Zum Inhalt wechseln


Foto
- - - - -

David Feintuch: Nick Seafort (Zyklus)


  • Bitte melde dich an um zu Antworten
33 Antworten in diesem Thema

#31 Martin Stricker

Martin Stricker

    Jawasdennjetztfüreinnaut

  • Mitglieder
  • PIPPIPPIPPIPPIP
  • 4.194 Beiträge
  • Geschlecht:männlich
  • Wohnort:Frankfurt am Main

Geschrieben 17 Mai 2008 - 23:21

Wenn ich behaupte, die Art und Weise, wie wir in unserer (Populär)kultur mit Gewalt umgehen, beeinflusse unser Handeln im Alltag, so ist das natürlich ein Thema, über das die Öffentlichkeit und die Wissenschaftler seit langem streiten. Mein Wissen auf diesem Gebiet ist auch bestenfalls rudimentär. Mir fällt nur auf, dass die Wahrscheinlichkeit dafür, erschossen zu werden, in den USA 100 Mal so groß ist wie in Japan. [Vielleicht schieße ich mir argumentativ gerade selbst ins Bein, weil japanische Mangas etwa sicher auch einiges an Gewalt aufweisen. Es gibt natürlich mehr als einen Grund, wenn ein Volk statistisch ziemlich gewalttätig ist.]

In der Tat. Im Oscar-prämierten Dokumentarfilm "Bowling for Columbine" kommt Michael Moore zu dem Ergebnis, daß *Angst* (sei sie nun begründet oder nicht) die zugrundeliegende Ursache ist. Ich finde das bemerkenswert (und schlüssig), insbesondere weil der katholische Theologe Eugen Drewermann in einem völlig anderem Zusammenhang, nämlich der Geschichte um die Vertreibung aus dem Paradies zum gleichen Schluß kommt, er sieht die Angst als eigentliche Ursache des Ungehorsams. Nach meinen eigenen Erfahrungen ist von allen Gefühlen Angst dasjenige, das das rationale Denken am stärksten beeinträchtigt.

Nationalstolz halte ich im Übrigen wirklich für eine gefährliche Sache. 2 Gründe fallen mir spontan ein: 1.) Als die USA in den Irak einmarschierte, war die sofortige Reaktion weiter Bevölkerungsteile, "to rally behind the President", wie es immer wieder im TV hieß. Das wirkte auf mich wie falsch verstandener Patriotismus der Sorte Ich-schalte-jetzt-mal-bis-auf-weiteres-mein-Gehirn-ab.

Das ist eine normale Verhaltensweise, die man in der Geschichte immer wieder beobachten kann. Mein guter Geschichtslehrer hat uns auf dieses Phänomen hingewiesen. Es spielte bei den Ausbrüchen des deutsch-französischen Kriegs 1870/1871 (auf beiden Seiten) und des Ersten Weltkriegs (vor allem von Zar Nikolaus II. beabsichtigt - der Effekt mehr als der Krieg).

2.) Während der WM 2006 führte irgendeine Hochschule in Bielefeld eine Untersuchung unter Fußballfans durch, die zu dem Ergebnis kam, dass Leute, deren Nationalstolz im Verlauf der Spiele zunahm, gleichzeitig statistisch spürbar weniger Achtung vor demokratischen Werten hatten.

Interessant, die Studie hatte ich nicht mitgekriegt, muß ich an der Uni Bielefeld mal nachhaken. Mir ist damals sehr sauer aufgestoßen, daß zumindest meine Gegend hier in Köln schlimmer beflaggt war als ich das in den USA je gesehen habe. Das war beängstigend. Ich schien der einzige zu sein, der das seltsam fand, selbst sonst vernünftige Menschen waren in einer Art Nationalismustaumel. Das hat sich glücklicherweise hinterher recht schnell wieder gegeben, bedenklich stimmt mich nur, daß hin und wieder jemand sagt, er wünsche sich diese Zeit zurück, weil man damals stolz auf Deutschland war. :blink: Naja, ich habe das damalige Verhalten ganz dreist als weiteren Beleg für meine Lieblingsthese "Sport macht dumm" verwendet. :bighlaugh:

Jetzt zum literarischen Geschmack: Idealerweise sollte mir ein fiktionaler Text klischeearme (und ästhetisch 'schöne') Sprache sowie gleichzeitig intelligente Inhalte bieten. Unterhalten will ich natürlich dabei auch werden - wie alle Leser.

*abstempelundunterschreib* Nur daß wir da wohl unterschiedliche Definitionen haben. ;)

Zu meinen Lieblings-SF-Büchern würde ich spontan u.a. folgende zählen (ich vergesse bei so was immer die Hälfte): Angus Wilson - Die alten Männer im Zoo; Michael Coney - Flut; Cormac McCarthy - Die Straße; Pamela Sargent - Das Ufer der Frauen; Nancy Kress - Fremdes Licht; C.J. Cherryh - Der Biss der Schlange; Owen Sheers - Resistance; Terry Carr - Cirque; Ursula K. LeGuin - Planet der Habenichtse. Allgemein mag ich oft Romane von Leuten, die literarisch etwas wagen (auch wenn sie dabei ins Straucheln kommen). Darum gefallen mir etwa frühe Bücher von Michael Bishop (etwa "Die Jahre in den Katakomben") oder Romane von Adam Roberts (z.B. "Salt"). Meiner Liste hast Du aber sicher angesehen, dass einiges darauf durchaus literarisch leichtgewichtig ist. Mir gefallen oft Bücher, die klar der U-Literatur zuzurechnen sind.

Von den aufgelisteten Büchern kenne ich diese: Nancy Kress: "Fremdes Licht (Alien Light)" - gut, aber ziemlich schwer verdaulich (wie einiges von Kress). Ursula K. LeGuin: "Planet der Habenichtse / Die Enteigneten (The Dispossessed)" - gut. Wirklich. Auch wenn es keine leichte Kost ist - oder eigentlich gerade deswegen, denn wo gibt es sonst eine Utopie, die die utopische Gesellschaft kritisch sieht? Von Adam Roberts habe ich bislang die Tolkien-Parodie "Der Hobbnix (The Soddit)" - sehr gut, sehr nah am Original und trotzdem völlig eigenständig - und "Sternenstaub (Stone)" - blöder deutscher Name, sehr langweilig geschrieben und mir unverständlich - gelesen. Es passiert mir manchmal, daß ich mich bei einer Geschichte auf echt kölsche Art frage: "Un - wat soll dä Quatsch?". Bei Marcus Hammerschmitt und Frank W. Haubold ist mir das schon öfter passiert, bei letzterem hat "Die Schatten des Mars" den Knoten anscheinend zumindest teilweise gelöst. Da habe ich wohl irgendwo einen "blinden Fleck" oder bin zu blöd... ;) Ich packe Deine Empfehlungen mal auf meine Suchliste. Schan mer mal.

Dass Du auf den 'abenteuerlichen' Charakter der von mir am Ende erwähnten Bücher hinweist, ist völlig richtig. Ich habe sie aber auch extra deshalb erwähnt, weil ich nicht behaupte, konsequent zu sein. Allgemein scheint es mir beim Thema Gewalt so zu sein, dass ich die eher ertrage, je abstrakter sie daherkommt (Slapstick-Gewalt bei Terry Pratchett etwa ist meist okay; bei Tolkien schlucke ich schon ob der entmenschlichten Orks, bin dann im Kino beim Angriff der Reiter von Rohan vor Minas Tirith aber fast aufgestanden, um für mein Pferd leichter zu sein - peinlicher Rückfall, schluck).

*fiesgrins* Ich weiß, was Du meinst. Ich bin auch konsequent inkonsequent und bezeichne mich folgerichtig als fortschrittlichen Konservativen. :P Die Idee haben mir übrigens Weber und Flint in "Der Sklavenplanet (Crown of Slaves)" geklaut, der Politologe Web Du Havel bezeichnet sich ähnlich.

Zum Thema Übersetzungen: Ich halte eigentlich eine Menge von Schmidts Sachverstand. Nachdem ich seine Behauptung gelesen hatte, habe ich mir mal die alte LeGuin-Übersetzung von "The Dispossessed" angesehen. Die war auf der ersten Seite für meinen Geschmack damals nicht nur korrekt, sondern die gesamte Übersetzung letztlich 10 Prozent länger als das Original.

Da ich bislang kein Buch sowohl auf deutsch als auch auf Englisch gelesen habe (und erst recht keine genaueren Vergleiche angestellt habe), kann ich hierzu keine fundierte Meinung zum Besten geben. Nur soviel: Ein Übersetzer muß immer einen Kompromiß schließen zwischen exakter Übersetzung und gutem Deutsch. Ich glaube, was Arno Schmidt sagen will, ist, daß man bei Übertragung einer wörtlichen Übersetzung in gutes Deutsch einiges an Platz einsparen kann. Mal ein Beispiel: He shrugged and looked at her. Er zuckte mit den Schultern und sah sie an. Achselzusckend sah er sie an.

Ich weiß, das ist schlechter Stil, aber andererseits habe ich alles, was mir zu diesem Thread einfällt, halt gerade in einem längeren Essay für die letzte Ausgabe von "phantastisch" geschrieben, auf den ich einfach nur hinweisen möchte.

Ich werde Deinen phantastisch!-Artikel lesen. Ich nehme mir heraus, hier daraus zu zitieren, insofern das meiner Meinung nach zum Verständnis meiner Antwort beiträgt.

Und wer Weber nicht mag, dem kann ich leider nur beipflichten, dass die späteren HH-Romane viel Geschwurbel enthalten. Ich bin der Meinung, dass Mike Shepherds Kris Longknife-Romane mittlerweile die besseren Harringtons sind.

Dazu von mir ein klares Jein. ;) Ja, die Kris Longknife-Bücher sind unterhaltsamer als die meisten der letzten Honor Harrington-Bücher. Nein, sie sind nicht besser, sondern schlechter. :) Nun zur Begründung: David Weber hat für seine Honor Harrington-Geschichten von vornherein ein komplexes Universum geschaffen, in der es viele Fraktionen mit wechselnden Bündnissen gibt. Er befleißigt sich einer guten Sprache und hat einen ordentlichen Stil. Die Bücher werden aus wechselnden Perspektiven erzählt, die Protagonisten handeln nachvollzehbar und werden hinreichend charakterisiert. In all diesen Punkten schneidet Mike Shepherd mit seinen Kris Longknife-Büchern (und auch mit den drei Vorläufern, die unter dem Namen Mike Moscoe erschienen sind) deutlich schlechter ab. Der Unterhaltungswert ist aber deutlich größer als bei den letzten Büchern von Weber - was mal wieder zeigt, daß Unterhaltungswert und literarische Qualität zwei nicht notwendigerweise verknüpfte Dinge sind...

Never ever ! Gewalt ist niemals das richtige Mittel, sondern nur eine Zuflucht derjenigen, die zu anderen Wegen unfähig sind. Mord, auch Tyrannenmord, ist niemals zu rechtfertigen. Jeder, der diesen Weg geht, begibt sich sozusagen "auf die dunkle Seite der Macht". Das heisst nicht, daß ich diesen besseren Weg gehen kann, im Gegenteil, ich würde selbst aus Überzeugung den falschen Weg gehen - im Bewusstsein, das er falsch ist und ich mich damit selbst aus der Gesellschaft ausgrenze.

In dieser Form stimme ich Dir zu. Töten ist niemals die *richtige* Lösung, auch wenn es mitunter die einzig praktikable sein mag. Das ist letztlich eine spezielle Form des ethischen Dilemmas, ob man das Wohl weniger dem Wohl vieler opfern darf. In manchen Fällen ist jede Entscheidung (und auch Nichtstun ist eine Entscheidung!) falsch, dann muß man sich für das kleinste Übel entscheiden. Was nichts daran ändert, daß es falsch ist.

Bearbeitet von shugal, 17 Mai 2008 - 23:22.


#32 †  a3kHH

†  a3kHH

    Applicant for Minion status in the Evil League of Evil

  • Mitglieder
  • PIPPIPPIPPIPPIP
  • 5.923 Beiträge
  • Geschlecht:männlich

Geschrieben 17 Mai 2008 - 23:40

Es passiert mir manchmal, daß ich mich bei einer Geschichte auf echt kölsche Art frage: "Un - wat soll dä Quatsch?". Bei Marcus Hammerschmitt und Frank W. Haubold ist mir das schon öfter passiert, bei letzterem hat "Die Schatten des Mars" den Knoten anscheinend zumindest teilweise gelöst. Da habe ich wohl irgendwo einen "blinden Fleck" oder bin zu blöd... :P Ich packe Deine Empfehlungen mal auf meine Suchliste. Schan mer mal.

Soweit ich das bisher sehen konnte, bist Du einfach Hardcore-SF-Fan, der Rest ist einfach (noch ?) nicht so Dein Ding.

Mir ist damals sehr sauer aufgestoßen, daß zumindest meine Gegend hier in Köln schlimmer beflaggt war als ich das in den USA je gesehen habe. Das war beängstigend. Ich schien der einzige zu sein, der das seltsam fand, selbst sonst vernünftige Menschen waren in einer Art Nationalismustaumel.

Seltsam, das habe ich hier in Hamburg anders erlebt. Hier gab es eher eine Art sportliche Globalisierung. Von daher würde ich doch empfehlen, Vorurteile still zu pflegen.

#33 †  a3kHH

†  a3kHH

    Applicant for Minion status in the Evil League of Evil

  • Mitglieder
  • PIPPIPPIPPIPPIP
  • 5.923 Beiträge
  • Geschlecht:männlich

Geschrieben 17 Mai 2008 - 23:50

Töten ist niemals die *richtige* Lösung, auch wenn es mitunter die einzig praktikable sein mag. Das ist letztlich eine spezielle Form des ethischen Dilemmas, ob man das Wohl weniger dem Wohl vieler opfern darf. In manchen Fällen ist jede Entscheidung (und auch Nichtstun ist eine Entscheidung!) falsch, dann muß man sich für das kleinste Übel entscheiden. Was nichts daran ändert, daß es falsch ist.

Nein, Du hast es nicht begriffen. Nicht nur, daß manchmal das Wohl des Einzelnem vor dem Wohl von Vielen geht, ist Gewalt nie auch nur eine "praktikable Lösung".

#34 raps

raps

    Scoobynaut

  • Mitglieder
  • PIPPIPPIPPIPPIP
  • 1.361 Beiträge
  • Geschlecht:männlich
  • Wohnort:J.w.d. im Norden

Geschrieben 18 Mai 2008 - 09:29

@a3kHHDeine Einstellung zu Gewalt kann ich sehr gut nachvollziehen. Oft bin ich genau derselben Ansicht. Ich kann nur verstehen, dass es in diesem Punkt unterschiedliche Meinungen gibt.@shugalHättest Du vielleicht auch so eine Art "Top-10" der Nicht-Serien-Bücher, die Du mir mitteilen könntest? Vielleicht habe ich ja was davon oder Bücher daraus laufen mir doch mal über den Weg. Vielen Dank im Voraus!Dass mit Roberts' "Stone" einiges nicht stimmt, weiß ich natürlich (zu lang, doofe Auflösung, verschiedene Gesellschaften nur skizziert), mir gefällt halt der 'seriöse' Ansatz und das Universum des t'T (oder wie das geschrieben wurde). So, und jetzt logge ich mich erst mal aus und lese Deine Rezi zum Buch.Gruß, Rainer


Besucher die dieses Thema lesen: 2

Mitglieder: 0, Gäste: 2, unsichtbare Mitglieder: 0