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Phil Good: Geschichten aus einer unperfekten Zukunft


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Eine Antwort in diesem Thema

#1 Uwe Post

Uwe Post

    FutureFictionMagazin'o'naut

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Geschrieben 12 Dezember 2008 - 15:49

Schweiz? Genau! Dass es in Österreich eine lebendige SF-Szene gibt (man denke nur an Earth Rocks!), weiß hier jeder. Aber warum sollten Schweizer nicht auch SF lesen und schreiben?Phil Good hat es getan und seine Werke in einer Sammlung bei BOD veröffentlicht. 232 Seiten in Softcover vereinen sechs Kurzgeschichten, eine Novelle und die ersten Kapitel eines Fantasy-Romans (als Appetitanreger offenbar). Zum Einstieg aber erklärt der Autor uns erstmal, was Science Fiction ist - für seine möglicherweise SF-unkundigen Landsleute vielleicht nötig, für mich überflüssig.Vorweg sei gelobt, dass das Buch für eine BOD-Publikation erfreulich fehlerfrei und sprachlich sehr ordentlich daherkommt. An der einen oder anderen Stelle wären Lektorat oder wenigstens kritische Testleser aber hilfreich gewesen.Hier nun die Einzelkritik:Starline Mining CorporationDie ersten 78 Seiten werden von einer Novelle in Anspruch genommen, in der es um Machtkämpfe in einem Zukunftskonzern geht. Obgleich die Story intelligent ausgedacht und sehr ordentlich geschrieben ist, hat sie Charme und Spannung eines mehrstündigen Powerpoint-Vortrags über eine Unternehmensumstrukturierung. Nichts gegen das auf dem Backcover verkündete Credo, auf Raumschlachten zu verzichten und Menschen und Menschheit ins Zentrum zu rücken - in diesem Text bleiben die Figuren einfach zu blass und beliebig. Vermutlich wäre es hilfreich gewesen, die Handlung aus der Perspektive einer Hauptperson zu erzählen, statt ständig die Figuren zu wechseln (eine Angewohnheit, die sich durch das ganze Buch zieht).Vor dem letzten GefechtMoralisierende, triviale Story über ein Kind, das eine vermeintliche Vision vom Typ Art Independance Day hat.Karma Nr. 4891Belanglose, zu kurz greifende Story über Replikanten.Evas EntscheidungAußerirdische finden die letzte Überlebende einer Pandemie auf der Erde vor. Langatmig, konstruiert.Der Sheik von LucerneStory um übermächtige Kriegsgeräte. Platt.Die dritte LektionWenn man "Dark Star" nicht gesehen hat, findet man eine philosophierende Interkontinentalrakete vielleicht innovativ. So ist es nur ein lahmer Abklatsch einer genialen Filmidee.Das FischerprinzipUnter dem Begriff "Psychologische Kalkulation" wird hier eine vertuschte Vergangenheit rekonstruiert (was für mich nichts mit Psychologie zu tun hat), das alles verpackt in eine Liebesgeschichte und eine Doktorprüfung (die ich auch bestehen würde). Klingt zunächst recht schlau, erweist sich aber schließlich als unglaubwürdiger, pseudowissenschaftlicher Verschwörungstheorien-Quark.Das SAD-ExperimentZunächst beginnt diese Story so gut wie keine andere im Buch: Interessante Figuren, Spannung, Neugier weckend. Dann aber kommt doch wieder die aus schlechten amerikanischen Serien bekannte geheime Untergrundbasis mit strengen Sicherheitsvorkehrungen, in denen an obskuren Geräten geforscht wird. Was vielversprechend beginnt, erweist sich schließlich auch noch als unvollständig, es handelt sich nämlich um den Beginn von Phil Goods erstem Fantasy-Roman. Den ich, so leid es mir angesichts des deutlich ambitionierten Autors tut, ganz sicher nicht lesen werde.Gesamturteil:Phil Good schreibt ordentlich, aber das Versprechen, philosophische Themen aufzugreifen, über Menschen in ihrer Umwelt zu schreiben, bleibt er schuldig. Die Philosophie bleibt stets an der Oberfläche, die Menschen bleiben oft anonym und sind Teil einer unglaubwürdigen Handlung. Das ist weder dramatisch, noch interessant, und alles andere als innovativ - und es kommt ganz sicher nicht "der Realität oft näher als uns lieb sein kann", wie der Klappentext behauptet.Das Buch weiß streckenweise durchaus zu unterhalten, und wenn der Autor etwas durchdachtere, weniger obskure Szenarien entwerfen würde, dürfte man auf seine künftigen Werke gespannt sein.

Herausgeber Future Fiction Magazine (deutsche Ausgabe) ||| Aktuelles Buch: KI - KOMISCHE INTELLIGENZ (mit Uwe Hermann) ||| edition-übermorgen.de ||| uwepost.de ||| deutsche-science-fiction.de


#2 Helmuth W. Mommers

Helmuth W. Mommers

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Geschrieben 13 Dezember 2008 - 09:55

Danke für die ausführliche Rezi; das erspart mir die Qual. Dabei hätte ich mir - als Fast-Schweizer - so sehr gewünscht, dass mal ein talentierter Kollege von sich reden macht! - War da nicht mal einer, ganz zu Anfang, im Utopia-Magazin, mit prima "Asimovschen" Roboter-Storys? - Ein gewisser Helmut W. Hoffmann?! (Dürrenmatt ist natürlich aussen vor). Und ich glaube, da gab´s auch noch eine Roman-AutorIN...


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