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Ben Bova - Venus


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2 Antworten in diesem Thema

#1 Holger

Holger

    Temponaut

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Geschrieben 13 April 2002 - 18:47

Der Konzernmagnat Martin Humphries setzt bei einer opulenten Feier anlässlich seines 100. Geburtstages ein Preisgeld in Höhe von 10 Milliarden Dollar für denjenigen aus, der die sterblichen Überreste seines ältesten Sohnes Alex von der Venusoberfläche birgt.
Gleichzeitig stoppt er die Unterhaltszahlungen an seinen ungeliebten Zweitgebohrenen, Van.

Der schwächliche junge Mann, der an einer perniziösen Anämie (Blutarmut) leidet, sieht sich gezwungen, die Herausforderung anzunehmen. Er stellt ein Team zusammen und lässt eine Mission planen, die ihn zu dem Raumschiffwrack seines verunglückten Bruders führen soll.
Gleichzeitig macht sich Lars Fuchs, ein Prospektor aus dem Asteroiden-Gürtel, auf den Weg zur Venus. Auch er möchte das Preisgeld kassieren.

Bereits in den oberen Schichten der dichten Venusatmosphäre bahnt sich eine Katastrophe an. Die Keramik-Metall-Hülle von Van Humphries Schiff beginnt undichte Stellen aufzuweisen. Da entdeckt die Biologin der Besatzung eine wissenschaftliche Sensation, die der Mannschaft gleichermaßen zum Verhängnis werden könnte.

"Venus" ist ein geradliniger und unkomplizierter SF-Abenteuerroman. Druckvoll treibt Bova die überaus spannende Story voran und fesselt den Leser förmlich an das Buch. Geschickt und auf unaufdringliche Art und Weise webt er seine Vision des vorangeschrittenen 21. Jh. in die Story ein, und vermag auch die notwendigen Fakten über den "unbekannten" Nachbarn Venus mit fast beiläufiger Eleganz zu vermitteln.

Die Handlung wäre bestens für eine Hollywoodverfilmung geeignet, besticht Bovas Erzählung doch mit großartigen Bildern und Eindrücken. So bestreiten die Raumfahrer ihren Venusflug mit luftschiffartigen Gefährten, die wie Captain Nemos "Nautilus" in die dichte Venusatmosphäre eintauchen. Auch die Figur Lars Fuchs, der Konkurrent von Bovas wandlungsfähigem Antihelden Van Humphries, passt nur allzu gut in die Analogie zu Jules Vernes "2000 Meilen unter dem Meer".

Die Charaktere sind größtenteils recht gut ausgearbeitet, doch mit fortschreitender Handlung fällt auf, dass sich Bova reichlich an altbackene Strickmuster klammert: gut/böse, Leben/Tod, Helden/Opfer, Vater/Sohn, etc. Auch schmückt er den Abschluss der Erzählung mit einer hanebüchenen Moral, die unerhört deplaziert wirkt.

Selbstverständlich ist das eine sehr subjektive Auffassung. Die angesprochenen Kritikpunkte verblassen letztlich auch in Kontrast zu dem enormen Lesevergnügen, und der, vom technischen Standpunkt doch recht glaubwürdig erzählten, Story.

Schon lange habe ich nicht mehr derart den Atem anhalten müssen, wie in den Momenten, in denen der tollpatschige Van versucht, an einer Sicherungsleine in etlichen Kilometern Höhe über dem Venusboden in ein anderes Schiff umzusteigen, oder auf der 400°C heißen Oberfläche in seinem Ein-Mann-Bergungsboot feststeckt. Ein Fest für jeden SF-Fan und solche, die es werden könnten.

Einen groben Fauxpas muss ich jedoch noch anmerken: Ein wichtiger Aspekt der Handlung ist Van Humphries Anämie, die immer wieder sein Leben bedroht. Entgegen der Darstellung des Autors ist dafür niemals Drogenkonsum der schwangeren Mutter verantwortlich. Vielmehr handelt es sich um einen genetischen Defekt, der erblich ist.

Die Behandlung erfolgt monatlich mit Vitamin B12 und nicht täglich mit Enzym-Injektionen ! Wird die Behandlung abgebrochen, so zeigen sich die Folgen erst im Laufe von Monaten und nicht nach wenigen Stunden. Eine kurze kritische Prüfung hätten Autor und Lektorat diese Peinlichkeit erspart.

Bereits auf seinem Konzeptschmierblock hätte Bova auffallen müssen, dass dieser Handlungsfaden eine grundlegende Diskrepanz in sich birgt: auf der einen Seite sind die Menschen in der Lage, sich zwecks Nachkommenschaft zu klonen, gar ihr Alter durch Telomerase-Therapien beträchtlich zu steigern, auf der anderen Seite soll ein popeliger Gendeffekt (oder in Bovas Version(!) ein fehlendes/geschädigtes Enzym) nur durch externe Medikamente kontrollierbar sein ?

Verlag: Heyne
2000 Erstveröffentl.
/2002 dt. Ausgabe
493 Seiten
ISBN 3453196775

"Rezensionen: eine Art von Kinderkrankheit, die die neugeborenen Bücher befällt."
(Georg Christoph Lichtenberg)

#2 Dave

Dave

    Hamannaut

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Geschrieben 07 Juli 2002 - 13:05

Bin ich der einzige ausser Holger, der dieses Buch gelesen hat?Diese Schilderung des Antihelden liest sich so völlig anders als die beiden Marsbücher, die ich ganz hervorragend finde.Bova bemüht sich auch um den psychologischen Gesichtspunkt, was ja eher selten ist.Inzwischen ist ja auch JUPITER auf deutsch erschienen und den ich für deutlich besser halte. Er entspricht meiner Vorstellung von SF, eine Mischung aus wissenschaftlicher Sachlichkeit und einem kräftigen Schuss Forschergeist. Klasse!!!

#3 Holger

Holger

    Temponaut

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Geschrieben 10 Juli 2002 - 20:45

Also schnell lesen, ja? Habe den Titel als engl. Ausgabe im Schrank, weil ich ihn mal wieder nicht schnell genug kriegen konnte ... und hab' ihn noch nicht gelesen [Schande über mich!]. Naja, der Sommer kann kommen.
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