
In welcher SF-Welt werden wir leben?
#1
Geschrieben 28 August 2008 - 16:44
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#2
Geschrieben 28 August 2008 - 18:20
I have loved the stars too fondly to be fearful of the night.
(Sarah Williams: The Old Astronomer To His Pupil)
#3
Geschrieben 15 September 2008 - 08:26
Ich habe gestern mit einem Physikprofessor dieses Thema besprochen. Er kannte den Star-Physiker Michio Kaku (“Physics of the Impossible“) nicht und war der Meinung, dass die Physiker von solchen Spinnereien, wie er sie verbreitet, nichts hielten. Es mag sein, dass bezüglich der "zukünftigen Möglichkeiten der Wissenschaft" eine gewisse Ernüchterung eingetreten ist, eine Endzeitstimmung - nicht im Sinne einer Apokalypse - sondern eher im Sinne von "Wir stehen am Ende unserer Grundlagenforschung wenn wir den Urknall simuliert und dieses sogenannte "Gottesteilchen", das uns auch noch die widerspenstige Gravitation in die "Theorie von Allem" einbindet, gefunden haben." Insofern muss das ja auch Auswirkungen auf die SF-Literatur haben. Eine ernsthafte SF, die sich als eine Art Extrapolation der Gegenwart in die Zukunft versteht, dürfte da ernsthafte Probleme bekommen. Die Pionierzeit der SF ist ja schon längst vorbei. Als Folge davon sehe ich immer stärker ein Abdriften der SF in die Fahrwasser der Fantasy. Aber das war nicht das Anliegen meiner "Gedanken an einem verregneten Urlaubstag". Das Hauptproblem war die Diskrepanz zwischen beschleunigter wissenschaftlich-technischer Evolution und Stillstand oder kaum merklicher Evolution des Menschen. Wobei einige Zyniker bereits von einer negativen Evolution des Menschen mit Häme sprechen. Das scheint die eigentliche Sackgasse der Evolution zu sein und vielleicht ist es auch eine Sackgasse der SF-Literatur. "Gutes und Schlechtes", wenn es noch vorhanden ist auf dem selben Niveau, wie schon immer, ist es wirklich keine Evolution des Menschen. Widersprüche sind Kräfte der Evolution, nur müssen sich die Widersprüche auch entwickeln sonst kommt die Evolution zum Stillstand, wenn nicht gar zur Umkehr.Bei diesem Thema ist es interessant sich zu vergegenwärtigen, über was für eine Zukunft die Menschen vergangener Tage spekuliert haben - also die Zukunft, die unsere Gegenwart ist. Nun, für eine der Utopien, die längst hätten entstehen sollen, hat es offenbar nicht gereicht. Andererseits sind die unzähligen, in Roman und Film beschriebenen Weltuntergänge auch nicht eingetreten. Wie es scheint, mag die Zukunft keines der Extreme, die wir uns zusammenspinnen, und am dichtesten dran waren diejenigen, die eine Zukunft gezeichnet haben, in der Gutes und Schlechtes nach wie vor nebeneinander existiert - nur mit mehr Spielraum für beides.
Bearbeitet von Nanina, 15 September 2008 - 09:05.
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#4
Geschrieben 15 September 2008 - 09:08
#5
Geschrieben 15 September 2008 - 17:23
Die biologische Evolution ist blind und hat das Rad nicht erfunden. So wie sie bisher beim Menschen funktioniert hat und noch funktioniert ist es leider so, dass die Diskrepanz zwischen einer mehr oder weniger zielgerichteten wissenschaftlich-technischen Evolution und dem langsamen Vehikel der natürlich-biologischen Evolution immer größer wird. Was steht einer zielgerichteten genetischen Evolution des Menschen entgegen? Religiöse und ethische Dogmen, Horrorvisionen - auch aus der SF - von "Sklavenzüchten" und brutal-grausamen genetisch veränderten Menschen lassen allein bei solchen Gedanken einen inneren Zensor wach werden. Doch vergeben wir damit, wenn wir diesen Dogmen und Horrovisionen Glauben schenken, nicht ein Stück unserer Zukunft und erhöhen die Wahrscheinlichkeit der Apokalypse, die übrigens nicht nur in den herrschenden Religionen eine Rolle spielt sondern auch in den alten Mythen - z. B. der Germanen - enthalten ist? Die momentan tobende globale Finanzkrise ist ja auch nicht förderlich, Zukunftsvisionen für die Menschheit zu entwickeln. Aber irgendwie kommen wir ohne fundierte Utopien nicht weiter. Hier könnte die SF vielleicht wieder eine Pionierfunktion übernehmen, anstatt sich mit der Fantasy zu verheiraten. Aber vielleicht gibt es das ja schon wieder und ich kenne es nur noch nichtDen Begriff der Evolution zu benutzen, finde ich hier etwas hoch gegriffen.Ich glaube nicht, dass zufällige genetische Mutationen in den nächsten 1000 oder so Jahren unsere Spezies als Ganzes wesentlich verändern werden. (Meintest Du das mit 'Evolution'?) Anders liegt die Sache vielleicht, wenn man sich vorstellt, dass der Mensch selbst an seinem Gen-Pool herumdoktert (z. B. um sich friedlicher zu machen - oder die Bürger stromlinienförmiger/blöder). SF helps us to foresee the future! No, it does not. (aus: Emerald City, Nr. 100) Eine Menge gute SF-Texte kann man sicher entweder den Utopien/Dystopien zurechnen bzw. sie sind Versuche, die Gegenwart oder gegenwärtige Entwicklungen darzustellen (jeder Roman wird schließlich für heutige Leser geschrieben). Allerdings finde ich, wie MacLeod, dass SF immer schon etwas Märchenhaftes hatte oder, vielleicht eher, es verstanden hat, Märchenhaftes, das unsere Tagträume beflügelt, 'rational' einzukleiden. Grüße, Rainer

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#6
Geschrieben 15 September 2008 - 18:32
Wer sagt denn eigentlich, dass man eine Utopie nicht in eine Fantasy-Umgebung einbetten kann? Ganz abgesehen davon müssen SF und Fantasy einander sowieso nicht ausschließen. Die richtige Mischung macht das Resultat oft erst interessant. Man denke nur an den Wüstenplaneten oder die Drachenreiter von Pern †¦Hier könnte die SF vielleicht wieder eine Pionierfunktion übernehmen, anstatt sich mit der Fantasy zu verheiraten.
You, especially, I like. Passionate, sincere†¦ †¦goofball. (Three to Tango)
#7
Geschrieben 16 September 2008 - 02:12
Wieso?Die biologische Evolution ist blind und hat das Rad nicht erfunden. So wie sie bisher beim Menschen funktioniert hat und noch funktioniert ist es leider so, dass die Diskrepanz zwischen einer mehr oder weniger zielgerichteten wissenschaftlich-technischen Evolution und dem langsamen Vehikel der natürlich-biologischen Evolution immer größer wird. Was steht einer zielgerichteten genetischen Evolution des Menschen entgegen? Religiöse und ethische Dogmen, Horrorvisionen - auch aus der SF - von "Sklavenzüchten" und brutal-grausamen genetisch veränderten Menschen lassen allein bei solchen Gedanken einen inneren Zensor wach werden. Doch vergeben wir damit, wenn wir diesen Dogmen und Horrovisionen Glauben schenken, nicht ein Stück unserer Zukunft und erhöhen die Wahrscheinlichkeit der Apokalypse,
die übrigens nicht nur in den herrschenden Religionen eine Rolle spielt sondern auch in den alten Mythen - z. B. der Germanen - enthalten ist?
Das Thema scheint ja immer mal wieder hier zu aufzutauchen, und meine Frage bleibt immer dieselbe: Was ist hier mit Utopie gemeint? Ein konkretes Programm oder ein primär literarischer Text? Im ersten Fall sage ich: her damit, im zweiten: Literatur hat nicht die Aufgabe, politische Programme zu entwickeln.Die momentan tobende globale Finanzkrise ist ja auch nicht förderlich, Zukunftsvisionen für die Menschheit zu entwickeln. Aber irgendwie kommen wir ohne fundierte Utopien nicht weiter. Hier könnte die SF vielleicht wieder eine Pionierfunktion übernehmen, anstatt sich mit der Fantasy zu verheiraten. Aber vielleicht gibt es das ja schon wieder und ich kenne es nur noch nicht
Signatures sagen nie die Wahrheit.
Filmkritiken und anderes gibt es auf simifilm.ch.
Gedanken rund um Utopie und Film gibt's auf utopia2016.ch.
Alles Wissenswerte zur Utopie im nichtfiktionalen Film gibt es in diesem Buch, alles zum SF-Film in diesem Buch und alles zur literarischen Phantastik in diesem.
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#8
Geschrieben 16 September 2008 - 11:23
#9
Geschrieben 16 September 2008 - 15:00
Sagen wir mal so: ich behaupte, dass es kaum ein literarisches Werk gibt, dass wirklich explizit und konkret politisch ist und auch noch literarisch gelungen ist. Literatur kann, darf und soll sich zu politische Themen äussern, aber wenn ein Autor zu einem konkreten politischen Problem einen konkreten Vorschlag hat, dann soll er daraus bitte keinen Roman machen, weil das 1. ziemlich sicher kein guter Roman wird und weil es 2. sehr viel sinnvoller und fruchtbarer wäre, wenn er diesen Vorschlag direkt in die politische Diskussion einbringen würde. Und die meisten (klassischen) Utopien halte ich zwar historisch und ideengeschichtlich für interessant, für gelungene Literatur (im Sinne von: das ist an sich spannend zu lesen) halte ich die wenigsten."Literatur hat nicht die Aufgabe, politische Programme zu entwickeln." Der Satz stimmt natürlich. Aber genauso korrekt wäre z.B. der Satz: "Literatur hat nicht die Aufgabe, die gruppendynamischen Prozesse im Vorstand von Grasshoppers Zürich zu beschreiben." Oder: "Literatur hat nicht die Aufgabe, die Funktionsweise von elektrischen Bügeleisen zu erläutern." Kann sich ein Werk der Literatur nicht theoretisch mit wirklich jedem Sujet befassen? Utopische Texte können doch sehr unterhaltsam - und manchmal gar aufschlussreich - sein. Dein Satz, Simon, klingt in meinen Ohren immer wie "Literatur und Politik sind unvereinbar", und das finde ich abwegig. Aber vielleicht missverstehe ich Dich ja (und ich weiß, das Thema hatten wir an sich schon seit Deiner Auseinandersetzung mit Beverly durch). Grüße, Rainer
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#10
Geschrieben 16 September 2008 - 16:25

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#11
Geschrieben 16 September 2008 - 16:31
Vielleicht kategorisch, aber überhaupt nicht akademisch, denn die Aussage ist sehr konkret, und Du darfst gerne Beispiele bringen für Romane, die Du für gelungen hältst und die Deiner Meinung nach auch konkret politisch sind. Vielleicht merken wir dann ja, dass wir nicht vom Gleichen sprechen.Solche Sätze, die beginnen mit "Literatur hat nicht die Aufgabe..." oder "Literatur hat die Aufgabe..." halte ich für sehr akademisch. Auch solche Aussagen wie "Ein politischer Roman kann keine Literatur sein..." ist in meine Augen nur Schubladendenken.
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