(Wie im Auswahlthread schon erwähnt, habe ich im Jahr 2004 eine grobe Übersicht zur Geschichte der Erforschung der Nordwestpassage und John Franklins Expedition zusammengestellt. Damals aus dem Grund, weil die Städte Wiesloch und Walldorf Sten Nadolnys Roman "Die Entdeckung der Langsamkeit" - in dem John Franklin die Hauptrolle spielt - in einer großen, dreiwöchigen Aktion öffentlich gemeinsam gelesen haben. Die Daten sind also auf dem Recherche-Stand von 2004, sollten seither noch neue Erkenntnisse hinzugekommen sein, sind sie an mir vorbeigeozgen ... Als Hintergrund zu "Terror" mag der folgende Text aber trotzdem ganz hilfreich sein.)
Die lange Suche nach der Passage
Das Rätsel der Nordwestpassage, des Seewegs zwischen dem Atlantik und dem Pazifik, zog fast 400 Jahre lang Forscher und Entdecker aus allen Teilen der Erde in seinen Bann. Das größte Unglück ereignete sich hier 1845, als die aus zwei Schiffen und 129 Menschen bestehende Expedition des britischen Polarforschers John Franklin spurlos verschwand. Mit Erfolg durchfahren wurde die Nordwestpassage erst zwischen 1903 und 1906 von Roald Amundsen und seinen sechs Begleitern auf dem Heringskutter „Gjöa“.
Bis 1845, als die Expedition von John Franklin mit all ihren 129 Mitgliedern spurlos verschwand, hatten über 140 Schiffe und zahlreiche Überlandexpeditionen versucht, die Nordwestpassage zu entdecken. 32 weitere Schiffe suchten zwischen 1848 und 1859 nach Franklins Expedition und machten dieses Unternehmen zur teuersten und längsten Suchaktion in der Geschichte. 1850 schaffte der Engländer Robert McClure über die Beringstraße zwar die Einfahrt in die bis dahin vergeblich gesuchte Nordwestpassage, wurde aber mit seinem Schiff im Eis eingeschlossen und musste schließlich von einer anderen Expedition geborgen werden. Die Durchfahrt mit nur einem Schiff schaffte erst Amundsen über 50 Jahre später.
Die Nordwestpassage ist der Seeweg zwischen dem Atlantik und dem Pazifik, der rund 5800 Kilometer lang durch die arktische Inselwelt Nordamerikas führt, die heute zur kanadischen Provinz Nunavut gehört. Anfangs wurde nach ihr gesucht, weil man hoffte, einen Handelsweg zu den Märkten des Orients zu finden. Diese Idee stellte sich allerdings bald als zu riskant und zu kostspielig heraus. Besonders England sah daher die Entdeckung der Durchfahrt als eine Möglichkeit, um das nationale Prestige zu heben. Daneben zählten auch Abenteuergeist und Entdeckerdrang zu den Antriebsfedern der wagemutigen Expeditionen, die oft genug aber auch an der Selbstüberschätzung der europäischen Forscher scheiterten.
1498 gelang John Cabot die erste dokumentierte Landung auf dem nordamerikanischen Kontinent seit den Wikingern. Sein Sohn Sebastian behauptete schon 1509, nach der Nordwestpassage gesucht zu haben. Heute geht man allerdings davon aus, dass er einen Vorstoß in die Hudson Bay unternahm. 1531 versuchte Robert Thorne, König Heinrich VIII. davon zu überzeugen, dass die Entdeckung einer Polarroute England einerseits einen friedlichen Zugang zum Orient sichern würde. Andererseits, so Thorne, könne man sich damit auch einen Vorteil gegenüber den spanischen und portugiesischen Rivalen verschaffen, wäre eine solche Route doch um rund 10000 Kilometer kürzer als die um Afrika oder Südamerika herum. Thorne schaffte es aber damals nicht, den König von seiner Idee zu überzeugen. Erst unter Heinrichs Tochter, Königin Elisabeth I., begannen die hartnäckigen Versuche Englands, die Nordwestpassage zu finden.
1576 erhielt Kapitän Martin Frobisher, ein draufgängerischer Abenteurer, der zuvor auch schon der Piraterie beschuldigt worden war, das Kommando über eine Expeditionsreise in die Neue Welt. Am 7. Juni 1576 stach er mit drei Schiffen in See - eines sank, das zweite desertierte kurz darauf. Allein die „Gabriel“ segelte unter Frobisher von den Ufern Neufundlands nach Norden weiter, bis zur heutigen Frobisher Bay der Baffin-Insel, die fälschlicherweise von der Besatzung als Tor zur Nordwestpassage angesehen wurde. Frobisher war der festen Überzeugung, dass die große Durchfahrt, die er hier entdeckt hatte, zwei Landmassen oder Kontinente trennte. Bei seiner Rückkehr nach England brachte Frobisher einige angeblich goldhaltige Stücke „schwarzer Erde“ mit.
Der vermeintlich wertvolle Fund machte weitere Expeditionen unter Frobishers Kommando möglich: 1577 fuhr er im Auftrag der Königin nach Kanada, um die Förderungsmöglichkeiten von Bodenschätzen zu erkunden. Doch sowohl diese als auch eine weitere Reise blieben erfolglos: Sämtliche mitgebrachten Bodenproben erwiesen sich als wertloser Pyrit. Der Ort, an dem Frobisher gelandet war, wurde erst in den sechziger Jahren des 19. Jahrhunderts zweifelsfrei identifiziert. Charles Francis Hall entdeckte Kohlenvorräte und die aufgegebenen Minengruben auf der Baffin-Insel am Ende der später nach Frobisher benannten Bucht.
Frobishers Begegnungen mit den Eingeborenen, den Inuit, waren unerfreulicher Natur. Es kam zu einigen Gefechten, mehrere Inuit wurden getötet, Frobisher selbst von einem Pfeil im Rücken verletzt. Ganz anders ging John Davis vor, der 1585 seine erste Reise auf der Suche nach der Nordwestpassage unternahm und den Inuit so viel Wohlwollen und Achtung entgegenbrachte, wie kaum ein anderer zu seiner Zeit. Während der letzten seiner insgesamt drei Reisen erforschte Davis die Westküste Grönlands in nördlicher Richtung bis zum 73. Breitengrad. Die Straße zwischen Grönland und der Baffin-Insel, die er dabei durchquerte, wurde nach ihm benannt. Am Ende mangelte es Davis allein an finanzieller Unterstützung: Drei Mal hatte er wegen widriger Umstände - starke Stürme und undurchdringliches Eis verhinderten sein Vorankommen - umkehren müssen. Auf der letzten Fahrt entdeckte er den Lancaster-Sund, die Einfahrt zur eigentlichen Nordwestpassage, bevor er wieder umkehren musste. Da seine Suche aber keine zählbaren Ergebnisse eingebracht hatte, fand Davis keine Investoren mehr; er nahm stattdessen am Kampf gegen die spanische Armada teil und entdeckte später auf einer Handelsmission in der Südsee die Falkland-Inseln.
Der Engländer Henry Hudson scheiterte 1607 bei seinem ersten Versuch, in den Orient zu gelangen. Auch ihm mangelte es in der Folge in England an Geldgebern, weshalb er in den Dienst der Niederländischen Ostindienkompanie trat und in deren Auftrag nach einer nordöstlichen Durchfahrt suchte. 1609 gelangte er dorthin, wo heute New York liegt und segelte den Hudson-Fluss hinauf. Nach einer zwischenzeitlichen Rückkehr nach Europa setzte Hudson seine Suche 1610 fort. Er segelte durch die Hudsonstraße als erster in die Bucht, die heute seinen Namen trägt. Hudson glaubte allerdings irrigerweise, das „weite Meer“ erreicht zu haben, über das er nach Ostindien gelangen würde. Schließlich stoppte ihn das Land am oberen Ende der James Bay - zu spät im Jahr, um noch in die Heimat zurückkehren zu können. Hudson und seine Mannschaften waren gezwungen, unter widrigsten Verhältnissen zu überwintern: Der Proviant war knapp, die Kleidung der Männer der grimmigen Kälte nicht angemessen. Zur Meuterei kam es aber erst, als das Schiff aus dem Eis befreit werden konnte. Hudson wollte die Suche nach der Passage fortsetzen, die Mannschaft revoltierte. Der Kapitän, sein Sohn John und sieben loyale Matrosen wurden im Juni 1611 in einem kleinen Boot ausgesetzt und blieben verschollen. Den Meuterern erging es nicht viel besser. Nur neun von ihnen überlebten die Rückreise nach England.
Die Suche nach der Nordwestpassage wurde dennoch fortgesetzt: Bis sich schließlich 1818 die britische Admiralität zu einer verstärkten Beteiligung entschloss, wurden nach Hudson noch 36 Schiffe ausgeschickt, die allesamt keinen Erfolg hatten. Samuel Hearne unternahm zwischen 1770 und 1772 auf der Suche nach der Nordwestpassage drei Überlandexpeditionen. Die ersten beiden musste Hearne abbrechen, da ihn seine indianischen Führer im Stich ließen. Erst die dritte Expedition gelangte durch die Barren Lands an die Mündung des Coppermine River: Hearne war der erste Europäer, der das Polarmeer nördlich des kontinentalen Festlandes zu sehen bekam. Die Passage entdeckte er allerdings nicht und musste letztlich zu dem Schluss kommen, dass sie auf dem Weg durch die Hudson Bay auch nicht zu finden war.
Dennoch wurde 1819 John Franklin mit einer weiteren Überlandexpedition beauftragt, die tragisch enden sollte. Franklin, 1786 als eines von zwölf Kindern einer wohlhabenden Kaufmannsfamilie geboren, fuhr bereits mit zwölf Jahren zur See und trat mit 15 in die Marine ein. Zwar war Franklin von unkomplizierter, freundlicher Natur, die sich kaum mit den strengen Disziplinmaßnahmen der Marine vereinbaren ließ, dennoch war er gleichzeitig auch sehr ehrgeizig. Um seine Karriere zu fördern, meldete er sich freiwillig als zweiter Befehlshaber einer Polarexpedition. Unter dem Kommando von Captain David Buchan segelten im Frühjahr 1818 zwei Schiffe von den Spitzberg-Inseln, nördlich von Norwegen, in Richtung Nordpol. Eis und Stürme führten zur fast vollständigen Zerstörung der Schiffe - schon im Oktober befand sich die Expedition wieder in England.
Zu einem Helden der Arktis wurde Franklin im Jahr 1821 - weil er lebend von einer Reise zurückkehrte, die elf seiner Männer das Leben kostete. Die britische Admiralität übertrug ihm 1819 das Kommando über eine Expedition, deren Auftrag es war, das Gebiet oberhalb des Polarkreises zu erforschen und zu kartographieren. Franklins Ziel war es, auf den Spuren von Samuel Hearne die Mündung des Coppermine River zu erreichen und die arktische Küste nördlich des Polarkreises zu erforschen. Mit 20 Männern war Franklin im Juni 1821 in Richtung Norden entlang des Coppermine River unterwegs. Franklin, ganz von seinem Ziel beherrscht, verkannte die Gefahr: Er zögerte, die Rückkehr anzuordnen, obwohl die Vorräte längst knapp waren. Diese gingen schließlich auf dem Rückweg nach Süden endgültig zur Neige und die Mitglieder von Franklins Expedition waren gezwungen, unter anderem alte Schuhe zu essen. Man trennte sich: Eine Gruppe unter dem Kartographen George Back suchte nach den Indianern, die der Expedition schon in einem früheren Stadium geholfen hatten. Während Franklin selbst mit einigen Begleitern versuchte, den Stützpunkt Fort Enterprise zu erreichen, blieben drei Männer - der todkranke Robert Hood, der Arzt Dr. John Richardson und der schottische Seemann John Hepburn - unterwegs zurück. Vier der Männer in Franklins Begleitung wurden die Strapazen zu groß: Sie kehrten um und wollten das Lager der Gruppe um Richardson erreichen. Nur der Indianer Michel Teroahauté, ein Irokese, kam dort an. Mit dem frischen Fleisch, das er mitbrachte, rettete er Richardson, Hepburn und Hood das Leben. Der eigenartige Geschmack ließ den Arzt jedoch nach einiger Zeit zu der Überzeugung kommen, dass es sich dabei um das Fleisch der verschollenen Männer handelte. Der Irokese wurde in den folgenden Tagen immer feindseliger, Hood wurde schließlich mit einer Kugel im Kopf tot aufgefunden. Richardson und Hepburn waren fest davon überzeugt, dass Teroahauté nun auch sie umbringen wollte. Der Arzt handelte und erschoss den Indianer. Zu zweit erreichten Richardson und Hepburn Fort Enterprise und stießen dort auf Franklin und drei seiner Gefährten, die dem Tode nahe waren. Die Rettung kam in Gestalt der Copper-Indianer, auf die George Back gestoßen war.
Franklin schrieb nach seiner Rückkehr nach England einen Reisebericht und wurde berühmt als „der Mann, der seine Schuhe aß“. 1825 wurde ihm der Befehl über eine zweite Expedition übertragen, um die nördliche Küste von Alaska und das Gebiet östlich des Coppermine River zu erforschen. Franklin hatte einige Lehren aus der ersten gezogen, so hatte man dieses Mal genügend Lebensmittel und eine bessere Ausrüstung an Bord. Auch überzeugten ihn die Anzeichen des nahenden Winters rechtzeitig, die Rückkehr anzutreten. Es gab keine Todesfälle und Franklins Bericht stellte zudem einen wertvollen Beitrag zu den geographischen Kenntnissen über die Arktis dar. Die unspektakuläre Reise ließ allerdings das öffentliche Interesse an der Arktisforschung sinken. Franklin befehligte in der Folge eine Fregatte im Mittelmeer und nahm schließlich 1836 den Gouverneurs-Posten in Tasmanien, einer Strafkolonie vor der australischen Küste, an. Erst 1844 kehrte er nach England zurück, zu einer Zeit, als das Interesse an der Forschung gerade neu aufgelebt war. Inzwischen fast sechzig Jahre alt, übergewichtig und nicht bei bester Gesundheit machte sich Franklin am 19. Mai 1845 auf seine letzte Expedition.
Die Schiffe Erebus und Terror hatten 134 Mann an Bord, als sie Grönland erreichten, wurden fünf kranke Männer nach Hause geschickt. Franklin segelte nördlich durch die Baffin Bay - am 26. Juli sichtete ein Walfischboot die beiden Schiffe an einem Eisberg verankert. Dies blieb der letzte Augenzeugenbericht über die Expedition. Erst fast drei Jahre später, im März 1848, bot die britische Admiralität eine Belohnung von 20.000 Pfund für Franklins Rettung. Zahlreiche Expeditionen machten sich auf den gefährlichen Weg: James Clark Ross beispielsweise fand weder eine Spur von Franklin noch die Nordwestpassage - stattdessen kamen sechs seiner eigenen Männer ums Leben.
Im August 1850 wurden auf der Insel Beechey die Gräber von drei Männern entdeckt, die zu Franklins Expedition gehört hatten. Die Suche nach den Verschollenen wurde fortgesetzt, wenn es auch kaum mehr Hoffnung gab, sie lebend zu finden. Eines der Schiffe, die „Investigator“ unter Robert McClure, stieß dann tatsächlich auf die Nordwestpassage. Das Schiff steckte im Eis fest, McClure unternahm eine Schlittenfahrt entlang der Prince of Wales-Straße. Am Morgen eines Oktobertages bestieg er eine 180 Meter hohe Erhebung, den „Mount Obeservation“, um den Sonnenaufgang zu betrachten. Als es hell wurde, lag die lange gesuchte Nordwestpassage vor ihm - zwischen der im Westen sichtbaren Nordküste der Banks-Insel und dem Viscount-Melville-Sund östlich von ihm. Zur Durchfahrung kam es aber nicht: Die „Investigator“ steckte noch mehrmals im Eis fest, ehe sich McClure im September 1851 dazu entschied, in der Mercy Bay vor Anker zu gehen, um dort zu überwintern. Erst im April 1853 wurden McClure und seine einer Meuterei nahe Mannschaft dort von einem anderen Schiff aufgefunden und gerettet. Man setzte die Fahrt Richtung Osten fort, durchquerte die Nordwestpassage also schließlich doch, wenn auch nicht mit dem eigenen Schiff: McClure erhielt deshalb auch nur die Hälfte der ursprünglich ausgesetzten Belohnung von 20000 Pfund.
1854 kamen die ersten Beweise für Franklins Schicksal ans Tageslicht. Der Arktisforscher John Rae, ein schottischer Arzt, überwinterte auf der Halbinsel Boothia, nördlich der Hudson Bay. Im April 1854 hörte er von einem Inuit von weißen Männern, die einige Jahre zuvor verhungert waren. Die Inuit brachten Rae sogar Gegenstände, die zweifellos von Franklins Expedition stammten. 1859 segelte schließlich Kapitän Leopold McClintock, von Franklins Witwe, Lady Jane Franklin, beauftragt, südwärts die Küste von Boothia entlang. Auch er stieß auf Inuit, die ihm verschiedene Gegenstände brachten, die ebenfalls den Mitgliedern von Franklins Gruppe gehört hatten. Im Mai fand McClintock an der Küste der King William-Insel ein menschliches Skelett - das später als das des Offiziers Harry Peglar identifiziert wurde. Sein Leutnant William Hobson erforschte die nördliche Küste der Insel und stieß auf eine Steinpyramide mit zwei Notizen auf einem Blatt Papier. Die erste vom 28. Mai 1847 zeigte noch an, dass alles in Ordnung war. Nach der zweiten Notiz vom 27. April 1848, war Franklin jedoch bereits im Juni 1847 gestorben, wobei nicht angegeben war, auf welche Weise er ums Leben kam. Die Notiz enthielt weitere Einzelheiten: Es gab bereits 24 Tote, die Überlebenden wollten sich nach Süden wenden, in Richtung des Great Fish River. Die beiden Schiffe waren seit September 1846 im Eis festgefroren und konnten nicht ausbrechen. Den Strapazen einer Überlandreise waren die Männer jedoch nicht gewachsen.
Neben der Kälte hatten die Expeditionen im 19. Jahrhundert auch mit den Folgen schlechter Ernährung zu kämpfen: Die Erkrankung an Skorbut - einer Vitamin-C-Mangelkrankheit mit Symptomen wie Zahnfleischbluten, ausfallenden Zähnen und Müdigkeit, später steif werdenden Gelenken, Durchfall und inneren Blutungen - konnte lebensbedrohend sein. Hinzu konnte eine Bleivergiftung kommen, hervorgerufen durch das zu dieser Zeit bei der Herstellung der Konservendosen verwendete Lötmetall. Hätte Franklin Tiere jagen lassen oder Fleisch von den Inuit gekauft, in dem die nötigen Vitamine enthalten gewesen wären, statt auf die mitgebrachten Vorräte zurückzugreifen, hätte seine Expedition überleben können - John Ross hatte zwischen 1829 und 1833 ganz in der Nähe vier Winter dank der Unterstützung der Inuit überstanden, ehe er auf ein Walfängerschiff stieß und nach England zurückkehren konnte.
Dem Norweger Roald Amundsen, der 1911 auch als erster den Südpol erreichen sollte, gelang es schließlich als erstem Menschen, die Nordwestpassage zu durchfahren. Amundsen hatte nie einen Hehl daraus gemacht, dass er von den Reisebeschreibungen Franklins fasziniert war. Mit dem 30 Jahre alten Heringskutter „Gjöa“, ausgestattet mit einem 13 PS-Motor, und sechs Begleitern brach er am 16. Juni 1903 auf. Amundsen hatte zunächst das Glück, nicht auf das Eis zu treffen, das so vielen seiner Vorgänger zum Verhängnis geworden war. Er passierte die Beechey-Insel und fuhr weiter nach Süden in den Pee-Sund hinein. Dort endete Amundsens Glückssträhne: Erst lief die „Gjöa“ beinahe auf Grund, dann brach ein Feuer im Maschinenraum aus und schließlich geriet der Kutter in einen fast vier Tage dauernden Sturm. Auf der Suche nach einem windgeschützten Platz gelangte Amundsen auf die King William-Insel, auf der die meisten Männer von Franklins Mannschaft umgekommen waren. Dort verbrachten er und seine Begleiter zwei Winter, stellten sorgfältige magnetische Untersuchungen an und studierten die Lebensgewohnheiten der Inuit. Am 13. August 1905 setzten sie die Reise fort und erreichten vier Tage später bei der Cambridge Bay den letzten noch nie mit einem Schiff überschrittenen Punkt. Drei Wochen lang schlängelte sich der Heringskutter durch die seichten und gewundenen Kanäle, ehe man einen Walfänger sichtete, der von der anderen Seite der Passage, von der Beringstraße her, kam. Nur wenige Tage später - den endgültigen Triumph schon vor Augen - geriet die „Gjöa“ in schweres Packeis. Amundsen und seine Begleiter mussten ein drittes Mal in der Arktis überwintern, diesmal bei King Point an der Nordküste Yukons. Erst ein Jahr später erreichte die „Gjöa“ die Bucht von San Francisco - damit war die Nordwestpassage erstmals vollständig bezwungen worden. Im November 1906 kehrte Amundsen nach Oslo zurück und wurde als Held gefeiert.
(erschienen in der Rhein-Neckar-Zeitung, 13. März 2004)
Bearbeitet von Armin, 30 Januar 2009 - 21:03.