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William Gibson in Köln


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12 Antworten in diesem Thema

#1 Jürgen

Jürgen

    CyberPunk

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Geschrieben 07 März 2008 - 23:12

Es war schon ein besonderer Abend am 6. März in Köln. Anlässlich der lit cologne hatte kein geringerer als der Godfather des Cyberpunk, William Gibson, zu einer Lesung seines neuesten Werks, Quellcode (orig, Spook Country) geladen. Wenn so ein Ausnahmeschriftsteller schon mal nach Deutschland kommt, ist ihm ein festes Publikum sicher und erwartungsgemäß war das Gloria-Theater gerammelt voll. Bei einer Kapazität von fast 500 Sitzplätzen gab es noch genug Leute, die der eineinhalbstündigen Veranstaltung im Stehen beiwohnten und andächtig den Worten Gibsons lauschten. Dieser gab sich, ganz seinem Naturell verbunden, betont lässig und beantwortete die Fragen zwischen den Leseabschnitten nicht nur ausgiebig, sondern auch humorvoll. Überhaupt hatte man während der kompletten Lesung zu keiner Zeit den Eindruck, einen der erfolgreichsten Schriftsteller der letzten 25 Jahre vor sich zu haben. Weder Kleidung noch Persönlichkeit lassen vermuten, dass es sich hierbei um den Mann handelt, der als Gründer eines eigenständigen Genres innerhalb der Unterhaltungsliteratur zu Weltruhm gekommen ist.Seine bedächtige, fast langsame und zögerliche Art zu sprechen stehen im krassen Gegensatz zu seinen stakkatoartigen Satzkonstruktionen, für die er seit jeher bekannt ist.Die Betonung technischer Fachbegriffe und seine bildhaften Analogien zu Satzaussagen aus seinem Mund besitzen etwas Magisches - geben einen Eindruck davon, wie kraftvoll er seine Gedanken in Wörter umsetzt... und letztlich dem Leser in seinem typischen New Wave Style präsentiert. Er wirkt bei aller Lässigkeit konzentriert; weiß genau, was er seinem Publikum schuldig ist und hält sich trotzdem zurück. Fast gewinnt man den Eindruck, dass er dem Moderator des Abends gerne den Status des Showman überlässt. Seine Gelassenheit wirkt nicht aufgesetzt oder künstlich erzeugt. Sie ist einfach nur gewinnend und meilenweit von jeglicher Attitüde oder Arroganz entfernt.Mit einer faszinierenden Ruhe sitzt er nach der Lesung im Foyer des Theaters, und signiert die deutschen und internationalen Ausgaben seiner Bücher. Beeindruckend wie die Anzahl seiner Hörer, war auch die Länge der Schlange, um eine Signierung im Lieblingsroman oder im neuesten Werk von Gibson, dass an diesem Abend verkauft wurde, zu bekommen. Eine ganze Stunde schrieb er geduldig seinen Namen in die Exemplare, hatte immer noch das eine oder andere Wort für seine Fans übrig und verschwand dann leise und unauffällig aus dem Gloria.Es war ein glanzvoller Abend ohne einen Star, dafür mit einem Menschen, der auch als Nachbar oder guter Bekannter durchgehen würde. Ein Kompliment an die Persönlichkeit eines weltbekannten Autors, der keine Bewunderung erwartet, sondern nur erzählen möchte - und sich darüber freut, dass seine Gedanken auf ein breites Interesse stoßen.Den kompletten Artikel zu dieser Lesung und einige Aussagen von Gibson zum Thema Science-Fiction und Cyberpunk, sowie Fotos und weiteren Randinformationen zur Veranstaltung gibt es in der nächsten Ausgabe von Asphaltspuren, die Anfang Juni 2008 erscheint.----------------------------------------Eine durchaus erfreuliche und sehr angenehme Begleiterscheinung des Abends war das persönliche Treffen mit einem "Urgestein" der Cyberpunk-Community - Jens aka Deckhead. Ob ich mit meinem Versuch, ihn wieder mehr für die CPC und ihre Neuausrichtung zu begeistern, Erfolg hatte, wird sich in den nächsten Tagen und Wochen zeigen. GrußJürgenPS: einige Fotos werde ich in den nächsten Tage auch hier einstellen.
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#2 Neo Tokyo

Neo Tokyo

    Yoginaut

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Geschrieben 09 März 2008 - 14:52

Es war schon ein besonderer Abend am 6. März in Köln. Anlässlich der lit cologne hatte kein geringerer als der Godfather des Cyberpunk, William Gibson, zu einer Lesung seines neuesten Werks, Quellcode (orig, Spook Country) geladen. Wenn so ein Ausnahmeschriftsteller schon mal nach Deutschland kommt, ist ihm ein festes Publikum sicher und erwartungsgemäß war das Gloria-Theater gerammelt voll. Bei einer Kapazität von fast 500 Sitzplätzen gab es noch genug Leute, die der eineinhalbstündigen Veranstaltung im Stehen beiwohnten und andächtig den Worten Gibsons lauschten. Dieser gab sich, ganz seinem Naturell verbunden, betont lässig und beantwortete die Fragen zwischen den Leseabschnitten nicht nur ausgiebig, sondern auch humorvoll. Überhaupt hatte man während der kompletten Lesung zu keiner Zeit den Eindruck, einen der erfolgreichsten Schriftsteller der letzten 25 Jahre vor sich zu haben. Weder Kleidung noch Persönlichkeit lassen vermuten, dass es sich hierbei um den Mann handelt, der als Gründer eines eigenständigen Genres innerhalb der Unterhaltungsliteratur zu Weltruhm gekommen ist. Seine bedächtige, fast langsame und zögerliche Art zu sprechen stehen im krassen Gegensatz zu seinen stakkatoartigen Satzkonstruktionen, für die er seit jeher bekannt ist. Die Betonung technischer Fachbegriffe und seine bildhaften Analogien zu Satzaussagen aus seinem Mund besitzen etwas Magisches - geben einen Eindruck davon, wie kraftvoll er seine Gedanken in Wörter umsetzt... und letztlich dem Leser in seinem typischen New Wave Style präsentiert. Er wirkt bei aller Lässigkeit konzentriert; weiß genau, was er seinem Publikum schuldig ist und hält sich trotzdem zurück. Fast gewinnt man den Eindruck, dass er dem Moderator des Abends gerne den Status des Showman überlässt. Seine Gelassenheit wirkt nicht aufgesetzt oder künstlich erzeugt. Sie ist einfach nur gewinnend und meilenweit von jeglicher Attitüde oder Arroganz entfernt. Mit einer faszinierenden Ruhe sitzt er nach der Lesung im Foyer des Theaters, und signiert die deutschen und internationalen Ausgaben seiner Bücher. Beeindruckend wie die Anzahl seiner Hörer, war auch die Länge der Schlange, um eine Signierung im Lieblingsroman oder im neuesten Werk von Gibson, dass an diesem Abend verkauft wurde, zu bekommen. Eine ganze Stunde schrieb er geduldig seinen Namen in die Exemplare, hatte immer noch das eine oder andere Wort für seine Fans übrig und verschwand dann leise und unauffällig aus dem Gloria. Es war ein glanzvoller Abend ohne einen Star, dafür mit einem Menschen, der auch als Nachbar oder guter Bekannter durchgehen würde. Ein Kompliment an die Persönlichkeit eines weltbekannten Autors, der keine Bewunderung erwartet, sondern nur erzählen möchte - und sich darüber freut, dass seine Gedanken auf ein breites Interesse stoßen. Den kompletten Artikel zu dieser Lesung und einige Aussagen von Gibson zum Thema Science-Fiction und Cyberpunk, sowie Fotos und weiteren Randinformationen zur Veranstaltung gibt es in der nächsten Ausgabe von Asphaltspuren, die Anfang Juni 2008 erscheint. ---------------------------------------- Eine durchaus erfreuliche und sehr angenehme Begleiterscheinung des Abends war das persönliche Treffen mit einem "Urgestein" der Cyberpunk-Community - Jens aka Deckhead. Ob ich mit meinem Versuch, ihn wieder mehr für die CPC und ihre Neuausrichtung zu begeistern, Erfolg hatte, wird sich in den nächsten Tagen und Wochen zeigen. Gruß Jürgen PS: einige Fotos werde ich in den nächsten Tage auch hier einstellen.

Danke für diesen ausführlichen Bericht. Leider hatte ich keine Zeit, ihn am 5. März in München zu sehen, aber ich kriege meine Chance bestimmt noch. Was mich jedoch wundert, ist diese Äußerung: "... als Gründer eines eigenständigen Genres innerhalb der Unterhaltungsliteratur zu Weltruhm gekommen ist." Nun ich würde jetzt nicht sagen, dass Gibson der Gründer des Cyberpunk ist. Erstens ist der Begriff CP von Bruce Bethke im Jahre 1980 in seiner gleichnamigen Kurzgeschichte erfunden worden, lange vor "Neuromancer" and friends. Außerdem hat Philip K. Dick schon immer Geschichten mit einem gewissen CP-Einschlag verfasst, man denke nur an "Der dunkle Schirm" oder "Träumen Roboter von elektrischen Schafen". Dann wäre da noch J. G. Ballard, dessen Geschichten sehr finster und psychedelisch sind, sogar stellenweise interessanter als Gibsons Werke. Also, ich weiß, dass Mr. Gibson nur geschrieben hatte, worauf er gerade Lust hatte, aber ein Genre erschaffen, hat er garantiert nicht. Dass die Zukunft auch unangenehm sein könnte, wussten schon die alten Griechen und Römer. Das Thema ist eben ein Dauerbrenner.
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#3 mindblasted

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Geschrieben 09 März 2008 - 15:24

Also, ich weiß, dass Mr. Gibson nur geschrieben hatte, worauf er gerade Lust hatte, aber ein Genre erschaffen, hat er garantiert nicht. Dass die Zukunft auch unangenehm sein könnte, wussten schon die alten Griechen und Römer. Das Thema ist eben ein Dauerbrenner.

Ich hab keinen Bock auf Glaubenskrieg, aber das seh ich anders. Neuromancer ist für den Cyberpunk in einer vergleichbaren Weise stilbildend wie Tolkien für die High Fantasy. Da könnte man natürlich auch behaupten, Mythengeschichten und Märchen habe es auch vorher gegeben ... und E.R. Eddison und sein Wurm waren auch schon vorher da. Naja, jedem seine Meinung, Genregrenzen sind eh nie eindeutig. Meine vergnügt sich dann jetzt halt auch mal in diesem Thread.
"Es gibt eine größere Dunkelheit als die, die wir bekämpfen ... Viel schwerwiegender als der Tod der körperlichen Materie ist der Tod der Hoffnung, der Tod der Träume, und vor dieser Gefahr dürfen wir niemals kapitulieren. Die Zukunft ist überall um uns herum. In der Phase des Übergangs wartet sie darauf, in der Phase der Erleuchtung neu geboren zu werden. Niemand weiß, wie die Zukunft aussieht und wohin sie uns führen wird. Nur eines wissen wir. Sie wird stets unter Schmerzen geboren."
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#4 scal

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    Giganaut

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Geschrieben 09 März 2008 - 19:42

Der "dunkle Schirm" ist eine wirklich gelungene SF-Near Future Geschichte aber doch meilenweit vom CP entfernt, es fehlen alleine schon der Schreibstil, diese technikverliebtheit, Transhumanismus im allgemeinen und vielesmehr was ich als CP zählen würde. Im übrigen ist die Geschichte von Bruce Bethge nur vom Namen her CP, der inhalt geht auch an der Definition vorbei. Aber an sich ist das hier der Thread zur Diskussion um die Lesung des Herrn G. Hier also noch ein Link zu einem Bericht von Doktorheil der auch da war und es direkt auf der Homepage veröffentlicht hat. Stay Tuned scal
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#5 Jürgen

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Geschrieben 09 März 2008 - 21:46

@Neo Tokyo.... wirf mal einen Blick auf diesen Artikel. Da findest du alle Informationen zum Thema, die auf einen breiten Konsens innerhalb von Schriftstellern, Kritikern und Dokumentationen des Genres fußen. gruß Jürgen

Bearbeitet von Jürgen, 09 März 2008 - 21:47.

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#6 Doktorheil

Doktorheil

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Geschrieben 10 März 2008 - 10:31

Danke für den tollen Bericht, er übertrifft meinen doch schon um einiges im Hinblick auf "Professionelle Schreibweise" :)

Bin halt ne alte Gonzo-Blogger-Sau! :rofl1:

Und: Natürlich hat Gibson den CP erfunden! Hihihi. ( Ist die Erde rund!? ) (Ich enthalte mich eines fundierteren Kommentares, sonst ufert es wieder aus...) ....mit Sterling. Und mit Autos die aussahen wie UFOS, und Chrome-Rocktes (Irre, der Part der Lesung, oder!?)

Dolle das "Ihr" auch da gewesen seit.....next time müssen wir uns vorher noch mal kürzer schliessen,....hätt auch gern mal n Bier mit euch geschlürft.

Zum Abend: "faszinierenden Ruhe" ---> Das hat mich auch geflasht! Wie der ganze Abend. Ein Erlebnis, ...der Herr Gibson.
Ich hab schon gesagt: Wenn der mal nach UK kommt flieg/fahr ich hin,...da stört dann auch kein deutscher Translator^^

TOP, der Bericht. Zum einem TOP-Abend, Thx Jürgen!
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#7 Gast_Deckhead_*

Gast_Deckhead_*
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Geschrieben 11 März 2008 - 00:28

Hi Leute, erstmal der obligatorische Link mit ein paar Infos von der Lesung in Berlin Heise.de. Was für ein hammer cooler Abend letzten Donnerstag in Köln. Nicht nur das ich William Gibson aus der 2. Reihe genießen durfte, nein, endlich konnte ich auch mal Jürgen Face2Face kennenlernen. Ich habe den Ausführungen von Jürgen nichts hinzufügen. Ich war erstaunt wie oft ich doch lachen oder grinsen mußte bei den doch sehr lässigen Antworten in den jeweiligen Interview Parts: WG: "Ich weiss nicht, ob ich mit meiner Sympathie für "die Ärzte" mich hier total lächerlich mache! Aber Ihre YouTube Videos finde ich lustig" Da muss man erstmal drauf kommen...

#8 Lemmy

Lemmy

    Infonaut

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Geschrieben 11 März 2008 - 08:17

Der "dunkle Schirm" ist eine wirklich gelungene SF-Near Future Geschichte aber doch meilenweit vom CP entfernt, es fehlen alleine schon der Schreibstil, diese technikverliebtheit, Transhumanismus im allgemeinen und vielesmehr was ich als CP zählen würde.

Ich würde "Scanner darkly" noch nicht einmal als SF bezeichnen, die SF Elemente "Jedermann-Anzug" sind lediglich Gimmicks, die mit der eigentlichen Handlung nichts zu tun haben. Es wundert mich wirklich ausserordentlich, dass bisher noch niemand über Gibsons Ausführungen über Ballard während der Lesung in Köln eingegangen ist. Wie ist Eure Meinung: Verzeiht Ihr Euren (eventuellen) SF/ CP Lieblingsautoren, wenn sie sich vom Genre abwenden und statt dessen fiktive Gegenwartsliteratur (will ich das mal nennen) schreiben ?

#9 †  a3kHH

†  a3kHH

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Geschrieben 11 März 2008 - 09:41

wirf mal einen Blick auf diesen Artikel. Da findest du alle Informationen zum Thema, die auf einen breiten Konsens innerhalb von Schriftstellern, Kritikern und Dokumentationen des Genres fußen.

Danke, toller Link, exakte CP-Beschreibung

#10 Jürgen

Jürgen

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Geschrieben 11 März 2008 - 10:53

Es wundert mich wirklich ausserordentlich, dass bisher noch niemand über Gibsons Ausführungen über Ballard während der Lesung in Köln eingegangen ist.

Nun, das ist ein anderes Kapitel des Herrn Gibson. Seine Vorliebe für Ballard kann kaum als Bezugspunkt ins Feld geführt werden, weil es keine Berührungspunkte zu diesem Autor in seinen eigenen Werken gibt. Ausserdem hatte ich es so verstanden, dass Ballard eher in den Zeitraum seiner Jugend fällt, als er begeistert SF gelesen hat. Die Frage war ja, wie er überhaupt auf die Idee gekommen ist, seine Storys so zu schreiben, wie er es nunmal macht. Dabei interpretiere ich seine weiterführenden Erklärungen so, dass er nichts anderes gemacht hat, als die "zeitnahen" Visionen einiger Schriftsteller (darunter auch Ballard) als eine Art "Leitlinie" zu nehmen und mit dem ungeschlifenen Rock´n Roll einer Patty Smith oder Bruce Springsteen zu mischen. (sollte ich da etwas missverstanden haben, bitte ich um Entschuldigung... der selbst erstellte Audiostream ist noch nicht komplett übersetzt und zu allem übel auch noch an vielen Stellen unbrauchbar - man möge mich daran erinnern, in Zukunft ein FUNKTIONIERENDES Aufnahmesystem zu solchen Terminen mitzunehmen *grummel* )

Wie ist Eure Meinung: Verzeiht Ihr Euren (eventuellen) SF/ CP Lieblingsautoren, wenn sie sich vom Genre abwenden und statt dessen fiktive Gegenwartsliteratur (will ich das mal nennen) schreiben ?

Es ist imho ein logischer Schritt für einen Autor, der sich parallel zu seinem Publikum weiterentwickelt. Erinnern wir uns... Neuromancer fiel in eine Zeit, als jeder Student jeder technischen Uni für Gibsons Visionen empfänglich war. Neuromancer, Biochips und Mona Lisa Overdrive waren in den Achtzigern das "must have", um mitreden können. Böse Stimmen behaupten, an der TU Berlin waren Gibsons Bücher in der Mensa verbreiteter als alle Fachbücher für Programmiersprachen zusammen. Während die Sprawl-Trio Kult-Charakter besaß, war die Bridge-Trio schon wesentlich mehr mit Mainstream durchsetzt. Gibsons Stil "überdeckte" diese Tatsache - gefühlsmässig war das immer noch Cyberpunk. Die Studenten aus den Achtzigern saßen spätestens Anfang des neuen Jahrtausends in gehobenen Positionen, hatten andere gesellschaftliche Kontakte und Leseinteressen. Und wieder traf Gibson mit Mustererkennung genau SEIN Publikum. Statt Cybertech ging es nun um Markenfetischismus und das Internet. Gibson Stil ist der eigentliche Garant seines Erfolgs - der extrem hohe Wiedererkennungswert bescherrt ihm eine Dauerleseschaft wie ein lebenslanges Abo. Das Quellcode politischer als alle anderen Werke aus seiner Feder sind, ist ebenfalls vollkommen logisch. Die "Cyberpunk-Studenten" der Achtziger sind mittlerweile in einem Alter, wo der eigene berufliche Weg geebnet ist. Weitere Höhepunkte im Bereich Arbeitsleben bleiben aus und das Interesse gilt nach und nach der Politik und der Umwelt, die Auswirkungen auf die (eigenen) Kinder und den Versuchen, sich in diesen Bereichen einzubringen, um fehlgeleitete Entwicklungen zu korrigieren oder gegbenfalls zu stoppen. Betrachtet man die beiden parallel laufenden "Entwicklungslinien" zwischen Autor und Publikum, könnte man im Sinne Gibsons spekulieren, dass sich sein nächster Roman mit einer überalterten Gesellschaft und deren Finanzierung beschäftigen wird. :smokin: Im Ernst... Gibson hat seit 24 Jahren ein eingeschworenens Publikum, dass ihm nicht von der Seite weicht. Es sorgt für sein Einkommen und wird es auch in Zukunft tun, weil sich seine eigene Entwicklung als Mensch und die dadurch veränderten Interessen in dem gleichen Tempo bewegen wie die seiner Leser. Lediglich die jüngeren Leser, die sich erst ab einem späteren Zeitpunkt mit Gibson und seinen Werken befasst haben, trauern den alten Zeiten nach.... die "Alten", die seit den Achtzigern seiner Leserschaft angehören, finden es eher wunderbar, dass ihr Lieblingsautor immer grad über die Themen schreibt, die sie selbst augenblicklich interessieren. Wenn der Begriff Zeitgeist für Veränderungen innerhalb der Gesellschaft steht, ist Gibson mit absoluter Sicherheit derjenige, der den Zeitgeist, bezogen auf eine bestimmte Altersgruppe, an einem fest definierten Punkt als Chronist begleitet. Aber ich komm schon wieder ins erzählen.... interessiert hier wahrscheinlich sowieso niemanden. Zumindest habe ich die Frage von Lemmy erschöpfend beantwortet. :smokin: Gruß Jürgen

Bearbeitet von Jürgen, 11 März 2008 - 10:57.

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#11 Frank

Frank

    Temponaut

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Geschrieben 11 März 2008 - 11:39

der selbst erstellte Audiostream ist noch nicht komplett übersetzt und zu allem übel auch noch an vielen Stellen unbrauchbar - man möge mich daran erinnern, in Zukunft ein FUNKTIONIERENDES Aufnahmesystem zu solchen Terminen mitzunehmen *grummel*

Oh, zu schade ... Hätte ich gern noch mal gelesen, aber vielleicht tauchen ja Zitate an anderer Stelle auf ... :smokin: War nen geiler Abend! Die Lesung war sehr gut organisiert, auch wenn das Gefühl zurückblieb, mehr dem Kritiker als Gibson himself gelauscht zu haben, aber okay! Dass, was Gibson zum Besten gegeben hat, fand ich dafür umso interessanter ... :smokin:
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#12 Gast_Jorge_*

Gast_Jorge_*
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Geschrieben 30 Mai 2008 - 14:26

TV-Tipp

"scobel: Quellcode des Lebens - Im Gespräch mit William Gibson"
3sat, 12.06.08, 21.00h.

#13 Doktorheil

Doktorheil

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Geschrieben 30 Mai 2008 - 19:12

@Jorge:Juhu! Danke vielmals! :unsure:

Bearbeitet von Doktorheil, 30 Mai 2008 - 19:14.

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