Geschrieben 21 Mai 2010 - 11:06
Ich poste hier mal eine etwas ältere Rezi von mir zu diesem Buch von Frank Schätzing.
Ich habe dabei versucht detailiert auf die Punkte einzugehen, die mir, wie auch immer, aufgefallen sind.
Der Rezensent und die Rezensionen
Was Rezensionen angeht, bin ich ein sehr ambivalenter Mensch.
Einerseits gibt es Bücher die ich mir sowieso kaufen möchte, da sind Rezensionen oft genug Spoiler oder „Geschmacksverderber“. Andererseits gibt es Bücher und Autoren, da ist jeder Buchkauf ein Lotteriespiel, sind sie doch entweder vollkommen unbekannt oder ob ihrer wankelmütigen Leistungen verschrieen.
Bei Frank Schätzing war ich vorsichtig und neugierig zugleich.
Vorsichtig, da ich seine ersten Gehversuche in einem Regionalverlag kannte und diese mich nicht unbedingt aus dem Lesesessel gerissen hatten.
Neugierig, weil er und sein Buch plötzlich in aller Munde waren, man denke da nur an eine narzistisches Selbstbildnis in einer großen Kölner Tageszeitung, die Herrn Schätzing auf einem Fell nur mit einem Lack- oder Lederunterhöschen bekleidet zeigte.
Geile Marketingmasche oder verzweifelter Kampf um Abnehmer?
Ich beschloss keine Rezension zu seinem neuesten Werk „Limit“ zu lesen, sondern zu warten bis die Taschenbuchausgabe erscheinen würde, um mir selber ein (günstigeres) Bild von seinem Schaffen zu machen.
Kommissar Zufall und eine böse Überraschung
Bei einem kürzlich überraschend einberaumten Krankenhausaufenthalt spielte mir dann Kommissar Zufall in Form eines Zimmergenossen das Buch „Limit“ in die Hände, das ich für die Dauer des Aufenthaltes gegen Kings neuen Roman „Die Arena“ eintauschte.
Nun, innerhalb der wenigen Tage schaffte ich es mit enormen Magengrummeln bis auf etwa Seite vierhundert des Schätzing´schen Backsteins, während mein Zimmergenosse den King, der immerhin selber auch ein Kampfgewicht von etwa 1300 Seiten auf die Waage bringt, innerhalb von drei Tagen mit strahlenden Augen verschlang.
Das ist alles nur geklaut †¦
„Limit“ ist eines der wenigen Bücher, für das ich mich wegen dem zu zahlenden Kaufpreises schwarz geärgert hätte. Viele Dinge die ich später bei vielen Rezensionen als DIE Knaller zu lesen bekam, kannte ich schon aus etlichen anderen (und wesentlich besseren!) Romanen.
FahrstĂĽhle zum Mond?
Ein alter Hut, den schon der Vater der modernen Science Fiction, Arthur C. Clarke in mehreren Romanen verarbeitet hat (1978, Fahrstuhl zu den Sternen, engl. Fountains of Paradise), der seinerseits von Konstantin Ziolkowski inspiriert wurde, welcher diese Idee bereits 1895 aufgrund des Pariser Eifelturmes hatte. Auch Andreas Eschbach (von dem noch die Rede sein wird) hat in seinem „Buch der Zukunft“ schon lange vor Schätzing von einer derartigen Methode der Lastenbeförderung gesprochen. Zugleich ging er auch auf die besonderen technischen Probleme detailiert ein, die Schätzing jetzt als selbstständig erarbeitete Recherche darstellt. Hier sei nur die Monomolekulare Faser genannt, welche als einzige in der Lage ist die Zentrifugalkräfte eines solchen Aufzugs auszuhalten.
Sex in der Schwerelosigkeit?
Da war doch was mit Eschbach?
Stimmt.
In Solarstation lässt Andreas Eschbach seinen „Hausmeister im Weltall“ bereits mit einer Asiatin in gekonnter Weise (und sehr unterhaltsam dazu!) die Freuden der körperlichen Liebe erkunden.
Also sind zwei der Hauptmarketingpunkte die ich später kennenlernen sollte und die da von revolutionären Ideen sprachen, schon einmal nichts anderes, als ein laues Lüftchen im halbleeren Schnapsglas.
Was fĂĽr ein einfallsloser Abklatsch
Okay. Das Rad der Literatur kann niemand neu erfinden(!) und wenn auch die Marketingkampagne für Limit voll nach hinten (oder nach meinem Lesegefühl eher vollständig und feucht in die Hose) geht, vielleicht schafft Frank Schätzing es ja, das Ruder mit tollen Protagonisten und einer spannenden Handlung noch herumzureißen. Alleine wegen ein paar ausgenudelten Ideen verreißt man ja kein Buch, sonst müsste so manch ein Bestsellerautor heute von der Stütze leben.
Fehlschluss.
Wie schon bei seinen Regionalkrimis sind auch die Figuren in „Limit“ platte Pappkameraden, frisch und faltenfrei aus der Werkshalle. Ohne sie näher zu kennen weiß man schon Seiten vorher was sie sagen, was sie denken (wenn überhaupt) und wie sie handeln werden. Das lässt sich auch nicht mit einer exorbitant großen Mannschaft kaschieren, die „Limit“ bis in den letzten Winkel bevölkert.
Eine handvoll Leute weniger, die anderen dafür tiefer und realistischer ausgebaut, ohne auf Stammtisch- und Hausfrauenzeitungspsychologie zu setzen, wäre ein guter Weg.
Die Handlung wirkt zudem als hätte dem Manuskript keine schützende Lektorenhand beigestanden, sondern als wäre es frisch aus dem Drucker direkt in Rohfassung auf die Druckwalzen geraten. Szenen wechseln sich sinnverwirrend wie in einem Kaleidoskop mit Passagen ab, die wie Essays oder Aufsätze zu Fachthemen wirken und einfach nur langweilen.
Sorry, aber entweder lese ich ein Sachbuch oder einen Thriller und wenn schon beides, also Handlung und wissenschaftliche Recherche, in einem Buch gemeinsam derart geballt vorkommen müssen, dann bitte so verpackt, wie es Andreas Eschbach macht. Als gute Beispiele dafür seien nur „Eine Billion Dollar“ oder „Ausgebrannt“ aus der Feder dieses Autoren genannt.
Hier ist die Recherche so, wie sie meiner Meinung nach sein sollte:
Spannend, locker, nachvollziehbar und ohne Oberlehrerton.
Fazit:
Bei allem Respekt vor der Kraft und der Ausdauer ein solches Buch zu schreiben, ist das Ergebnis bis zu dem Punkt an dem ich aufgegeben habe denkbar mager ausgefallen. In dem Sinne ist der Titel ein Omen, denn Frank Schätzing geht wirklich ans Limit. Er geht ans Limit meiner ganz persönlichen Ausdauer und Geduld und nebenbei auch ans Limit dessen, was ich normalerweise maximal für eine Hardcoverausgabe hinlege.
Alte Ideen neu aufzukochen ist keine wirkliches Manko, wenn man es schafft diesen Sud auch schmackhaft anzurichten. Wenn dann aber die Zutaten bereits das Verfallsdatum überschritten haben, wird es selbst einem erklärten Gutmenschen und Bewunderer aller Autoren und Autorinnen, die es in mühevoller Kleinarbeit schaffen spannende Welten zu entwerfen und sie mit Menschen zu bevölkern, die mir auch auf dem Weg zur Arbeit in der Bahn begegnen können, zuviel des Guten.
Selbst die oft als ach so trivial und nichtssagend gescholtenen Heftromane und ihre Verfasser haben in ihren kleinen Werken wesentlich mehr an Kreativität, als es Frank Schätzing auf seinen gefühlten 20.000 Seiten schafft.
Es ist traurig, wenn sich ein Autor nicht über seine Bücher verkauft, sondern ein Buch nur über seinen Autoren, der sich dafür in der Öffentlichkeit auch noch als Held darstellen lässt, während hinter ihm das Haus mit den Kindern abbrennt.
Oder, was das betrifft, wenn die Fahrstuhlkabine am gerissenen monomolekularen Seil gen Erde trudelt.
My 5 Cent
Dirk