Miseren etwa in Afrika und Asien zu. Lag es an den miesen Zuständen in den traditionellen Gesellschaften? Haben die Imperialisten deren Entwicklung gefördert oder sie systematisch verbaut?

So etwas kann kein ernst zu nehmendes Ordnungssystem für Zukunftswelten sein. Es sei denn, man schreibt eine Dystopie, wo es gar trefflich krachen soll. Wobei mir selbst Imperien in der Art des britischen Empire und anderer Kolonialreiche als Vorlage für Action irgendwie zu fade sind. Die haben in der Regel ihnen wehrlos ausgelieferte Völker überfallen und dabei jedes Risiko vermieden. Viel Intrigen, aber wenig Action.

#18 MartinHoyer

MartinHoyer

    Temponaut

  • Mitglieder
  • PIPPIPPIPPIPPIP
  • 1.511 Beiträge

Geschrieben 15 Februar 2008 - 13:14

Noch weniger als bei früheren Imperien konnte man bei modernen Imperien irgendetwas Ordnung schaffendes erkennen. Es wurden von z. T. völlig fremden Völkern Territorien mit Beschlag begelgt und diesen ein ausschließlich auf die Bedürfnisse des jeweiligen Herrenvolkes zugeschnittenes System übergestülpt.

Unter der bestmöglichen Ordnung versteht ein imperiales System selbstverständlich zu allererst immer die eigene.

Wobei mir selbst Imperien in der Art des britischen Empire und anderer Kolonialreiche als Vorlage für Action irgendwie zu fade sind. Die haben in der Regel ihnen wehrlos ausgelieferte Völker überfallen und dabei jedes Risiko vermieden. Viel Intrigen, aber wenig Action.

Noch nicht einmal das. Mr. Bean hat in einem Sketch die Eroberungspolitik des britischen Empire gut zusammengefasst. Sinngemäße Übersetzung: "Wir haben uns nie Gegner gesucht, die mit mehr als einer Mango bewaffnet waren. Schon wenn sie Speere besaßen, waren wir sehr vorsichtig."
Though my soul may set in darkness, it will rise in perfect light;
I have loved the stars too fondly to be fearful of the night.
(Sarah Williams: The Old Astronomer To His Pupil)

#19 Beverly

Beverly

    Temponaut

  • Mitglieder
  • PIPPIPPIPPIPPIP
  • 1.668 Beiträge

Geschrieben 15 Februar 2008 - 21:52

Mr. Bean hat in einem Sketch die Eroberungspolitik des britischen Empire gut zusammengefasst. Sinngemäße Übersetzung: "Wir haben uns nie Gegner gesucht, die mit mehr als einer Mango bewaffnet waren. Schon wenn sie Speere besaßen, waren wir sehr vorsichtig."

Vielleicht ist die Erde ja auch Mitgliedswelt eines Galaktischen Empires analog zum Britischen. Da die Menschen nicht nur Speere, sondern auch Atombomben besitzen, lassen sich unsere Herrscher hier allerdings nicht blicken. Da wir Menschen uns mit unserer Technik gegenseitig das Leben schwer machen, sind wir für das Galaktische Empire auch keine Gefahr. Ohne unser Wissen werden wir dann als eine der Milliarden Welten verzeichnet, über die der Galaktische Imperator herrscht.

#20 Gast_Jorge_*

Gast_Jorge_*
  • Guests

Geschrieben 15 Februar 2008 - 22:23

Vielleicht ist die Erde ja auch Mitgliedswelt eines Galaktischen Empires analog zum Britischen. Da die Menschen nicht nur Speere, sondern auch Atombomben besitzen, lassen sich unsere Herrscher hier allerdings nicht blicken. Da wir Menschen uns mit unserer Technik gegenseitig das Leben schwer machen, sind wir für das Galaktische Empire auch keine Gefahr. Ohne unser Wissen werden wir dann als eine der Milliarden Welten verzeichnet, über die der Galaktische Imperator herrscht.

:thumb: Ist doch schon längst kalter Kaffee in der SF-Literatur - John D. MacDonald Herrscher der Galaxis(Ballroom of the Skies) http://www.cloggie.o...lennial-15.html

Bearbeitet von Jorge, 15 Februar 2008 - 22:25.



Besucher die dieses Thema lesen: 0

Mitglieder: 0, Gäste: 0, unsichtbare Mitglieder: 0