Im Thread zum Film "Avatar" von James Cameron hat sich eine interessante Diskussion zum Thema 3D-Technik (in Filmen, aber auch darüber hinaus) entwickelt, die hiermit einen eigenen Thread spendiert bekommt.
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Dass die Story nicht sonderlich vom Hocker reißt, wurde schon vor dem Start des Films in einigen Kritiken besprochen, und ich hatte das "Scriptment" zum Film gelesen, wusste also schon länger, was da an Handlung kommt. Lediglich mit der Erwartung an das visuelle Äquivalent zu einer Nachtwanderung im Dschungel habe ich den Film jetzt gesehen.
Ich finde ihn technisch äußerst beeindruckend, und dachte nach einer Weile gar nicht mehr darüber nach, dass ich da blaue, zweibeinige, unbehaarte und sprechende Katzen mit Lendenschurz auf der Leinwand sehe. Die digitalisierte Welt in diesem Film ist sehr überzeugend, und mit etwas Bereitschaft kann man das Gesehene tatsächlich als real annehmen. Es fehlt nur noch ein Hauch mehr Natürlichkeit in den Bewegungen und der Mimik der Figuren.
Am letzten Wochenende habe ich in der Süddeutschen Zeitung ein Interview mit James Cameron gelesen, und hatte den Eindruck, dass er seine Filme nur noch als Hobby zur Befriedigung eigener Interessen betrachtet. Diesmal war wohl sein Interesse die Weiterentwicklung von 3D- und Motion-Capture-Technik. Das ist ihm gelungen.
Aber so schön das (für mich neue) 3D-Erlebnis auch war, es hat mich doch genervt. Die Brillen sind kein Problem, aber die Augen ermüden merklich, wahrscheinlich wegen der (nicht bewußt sichtbaren) abwechselnd projizierten Teilbilder.
Und vor allem gibt es einen wesentlichen Schwachpunkt der 3D-Technik, der mich sehr stört: Ich fühlte mich ständig gezwungen, dem Fokus der Kamera zu folgen, da in den meisten Aufnahmen eine bestimmte Schärfentiefe eingesetzt wurde. Das ist aber kein natürliches 3D-Sehen. Normalerweise fokussiere ich selbst, was ich scharf sehen will. Bei den Szenen in den fliegenden Bergen schien es zu gelingen, sonst nicht. Andere Szenen wie die Anfangssequenz, das interplanetare Raumschiff oder der Blick in den Himmel mit Planetensystemen waren zwar von vorne bis hinten scharf, man hätte also selbst fokussieren können, aber es fehlte dort der 3D-Effekt. Ich habe hin und wieder die Brille abgesetzt, und konnte in solchen Fällen sehen, dass die zwei Teilbilder deckungsgleich waren - also ohne 3D-Effekt.
Tatsächlich ist es ja nicht möglich, einen 3D-Film so zu drehen, dass der Zuschauer über jede Entfernung hinweg fokussieren kann, denn dazu wäre es nötig, in der Aufnahme den Blickwinkel der beiden Kameras zu ändern, so wie das Auge es tut. Cameron hat für Avatar Kameras gebaut, die genau das tun, aber auch damit kann er ja in jedem Moment nur eine Fokussierung einstellen. Daran muss ich mich erst noch gewöhnen. Stefan9 schrieb ja, man sollte am besten entspannt auf die Bildmitte blicken und dem Kamerafokus folgen, anstatt im Bild herumzublicken.
Dieser Film wird sicher die Erwartungen an die digitale Filmtechnik ein ganzes Stück höher setzen, aber meiner Meinung nach eher wegen der wirklich voll integrierten und sehr real wirkenden digitalen Figuren und Szenen, und der nun endlich dargestellten Mimik.
Avatar ist vielleicht kein Meilenstein der Filmgeschichte, aber bestimmt ein Staffelstab der Filmtechnik. Wer auch immer in Zukunft Filme mit digitalen Figuren dreht, wird sich an der Technik dieses Films messen lassen müssen. Es wäre vielleicht interessant zu recherchieren, ob Cameron Patente zu den neuen Aufnahmeverfahren hat.
Ich freue mich auf viele neue SF-Filme, bei denen ich nicht mehr "Inverted ice-cream cones with teeth around the bottom" (Frank Zappa - Cheepnis) sehen muss, sondern durch die fortgeschrittene Technik eben diese vergesse und mich völlig auf das konzentrieren kann, was Cameron mit Avatar nicht gebracht hat: Eine interessante Geschichte.
Bearbeitet von Armin, 20 Dezember 2009 - 20:12.