Science Fiction = populäre Eschatologie
#1
Geschrieben 19 Juni 2008 - 16:21
"Science-Fiction ist die populäre Form der Eschatologie, der Lehre von den letzten Dingen. ..."
Der Begriff "Eschatologie" ist meines Wissens nach ein theologischer Begriff (ok, die Website dürfte eine konservative katholische Seite sein - ungeprüft). Somit würde man Science Fiction gleichsetzen mit Theologie und Theologie ist die Lehre von "Gott oder Göttern“ im allgemeinen, und im besonderen die Lehre vom Inhalt des (meist christlichen) Glaubens und den Glaubensdokumenten (Siehe Wikipedia).
Nur - Science Fiction ist doch keine Form der Theologie. Sie behandelt manchmal das Thema Gott, aber rechtfertigt dies die Gleichsetzung.
Wo sind unsere gelehrten Herren, die hier Licht ins Dunkel bringen können?
Gruß
Thomas
PS: In diesem Zusammenhang möchte ich auch auf einen Artikel hinweisen (der mir diesbezüglich allerdings auch keine Erleuchtung gebracht hat ***seufz***):
Winrich Clasen, Science Fiction und Eschatologie - Leistet die SF einen Beitrag zur Bewältigung der Zukunft?, Andromeda magazin Nr. 95 23. Jhg. Juni 1978, Seite 9-20
Weitere Hinweise werden dankbar entgegengenommen.
Thomas Sebesta/Neunkirchen/Austria
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#2
Geschrieben 19 Juni 2008 - 17:23
SF ist meines Erachtens nicht als Form der Eschatologie anzusehen.
Eschatologie verbinde ich mit Messianismus. Ist diese Verknüpfung korrekt, so liessen sich viele Werke der SF (unter anderem, nicht ausschliesslich) als eschatologisch einstufen. Als Beispiele würde ich hier nennen: Besters The Stars My Destination, Herberts Dune, Star Wars, Matrix...
Allerdings ist eine Gleichsetzung übertrieben, denn es gibt genügend Werke, welche keine solche Verbindung eingehen. Beispiele hierfür wären, sagen wir, Alien, Blade Runner, Dicks Orakel vom Berge, Lems Unbesiegbarer...
Wie könnte man auf die Idee kommen SF als Eschatologie anzusehen? Ich sehe zwei Möglichkeiten:
a ) Man schliesst von populären Vertretern (z.B Matrix) aufs ganze Genre
b ) Man sieht Beschreibungen der Zukunft per se als Eschatologisch an. In dem Fall hätte man z.B. auch Alien drin. Halte ich aber definitiv für fragwürdig. Des weiteren hätte man Alternativwelten/Paralleluniversen immer noch nicht drin.
Bearbeitet von sepia, 19 Juni 2008 - 17:26.
#3
Geschrieben 22 Juni 2008 - 08:59
Das Rätsel löst die Etymologie: griechisch "to es-chaton"="das Ende". Also: "Lehre von den letzten Dingen"="Die Frage nach dem Was wird mit uns?"
Ich nehme an, hier ist nicht gemeint, dass SF Theologie ist, sondern (btw eine meiner Lieblingsthesen) dass SF eben auch dieselben Fragen beackert, auf die Religion Antworten anbieten will. Und darunter die älteste Menschheitsfrage (ok, außer "Wo gibts Essen?"): Wie schaffen wir es, unserer eigenen Endlichkeit zu entgehen? Bzw.: Sind wir mehr als die Summe unserer Teile, die dann verfaulen?
Dieser theologische, aber noch vielmehr humanistische Grundzug trägt ja doch weiteste Teile unserer Lieblingsliteratur†¦
Mehr dazu im großartigen Buch "All-Macht und End-Zeit", soeben für den dpp nominiert ;-))))
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#4 Gast_Jorge_*
Geschrieben 22 Juni 2008 - 20:21
http://www.scifinet....?showtopic=2933griechisch "to es-chaton"="das Ende". Also: "Lehre von den letzten Dingen"="Die Frage nach dem Was wird mit uns?"
Ich nehme an, hier ist nicht gemeint, dass SF Theologie ist, sondern (btw eine meiner Lieblingsthesen) dass SF eben auch dieselben Fragen beackert, auf die Religion Antworten anbieten will. Und darunter die älteste Menschheitsfrage (ok, außer "Wo gibts Essen?"): Wie schaffen wir es, unserer eigenen Endlichkeit zu entgehen? Bzw.: Sind wir mehr als die Summe unserer Teile, die dann verfaulen?
http://www.scifinet....?showtopic=4705
http://www.scifinet....?showtopic=3723
http://www.scifinet....?showtopic=1874
http://forum.sf-fan....?t=2489start=15
Bearbeitet von Jorge, 22 Juni 2008 - 20:29.
#5
Geschrieben 23 Juni 2008 - 05:00
Oder natürlich da :-)http://www.scifinet....?showtopic=2933 http://www.scifinet....?showtopic=4705 http://www.scifinet....?showtopic=3723 http://www.scifinet....?showtopic=1874 http://forum.sf-fan....?t=2489start=15
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#6
Geschrieben 29 Juni 2008 - 12:00
Diese Gleichung bezieht sich vor allem auf den besprochenen Film Matrix und ist in seiner Formelhaftigkeit sicherlich unglücklich gewählt, weil er nicht auf die ganze Science Fiction übertragbar ist. Vielleicht ging der Autor aber auch wirklich von der Annahme aus, dass Science Fiction = populäre Eschatologie ist. Das ist aber eine irrige Annahme. Genauso könnte man nach Ansehen des Films Barbarella, die gesamte Science Fiction als die populäre Form der sexuellen Befreiung bezeichnen, was eine Unkenntnis der Heterogenität des Science Fiction Genres und der darin unterschiedlich vorhandenen Traditionslinien voraussetzt."Science-Fiction ist die populäre Form der Eschatologie, der Lehre von den letzten Dingen. ..."
#7
Geschrieben 29 Juni 2008 - 12:06
Nun, ich habe versucht eine Stellungnahme des Autors dazu einzuholen - bisher leider ohne Erfolg, mal sehen vielleicht meldet er sich ja noch Gruß Thomas... Vielleicht ging der Autor aber auch wirklich von der Annahme aus, dass Science Fiction = populäre Eschatologie ist. ...
Bearbeitet von t.sebesta, 29 Juni 2008 - 12:09.
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#8
Geschrieben 29 Juni 2008 - 20:40
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#9
Geschrieben 29 Juni 2008 - 22:18
@sepia: Gerade Blade Runner ist vollgestopft mit mehr oder weniger eindeutigen religiösen Bezügen, bei Alien wird's in der Tat schwieriger. Sicher ist eine eschatologische Tendenz in der SF sehr viel häufiger anzutreffen als eine grossbusige; darüber ist auch in einem anderen Buch, das für den dpp nominiert wurde, einiges zu lesen ...
Signatures sagen nie die Wahrheit.
Filmkritiken und anderes gibt es auf simifilm.ch.
Gedanken rund um Utopie und Film gibt's auf utopia2016.ch.
Alles Wissenswerte zur Utopie im nichtfiktionalen Film gibt es in diesem Buch, alles zum SF-Film in diesem Buch und alles zur literarischen Phantastik in diesem.
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#10
Geschrieben 30 Juni 2008 - 21:00
Selten die Fälle, in denen das Großbusige und das Eschatologische eine geglückte Verbindung eingehen†¦ Na, da müßte doch mindestens ein Aufsatz drin sein. Hmmm†¦ Stay Tuned†¦Barada Nikto ist hier der Experte, aber grundsätzlich gehe ich mit ihm einig. Es ist auffallend, wie oft auch und gerade in hard SF (quasi-)religiöse Themen verhandelt werden, wie oft am Ende ein Durchbruch in übermenschliche, religiöse Sphären steht.
@sepia: Gerade Blade Runner ist vollgestopft mit mehr oder weniger eindeutigen religiösen Bezügen, bei Alien wird's in der Tat schwieriger. Sicher ist eine eschatologische Tendenz in der SF sehr viel häufiger anzutreffen als eine grossbusige; darüber ist auch in einem anderen Buch, das für den dpp nominiert wurde, einiges zu lesen ...
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#11
Geschrieben 30 Juni 2008 - 21:00
Bearbeitet von Ulrich, 30 Juni 2008 - 21:05.
#12
Geschrieben 30 Juni 2008 - 21:43
und so war es auch gemeint - ist diese Aussage gültig oder zu verwerfen, gibt es überhaupt mehrere Formen der Eschatologie und ist Science Fiction eine davon? Gruß Thomas... Ich bin jedoch von Thomas Fragestellung ausgegangen, dass SF = populäre Eschatologie ist und habe das vor allem so verstanden, dass es ausschließlich nur das ist, alles andere, was Science Fiction, ausmachen kann, wird ausgeschlossen...
Thomas Sebesta/Neunkirchen/Austria
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#13
Geschrieben 30 Juni 2008 - 22:45
Zufälligerweise kenne ich Charles Martig, den Autor des Artikels; von meinem Balkon aus sehe ich in seine Wohnung ... Und noch zufälligerweise wird dieses Jahr noch ein Band zu SF-Film und Theologie erscheinen, bei dem Martig als Co-Herausgeber fungiert und in dem auch meine Wenigkeit einen Artikel beigesteuert hat (allerdings geht's in meinem Text dann nicht um Religion). Grundsätzlich ist wohl zu sagen, dass das ein sehr kurzer Text ist, der notgedrungen mit Verkürzungen und Zuspitzungen arbeiten muss. Ist SF grundsätzlich immer eschatologisch? Wahrscheinlich nicht. Ist es die einzige populäre Form, die dies tut? Kaum (ich glaube allerdings nicht, dass Martig dies tatsächlich so meint. Wenn er schreibt "Science-Fiction ist die populäre Form der Eschatologie", verstehe ich das eher als "die populärste Form von Eschatologie ist heutzutage SF". Da Martig viel zu Film und Theologie geforscht und geschrieben hat, glaube ich kaum, dass er das hier auf den SF-Film beschränken will. Seine Diss ist zu theologischen Aspekten im Oeuvre Lars von Triers). Hat SF stärker als andere populäre Genres eine Tendenz in diese Richtung? In meinen Augen auf jeden Fall. Ich bin diesbezüglich mit Martig einig, dass sich SF aus verschiedenen Gründen besonders für religiöse und/oder endzeitliche Themen geeignet ist. Ich denke, folgender Satz fasst das ganz gut zusammen: "Im Science-Fiction ist die Spekulation über das Ungesicherte und Irreale, über die Vergegenwärtigung von zukünftigen Welten stets ein Anstoss, die Nähe zu religiösen Traditionen zu suchen."Barada Nikto, Simifilm, im Grunde stimmen wir überein. Ich bin jedoch von Thomas Fragestellung ausgegangen, dass SF = populäre Eschatologie ist und habe das vor allem so verstanden, dass es ausschließlich nur das ist, alles andere, was Science Fiction, ausmachen kann, wird ausgeschlossen. Diese enge Eingrenzung halte ich nicht für richtig bzw. habe ich mich gefragt, wie diese Argumentation in dem besagten Webartikel zustande kommt. So liegt Simon durchaus richtig damit, dass eine eschatologische Tendenz in der SF häufiger anzutreffen ist. Doch kann anhand weniger Filme eine generelle Aussage über ein gesamtes Genre getroffen werden, tut das der Autor des Artikels überhaupt? Weniger geht es mir um eine grundsätzliche Diskussion über SF und Eschatologie als vielmehr um das Verstehen oder Interpretation des Artikels. Schließlich steht dort nicht, dass Science Fiction "eine" populäre Form oder "auch" ist, vielmehr ist Science-Fiction "die" populäre Form der Eschatologie. Gibt es andere populäre Formen der Eschatologie oder eignet sich SF hierfür besonders, zielen die SF-Autoren speziell darauf ab, darüber zu schreiben? Wird im Artikel der Science Fiction eine besondere gesellschaftliche Funktion zugedacht und kann sie diese überhaupt einnehmen? Man erinnere sich hierbei auch an Diskussionen im Forum über die Möglichkeiten der SF die Welt zu verbessern, z.B. durch Erwähnung technologischer Innovationen.
Bearbeitet von simifilm, 30 Juni 2008 - 22:47.
Signatures sagen nie die Wahrheit.
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#14
Geschrieben 01 Juli 2008 - 08:50
möglicherweise versteh ich die Bedeutung von "Eschatologie" nicht wirklich, aber ist diese Aussage nicht noch viel "gefährlicher"? Gibt diese Wertung der SF nicht grundsätzlich theologischen Charakter und damit Wertigkeiten, die die Science Fivtion als Literaturgattung nicht erfüllen kann? Welche Formen von Eschatologie gibt es denn noch (mal grundsätzlich gesehen)? Gruß Thomas... verstehe ich das eher als "die populärste Form von Eschatologie ist heutzutage SF" ...
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#15
Geschrieben 01 Juli 2008 - 09:04
Ich weiss nicht recht, ob ich Dich jetzt verstehe. Es wird hier ja nicht die Behauptung aufgestellt, SF biete in dieser Weise Antworten, wie es Religionen tun. Aber sie behandelt sehr wohl ähnliche Themen. Dass Thema des Durchbruchs zu höheren/anderen/besseren Regionen/Welten ist eine der Grundkonstanten der SF und das ist auf jeden Fall ein fundamentales Thema jeder Religion. Die Tatsache, dass SF und Religion/Theologie ähnliche Themen behandeln, heisst ja aber noch lange nicht, dass sie die gleiche Funktion haben.möglicherweise versteh ich die Bedeutung von "Eschatologie" nicht wirklich, aber ist diese Aussage nicht noch viel "gefährlicher"? Gibt diese Wertung der SF nicht grundsätzlich theologischen Charakter und damit Wertigkeiten, die die Science Fivtion als Literaturgattung nicht erfüllen kann?
Für Fantasy kann das sicher auch gelten, meine ich.Welche Formen von Eschatologie gibt es denn noch (mal grundsätzlich gesehen)?
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#16
Geschrieben 05 Juli 2008 - 07:41
*habenwill* Sobald der rausgekommen ist, schick' ihn mir bitte.Und noch zufälligerweise wird dieses Jahr noch ein Band zu SF-Film und Theologie erscheinen, bei dem Martig als Co-Herausgeber fungiert und in dem auch meine Wenigkeit einen Artikel beigesteuert hat (allerdings geht's in meinem Text dann nicht um Religion).
#17
Geschrieben 05 Juli 2008 - 07:48
Sollte über amazon beziehbar sein. Da ich da nur einen einzelnen Text geschrieben habe, habe ich nichts mit dem ganzen Verlagsgewurstel zu tun.*habenwill* Sobald der rausgekommen ist, schick' ihn mir bitte.
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