Nachdem sich hier im Ankündigungsthread auch schon die Diskussion über die Anthologie entwickelte, will ich meinen Sermon auch hier platzieren. Allerdings muss ich mich im wesentlichen dem Urteil von Helmuth anschließen. Die meisten der 31 Stories sind entweder Klamauk der untersten Sorte oder gewollt-komische Texte ohne jedes Talent zur Komik. Guter Humor lebt von der Einbettung in eine solide Idee und ergibt sich aus der Situation. Wenn man die umgekehrte Herangehensweise versucht ("Heute schreibe ich mal was Lustiges."), wird man Schiffbruch erleiden. So ist es denn auch in der Mehrzahl der dokumentierten Versuche geschehen.
Ach ja: Weder Titelbild noch andere Merkmale auf der Vorderseite des Covers deuten auch nur ansatzweise in Richtung "Humoristische SF". Es sei denn, die zu lang geratenen Nasen sollten lustig sein.
Nun gut. Welche Stories sind trotz aller Vorbehalte noch erwähnenswert?
Uwe Hermann: Der Gesundheitswächter
Ein Außerirdischer mit drei Gehirnen hat Zahnschmerzen und lernt das automatische Gesundheitssystem der Terraner, speziell der Deutschen, kennen.
Schön, mal wieder etwas vom Altmeister der komischen SF zu lesen! Der Blick auf die Menschheit durch außerirdische Augen beschert uns einige niedliche Erkenntnisse.
Saven van Dorf: Die Erfindungen des Mr. White
Die Erfindungen des Mr. White verändern die Welt im Stundentakt. Dagegen wollen einige minderjährige Hobbyterroristen angehen. Doch sie ahnen nicht, wer sich hinter Mr. White verbirgt.
Gelungene Satire auf Innovationswahn, temporeich erzählt mit netten Details. Gelungene Fingerübung. Aber nicht mehr.
Uwe Post: Wotan
Der Neonazi von nebenan hat seine E-Hund Wotan so programmiert, dass er vor Nachbars Mülltonne kackt. Doch der Nachbar kennt sich mit Elektronik aus.
Böse, hintergründig, und voll auf die Zwölf! Bis ins kleinste technische Detail originell und durchdacht. Super, Uwe!
Claudia Hornung: Kurzschluss
Archivarandroide D'Arco bekommt ungewollte Unterstützung von Putzautomat Tante Knoll, die zum Einstand einige Nanowelten abstaubt.
Niedliche Glosse auf Putzwahn und Putzfrauen, die beim Aufräumen Kunstwerke vernichten. Zum Schmunzeln, aber nicht mehr.
Melanie Metzenthin: Kostengünstig
In einem Gebiet, aus dem immer wieder Menschen verschwinden, entdeckt man einen Ratgeber zur richtigen Haltung von Menschen.
Böse, zynisch, doppelbödig. So mag ich das!
Timo Bader: Mambo ist verliebt
Mambo, ein 200-kg-Lork, verliebt sich in eine wunderschöne, schlanke Erdfrau. Aber ist er nicht zu fett für sie?
Süß, die Abrechnung mit Schlankheitswahn und Schönheitskult. Nette Schlusswendung.
Andreas Gruber: Holotec Services
1999 träumen Otto und Bertram von Frauen, die man über Fernsteuerung bedienen kann. 70 Jahre später machen Holotec Services ihren Traum wahr. Doch wehe, man vergisst den Mitgliedsbeitrag!
Witzig, rasant, boshaft. Runde Sache.
Niklas Peinecke: Toaster aus dem Weltraum
Um in eine Alien-Clique aufgenommen zu werden, muss Tr'Brakko eine Mutprobe bestehen: Terraner erschrecken.
Witzige Story, rund geschrieben, mit netten Roswell-Anspielungen.
Bernhard Weißbecker: Kreise im Kornfeld
Ein Alien-Hirsch will seinen Artgenossen eine Botschaft ins Kornfeld trampeln. Da stört ihn eine brünftige Hirschkuh.
Süße Idee, nette Einfälle, flüssig geschrieben. Insgesamt gelungen.
Frank Hebben: Fromme Küchengeräte
Eines Morgens verehren die chipgesteuerten Haushaltsgeräte ihren Besitzer als Gott.
Witzig, cool, rund, gelungen! Aber nur als Spielerei für zwischendurch.
Gruß
Ralf
Bearbeitet von ShockWaveRider, 18 November 2008 - 23:53.