Ich war trotzdem noch rechtzeitig in Darmstadt und habe den "English Club" auch überraschend zügig und ohne mich zu verfahren gefunden. Gut, dass ich nicht auf die offizielle Homepage der "Langen Nacht der Musen" geschaut hatte. Im dortigen Stadtplan war der Veranstaltungsort nämlich anscheinend falsch eingezeichnet.
Der "English Club" ist ein kleiner Raum mit einer großen Bar, oben war alles mit Postern, Postkarten, Büchern, Broschüren und Sonstigem auf Science Fiction abgestimmt, unten im Keller sollte die Lesung stattfinden. Die Leute vom SF-Treff Darmstadt hatten also alles vorbereitet, nach und nach trudelten die Lesenden ein, Barbara und Timo samt Gefolge, nur die Besucher und potenziellen Zuhörer tröpfelten etwas spärlicher in den Raum. Vergangenes Jahr sollen so um die hundert da gewesen sein, habe ich mir sagen lassen, dieses Jahr waren es nicht ganz so viele.
Nach einer Folge von "Battlestar Galactica", die den Hugo Award gewonnen hat, legten wir mit der Lesung los und konnten fast hundert Prozent der Anwesenden - mit Ausnahme des Barmannes - dazu bewegen, uns in den Keller zu folgen. Barbara Jung machte den Anfang mit ihrer Geschichte "Happy Birthday", die im Jahr 2003 in der SF-Anthologie "Future World" im Go Verlag erschienen ist. Ich habe zu dem von Udo Mörsch herausgegebenen Buch ebenfalls eine Story beigesteuert ("Menschenjäger"). Der Geburtstag, von dem Barbara in ihrer Geschichte erzählt, scheint zunächst gar nicht so glücklich, da die hier beschriebene Gesellschaft an chronischer Überalterung leidet und ihre Senioren pünktlich zum 120. Geburtstag aussortiert. Barbara las die erste Hälfte der Story, danach durfte ich übernehmen. Ich hatte mich zunächst für zwei kurze Ausschnitte aus meinem Roman "Das vergessene Portal" entschieden. Fantasy, damit der Abend nicht gar so Science-Fiction-lastig wurde. Zuerst gab's einen Ausschnitt aus Kapitel zwei: die Szene mit dem blinden Bettler, dem kleinen Dieb und das sich daran anschließende erste Treffen der dezimierten Quad mit dem legendären Ricourd. Da geht's ein bisschen ruhiger zu, der Schwerpunkt liegt auf der Atmosphäre, deshalb folgte direkt im Anschluss die Action: aus Kapitel 3 der spannende Kampf Milenas mit den Elementen. Danach durfte Timo Bader übernehmen und legte mit einem Ausschnitt aus seiner Cellar-Trilogie los, die - wie auch "Future World" - im Go Verlag erschienen ist, der inzwischen Kleinbuch Verlag heißt. Timo hatte sich einen netten Trick ausgedacht, damit ihm auch ja keiner davonläuft: Er übernahm den Erzählerpart und verteilte die Dialoge aufs Publikum. So hatte fast jeder was zu tun.
Ruckzuck war die erste Stunde rum, es ging in die wohlverdiente Zigarettenpause und dann gleich weiter: Barbara brachte die zweite Hälfte von "Happy Birthday", danach war wieder ich dran, und zwar mit "Barrieren", erschienen in "Überschuss", dem dritten Band der SF-Reihe des Wurdack Verlags. Für Lesungen habe ich eine Kurzfassung der Story erstellt, die knapp unter zwanzig Minuten lang ist und damit weniger als die Hälfte des kompletten Textes umfasst. Das ist, das weiß ich selbst, ein zweischneidiges Schwert: Einerseits wird der Zuhörer nicht um das Ende betrogen, andererseits muss manches in den Überleitungen zwischen den gelesenen Szenen sehr knapp zusammengefasst werden. Bei den bisherigen Lesungen hat sich noch keiner beschwert, dass er deshalb etwas nicht verstanden hat, aber trotzdem werde ich bei der nächsten Lesung auf dem BuCon mal eine andere Variante wählen (das habe ich mir auf jeden Fall fest vorgenommen): Dann gibt's aus meiner neuen Story "Der Gravo-Dom" (die in "Golem & Goethe" erscheint) nur die ersten zehn Minuten und fertig. Wer wissen will, wie's ausgeht, muss sich das Buch kaufen. Zum Abschluss der Lesung stellte Timo noch seinen Drimaxid-Vierteiler vor, ebenfalls bei Go/Kleinbuch erschienen, ebenfalls "interaktiv" gelesen. Danach gab's Dias vom WorldCon in Glasgow und ein weitere Folge von Battlestar Galactica. Beides habe ich natürlich verpasst, da ich mich lieber noch mit ein paar Leuten über dies und jenes unterhalten habe.
Insgesamt ein halbwegs lustiger Abend, ein paar Zuhörer mehr hätten ruhig da sein dürfen. Immerhin gab's auf der Heimfahrt keinen Stau.
Simon R. Green war wirklich gut. Der Typ ist ein halbwahnsinniger Comic Fan. Ich habe mich in einem Panel mit ihm fast todgelacht. Und die Lesung aus seinem Roman, der nächstes Jahr erscheint, war auch sehr unterhaltsam.