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Ruf (s.1-2)
Geschrieben von
jacek
,
in
Ruf
05 Dezember 2013
·
1.289 Aufrufe
jacek klimut autor manuskript ruf endzeit literatur
Fotoquelle: http://www.daz3d.com...quisition-0.jpg
"Ruf"
Jacek Klimut
Der Großinquisitor lächelte.
Ein übelkeitsauslösender Schmerz zerriss seinen Körper. Wellen des Leidens prallten in den ermüdeten Verstand, erzwangen volle Konzentration auf die Qualen, Weinen, flehen, beten ... Gnade!
Der Großinquisitor lächelte.
Typischerweise in solchen Momenten tauchte wie aus dem Nichts die Übelkeit auf. Jedoch hatte der abgemagerte Körper nichts, was er erbrechen konnte. Der Körper des Inquisitors identifizierte die neue Qual und initiierte die passende und bekannte Reaktion.
Gnade ... Gnade ...
Der Großinquisitor lächelte.
Das lief immer so. Das war immer so gewesen.
Gnade!
Die eiskalten Wände seiner privaten Zelle erschienen im Morgengrau leicht bläulich, irgendwie vampirisch, gruselig, unheimlich, wie die Wände eines Sarkophags, der gerade eröffnet wurde, und, was für ein Zufall, der Inhaber war blöderweise nicht da ... Er hatte sich auf eine Jagd begeben und war noch nicht zurückgekehrt.
Noch nicht.
Aber er würde bald kommen, neugierig, wer seinen Restplatz zu beflecken gewagt hat.
Der Großinquisitor lächelte.
Der Herr sieht meine Qualen, beurteilt meine Anstrengungen, erkennt meine Unvollkommenheit, nimmt meine bescheidenen Bemühungen wahr, meine Versuche eines einzigen Blickes des Herrn würdig zu sein.
Der Großinquisitor legte sein Instrument auf dem Boden ab.
Endlich.
Die Gnade.
Das war schon immer das wichtigste Ereignis seines Lebens gewesen, der Moment, da sein persönliches Instrument auf den kalten Steinboden der Zelle abgelegt wurde, der Moment, der das Ende der Qualen verkündete.
Die ersehnte Gnade!
Wie immer in dem bestimmten Moment glitt der erfahrene Blick des Großinquisitors über die auf dem Instrument in regulären Abständen befestigten Hacken. Wie viele neue blutige Hautteile ließen sich heute dort feststellen? Wie viel Haut hatte er dieses Mal geopfert? War das viel oder vielleicht ganz wenig gewesen?
Der Großinquisitor lächelte.
Natürlich gilt das subjektiv empfundene Ausmaß der Qualen als gutes Maß für die Abschätzung des Fortschritts auf dem Weg zur Vollkommenheit. Natürlich.
Aber nichts, absolut nichts war mit dem Verlust der Hautteile vergleichbar. Man sah sofort, ob der Herr heute gnädig oder weniger gnädig gewesen war.
Natürlich, nur ER dürfte den Fortschritt erlauben. Oder eben verweigern.
Unermesslich sind die Wege des Herrn.
Leider. Der Herr war heute weniger gnädig gewesen.
Trotz subjektiv unermesslicher Qualen blieben auf dem Instrument ganz wenige Hautteile. Ein schlechter Tag.
Der Großinquisitor lächelte. Unbekannte sind Wege des Herrn.
"Ruf"
Jacek Klimut
Der Großinquisitor lächelte.
Ein übelkeitsauslösender Schmerz zerriss seinen Körper. Wellen des Leidens prallten in den ermüdeten Verstand, erzwangen volle Konzentration auf die Qualen, Weinen, flehen, beten ... Gnade!
Der Großinquisitor lächelte.
Typischerweise in solchen Momenten tauchte wie aus dem Nichts die Übelkeit auf. Jedoch hatte der abgemagerte Körper nichts, was er erbrechen konnte. Der Körper des Inquisitors identifizierte die neue Qual und initiierte die passende und bekannte Reaktion.
Gnade ... Gnade ...
Der Großinquisitor lächelte.
Das lief immer so. Das war immer so gewesen.
Gnade!
Die eiskalten Wände seiner privaten Zelle erschienen im Morgengrau leicht bläulich, irgendwie vampirisch, gruselig, unheimlich, wie die Wände eines Sarkophags, der gerade eröffnet wurde, und, was für ein Zufall, der Inhaber war blöderweise nicht da ... Er hatte sich auf eine Jagd begeben und war noch nicht zurückgekehrt.
Noch nicht.
Aber er würde bald kommen, neugierig, wer seinen Restplatz zu beflecken gewagt hat.
Der Großinquisitor lächelte.
Der Herr sieht meine Qualen, beurteilt meine Anstrengungen, erkennt meine Unvollkommenheit, nimmt meine bescheidenen Bemühungen wahr, meine Versuche eines einzigen Blickes des Herrn würdig zu sein.
Der Großinquisitor legte sein Instrument auf dem Boden ab.
Endlich.
Die Gnade.
Das war schon immer das wichtigste Ereignis seines Lebens gewesen, der Moment, da sein persönliches Instrument auf den kalten Steinboden der Zelle abgelegt wurde, der Moment, der das Ende der Qualen verkündete.
Die ersehnte Gnade!
Wie immer in dem bestimmten Moment glitt der erfahrene Blick des Großinquisitors über die auf dem Instrument in regulären Abständen befestigten Hacken. Wie viele neue blutige Hautteile ließen sich heute dort feststellen? Wie viel Haut hatte er dieses Mal geopfert? War das viel oder vielleicht ganz wenig gewesen?
Der Großinquisitor lächelte.
Natürlich gilt das subjektiv empfundene Ausmaß der Qualen als gutes Maß für die Abschätzung des Fortschritts auf dem Weg zur Vollkommenheit. Natürlich.
Aber nichts, absolut nichts war mit dem Verlust der Hautteile vergleichbar. Man sah sofort, ob der Herr heute gnädig oder weniger gnädig gewesen war.
Natürlich, nur ER dürfte den Fortschritt erlauben. Oder eben verweigern.
Unermesslich sind die Wege des Herrn.
Leider. Der Herr war heute weniger gnädig gewesen.
Trotz subjektiv unermesslicher Qualen blieben auf dem Instrument ganz wenige Hautteile. Ein schlechter Tag.
Der Großinquisitor lächelte. Unbekannte sind Wege des Herrn.
* ehrlich gemeint)