Da ich gerade einen Roman von ihm fertig las, dachte ich könnte das SFN evl. einen "Schrein"-Thread zu diesem wichtigen Oldie-Autor gebrauchen, wo wir Romane und Kurzgeschichten vorstellen (und gerne auch besprechen), die uns gefallen haben. Macht jemand mit?
Ich fange mal an mit Der Himmel ist frei (orig. Vertigo).

Story
In einer nicht all zu entfernten Zukunft wird Anti-Schwerkraft (kurz CG) zum Alltag; dies führt insbes. dazu dass Menschen sich einen kleinen Apparat anschnallen, und fortschweben, können. Die große individuelle Freiheit, die dies bringt, führt aber auch zu Exzessen für die eine eigene Luftpolizei von Nöten ist, und Rob Hasson ist ein solcher Polizist, im Luftraum über Coventry. Nach einem schweren Angriff auf ihn und seinen Partner, der seinen Partner tötet, fällt Hasson fast einen Kilometer tief weil sein CG-Harnisch vorübergehend ausfällt, und, obwohl der wieder funktionierende Harnisch ihn am Ende noch bremst, bricht er sich beim Aufschlag mehrere wichtige Knochen, u.a. mehrfach sein Rückgrat. Nun versucht er nach moderner wiederherstellender Chirurgie eine mehr-monatige Rehabilitation in einer kanadischen Kleinstadt bei einem Polizisten zu verbringen. Doch in dieser Stadt geht auch nicht alles mit rechten Dingen zu. Wegen seinen Schmerzen und seiner Steifheit praktisch hilflos, muss Hasson zusehen, wie sein abgebrühter Kollege immer stärker in den Strudel eines Kleinstadthais gerät. Hasson muss sich letztendlich der Frage stellen, ob er doch wieder etwas tut das er geschworen hatte nie wieder zu tun: Den CG-Harnisch an zu legen...
Kritik
Der Roman befasst sich für heutige Lesegewohnheiten erstaunlich wenig mit dem technischen Novum, und die spannungsaufbauende Handlung tuckert auch sehr gemächlich vier Fünftel des Buches vor sich hin. Es geht vielmehr um Hassons Empfindungen während seiner Konvaleszenz, wie er mit seiner Gastfamilie klar kommt, und dem futuristischen Alltag, der sich nur in wenigen Punkten vom normalen 20.-Jhdt.-Alltag unterscheidet. (Auch aus heutiger Sicht liest sich der Text noch glaubwürdig, weil eben wenige "Gadgets" vorkommen um ihn als alte SF zu verklappen.)
Daher wird der große Einfluss, den der CG-Harnisch auf das Leben der Menschen hat, nur nebenbei beschrieben, und das gefällt mir sehr gut. Es gibt eigentlich nur diese eine Sache die diese Zukunftswelt von unserer unterscheidet, und doch ist sie allgegenwärtig. Fast alle Rollen im Roman sind geprägt davon, dass die neue mögliche Bewegungsfreiheit eine Herausforderung ist, der ein moderner Mensch gewachsen sein muss, und die auch zu entspr. Exzessen führt. Z.B. ist es verboten, irgendwelche dichteren Materialien beim Fliegen dabei zu haben, weil diese ja fallen könnten, und dann, bei entspr. Flughöhe, wie eine kleine Bombe einschlagen würden.
Hasson ist der gebrochene Überflieger, der die jungen Menschen um sich mit zynischem Blick sieht, denn sie haben die Extreme, die er kennt, noch nicht erlebt, und sehnen sich - aus seiner Sicht dummerweise - danach. Das Besondere ist, dass Shaw Hasson keineswegs als Held zeichnet - der Protagonist ist oft ein nicht gerade sympathischer Typ.
Mir gefällt besonders die sehr ausführliche Beschreibung von Hassons Empfindungen - wie er die Welt sieht, welche Schmerzen er fühlt, seine eher zynischen oder zumindest vorsichtigen Schlussfolgerungen. Hasson denkt ungewollt auch immer aus alter Gewohnheit bei den Problemen, die sein Gastgeber als Dorfsheriff erlebt, mit, kann und will sich aber nicht einmischen. (Keine Person, außer sein Gastgeber, weiß dass er ein ehemaliger Cop ist.)
Dieser ausführliche introvertierte Schreibstil ist bei heutigen SF-Texten eher unüblich. Kein aktueller Autor traut seiner Leserschaft derart Langatmiges mehr zu.
Fazit: Empfehlenswert! (Und relativ kurz - in der oben dargestellten Originalausgabe nur 160 Seiten.)
(Das Coverbild oben verlinkt auf seine Quelle - eine engl. Romanbesprechungs-Website, die dort auch den Roman-Plot genauer umreißt.)
Bearbeitet von yiyippeeyippeeyay, 21 September 2008 - 13:07.