Sehr geehrter Hr. Remus Obwohl mir als neuer Abonnent die voranschreitende Flucht aus dem früheren Bleiwüsten-Image der ZEIT eigentlich gefällt, ist mir Ihr Artikel zu Altmeister Lem doch ein wenig zu schrill vorgekommen. Da hätte ich mir wieder ein wenig mehr altehrwürdige Zurückhaltung gewünscht... Als Momentaufnahme des wohl schon immer etwas lichtscheuen Autors und Futurologen fand ich anfangs den Bericht sehr lesenswert. Auch das Festhalten seiner Kritik an der Hektik der Informations-Welt findet bei mir Gehör. Aber nach und nach stellt sich beim weiteren Lesen ein bekanntes populärwissenschaftliches Szenarium ein: Einerseits beschreibt der Interviewte, wie er sich an der Beliebigkeit des Internets vorbei Wissen nur bei den Quellen abholt, und der Interviewende berichtet dies in ehrfürchtigen Sätzen. Es wird die "Hölle der Wissensgesellschaft" beschworen. Andererseits wird dann die Verachtung alles Pseudo-Wissenschaftlichen bzw. Phantastischen thematisiert. Dass Lem schon immer "die ganze Gattung" Science Fiction parodiert habe, mag sein - dazu kenne ich ihn nicht gut genug, obwohl ich Science Fiction seit Jahrzehnten gerne lese. Aber es geht ja hier noch weiter: "Doch mittlerweile ist der erfolgreiche SF-Autor zu einem entschiedenen Kritiker seiner Zunft geworden". Dann schließen Sie aber das Szenarium, das ich meine, ab, mit der Feststellung, dass Lem einen IQ von 180 hat. Falls Ihnen das noch keiner so deutlich gesagt hat: Der IQ ist real-gewordene Science Fiction - er klingt wissenschaftlich, ist es aber nicht. Wer Ihr Interview mit Lem auf der Zeit.de-Seite des Artikels verfolgt, kann nur zu dem Schluss kommen, dass Lem dies sicherlich ähnlich sieht. Über Intelligenz kann man spekulieren, und Denkmodelle bauen, aber ein wissenschaftliches (messbares) Konzept ist sie nicht. Damit haben Sie leider einen pseudo-wissenschaftlichen Versuch gemacht, Ihren Artikel von der wissenschaftlichen Ramsch-Ecke, in der sich offensichtlich Science Fiction nach wie vor befindet, zu distanzieren. Eine nicht all zu neue Taktik, denn dieses Vorurteil gegenüber der Science Fiction ist schon fast ein Jahrhundert alt. Wenn ich also Ihre dauernde Distanzierung von einem Genre, das sich kaum nur in eine Ecke drängen lässt, nicht zu ärgerlich fände, würde ich Ihnen zu rufen: "Willkommen hier bei uns, verlorener Sohn! Auch hier lässt's sich gut leben..." Den Restartikel fand ich leider auch nicht viel einträglicher, was eine konkrete Begründung Lems angeht, warum Science Fiction nun zu vermeiden sei, und nur unbrauchbare "Wahngebilde" hervor ruft. Um Sie schlecht zu zitieren: "Gezielte Argumente" gab es wenige. Letztendlich mutiert der Artikel in meinen Lem-Neulings-Augen zu einer dürftig begründeten übertragenen Polemik eines alten Mannes. In den Web-Interviews kommt er zumindest noch etwas humoriger herüber. Vielleicht haben Sie ihm also ein Unrecht getan? Ich nehme jetzt mal an, dass dies nicht so ist, und antworte: Schade, dass Lem dem Genre, das ihm sicherlich viel Spaß und auch Einiges an Anerkennung bereitet hat, inzwischen so sehr den Rücken zu dreht. MfG /KB
Bearbeitet von yiyippeeyippeeyay, 03 August 2005 - 10:30.