GEWALT VERHERRLICHUNG
#1
Geschrieben 07 Februar 2004 - 23:28
#2
Geschrieben 08 Februar 2004 - 10:10
Es kommt darauf an, was der Film dem Zuschauer mit einer solchen Szene zeigen, welche Botschaft er vermitteln will.genau das gegenteil ist der fall - wenn eine frau von polizisten ohne viel fragen niedergeknüppelt wird ist das keine verherrlichung von gewalt
Wenn ein Film zeigt, daß Menschen am Krieg körperlich & seelisch zugrunde gehen, daß er die vielen negativen Folgen kriegerischer Auseinandersetzungen und ihre Auswirkungen auf den Menschen im Fokus hat, ist's für mich durchaus ein Anti-Kriegsfilm (wobei bei den amerikanischen Filmen wohl die sehr - hm ... - 'positive' Einstellung zum Militär berücksichtigt werden sollte).EBENSO die helden verehrungen in diversen "antikriegsfilmen" - schwachsinn - anti?!
Absolut zu empfehlen: "Die Brücke" von Manfred Gregor (unter gleichem Namen von Berndhard Wicki verfilmt, aber der Roman ist m.E. noch um einiges eindringlicher als der - auch sehr bewegende - Film). Ad Astra, Marc-IvoPS: im westen nichts neues - wege zum ruhm das sind anti kriegs filme - ersteres übrigens ein meisterwerk deutscher literatur
#3
Geschrieben 08 Februar 2004 - 10:57
I have loved the stars too fondly to be fearful of the night.
(Sarah Williams: The Old Astronomer To His Pupil)
#4
Geschrieben 06 März 2004 - 15:24
#5
Geschrieben 06 März 2004 - 18:10
R. Scott Bakker
"We have failed to uphold Brannigan's Law. However I did make it with a hot alien babe. And in the end, is that not what man has dreamt of since first he looked up at the stars?" - Zapp Brannigan in Futurama
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#6
Geschrieben 06 März 2004 - 18:50
#7
Geschrieben 06 März 2004 - 22:33
R. C. Doege: Ende der Nacht. Erzählungen (2010)
R. C. Doege: YUME. Träumen in Tokio (2020)
#8
Geschrieben 10 März 2004 - 00:31
Ich sehe in Blade Runner weder 'hochsexualisierte Szenen' noch sehe ich in 'Huren oder Wahnsinnigen' (trifft für beide wohl nicht zu) eine Bedrohung männlicher Vorherrschaft...auch nicht als Klischee...!
Auch eine Gewalt-Verherrlichung sehe ich in diesem SF-Film nicht.
Meiner Meinung nach, will uns der Regisseur bzw. Philip K. Dick in seinem Buch, die Gefahren, die in der 'Vermenschlichung' eines Androiden stecken, bewußt machen.
Finde übrigens 'Die Brücke' (Film) als ein Beispiel 'echter' Anti-Kriegs-Film!
MfG, Stw. http://www.scifinet....tyle_emoticons/default/cool.png
#9
Geschrieben 11 März 2004 - 14:01
A: ein vollkommen verdrehtes Weltbild
B: ist Fan von der Verfilmung "Warten auf Godot"
oder
C: die Filme nicht gesehen !!!
Sowohl Ridley Scott als auch Katherine Bigelow würden demjenigen gehörig die Leviten lesen, wenn sie mit solch einem Vorwurf über ihre "Meisterwerke" konfrontiert würden.
Die Gewalt wird ganz klar und vollkommen interpretationslos als Mittel zum Nachdenken und Verstehen eingesetzt. Wer da etwas anderes hineininterpretiert sollte sein Filmkonsum auf ältere Disney-Zeichentrickfilme beschränken ( ÄLTERE bitte, da neuere wie Tarzan oder König der Löwen ZUVIEL Gewaltszenen beinhalten)
Wir leben nun einmal in einer Welt, die auch Gewalt beinhaltet. Wie blind soll man denn durch diese Realität rumlaufen, damit man nicht damit konfrontiert wird ?
@Jakob
Ich bewundere ehrlich gesagt seine Interpretationsfantasie zum Film Blade Runner. Was du da alles siehst ? Unglaublich.
Ich habe den Film ca. 35 mal gesehen, aber zu einem Fazit, dass auch nur peripher an deine Einschätzung heranreicht, komme ich nicht.
Kann es sein, dass du einen Film viel zu sehr "zerlegst" ?
Sorry... deine ganze Kritik liest sich wie ein frühes Pamphlet aus der linksliberalen Frauenszene .
Übrigens... meine ECHTEN Antikriegsfilme (und auch Anti-Militär) sind immer noch Die durch die Hölle gehen und Full Metal Jacket.
Gruss
Jürgen
Bearbeitet von Jürgen, 11 März 2004 - 14:32.
#10
Geschrieben 11 März 2004 - 14:41
#11
Geschrieben 13 März 2004 - 10:41
Letztendlich läuft es darauf hinaus, daß sich entweder Nicht-Psychologen (die überdies noch Biographen sein müßten) ein Urteil über die Lebensmotive der Macher hinter einem Film anmaßen oder aber - in Ermanglung einer Komplettsicht auf die Motivik der Gattung - das Einzelspiel gezielt nach etwas durchsuchen, das sie finden wollen. Und wenn es danach geht, entdecke ich auch eine Sexualisierung - sogar mit päderastischen Tendenzen, wenn gewünscht - in Disneys "Arielle die Meerjungfrau" ...
Was Literatur- und Filmkritiker vor lauter Systematik (die ansonsten zweifelsohne hilfreich ist) meines Erachtens zu oft vergessen, daß ein bestimmtes Motiv zwar unendlich viele Bedeutungsebenen haben kann, aber nicht haben muß. Manchmal ist es eben doch ganz genau so gemeint, wie es offenkundig dargestellt und von Laien auch verstanden wird. Manchmal wird auch einfach vergessen, bis wo die Bedeutungsebenen triftig sind und ab wo man anfängt - wenn auch häufig hochinteressant - zu spekulieren.
Gerade in Blade Runner werden übrigens christliche Motive verarbeitet wie nichts Gutes, was zweifelsohne damit zu tun hat, daß Dick und Scott von ihren streng katholischen Müttern öfter prophylaktisch verhauen und dann in den Schrank gesperrt wurden. Oder so. http://www.scifinet....tyle_emoticons/default/wink.png
Spaß beiseite. Das Ganze wird klarer, wenn man sich die Sicht verschiedener Schulen auf die gleiche Sequenz Ausschnitt eines Buches/Films anschaut. Für die Rationalisten ist deemotionalisierte Effizienz, wenn jemand erschossen wird, für die Postfeministischen ein Beweis geringerer männlicher Sozialkompetenz und weiblicher Emanzipierung (je nachdem, wer da wen erschießt) und wieder andere sehen in der Waffe ein Phallussymbol und in der Tat unterdrückte Sexualität oder die Aufarbeitung der Kommunistenverfolgung unter McCarthy. Es gibt sogar welche, die Rückschlüsse auf die Kleinwetterlage ziehen; in diesem Fall war's womöglich der Fön.
Gerade bei Filmen wird es noch komplizierter: Womöglich ist der Writer Pazifist, der Regisseur Methodist, der Leitende Kameramann begeistertes Mitglied einer paramilitärischen Wehrübungsgruppe, der Leitende Setdesigner in Nationalen Schwulenverband organisiert und die Beleuchter hatten während der Dreharbeiten Durchfall aufgrund schlechten Essens in der Studio-Kantine und der Cutter war während seiner Arbeit in Hochstimmung, weil er seine Scheidung glücklich durchbekommen hat ... Jeder Einzelne hat aber Anteil daran, wie sich ein Film letzendlich für die einzelnen Zuschauer darstellt. Zusammen mit dessen Wahrnehmungsvielfalt gehen die Deutungsmöglichkeiten ins Unendliche und wo der Eine Gewaltverherrlichung sieht, erkennt der Nächste gesellschaftskritischen Zynismus - oder denkt sich einfach mal gar nichts dabei.
I have loved the stars too fondly to be fearful of the night.
(Sarah Williams: The Old Astronomer To His Pupil)
#12
Geschrieben 13 März 2004 - 14:43
danke für die Fragestellung (wenn die auch etwas arg vage ist; ich bin nicht ganz sicher, worauf ich mit Ja oder Nein antworten soll. Ins Grobe gesagt, bin ich gegen Gewaltverherrlichung, aber auch dagegen mit dem Totschlagargument »Film/Buch {Titel} ist gewaltverherrlichend« irgendwas ins Abseits zu bugsieren.)
Zu Deiner ersten Meldung; ich finde Strange Days ebenfalls nicht gewaltverherrlichend. Die voyeuristischen Szenen (Handkamera des Mörders) empfinde zumindest ich als extrem unangenehm - natürlich gut gemacht, also der Geschichtenkonsument ist begeistert, wie gut und wie das gemacht ist - zum Aufgeilen taugt es nicht. Und die Geschichte, in die diese Gewalt sich fügt, ist nicht gerade eine Nasenohrerei oder ein Regal zum Unterbringen blöder Sprüche, sondern ein für Hollywood-Filme erfrischend selbstkritischer Garn.
Antikriegsfilm: Interessante Bezeichnung, meiner Meinung aber nur für Film- und Medienwissenschaftler relevant, die nette (und ja durchaus auch hilfreiche) Schubladen-Kartographie betreiben. Entsprechend kann ich Deiner EInschätzung von Platoon oder Saving Privat Ryan (stimmt so) nicht zustimmen, oder sagen, saß ich die Klauberei zwischen Kriegs- oder Anti-Kriegsfilm nicht ganz kapiere. Am ehesten würde ich diesen Begriff sinnvoll angewendet sehen auf Filme, die in Kriegsumständen angesiedelt sind, sich aber hauptsächlich nicht um Kriegsgeschehen drehen, also sowas wie Der Pianist oder Birdy. Platoon und Saving Privat Ryan sind beides exzellente modernere Kriegsfilme (wie auch der schon erwähnte Deer Hunter), werden für mich nur noch von Full Metal Jacket, Starship Troopers und Black Hawk Down überflügelt.
zu Jacob: Für Deine Interpretation von Blade Runner hast Du Dir ja was anhören dürfen. Dabei finde ich schade, daß Dein Kommentar zur »Milla killt Arschloch mit Axt«-Szene in Resident Evil anscheinend übersehen wurde. Ich finde beide Betrachtungen von Dir nachvollziehbar und stimme Dir weitestgehend zu, ziehe aber offensichtlich andern Gefallen aus manchen Aspeken von Blade Runner. Meine Differenz zu Deiner Meldung kann ich am besten am Begriff der potentiell voyeuristischen Qualität der angesprochenen Blade Runner-Szenen aufzeigen: Alle Kunst funktioniert zu wesentlichen Teilen aufgrund von Voyeurismus. Lesen ist ein sehr langsamer und eigentlich intimer Akt, Filmegucken ebenso, nur eben lauter, größer, entmündigender. Im Grunde ist Filmgucken ja schon eine milde Form von Traumatisierung und nicht umsonst kann man in den letzten Jahren eine Annäherung von Achterbahn und Kino erleben (z.B. von Indy 2 bis Piraten der Karibik). Sich dem auszusetzten verlangt ein gewisses Maß an Neugierde, Passivseinwollen und Machmitmirwasduwillst-Haltung. Also einem Film (egal welchem) potentiellen Voyeurismus vorzuwerfen, ist imho so, als ob man urteile, ein Gemälde sei zu optisch.
Ich denke, die ganze Frage »Was ist Verherrlichun von Gewalt?« hängt doch sehr vom Standpunkt und der erwartung des Betrachters ab. Ratz-fatz als gewaltverherrlichend gilt etwas, daß uns zwar heftig mit Gewalt konfrontiert, dabei aber paradox, emotionell different bleibt. Dabei kann ich auf MartinHoyer reagieren und ihm erstmal zustimmen wenn er schreibt:
Dabei für mich der Witz: wie bestimmt man Anfang oder Ende einer Konfliktlösugnskette? - Völlig willkürlich, bzw. immer aus dem Kontext der Kultur heraus. Das Abendland ist da z.B. von wissenschaftlicher Kausal-Gramatik geprägt (egal wie sehr man sich in der Bevölkerung nach anderem sehnen mag).Gewalt wird dann verherrlicht, wenn sie als probates Mittel dargestellt wird, welches nicht am Ende einer Konfliktlösungskette, sondern an deren Anfang steht.
Zum Abschluß: wir diskutieren hier (wie sonst allgemein Usus) immer nur über physische, unmittelbar körperliche Gewalt, bleiben also in der Sphäre des durchschnittenen Auges bei Bunuel, Cronenbergs explodierende Köpfe oder der Polizistenfolter bei Tarantino, und so weiter. Warum nimmt man bei Diskussionen über Gewaltverherrlichung selten Bezug auf Phänomene wie Mobbing, Küngelei, Jugendlichkeitswahn Superstarsuche, überhaupt Werbung (imho: Abschaffung aller Werbung die sich vorwiegend an Minderjährige wendet, fängt mit Süßigkeiten an der Kasse an), Dresscodes, Gesundheitswahn, Fraktionszwang, Loyalität, Verteilungsgerechtigkeit usw usw usw.
»Gewalttat, die - Jede unangenehme Handlung, aus der Sicht des Opfers. Widerlegung der Immunität.« - Ambrose Bierce, Wörterbuch des Teufels.
Allen Unversehrtheit wünschend
molosovsky
Bearbeitet von molosovsky, 13 März 2004 - 14:57.
MOLOSOVSKY IST DERZEIT IN DIESEM FORUM NICHT AKTIV: STAND 13. JANUAR 2013.
Ich weiß es im Moment schlicht nicht besser.
#13
Geschrieben 13 März 2004 - 17:43
R. Scott Bakker
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#14
Geschrieben 13 März 2004 - 19:33
#15
Geschrieben 13 März 2004 - 20:09
R. Scott Bakker
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#16
Geschrieben 14 März 2004 - 09:39
I have loved the stars too fondly to be fearful of the night.
(Sarah Williams: The Old Astronomer To His Pupil)
#17
Geschrieben 14 März 2004 - 15:58
Um aber das eigentliche Thema fortzuspinnen: Ein zentraler Film dazu ist für mich ja Total Recall. da wird Gewalt ja gleichzeitig unglaublich krass und unglaublich bizarr und unglaubwürdig dargestellt. Das ganze beschäftigt mich mal wieder aufgrund des Urteils einer mitbewohnerin von mir (einer anderen), die erklärte, man müsse ja wohl "krank" sein, um sich so was auszudenken. das hat mich natürlich zutiefst erbost, allein schon, weil ich es ganz allgemein absolut fragwürdig finde, die Kategorie "krank" auf künstlerische Produktion im weitesten Sinne anzuwenden. Ich habe mich dann allerdings gefragt, was die spezielle Qualität von Gewalt in TR ist, die sie "krank" erscheinen lässt, und bin eigentlich auch als erstes auf die extreme Stilisierung von ziemlich abstoßenden Vorgängen gekommen, die eine gewisse Faszination ausübt. Insbesondere, dass blut selbst dann in Szene gesetzt wird, wenn eine Ratte erschossen wird - das ganze wirkt wie ein ständig wiederholter Verweis auf eine Körperlichkeit von Lebewesen, die irgendwie dauernd ins Tote, abstoßende umzukippen droht. Ist das ein typisches Merkmal bestimmter SF (z.B. auch Cronenberg, oder Alien 4 in seinen besseren Momenten)? Persönlich schätze ich die "bizarre" herangehensweise, weil ich ihr immer unterstelle, dass sie das Thema ironisiert und einen damit stärker anregt, über das nachzudenken, was man sieht.
Andererseits basieren solche bizarren Stilisierungen natürlich oft auch sehr stark auf Stereotypen - Symbole müssen schließlich auch "gelesen" werden können. Und gerade die inszenierung von Körpern als "Blut- und Organbehälter" kann natürlich auch ziemlich zynisch und menschenverachtend sein.
Hm, ich hab den eindruck, ich kriege die Sache noch nicht ganz in den Begriff. Hat irgendwer schlaue Einsichten zu dem Film? ich werd ihn mir noch mal aufmerksamer ansehen müssen ...
R. Scott Bakker
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#18
Geschrieben 13 April 2004 - 21:59
Ich versuche () mich kurz zu fassen: Regisseure (und wohl auch wir, deren Konsumenten) lieben Tabuthemen in ihren Filmen, weil sie uns dadurch eher in Erinnerung bleiben. Das sind grobgesagt fast immer Varianten/Mischungen von 3 Dingen: Gewalt, Sex und Tod.
Vorab also, es gibt m.E. in fast allen Filmen Versuche eins oder mehr dieser Themen besonders anzusprechen bzw. die entspr. Tabus zu brechen bzw. noch stärker als bisher zu brechen. Das Thema "Gewaltverherrlichung" gerade im Film ist also ein sehr breites, weil jeder 3. bekanntere Film der letzten 50 Jahre offen versucht Gewalt zu thematisieren, und zwar m.E. so dass man sich an gerade den aktuellen Film möglichst erinnern soll.
Ich hasse die meisten Gewaltszenen, denn im Alltag gibt es kaum derartige Gewalt und wenn man mal als Erwachsener öfter Gewalt im Alltag erlebt hat, sehnt man sich m.E. auch kaum noch danach. Und ich hasse inzwischen auch dass bei jeder 2. Diskussion über Filme genau darüber geredet wird wie der eine oder andere Film das Gewalt-/Todestabu bricht. Ich finde wir reiben uns auch in diesem Thread etwas am Tabu, und möchte in solchen Gesprächen immer öfter abbrechen und auf eine grüne Wiese hinauslaufen und Schmetterlinge zählen (weil: das Leben besteht aus mehr als nur diesen 3 Dingen, auch wenn wir Stadtkinder das nicht so gut merken).
Weder SD noch BR und auch nicht Platoon fand ich besonders gewaltverherrlichend - was mir bei allen wichtig vorkam, ist dass Zeugen/Verursacher die Gewalt bereuen, auch wenn sie wissen dass sie noch nicht zu Ende ist. Dass sie merken wie sie die angewandte Gewalt verändert. Und dass praktisch jedeR dazu fähig ist. (Wo bleibt in dieser Diskussion eigentlich Thelma & Louise? Da war m.E. jedenfalls klarer woher die jeweilige Gewalt kam und wohin sie führte...)
Brutales Sterben möglichst genau zu zeigen (je länger je "echter") ist eh nichts Neues. Private Ryan war da nur der neueste Rekordler (in den ersten 20 Minuten). Dieser Film machte dabei aber viel stärker als z.B. Full Metal Jacket auf mich den Eindruck, dass es hier eher zentral um Heldenverherrlichung ging, was im Mix mit "politisch korrekter" Gewaltverachtung, mir gar nicht besonders schmeckt. In amerikanischen Militärfilmen kommt in den letzten Jahren dieses Heldenthema unerstaunlicherweise immer öfter hoch.
Gut, Gewalt und Tod waren jetzt schon dran - wie sieht's mit tabubrechendem Sex aus, möglichst gewaltlos und nicht tödlich? New thread, anyone? http://www.scifinet....tyle_emoticons/default/huh.png
/KB
Yay! KI-generiertes SF-Zitat Ende November...
"In the sprawling city forums of the galaxy, where chaos reigns and time flows differently, true power is found not in dominance, but in moderation. The wise use their influence to temper ambition with reason, and chaos with order."
(auf Bing.de generierter Monolog von der Copilot-S/W - die ich hiermit NICHT bewerbe! - nach Aufforderung nach einem "s.f. quote" mit einem bestimmten Wort darin; ich ersetzte nur das 4. Wort mit "city forums")
#19
Geschrieben 15 April 2004 - 16:54
R. Scott Bakker
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#20
Geschrieben 15 April 2004 - 17:55
Ich wollte die 3 Bereiche nicht allgemein als Tabus abstempeln, sondern nur andeuten dass in diesen Bereichen Tabubrüche sehr oft gerade in Filmen probiert werden, sozusagen die Grenze immer weiter verschiebend. Es gibt ja noch andere Bereiche (Kindesmisshandlung, Fäkalien, ...) die mir einfallen aber weit seltener dran kommen. Eben 3 "visuell coole" Tabu-Testareale.
Aber ich bin schon der Diskussion über Sinn und Unsinn und künstlerischer Deutung von Gewaltszenen in Filmen einfach nicht mehr so gewogen. (Deshalb fasse ich mich dieses Mal wirklich kurz!)
Ob das zu anderen Epochen weniger diskutiert wurde, ist mir relativ egal; in der BRD/Europa wird es seit mindestens 40 Jahren gerne und oft diskutiert. Im fernen Süden (wo ich aufwuchs) eher weniger, dafür bekommt man mehr davon im Alltag mit.
Moralisch wollte ich eher nicht urteilen. Es geht auch nicht um von mir empfundene Tabugrenzen. Ich wollte nur für mich feststellen, warum ich weitergehen will - "auf die Wiesen". Ohne Andere zu sehr zu verdammen (Freude am Tabu-Reiben spreche ich niemandem ab ).
P.S.: Verhoeven ist m.E. in einigen Filmen zumindest ein Gewaltfetischist; in Starship Troopers hat er auch zumindest eine Brutalo-Abmurks-Kinoszene neu erfunden (Ok, kenne mich eher mit Mainstream-Filmen aus als allen B-Varianten). Evtl. ja in Total Recall auch, aber da habe ich nicht so genau hingesehen... Stone - wenn ein Fetischist, dagegen dann eher ein verkappter; die brutalste Szene die ich mit ihm assoziiere kommt in der Serie Wild Palms vor, und die hat er meines Wissens nur produziert.
Bearbeitet von yiyippeeyippeeyay, 15 April 2004 - 18:27.
/KB
Yay! KI-generiertes SF-Zitat Ende November...
"In the sprawling city forums of the galaxy, where chaos reigns and time flows differently, true power is found not in dominance, but in moderation. The wise use their influence to temper ambition with reason, and chaos with order."
(auf Bing.de generierter Monolog von der Copilot-S/W - die ich hiermit NICHT bewerbe! - nach Aufforderung nach einem "s.f. quote" mit einem bestimmten Wort darin; ich ersetzte nur das 4. Wort mit "city forums")
#21
Geschrieben 15 April 2004 - 18:54
Nein ,ich meinte gar nicht, dass du moralisierend rüberkommst. Ich bin eher wieder ausgeufert und ins ganz allgemeine Thema geschliddert, das hatte wenig mit dem zu tun, was du geschrieben hast. :lookaround:
Aber Verhoeven gibt wieder mal ein gutes Beispiel ab: Kann sein, dass er ein Gewaltfetischist ist, vielleicht auch nicht ... aber das finde ich eigentlich nicht wichtig, weil ich das sowieso nicht herausfinden kann. Er hat aber einen bestimmten Stil der Gewaltdarstellung, der meines Erachtens in Total Recall sehr deutlich rauskommt, und den ich zugegebenermaßen faszinierend finde. Etwas surreal, mit sehr viel schwarzem Humor und eingestreuten Splatter-Elementen. Ich glaube, dass ein zentrales Motiv mindestens bei TR die Transformation der Körper durch Gewalt ist - sei es, indem ihre Gesichter sich aufblähen, oder einfach nur indem sie unheimlich schlagartig zu reglosen Körpern werden - ich finde, das ist wirklich eine unheimliche Inszenierung von so etwas wie Materialität von Gewalt, Materialität von Tod. Anders gesagt: der Film arbeitet sehr stark mit Menschen wie mit "Biomaterial", aber er ist sich gleichzeitig der phantasmatischen Aspekte dessen bewusst, was er bei dieser "Arbeit" zum Ausdruck bringt.
Das Macht TR nun nicht unbedingt "Gewaltkritisch". Es handelt sich einfach nur um Hinweise darauf, warum Verhoevens Filme oft so beunruhigend sind. Das kann man Gewaltfetischismus nennen, aber ich würde es wohlwollender interpretieren. Ich denke, das hier freiwillig oder unfreiwillig etwas "mehr" aufscheint: Nämlich der krasse Widerspruch zwischen der Feststellung, dass ein Leben eine physische Substanz hat, die sich der Kontrolle weitgehend entzieht (so viele "beiläufige" Tode in diesen Filmen), und die einerseits schon an sich etwas grauenhaftes, monströses hat (weil sie immer auf den Tod verweist), andererseits aber immer Objekt unserer Faszination ist (genau, weil wir sie unter kontrolle bringen wollen).
Eine Aussage über den Film habe ich damit letztlich nicht getroffen, nur mein Interesse bekundet und versucht herauszufinden, wo es her kommt. Jedenfalls ist die Faszination, die ich bei TR empfinde, eine ganz andere (und erschütterndere), als die für das Kugelballet in Matrix - obwohl beides explizite Gewaltdarstellungen mit vielen Toten sind, und obwohl in beiden Fällen keine moralische Reflektion auf diese Morde stattfindet, haben sie ganz und gar unterschiedliche Wirkungen - zumindest auf mich ...
R. Scott Bakker
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#22 Gast_Gerd_*
Geschrieben 16 April 2004 - 00:42
Ob Verhoeven ein Gewaltfetischist ist, wage ich nicht zu beurteilen, dass er aber einen ... hm ... obsessiven Umgang mit Gewalt pflegt, lässt sich m.E. in fast allen seinen Filmen erkennen. Er ist in gewisser Weise von der Gewalt besessen (eine Gewaltbesessenheit, die er - wie alles, was ich schreibe, natürlich imho http://www.scifinet....tyle_emoticons/default/wink.png - z.B. mit Tarantino, John Woo (frühe Filme) oder Sam Peckinpah teilt). Aber ob er sich an dieser Gewalt "aufgeilt" oder sie für ihn eine katharsische Wirkung hat/haben soll - keine Ahnung....
Und was er oder die anderen Jungs uns damit sagen wollen - tja, das liegt dann wieder ganz stark im Auge des/der Betrachtenden.
Und noch 'ne Frage: Da bei einer solchen Diskussion immer mal wieder gerne auf die typischen Kriegsfilme àla "Private Ryan" oder "Full Metal Jacket" abgehoben wird - hat hier eigentlich niemand Terence Mallicks "The Thin Red Line" gesehen (hieß bei uns "Der schmale Grat"). Der kommt übrigens mit erstaunlich wenig exzessiver Gewaltdarstellung aus.
So, nu isses irgendwie OT geworden - sorry
Grüße
Gerd
#23
Geschrieben 16 April 2004 - 22:24
Eigentlich wollte ich mich in diese Diskussionen hier gar nicht einmischen, da solche Gewaltdebatten ein Fass ohne Boden sind, allerdings muss ich gestehen, dass ich es immer wieder faszinierend finde, dass selbst in Filmen, von denen ich glaubte dass ihnen jeder intellektuelle Sinngehalt erfolgreich entfernt wurde, immer noch ein interpretierbarer Rest gefunden werden kann...
Ich wäre ehrlich gesagt nie auf die Idee gekommen derart tiefschürfende Reflexionen anhand der Gewaltdarstellung in Total Recall anzustellen und die gezeigte Gewalt derart abstrahiert zu sehen um dieses Reflexionsnivau zu erreichen. Respekt. Möglich, dass man das alles in dem Film sehen kann, aber es gehört doch schon viel ungezügelte Interpretationsfreude dazu, meinst Du nicht?
("Transformation der Körper durch Gewalt" als zentrales Motiv? Ziemlich lustig, sooo kann man das natürlich auch ausdrücken. )
Ok, nichts für ungut, ich bin jetzt vielleicht ein wenig zu sarkastisch und Deine Ansichten seien Dir unbenommen, aber ich denke das gerade dieser Film Verhoevens diese abgehobene Betrachtungsweise einfach nicht wert ist, tut mir wirklich leid, zumal er sein eigentliches SF-Thema, das er hätte behandeln sollen, eleganterweise bald aus den Augen verloren hat um sich sinn- und zweckfreien Ballerorgien hinzugeben.
Ein kleiner Exkurs zu Total Recall:
Im Gegensatz zu Dir, kann ich Deine Faszination an der Gewalt in Total Recall nicht nachempfinden, lassen mich die Gewaltexzesse in Total Recall ziemlich kalt und wirken auf mich weniger verstörend als skurill und lächerlich überzogen, eher ärgerlich als ironisch (aufgeblasene Köpfe sehen zwar grotesk und unappetitlich aus, aber damit hat es sich auch schon). Es ist einfach so, dass mich das alles wegen seiner Sinnentleerung nervt. Die Gewalt steht in einen keinem sinnvollen Zusammenhang mit der Geschichte, ist vor allem anderen reiner visueller Selbstzweck, Nervenkitzel, oberflächliche Stimulans und nicht einmal sonderlich "schön" inszeniert, so dass man sie vielleicht ästhetisch geniessen könnte (wie in Apocalypse Now). Total Recall ist bestimmt kein Film der einen Dialog über filmische Gewalt anzetteln will, das halte ich für Überinterpretation, sondern ein rein kommerzielles Filmprodukt wie viele andere auch, dessen Gewaltdarstellungen vor allem dem Zweck der besseren Verkäuflichkeit dienen. So sehe ich es zumindest.
Beunruhigend ist an Total Recall nicht die exzessive Gewaltdarstellung als solche, die wirkt auf die Dauer nur ermüdend, sondern die Unfähigkeit von (potentiell begabten) Hollywood-Regisseuren Geschichten intelligent zu erzählen und mit Tiefe zu versehen. Das ist ein viel schlimmeres Vergehen als der ganze Gewaltquatsch, den Verhoeven in seinem Film zelebriert. Das Problem bei Total Recall ist, dass der Film von seiner Action abgesehen, die mittlerweile auch nicht mehr so berauschend ist, schlicht und einfach abstruses SF-Stroh drischt und er gewinnt durch die gezeigte Gewalt (die mit der Zeit abstumpft) auch keine zusätzlichen Qualitäten (imho natürlich). Es fällt mir deshalb schwer in den Film allzu viel Interpretationsaufwand hineinzustecken.
Es ist wirklich schlimm wie der Film sein vorhandenes Potential verschenkt. Es gab in Total Recall eine kurze Szene, in der sich das Gezeigte als virtuelles Abenteuer des Helden hätte herausstellen können (die Sache mit der Pille), wodurch der Film eine ganze andere Wendung erfahren hätte, der ganze präsentierte SF-Kitsch samt seinen Mutanten, Marskolonisten und außerirdischen Artefakten hätte als erfundene Abenteuer-Simulation Sinn ergeben. Ich hatte gehofft, dass es sich so erweisen würde, aber der Moment ging vorbei, die aufscheinende Doppelbödigkeit der Geschichte wurde begraben und nahm ihren vorprogrammierten Verlauf. Das Spiel mit simulierten Realitäten wurde einer linearen SF-Agenten-Mutanten-Alien-Geschichte geopfert, die, auch nur ansatzweise als SF ernst zu nehmen, mir völlig unmöglich ist.
Worüber man jetzt nur noch diskutieren kann ist, ob der gezeigte Unsinn irgendeinen eigenständigen Wert entwickelt, also dass in der Überzeichnung, in der Absurdität ein eigener Sinn liegt, der das Gezeigte als ein selbstironisches Spiel enttarnt. Die Filme von Tarantino und Rodriguez (Desperado, From Dusk Till Dawn) könnten als Beispiele dienen wo dies m.E. gelungen ist (wobei diese Filme natürlich auch Geschmacksache sind, mir hat zum Beispiel Pulp Fiction nie gefallen, während Desperado wunderbar schräg ist). Diese Filme sind zwar so gesättigt mit Gewalt, dass das Blut aus allen Ritzen tropft, aber alles ist derart übersteigert und selbstironisiert, dass man es wieder nicht mehr vollkommen ernst nehmen kann. Gewalt wird dort durch massive Selbstironie gebannt und konsumierbar gemacht. Es gibt in Total Recal zwar auch Ansätze die Geschichte durch Ironie zu brechen, aber das sind nur einzelne kurz aufflackernde Momente, die gleich wieder im allgemeinen Getöse untergehen. Den Film kann man nur durch Hirnabschalten ertragen, und weil er sich selbst so furchtbar ernst nimmt ist nur eine ziemlich abstruse SF-Action-Geschichte entstanden...
Um den Bogen noch einmal zurück zur Gewaltdiskussion zu schlagen. Bislang hat sich die Argumentation primär auf spezielle Formen filmischer Gewaltdarstellung beschränkt. Ist die Gewalt im Film, die ein allgemein toleriertes Maß überschreitet bereits Gewaltverherrlichung oder immer noch ein legitimes künstlerisches Stilelement.
Etwas zu kurz kommt mir aber die Tendenz, dass in bedenklich zunehmendem Maß massive Gewalt als dramaturgisches Ausdrucksmittel zum Standard wird. Nicht nur im Film, auch in TV-Serien und PC-Spielen. Abseits der bisherigen Diskussion, die sich auf Einzelfilme beschränkt hat, scheint mir der letztere Punkt fast wesentlicher zu sein.
Beunruhigend ist die inflationäre Darstellung von virtueller Gewalt auf allen Fernsehkanälen, in PC-Games, sowie die immer explizitere Darstellung derselben. Nicht das es früher in den Filmen und TV-Serien keine Gewaltdarstellungen gegeben hätte, aber das Ausmaß und der Detailreichtum hat sich in den letzten Jahren und Jahrzehnten schon vervielfacht. Kaum eine Krimi- oder Action-Serie in der es nicht am Ende ein halbes Dutzend Leichen gibt und in jedem zweiten Satz jemandem der körperliche Tod angedroht wird. Bedenklich sind nicht die expliziten Gewaltdarstellungen einzelner Filme, die könnte man ja irgendwie ignorieren, sondern die allgegenwärtige Darstellung von körperlicher und psychischer Gewalt in den visuellen Medien, die suggerieren, dass Gewalt erstens etwas Alltägliches ist und zweitens, dass Gewalt als Problemlösungsmittel zulässig ist. Gewalt (auch kriegerische Gewalt) wird in unserer Gesellschaft wieder hoffähig, das ist glaube ich kein persönlicher Eindruck von mir, sondern faktische Realität.
Filme wie Total Recall und andere die Action und Gewalt so massiv in den Vordergrund stellen, sind für mich eher ein Gradmesser dafür, dass sich in unserer Wahrnehmung von Gewalt etwas ändert, dass sich unsere Maßstäbe was wir an Gewaltkonsum noch zu ertragen bereit sind ständig verschieben, wobei der Gewöhnungseffekt eine Abstumpfung dahingehend bewirkt, das Gesehene im Normalfall nicht mehr weiter zu hinterfragen als normal anzusehen und nur noch passiv hinzunehmen (aber was bleibt einem als Zuschauer auch anderes übrig als sich durch Abstumpfung zu schützen). Folge ist eine immer höhere Dosierung von Gewalt. Man muss sich allerdings fragen ob es künstlerisch gesehen Sinn ergibt, Gewalt im Film als ein Stilelement des Nervenkitzels in immer höheren Dosen einzusetzen. (Eine TV-Serie wie 24 die ich eigentlich schätze, wäre was ihre Gewaltdarstellung angeht noch vor zehn oder fünfzehn Jahren im Fernsehen undenkbar gewesen.)
Nur weil man diesen Gewaltoverkill nicht mehr bewusst wahrnimmt wird die Angelegenheit damit nicht harmloser, sondern zeigt nur die eigene Abstumpfung.
Beunruhigend wirkt Gewalt dagegen im Film, wo sie als dramaturgisches Element in einen emotional nachvollziehbaren Kontext gestellt wird (der im SF-Action-Film ganz selten gegeben ist), dort kann sie unerträglich sein, selbst dann wenn es sich um keine exzessive Gewaltdarstellung handelt (mir kommt hier die Bohrer-Folterszene in Der Marathon Mann in den Sinn, die in all den Jahren nichts an ihrer Intensität verloren hat, während die Baller-Orgien in Total Recall, wo dutzende Unschuldiger als "Kollateralschäden" enden, bereits nach dem zweiten oder dritten Ansehen bereits abstumpfen). Ich lehne Gewalt im Film und sonst wo nicht kategorisch ab, sie sollte allerdings nicht zu reinem Selbstzweck verkommen und man sollte sie nur gut dosiert einsetzen damit sie ihre flüchtige Wirkung nicht durch Gewöhnung einbüßt.
Trurl
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#24
Geschrieben 17 April 2004 - 13:02
Ja .Möglich, dass man das alles in dem Film sehen kann, aber es gehört doch schon viel ungezügelte Interpretationsfreude dazu, meinst Du nicht?
Ich wollte mich jetzt auch nicht für die totale Tiefsinnigkeit von TR in die Bresche werfen - obwohl ich den film eigentlich mal ganz abgesehen von dem blutigen Zeug als recht gewitzt in Erinnerung hatte. Ich fand es gerade recht positiv, dass der Film letztlich nicht aufgeklärt hat, ob es sich um implantierte Erinnerungen handelt. Wenn man aber die Handlung nachvollzieht, passt sie genau zu dem, was dem Helden zu Beginn versprochen wird. Also gibt der film einen haufen Hinweis, dass alles nicht "real" war. und so kitischig fand ich das auch nicht - immerhin waren die Mutanten teilweise äußerlich ziemlich widerlich und haben gar nicht in das Klischee einer zu rettenden "Eingeborenenbevölkerung" gepasst. Aber ist auch lange her, dass ich den film gesehen habe, und je länger her, desto mehr Zeit hat man, was reinzuinterpretieren.
Dass der Film eine Diskussion über filmische Gewalt anzetteln wollte, glaube ich auch nicht - trotzdem denke ich, dass Verhoeven visuell einfach einen sehr erkennbaren Stil hat, der nicht der üblichen Ästhetisierung von Gewalt Entspricht. Das auch hier ästhetisiert wird, will ich gar nicht abstreiten, aber irgendwie doch anders.
Und auch noch mal zur Gewalt: Die Diskussion über "sinnlose/sinnvolle(motovierte)" Gewaltdarstellung finde ich auch sehr interessant, was die zweite Staffel von 24 betrifft. Von "sinnloser" Gewalt in Film und Fernsehen wird ja meistens geredet, wenn die Gewaltakte nicht nachvollziehbar aus der Handlung/den Figuren heraus motiviert ist. Die Kritik an solchen Gewaltdarstellungen beruht glaube ich oft auf der "Nachahmungsthese": also etwa, wenn im Fernsehen ohne Grund getötet werden darf, kommen die Zuschauer darauf, dass das auch im wirklichen leben gilt. Das glaube ich eher nicht, und deshalb störe ich mich glaube ich auch wenig an dieser Form von "Sinnlosigkeit". Wichtiger ist mir da schon, dass Gewalt in den Filmen als folgenreich reflektiert wird (OK, das passiert in TR auch nicht gerade).
Aber die Darstellung "motivierter", also vernünftig aus der Handlung den den Figuren erklärter Gewalt, halte ich oft für fragwürdiger. Dafür ist 24 ein gutes Beispiel: In der 2. Staffel wird mit der Atombombendrohung gegen LA so eine maximale Bedrohung eingeführt, dass zu ihrer Abwendung jedes, aber auch wirklich jedes mittel recht ist - und diese Haltung wird dem Zuschauer nachvollziehbar gemacht. Was machen schon ein paar Morde an Kriminellen und ein bisschen Folter aus, wenn Millionen Menschenleben zu retten sind?
Aber natürlich macht gerade dieses Szenario den Wunsch wahr, "richtige" Gewalt auch jenseits der maßstäbe emfundener Gerechtigkeit ausüben zu dürfen. Die Protagonisten stehen gewissermaßen von Anfang an mit dem Rücken zur Wand, alles, was sie tun, ist im größeren Rahmen zu ihrer Verteidigung. Gewisserweise stellt 24 also mit seiner motivierten Gewalt einen viel größeren Gewalt-Rechtfertigungs-Scheck aus als der durchschnittliche Splatterfilm. Nun schätze ich 24 auch sehr und denke auch, dass die Serie durchaus Reflektionspotential bietet. Auf jeden Fall ist sie mir lieber als die ST-Next-Generation-Variante, in der jeder Konflikt mit einer Moralpredigt gelöst werden konnte. Aber 24 inszeniert auch - noch dazu unter dem Vorzeichen höchstmöglicher Wirklichkeitsnähe - typische Rechtfertigungszusammenhänge für extreme Gewalt und trägt dabei wohl mehr zur Auflösung von individuell empfundenen Grenzen des Legitimen bei. Ein bisschen scheint mir das wie die Verhöre zu funktionieren, denen man Wehrdienstverweigerer früher unterzog (oder macht man das heite immer noch?): "Wenn nun aber jemand ihre Freundin vergewaltigen wollte, dann würden sie ihn doch im Notfall töten, oder?". 24 funktioniert analog etwa so: "Natürlich sind sie gegen Folter und Selbstjustiz. Aber wenn so viele Leben auf dem Spiel stehen ..."
Ich bin neugierig, inwieweit die Serie auch die politischen und individuellen Folgen der dargestellten extremen Sicherheitspolitik darstellen wird ...
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#25
Geschrieben 17 April 2004 - 18:06
Gut. Total Recall ist abgehandelt und begraben.
Viel interessanter zum Thema Gewalt ist in der Tat die TV-Serie 24. Aber weniger unter dem Gesichtspunkt der Darstellung von teilweise außerordentlich drastischen Gewaltszenen, die bis an die Schmerzgrenze des Erträglichen gehen. Die Gewalt in 24 nimmt einen deshalb so mit nicht, weil es Folter im Fernsehen oder im Film bislang nie zu sehen gab, sondern ganz einfach, weil es keine ferne Utopie ist oder das Werk eines geisteskranken Irren, sondern weil dies in der heutigen Zeit so plausibel und vorstellbar geworden ist. Da ist 24 im Moment direkt am Puls der Zeit.
Ich glaube nicht das die Serie unter dem Vorwand einer Atombomben-Bedrohung den Mord oder die Folter an Terroristen rechtfertigt und der politischen Rechten in den USA damit Argumentationshilfe leisten will. Fragwürdig mag das erscheinen, aber ich denke dass das Szenario, obwohl fiktiv, auch absolut realistisch und nicht völlig aus der Luft gegriffen ist. Ich habe mich beim Zusehen mehrere Male gefragt ob sich der extreme Einsatz von (rechtswidrigen) Gefangennahmen und Verhörmethoden mit Folter und Scheinerschießung in der Realität ebenfalls so oder so ähnlich abspielen könnte. Noch vor 3 Jahren hätte ich es für ausgeschlossen gehalten. Aber heute? Nach dem 11. September, nach Afghanistan und dem Irak-Krieg, den Selbstmord-Anschlägen der Palästinenser und israelischen Vergeltungsschlägen in Nahost, nach Guantanamo und den verschärften Sicherheitsbestimmungen in den USA und Europa ist ein derartiges Szenario nicht mehr utopisch, sondern sogar wahrscheinlich.Aber die Darstellung "motivierter", also vernünftig aus der Handlung den den Figuren erklärter Gewalt, halte ich oft für fragwürdiger. Dafür ist 24 ein gutes Beispiel: In der 2. Staffel wird mit der Atombombendrohung gegen LA so eine maximale Bedrohung eingeführt, dass zu ihrer Abwendung jedes, aber auch wirklich jedes mittel recht ist - und diese Haltung wird dem Zuschauer nachvollziehbar gemacht. Was machen schon ein paar Morde an Kriminellen und ein bisschen Folter aus, wenn Millionen Menschenleben zu retten sind?
Die angewandte Gewalt in 24, sowohl von Seiten der Terroristen als auch von Seiten des Staatsapparates (in Gestalt Jack Bauers und der Antiterrorbehörde) halte ich, sowohl was die drastischen Methoden betrifft als auch in der konsequenten Anwendung unter Ausschöpfung aller Möglichkeiten, für absolut realistisch angesichts der totalen Bedrohungslage durch diese Atombombe. Auch der stete Hinweis der Beteiligten (Bauer, die Berater des Präsidenten) dass sie zwar um die Unrechtmässigkeit ihres Tuns Bescheid wissen, aber unter den gegeben Bedingungen nicht anders handeln können, unterstreicht den Realismus noch. Genau so stelle ich mir das in der Realität vor. Ich möchte den Staat sehen, der unter diesen Bedingungen nicht alles daran setzen würde seine Bevölkerung zu schützen, Rechtstaat hin- oder her.
Ich glaube auch nicht, dass die Serie hier nur einen Gewalt-Voyeurismus, unter dem Deckmantel eines konstruierten fiktiven Szenarios, betreibt (also dass man endlich einmal auch Folter im Fernsehen zeigen kann).
Ein Film der ein ähnliches Szenario beschreibt war Ausnahmezustand mit Denzel Washington und Bruce Willis der einige Jahre vor dem 11. September in die Kinos kam und zeigt wie über New York der Ausnahmezustand verhängt wurde um terroristische Anschläge zu verhindern. Damals erschien der Film unwahrscheinlich, heute ist er bereits von der Realität überholt.
Hmm...ich sehe gerade, wir sind ziemlich vom Thema Gewaltverherrlichung weggekommen. Ach ja... 24 ist nicht gewaltverherrlichend.
Trurl
Wie die Welt noch einmal davonkam, aus Stanislaw Lem Kyberiade
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#26
Geschrieben 15 Januar 2005 - 21:43
Den Anteil oder die Qualität von Gewaltverherrlichung bzw. {sic!} Gewaltverharmlosung eines Filmes oder sonstigen Werkes zu bestimmen, ist in jedem einzelnen Fall ein mehr oder minder kniffliges Problem. Konrad hat in Martin Hoyers munteren Phaser-Thread die Problematik der Übertreibung des durch die Gegend Fliegens bei von Schußwaffen getroffenen Kombattanten aufgebracht.
Darauf bot ich folgenden Gedanken:
†¦ Was bedeutet also diese mittlerweise tradierte Konvention (weil verschwinden wird dieser Spleen nicht mehr so schnell)? - Nun, ich denke, der fundamentale Unterschied zwischen verfehlen und (wird deshalb überZEICHNET) treffen wird betont. Dieses durch die Gegend fliegen von Getroffenen (siehe z.B. exemplarisch die ersten Minuten von »Desperado«) als kinetische Übertreibung, Verdeutlichung, Dramatisierung, entspricht also den extrem vergößerten Wummen einer entsprechend Nonsene-, Comic-, Carricatur-2D-Illustration (siehe z.B. das DC/Dark Horse Crossover-Comic »Lobo Mask« von Arcudi, Grant, Mahnke, Williams, New York, 1997). Bestandteil der LAGER THAN LIFE-Ästhetik, {die wiederum} seit undenklichen Zeiten ein Bestandteil der phantastischen Kulturgeschichte (Hab 'nen Fisch gefangen, der war soooo gro߆¦).
Daraufhin Konrad wieder:
Einen Schwellwert haben wir sicher beide im Sinn: den Grenzwert der Darstellung des Mit- und Fortgerissen-Werdens eines Getroffenen, welcher realistische Darstellung (entsprechend der Faktenrealität) von über- &untertriebener Darstellungen (nach Stil der Fiktionsrealität) trennt. Ich denke aber, daß es darüber hinaus diskretere Zwischenstufen auf der Seite der Fiktionsrealität gibt. Und wenn ich Dich richtig verstehe, dann soll es auf der Seite der Übertreibung lediglich einen Grenzwert geben: bis hier hin HUII, jenseits davon PFUI, †¦ oder?Das ist sicher richtig.
Die "Ãœberzeichnung" hat allerdings einen Schwellwert, der durchaus unterschiedliche Wirkungen trennt:
Unterhalb des Schwellwerts kann sie die Dramatik vergrößern und dient letztlich dem Realitätsbezug.
Darüber gerät sie zur Abstraktion und führt zusammen mit anderen ästhetisierenden Elementen (z.B. Zeitlupe) dazu, daß der Zuschauer sich zurücklehnt und das Massaker genießt, weil er innerlich den Realitätsbezug negiert.
Ich muß ehrlich gestehen, ich habe bei letzterem ein ganz schlechtes Gefühl, wenn ich an die Gewaltexzesse in unseren Schulen denke.
Nun, meine Ansicht ist, daß verschiedene Stil-Familien der Gewaltdarstellung aus einer Vielzahl fiktiver Realitäten vorliegen, womöglich hier und da in Konkurrenz/Allianz/neutral zueinander stehend.
Deine Sorgen zu den Gewaltexzessen an Schulen teile ich, und finde nicht, daß Filme das Problem sind. Da meiner Beobachtung nach der Mainstream der Zivilisation sich danach sehnt, in einem perfekten Mix aus Vergnügungspark und Arbeitslager leben zu wollen, wird sich noch so einiges Ausdifferenzieren müssen, bis wir einen reiferen Umgang mit dem virtuellen Medien-Dschungel erreicht haben.
Kleine Aufkleber mit ab 6, ab 12, ab 16 und ab 18 sind ja ein netter Orientierungs- und Ordnungs-Anfang, aber sehr weit gediehen ist die brauchbare Idee dahinter nicht. Ich habe schon einige Male Kinobetreiber genervt, sie mögen die Kiddies nach dem Ausweis fragen (ja gut, die haben auch wegen Herumgackern genervt, hähä).
Übers gut gemeinte Ziel hinausschießen halte ich für zu bevormundent: nur weil man zu faul ist ein Zusammenleben einzurichten, bei dem einigen etwas zu verboten wird, sollte man nicht manches gleich allen vorenthalten.
Zuletzt möchte ich yippie zustimmen, der ein Problem genial knapp auf den Punkt bringt:
Weshalb ich bei meiner persönlichen Kunst-Konsum-Lebenswanderung nicht nur das Abwägen der Qualität von Gewalt-, Sex- und Tod-Darstellungen als Orientierung im Blick habe, sondern auch nach Darstellung der gegenteiligen anthropologischen Aspekte Ausschau halte: hier eine mögliche Bildung z.B. Gewalt/Zartheit, Sex/Sinnlichkeit und Tod/Leben.†¦ (weil: das Leben besteht aus mehr als nur diesen 3 Dingen, auch wenn wir Stadtkinder das nicht so gut merken).
Oder ums übertrieben Ernst zu formulieren: die Kritik der Gewaltverherrlichung bleibt Propaganda, ohne einer Kritik der Gewaltverharmlosung.
Grüße
Alex / molosovsky
Bearbeitet von molosovsky, 15 Januar 2005 - 21:46.
MOLOSOVSKY IST DERZEIT IN DIESEM FORUM NICHT AKTIV: STAND 13. JANUAR 2013.
Ich weiß es im Moment schlicht nicht besser.
#27
Geschrieben 15 Januar 2005 - 23:04
zunächst einmal vorneweg: Trotz aller "Gewalt an Schulen", trotz reißerischer Schlagzeilen, spektakulärer Verbrechen und Terrorismus und der sterilen Gewalt von "anderswo", die dann und wann über die Bildschirme in unser Leben schwappt, leben wir so ziemlich in der gewaltfreiesten Gesellschaft der Geschichte. Noch nie zuvor haben so wirksame Kontroll- und Sozialisierungsmechanismen die Gewalt so gut unterdrücken und aus dem täglichen Leben fernhalten können. Also, bevor man über Gewaltdarstellung und evtl. Gewaltzunahme spricht, sollte man erst mal kurz innehalten und sich überlegen, was für einen Level an (fehlender) Gewalt in unserem Umfeld wir inzwischen für normal halten, und wir sollten dankbar dafür sein. Ich denke, das kommt heutzutage oft zu kurz. Ich persönlich habe das Gefühl, um diesen Zustand aufrechtzuerhalten und das natürliche Maß menschlicher Gewaltbereitschaft zu unterdrücken, ist schon ein gehöriges Maß an psychischer Gewalt nötig. Und was sich in den Medien widerspiegelt, ist Ausdruck dieses unserer Gesellschaft inhärenten Konfliktes. Wenn man nun darüber diskutiert, ob bestimmte wirklichkeitsfremde und ästhetisierende Aspekte von Gewalt im Film eher gewaltverherrlichend wirken, dann würde ich sagen, dass dieser Gedanke seine Berechtigung hat und zugleich den fundamentalen Fehler in der Praxis der Medienbetrachtung deutlich macht: Denn psychologisch ist mittlerweile recht gut belegt, dass vor allem die Darstellung von Gewalt unter Ausblendung der Folgen von Gewalt den höchsten Einfluss auf reale Gewaltbereitschaft hat. Einer Entfremdung von der Realität ist sicher eine Art Ausblendung. Aber andererseits basiert das ganze Kontrollsystem für Medien ohnehin darauf, dass gerade die Darstellung von Gewaltfolgen zensiert wird - man sieht den Gewaltakt, aber nicht das Blut, die Schmerzen etc. Würde man nun anfangen, die "Verkünstlichung" von Gewalt einzuschränken, würde man der dargestellten Aggression letztendlich noch mehr Kontext rauben. Sprich: Kann es wirklich besser sein, den Gewaltakt möglichst realistisch zu zeigen, während man gleichzeitig die möglichen Folgen ohnehin schon ausblendet? Ist es nicht heilsamer, wenn man schon "saubere" Gewalt zeigt, zumindest den Kunstcharakter noch stärker hervorzuheben? Ich denke, wenn man Filme anschaut, ohne sie allzu sehr nach eingetrichterter Küchenpsychologie zu analysieren, merkt man ohnehin recht deutlich, welche Filme tatsächlich wewaltverherrlichend wirken: Es sind nicht die Filme mit ästhetischer Aufbereitung von Gewalt, und auch nicht die Filme, bei denen Blut fließt und Leichen umherliegen. Es sind vielmehr die Filme, bei denen all das oder nur ein wenig davon geschieht, ohne dass es von entsprechenden Gefühlen untermalt wird. Wichtig ist nicht wirklich, was gezeigt wird und wie es gezeigt wird - sondern wie die Menschen in diesen gewaltgeladenen Situationen auftreten; welche Empfindungen sie zeigen; warum sie so handeln und wie sie darunter leiden (oder auch nicht). Meiner Ansicht nach täte man gut daran, wenn man sich über die Gewalt in Filmen Gedanken macht, dieses Umfeld der Gewaltszenen in Augenschein zu nehmen und Filme danach zu beurteilen, WIE mit der Gewalt darin umgegangen wird - nicht, wie sie dargestellt ist.Deine Sorgen zu den Gewaltexzessen an Schulen teile ich,
#28
Geschrieben 16 Januar 2005 - 00:22
#29
Geschrieben 16 Januar 2005 - 01:10
Lomax, ich kann dir nur beipflichten. "Fight Club" zum Beispiel, war meiner Ansicht nach nicht deswegen gewaltverherrlichend, weil am Ende eine Kugel in Zeitlupe einen Kopf zerschmettert, sondern weil in einer Szene gezeigt wird, wie ein Asiate um sein Leben wimmert, mit einer Pistole im Nacken, den Tränen nahe, die Gewissheit alles zu verlieren. Die Kaltblütigkeit des Übeltäters ist so drastisch dargestellt und wie der Mann dort niederkniet ist so herzzerreißend, dass sich Gewalt in einer blutleeren, alles betäubenden Form entfaltet, die einem den Magen umdreht. Zur Gewalt in Videospielen kann ich nur sagen, dass da viel hochgespielt wird ("Man muss in Counterstrike Frauen mit Kinderwagen erschießen" :lookaround:) und ich es in meinen Freundeskreis größtenteils als ideale Form der Aggressionsbewältigung ansehe... Tja, und zum Sex darf ich wohl mit 16 nix sagen. Aber wie z.B. bei "Intimacy" rumgenölt wurde...also ich weiß ja nicht....Es sind vielmehr die Filme, bei denen all das oder nur ein wenig davon geschieht, ohne dass es von entsprechenden Gefühlen untermalt wird. Wichtig ist nicht wirklich, was gezeigt wird und wie es gezeigt wird - sondern wie die Menschen in diesen gewaltgeladenen Situationen auftreten; welche Empfindungen sie zeigen; warum sie so handeln und wie sie darunter leiden (oder auch nicht).
Bearbeitet von Jueps, 16 Januar 2005 - 01:14.
»Ich bin nicht besonders helle, und es dauert ein bißchen, bis ich etwas kapiere. Aber wenn du mir Zeit läßt, dann werde ich lernen, dich besser zu verstehen als irgend jemand sonst auf der Welt.«
#30
Geschrieben 16 Januar 2005 - 11:34
Und genau DESHALB ist diese Szene eben NICHT gewaltVERHERRLICHEND, wie sich auch in der Reaktion von Jack zeigt. Tyler Durden: "Erst nachdem wir alles verloren haben, haben wir die Freiheit, alles zu tun." Tylers Mittel sind fragwürdig, aber auch (zumindest bei diesem Asiaten) erfolgreich.Die Kaltblütigkeit des Übeltäters ist so drastisch dargestellt und wie der Mann dort niederkniet ist so herzzerreißend, dass sich Gewalt in einer blutleeren, alles betäubenden Form entfaltet, die einem den Magen umdreht.
Darfst Du denn mit 16 FIGHT CLUB sehen? (oder gibt es da eine 16er?) lg, RalphTja, und zum Sex darf ich wohl mit 16 nix sagen.
R. C. Doege: Ende der Nacht. Erzählungen (2010)
R. C. Doege: YUME. Träumen in Tokio (2020)
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