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Atlas Shrugged (I)

Geschrieben von , 10 Oktober 2005 · 781 Aufrufe

Sullivan liest
REPLAY im Klassiker Lesezirkel diesen Monat war eine gute Wahl, in 3 Tagen hatte ich das Buch durch. Somit bleibt genug Zeit für ein anderes Buch, dass seit kurzem auf meinem Nachttisch liegt: Atlas Shrugged von Ayn Rand.

Der erste Eindruck ist furchteinflößend: über 1000 engbedruckte Seiten warten auf den Leser, ein richtiges Mammutwerk. Damit fällt Ruschs eiserne Regel, mindestens 10% von einem Buch in der ersten Sitzung zu lesen (gefällt mir gut!), schon mal aus. Das macht allerdings nichts, denn es geht gleich zur Sache. Eine Eisenbahngesellschaft kämpft mit Problemen und der Vorsitzende scheint nichts dagegen zu unternehmen. Er verlässt sich auf das Wort seiner Partner bzw. zukünftigen Kunden, ohne die harten wirtschaftlichen Fakten zu Rate zu ziehen. Seine Schwester ist von einem ganz anderen Kaliber und zwei Welten prallen aufeinander. Mal sehen, wie es weiter geht.

So ganz weiß ich noch nicht, ob man seine eigenen Interessen (Selfishness) wirklich über soziale und gesellschaftliche Interessen stellen sollte. Ayn Rand ist hier ganz klar, "Beziehungen" erleichtern vielleicht die Geschäfte, aber man kann es aus eigener Kraft schaffen ohne dass Gefälligkeiten ausgetauscht werden. Das erinnert mich an Influence: The Psychology of Persuasion (auf deutsch). Man wird manipulierbar, wenn man bei jemandem in der Schuld steht. Autoren wie Jack Vance oder Neil Gaiman haben das erkannt und in ihren Geschichten eingebaut. Ein Gefallen wird als solcher identifiziert und es wird eine Bezahlung angeboten: "Baum! Ich bediene mich deiner Früchte weil du sie offen zu Schau stellst und frei anbietest. Wenn du etwas dagegen hast dann antworte jetzt. Dein Schweigen nehme ich als Zustimmung!" (Das Obst war verzaubert und verwandeln jeden, der davon ungefragt isst, in ein Tier. Unser Held blieb davon unbetroffen.)

Kommen wir zurück zu Ayn Rand. Ein Industrieller (Erfinder und Produzent einer neuen Sorte von Stahl) wird von seiner Familie als "unsozial" beschimpft. Er kümmert sich nicht um die Schwachen und denkt nur an sich obwohl er viel Geld hat. Die Argumente prallen komplett von ihm ab. Seine Maßstäbe und sein Denken lassen sich nicht damit vereinbaren, dass er für jemanden verantwortlich sein soll, der auch alleine etwas aus sich machen könnte.

Ein klasse Buch, meine Frau musste mich mehrfach anstoßen weil ich nicht auf ihre Frage reagiert habe. smile.gif

Sullivan



Ich kenne das Buch nur aus Matt Ruffs G.A.S. Darin kommt Ayn Rand als virtuelle Person vor und auch über ihr Buch "Atlas wirft die Erde ab" wird mehrfach gesprochen. Alldings zeigt sich mal wieder: Die Deutsche Übersetzung ist nicht Orginalgetreu. Man hätte das Buch auch "Der geschumpfte Atlas" nennen können.
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molosovsky
Okt 10 2005 19:22
Respekt. »Atlas Shrugged« lesen ist kein Pappenstiel.

Und bedeutet der Titel auf Deutsch nicht soviel wie »Atlas zuckte die Schultern«, und das übertragen gemeint als »Atlas schüttelt Globus ab«? Oder?
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Falsch, Rusch. "Shrugged" kommt nicht von shrink sondern bedeutet "mit den Achseln zucken" oder "als unwichtig abtun" ("dismiss as unimportant" wie das Oxford Dictionary so schön sagt). Von daher ist der Titel gut wiedergegeben, leidet aber an Mehrdeutigkeit.
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yiyippeeyippeeyay
Okt 10 2005 21:27
Kennst du denn auch Anderes von Rand? Atlas Shrugged kenne ich wiederum noch nicht. Sie gilt ja als Ultra-Kapitalistin/-Indivdualistin. Ich fand ihre Helden immer etwas ZU heldenhaft.

Der Titel ist mehrdeutig. 2 mögliche Bedeutungen: Die Erde bebte (weil Atlas zuckte); einem Riesen unter Männern sind kleine Hindernisse egal. Ich wette die Phrase stammt aus irgendeinem Gedicht - das müsste man finden um die genaue Referenz zu verstehen.

P.S.: Wie genau war das mit dem mehrfachen Fragen deiner Frau? confused.gif
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Hallo yippie,

allzuweit bin ich noch nicht, aber in dem Buch geht es darum, dass zu wenig Menschen Verantwortung für ihre Entscheidungen übernehmen (wollen) und wirtschaftliche Entscheidungen auf Grund von "public wellfare", Gefälligkeiten o.ä. getroffen werden. Wer an den Profit denkt, wird als "selfish" bezeichnet, als jemand der nur an sich und nicht an die Gesellschaft denkt. Ayn Rands Schlussfolgerung ist, dass damit der Unternehmergeist abgewürgt wird und das Land / die Wirtschaft den Bach runtergeht.

Den Titel kann man so interpretieren, dass Atlas seine Verantwortung nicht mehr wahrnehmen möchte - im übertragenen Sinne "wirft er den Globus ab" und geht nach Hause.

Diese "ZU heldenhaft" ist anscheinend ein Kritikpunkt, der häufig genannt wird. Es gibt nur schwarz oder weiß, gut oder schlecht. Dazwischen gibt es bei Ayn Rand anscheinend nichts. Andere Sachen kenne ich von ihr noch nicht, aber ich habe mir noch "Anthem" (Hymne) gekauft.

QUOTE
P.S.: Wie genau war das mit dem mehrfachen Fragen deiner Frau?

Wir liegen abends immer auf der Couch, jeder mit seinem Buch bzw. mit einem Auge auf dem Fernseher. In ATLAS SHRUGGED war ich so vertieft, dass ich gar nicht mitbekommen hatte, dass meine Frau etwas von mir wollte. Erst nachdem sie mich angestoßen hatte, habe ich überhaupt reagiert (mit einem nervösen Zusammenzucken :-) ).

Sullivan
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Es gibt schon seit laengerem Plaene, "Atlas Shrugged" zu verfilmen. Ein Update dazu ist hier zu finden. Ich kann aber nicht beurteilen, inwieweit Spoiler in den Artikeln enthalten sind, da ich das Buch nicht gelesen habe.
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yiyippeeyippeeyay
Okt 12 2005 00:56
Anthem finde ich Klasse, hauptsächlich wegen der lyrischen Aufmachung und der Geschichtsstruktur. Am Anfang weiß man echt nicht, worum es geht. Am Ende war es mir einen Tick zu moralisierend. Aber m.E. ein echter SF-Stoff (so wird es natürlich nie verkauft).

Ob Rand wohl Heinlein, den großen "Libertarian", kannte?

Zu den Frauenfragen sage ich nur: BeNEIDenswertes Szenario! smile.gif
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