.. ja und ich möchte auch gleich einen Buch-Tipp loswerden, ein echtes Space Opera Juwel, von einem Autor, der glaube ich, hier im Forum auch ganz gut ankommt.
Die Arche - Alastair Reynolds
Allen Freunden von Alastair Reynolds oder Hard SF mit Space Opera Handlung kann ich seinen Roman Die Arche, der im April bei Heyne endlich auch auf Deutsch erscheint, wärmstens empfehlen. Bereits vor 1 ½ Jahren, als der Roman im Original erschien, habe ich (Unendlichkeit kannte ich bereits) sofort zugegriffen. Die Arche war dann auch mein persönliches SF-Highlight des Jahres 2002 und ist wie die beiden früheren Romane Reynolds absolut überragende Space Opera. Mit einer kleinen Einschränkung, aber dazu später mehr.
Wer darauf hoffte, dass Die Arche eine Fortsetzung zu Unendlichkeit ist darf sich freuen: das heißt aber auch man sollte auf jeden Fall Unendlichkeit vorher gelesen haben sonst bleibt vieles unverständlich, Chasm City sollte man ebenfalls kennen, da es auch Querverweise zu diesem Roman gibt, allerdings subtilerer Natur.
Zum Hintergrund:
Wer Chasm City und Unendlichkeit gelesen hat, ist ja mit Reynolds Zukunftswelt bereits etwas vertraut, fĂĽr alle anderen etwas zum Hintergrund seiner bisherigen Romane:
Im 27. Jahrhundert hat sich die Menschheit im Weltraum ausgebreitet, neue erdähnliche Planeten entdeckt und besiedelt, sich auch ansonsten in ein recht buntes, heterogenes Gemisch von bio-, gen- und nano-technisch modifizierten Menschen verschiedenster Art verwandelt, von denen manche kaum mehr auf Anhieb als Menschen erkennbar sind, und die praktisch zu separaten Fraktionen der Menschheit geworden sind.
Da sind beispielsweise die Ultras, Cyborgs, die Körperteile mit nano-technischen Gerätschaften ersetzen und in kilometerlangen Lichtschiffen zwischen den Sternen reisen und Handel treiben.
Oder die Demarchisten des Yellowstone-Systems, die mit ihrer futuristischen Stadt Chasm City einst ein anarchistisches Polit-Utopia schufen, sowie Wissenschaft und Technik zu einzigartiger Blüte entwickelten. In der aktuellen Gegenwart erholt sich die Stadt von den Folgen einer verheerenden Nano-Virus-Seuche, der Schmelzseuche, welche alle Technik auf Basis von Nano-Technologie auf subtile Art zerstört, Chasm Citys Nanotechnik-Gebäude grotesk verändert und die Stadt in eine Alptraumlandschaft verwandelt hat. Von der ehemaligen Blüte ist aktuell nicht mehr viel vorhanden. Dafür hat sich in den Tiefen der Stadt eine eigene kriminelle Subkultur gebildet, die für Fremde ziemlich tödlich ist.
Die interessanteste und fortgeschrittenste Gruppe unter diesen veränderten Menschen sind die Conjoiner eine gefürchtete und verfolgte Splittergruppe (in der deutschen Übersetzung werden sie mit Synthetiker übersetzt, was es meiner Meinung nach nicht besonders gut trifft, es müsste eher die Verbundenen heißen, klingt aber blöd, oder besser, die Vernetzten, ihre Feinde nennen sie herabsetzend Spiders). Die Conjoiner haben (
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Reynolds Romane, obwohl ich sie stilistisch eher der Space Opera als der Hard SF zuordnen wĂĽrde, heben sich wohltuend vom ĂĽblichen Space Opera Schema ab, wenn er auf Spielzeuge wie FTL- oder Hyperdrives, Energieschirme, galaktische Imperien und dergleichen verzichtet und lieber auf utopisch-innovative Gesellschaftsmodelle und realistische Wissenschaft setzt, sowie bereits heute denkbare, bzw. prognostizierte Technologien (vor allem Bio- und Nano-Technologie) nebst exotischen Physik-Theorien spekulativ extrapoliert.
Zur Handlung:
Ausgangslage: Die Conjoiner sind im Yellowstone System in einen Krieg mit ihren ehemaligen Verbündeten, den Demarchisten von Chasm City verwickelt, der aber bereits mehr oder weniger von ihnen gewonnen ist. Für die Conjoiner selbst ist dieser Krieg nur ein Nebenschauplatz, denn etwas viel Bedrohlicheres macht ihnen zu schaffen: eine Expedition der Conjoiner, die vor Jahrzehnten in unbekannte Regionen der Milchstrasse aufgebrochen war, kehrte vorzeitig zurück. Bei der Untersuchung des stark beschädigten Raumschiffs findet man überall merkwürdige schwarze, kubische Formen, grausam verstümmelte Menschen, sowie in einer Kälteschlafkammer, fast vollkommen bedeckt von den scharzen Kuben, die einzige Überlebende, Galiana, die Expeditionsleiterin und legendäre Gründerin der Conjoiner-Gemeinschaft. Von Galiana erfährt man, wie die Expedition mitten im Raum von Wolken der scharzen Kuben angegriffen wurde und die Besatzung trotz heftiger Gegenwehr auf das grausamste abgeschlachtet wurde. Galiana, die von den intelligenten schwarzen Maschinen geistig kontrolliert wird, erzählt ihren Leuten von der tödlichen Gefahr, die zwischen den Sternen lauert und drauf dran ist, nicht nur die Conjoiner, sondern die gesamte menschliche Rasse auszulöschen... (Wer Unendlichkeit gelesen hat darf schon mal raten wer oder was die schwarzen Kuben sind...). Die Führung der Conjoiner, das ?Innere Heiligtum?, erkennt, dass die Menschheit dieser Gefahr nicht gewachsen ist und fasst einen geheimen Fluchtplan...
Jahre später...Nevil Clavain ein 400 Jahre alter Conjoiner-Führer, Soldat, Geliebter und Lebenspartner von Galiana, der die Expedition ursprünglich ebenfalls begleitete, aber nach Ausbruch des Krieges im Yellowstone-System, mit einem Schiff zurückkehrte, um den zurückgebliebenen Conjoinern mit seinen militärischen Erfahrungen beizustehen, wendet sich, als er von den geheimen Plänen erfährt, die er nicht billigt, gegen seine eigenen Leute. Clavain flüchtet nach Chasm City, gejagt von seinen früheren Kriegsgegnern ebenso so wie von den Conjoinern, und findet im Untergrund von Chasm City unerwartet Hilfe und Verbündete für seine Mission...
Wer glaubt ich habe von der Handlung bereits zuviel verraten sei beruhigt, das war erst der Prolog...
Zur weiteren Handlung möchte ich hier überhaupt nicht mehr verraten, weil das die Spannung doch zu sehr verderben würde. Als Appetithappen sei nur angemerkt, dass der kosmische Hintergrund, der im Roman Unendlichkeit nur angedeutet wurde, um neue Facetten erweitert wird, auch der Untergang der Alienzivilisationen erscheint in einem neuem Licht. Ein Geheimnis aus Unendlichkeit wird gelüftet und man kann sich auf ein Wiedersehen mit bekannten Gesichtern aus den früheren Romanen freuen...
Die Erzählung selbst ist, wie immer bei Reynolds, komplex und verschachtelt angelegt, es gibt viele Parallelhandlungen, aber Reynolds gelingt es trotzdem die Übersicht zu behalten. Nacheinander werden die Handlungsstränge zusammengeführt, bis am Schluss ein mehr oder weniger klares Gesamtbild entsteht, wobei der Leser, weil er alle Handlungsstränge kennt, den Akteuren immer einen Schritt voraus ist und die Zusammenhänge früher erahnt.
Kritik:
Eigentlich gibt es nur zwei wirklich schwerwiegende Einwände, die man dem Buch anlasten kann, alles andere sind Erbsenzählereien, die jeder Leser unterschiedlich beurteilen und gewichten wird (es sei denn man hat ein grundsätzliches Problem mit Reynolds Erzählstil), Punkt 1 ist eigentlich nicht der Rede wert, Punkt 2 enthält einen Spoiler den man sich vielleicht ersparen möchte:
1. Die Geschichte geht weiter und ist mit dem Buch noch nicht zu Ende erzählt! Das ist absolut ärgerlich, weil es einen massiven Cliffhanger am Schluss des Buches gibt
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Achtung
Spoiler....
2. Reynolds verwendet praktisch die Hälfte der Romanhandlung darauf die Geschichte zum finalen Showdown hin zu entwickeln. Eine Auseinandersetzung bei der es um das Überleben eines ganzen Sonnensystems geht! Dabei werden Technologien eingesetzt über die man so noch nicht gelesen hat: ein Planet von der Größe Jupiters wird vollständig zerlegt nur um eine Maschine/Waffe zu bauen die dazu dient eine Sonne zu zerstören... das nur zur Illustrierung der Größenmaßstäbe mit denen gespielt wird...
Aber was macht Reynolds: man freut sich den halben Roman auf diesen finalen Showdown, minutiös wird alles geschildert, Handlungsfäden zusammengeführt und dann kurz vor dem Höhepunkt...Schnitt...schauplatzwechsel
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Spoiler Ende
Nun gut...abgesehen oder trotz dieser beiden Kritikpunkte, kann die Arche uneingeschränkt empfohlen werden. Reynolds schreibt spannend, der kosmische Hintergrund ist gigantisch, Wissenschaft und Technik atemberaubend. Derart glaubwürdig habe ich Supertechnik ganz selten präsentiert bekommen, dabei wird sie aber nie zum alleinigen Selbstzweck, sondern ist stets in die Story eingebunden, allenfalls seine Protagonisten, obwohl eigentlich nicht schlecht gezeichnet, wirken manchmal etwas unglaubwürdig, wenn sie allzu schnell bereit andere Menschen, sogar jahrelange Freunde für ihre persönlichen Ziele zu opfern. Ok, in einer Space Opera ist das meiner Meinung nach akzeptabel (erwartet denn jemand in Space Operas ernsthaft ausgefeilte psychologische Charakterzeichnungen? Da ist mir der *cosmic touch* weit wichtiger und davon gibt es reichlich!)
So...der Beitrag ist etwas länglich geraten, das soll aber durchaus nicht zur Regel werden...
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Vielleicht hat der Buch-Tipp dem einen oder anderen Appetit gemacht in das Buch reinzuschnuppern (möglicherweise trage ich Eulen nach Athen...
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Trurl