Marc Heinrichs hat recht. Der SFCD hält einen nur von der SF ab.Es mag als Freizeitgestaltung lustig sein hier mitzulesen, aber mit meinem eigentlichen Hobby hat das nichts mehr zu tun.
Mal ehrlich, hat dieser Verein überhaupt noch etwas mit Science Fiction zu tun?? Man
Beweis: Kaum bin ich draußen, schon habe ich wieder eine Anthologie gelesen.

Die EDFC-Jahresanthologie "Die rote Kammer" vereint 29 Stories von bekannten und weniger bekannten Autoren aus allen Bereichen der Phantastik. Von Horror über Fantasy und Allgemein-Phantastik reicht der Bogen bis hin zur Science Fiction. Die Genrezuordnung ist nicht immer ganz einfach, wie bereits der Herausgeber selbst zugeben musste. So sehe ich z.B. durchaus SF-Elemente in Anke Laufers "Kilphire Hoe" und Malte S. Sembtens "Die rote Kammer", während ich in Franks Story "Die Stadt am Meer" alles mögliche entdecke, nur kein SF. Oder ist mir da etwas entgangen? Aber darauf kommt es auch nicht an.
Vom durchschnittlichen Niveau her scheint mir der aktuelle Jahrgang deutlich besser zu sein als der Vorgänger "Das Mirakel". Es gibt nur wenige echte Ausfälle; lediglich die Forst-Story habe ich abgebrochen. Die meisten Autoren überzeugten handwerklich und brachten zumindest teilweise dichte, spannende Szenen zu Papier. Allerdings hatte ich bei den meisten Geschichten Probleme mit dem Ende.
Restlos begeistern konnte mich keine Geschichte, auch wenn die meisten lesenswert waren.
Meine persönlichen Favoriten:
Heidrun Jänchen: Die Guerilla erwacht
Niedliche Märchen-Parodie, süß geschrieben. Wir erfahren die Wahrheit über die Gartenzwerge.
Judith Rau: Der Tokee
Der erste Teil dicht und intensiv geschrieben, fängt die eigentümliche Welt sehr gut ein. Danach wird es mir zu erklärend, ohne wirklich zu erhellen. Warum wurde Jahim getötet?
Michael K. Iwoleit: Leere Alternativen
Die einseitige, melancholische Liebesgeschichte sehr schön geschrieben. Aber wozu brauchte es das ganze Drumherum mit Alternativwelten etc.? Die diversen Identitäten des Ich-Erzählers wurden nicht genügend ausgearbeitet.
Stefan Peters: Todesschatten
Ansprechende Idee mit der Geheimgesellschaft der Bücherfreunde, Peters gelingen starke, intensive Szenen. Das Ende wirkt übertrieben.
Anke Laufer: Kilphire Hoe
Stimmungsvolle Geschichte über einen Biologen auf der Suche nach unbekannten Weichtierarten. Auch die Traumsequenzen passen. Nur die Grundidee wirkt etwas gekünstelt.
Uwe Schimunek: Das Tor
Spannender SF-Thriller über einen ungewöhnlichen Transport des Brandenburger Tors. Leider wurde mir die Motivation Maiks nicht klar.
Christian Weis: Der schwarze Mann in Weiß
Seltsame Dinge geschehen an Rolands Schule: Eine Mitschülerin verschwindet. Dafür taucht Gregor auf, der an kindlicher Vergreisung leidet. Stringent und spannend erzählte Geschichte voller Geheimnis und "sense of wonder". Hitler-Legende am Anfang unnötig, zumal sie nicht wieder aufgegriffen wird. Und warum kann Gregor am Ende Roland nicht unter seine Kontrolle bringen?
Trotz der leichten Kritikpunkte für mich die beste Story in der Sammlung.
Wolfgang G. Fienhold: Der Keller
Nette Idee, sauber geschrieben. Leider drückt er sich am Ende um eine echte Auflösung herum.
Jürgen Thomann: Zwischen den Dimensionen
Wahnsinnig dichte Atmosphäre, intensive Schilderungen, viel "sense of wonder". Leider enttäuscht die Auflösung.
Hartmut Schönherr: Die Rückkehr der Salamander
Nette Idee, Protagonist und Elga gut charakterisiert, dichte Szenen. Ende überraschend, aber leicht übertrieben.
Malte S. Sembten: Die rote Kammer
Die körperlichen und seelischen Qualen des Inquisitionsopfers der Zukunft werden intensiv beschrieben und dem Leser gut nahegebracht. Leider fehlen Hintergrundinformationen über die Mensch-Maschinen. Ende nicht verstanden.
Uwe Post: Der letzte Atemzug des Amli Kimlisohn
Nettes, ironisches Spiel mit Fantasy-Versatzstücken, farbig erzählt. Aber die Pointe gerät etwas luftarm.
Frank W. Haubold: Die Stadt am Meer
Die unwirkliche Atmosphäre der Stadt am Meer wahnsinnig stark und intensiv eingefangen. Der Leser ist mittendrin im seltsam statischen Geschehen. Ende und Auflösung fallen dagegen etwas ab. Trotzdem eine starke Story von Frank!
Insgesamt bietet "Die rote Kammer" abwechslungreiche, überwiegend lesenswerte Kurzgeschichten.
Eine solide, wenngleich nicht herausragende Anthologie. Für Freunde der Phantastik durchaus empfehlenswert.
Gruß
Ralf
Bearbeitet von ShockWaveRider, 27 Dezember 2008 - 23:56.