

konkrete theorie 1: metapher
Geschrieben von
Jakob
,
20 September 2006
·
745 Aufrufe
obskures (semi-)narratives
Los geht's mit den Texten, die in absehbarer Zeit keine Chance auf professionelle Veröffentlichung haben, aber dennoch gerne Memplexe werden würden ...
Los geht's mit einer Reihe, die mal unter dem Titel "Konkrete Theorie" für die Ausstellung "Fremdkörper-Hygiene-Raum" der UdK berlin entstand, und die Einblicke in den Charakter kulturwissenschaftlich-universitären Schaffens gibt ...
kt1: metapher
„Körper und Stadt, Körper und Haus, sind Folien des Wissens, die wir übereinander legen. Wird die schematische Zeichnung auf einer Folie verändert, passen wir auch die anderen Zeichnungen an. Wenn die Grenzen der Stadt durchlässig werden, werden es auch die unseres Körpers. Wenn Zirkulation, Aus- und Einströmung gesund ist, dann sollte es auch der Stadt bekommen, und wenn es eine Gefahr für die Stadt ist, dann überlegen wir, ob es nicht auch eine Gefahr für den Körper ist.“
In den vordersten Reihen war leises Fußscharren zu hören. Ein junger Mann warf hastig einen Blick in die Runde, und als er feststellen musste, dass niemand etwas unternehmen würde, winkte er Professor Duquesne am Rednerpult halbherzig zu und formulierte mit überdeutlichen Lippenbewegungen eine stumme Warnung.
„Die Übertragung von Bedeutungssysteme von einem Gegenstand auf den anderen ist eine Grundmodus des modernen Denkens.“ Fuhr Duquesne fort, ohne die verhaltenen Bewegungen des jungen Manns zu bemerken oder bemerken zu wollen. „In dieser Metaphernwelt hat die Stadt ihre faulen, erkrankten Flecken, und sie kann sich in einen Leichnam verwandeln, aus dem mensch nur noch fliehen kann - in ein Umland, eine Vorstadt, die von den schädlichen Einflüssen frei gehalten werden muss.“
Unvermittelt erlitt Professor Duquesne einen Hustenanfall, und dicker, nach Diesel stinkender Qualm quoll ihr aus Mund und Nase. Mit tränenden Augen tastete sie nach der Mineralwasserflasche und setzte sie zu einem tiefen Zug an die Lippen. Regen klatschte in einem Schwall gegen die Fenster des Hörsaals. Der junge Mann hob die Handflächen zum Himmel und setzte eine Ich-Habs-Euch-Ja-Gleich-Gesagt-Miene auf.
„Entschuldigung. Diese Verbindungen von Stadt und Körper sind nicht selbstverständlich oder natürlich. Die †šGesellschaftskörper†™ - seien es die der Familie, der Stadt oder der Nation - abstrahieren immer von den einzelnen Menschen und ihren Bedürfnissen und erklären ein †šGroßes und Ganzes†™ zum Ziel, dem die einzelnen sich unterzuordnen haben. Wenn es das Ziel des Suburbia der 50er Jahre war, eine homogene, ungebrochene, gesunde †šKörperoberfläche†™ zu erschaffen, dann existierte darin eine metaphorische Verbindung zum individuellen menschlichen Körper. Ein Körper, der zur gleichen Zeit als einer vorgestellt wurde, der mit Hilfe von Impfstoffen und durch eine keimfreie Umgebung um jeden Preis die Fremdkörper draußen halten musste, um nicht krank zu werden. Ein †šgesundes†™ Suburbia musste also analog dazu erschaffen werden, unter Ausschluss von †šFremdkörpern†™ - Folgerichtig die rassistischen Kriterien für den Einzug in Vorstadtsiedlungen, die sich zum Teil bis heute halten. Gleichzeitig musste Suburbia auch noch eine Umgebung zur Verfügung stellen, die sich †škeimfrei†™ halten ließ, um die Sorge um den individuellen Körper analog zur Sorge um den Körper Suburbias zu ermöglichen. Natürlich haben all diese Diskurse sich seit den 70er Jahren deutlich gewandelt, das ist allerdings ein anderes Thema. Vielen Dank für ihre Aufmerksamkeit.“
Professor Duquesne trat vom Rednerpult zurück. Just in diesem Moment überkam sie ein weiterer Hustenanfall, der sie die Stufe verfehlen und rückwärts zu Boden gehen ließ. Noch während sie fiel, verkrampften rund zweihundert Hände sich um Stuhllehnen, und dreihundert Menschen suchten zwischen den Sitzreihen Deckung. Knackend und knallend zogen sich Risse durch die hohen Fenster. Im selben Moment, als Duquesne aufkam und sich durch einen unglücklichen Zufall das Genick brach, zerstobenen die Scheiben, die Scheinwerfer krachten mitsamt Decke aufs Publikum herab und die Stadt erlitt ein Erdbeben, von dem sie sich nicht erholen sollte.
Los geht's mit einer Reihe, die mal unter dem Titel "Konkrete Theorie" für die Ausstellung "Fremdkörper-Hygiene-Raum" der UdK berlin entstand, und die Einblicke in den Charakter kulturwissenschaftlich-universitären Schaffens gibt ...
kt1: metapher
„Körper und Stadt, Körper und Haus, sind Folien des Wissens, die wir übereinander legen. Wird die schematische Zeichnung auf einer Folie verändert, passen wir auch die anderen Zeichnungen an. Wenn die Grenzen der Stadt durchlässig werden, werden es auch die unseres Körpers. Wenn Zirkulation, Aus- und Einströmung gesund ist, dann sollte es auch der Stadt bekommen, und wenn es eine Gefahr für die Stadt ist, dann überlegen wir, ob es nicht auch eine Gefahr für den Körper ist.“
In den vordersten Reihen war leises Fußscharren zu hören. Ein junger Mann warf hastig einen Blick in die Runde, und als er feststellen musste, dass niemand etwas unternehmen würde, winkte er Professor Duquesne am Rednerpult halbherzig zu und formulierte mit überdeutlichen Lippenbewegungen eine stumme Warnung.
„Die Übertragung von Bedeutungssysteme von einem Gegenstand auf den anderen ist eine Grundmodus des modernen Denkens.“ Fuhr Duquesne fort, ohne die verhaltenen Bewegungen des jungen Manns zu bemerken oder bemerken zu wollen. „In dieser Metaphernwelt hat die Stadt ihre faulen, erkrankten Flecken, und sie kann sich in einen Leichnam verwandeln, aus dem mensch nur noch fliehen kann - in ein Umland, eine Vorstadt, die von den schädlichen Einflüssen frei gehalten werden muss.“
Unvermittelt erlitt Professor Duquesne einen Hustenanfall, und dicker, nach Diesel stinkender Qualm quoll ihr aus Mund und Nase. Mit tränenden Augen tastete sie nach der Mineralwasserflasche und setzte sie zu einem tiefen Zug an die Lippen. Regen klatschte in einem Schwall gegen die Fenster des Hörsaals. Der junge Mann hob die Handflächen zum Himmel und setzte eine Ich-Habs-Euch-Ja-Gleich-Gesagt-Miene auf.
„Entschuldigung. Diese Verbindungen von Stadt und Körper sind nicht selbstverständlich oder natürlich. Die †šGesellschaftskörper†™ - seien es die der Familie, der Stadt oder der Nation - abstrahieren immer von den einzelnen Menschen und ihren Bedürfnissen und erklären ein †šGroßes und Ganzes†™ zum Ziel, dem die einzelnen sich unterzuordnen haben. Wenn es das Ziel des Suburbia der 50er Jahre war, eine homogene, ungebrochene, gesunde †šKörperoberfläche†™ zu erschaffen, dann existierte darin eine metaphorische Verbindung zum individuellen menschlichen Körper. Ein Körper, der zur gleichen Zeit als einer vorgestellt wurde, der mit Hilfe von Impfstoffen und durch eine keimfreie Umgebung um jeden Preis die Fremdkörper draußen halten musste, um nicht krank zu werden. Ein †šgesundes†™ Suburbia musste also analog dazu erschaffen werden, unter Ausschluss von †šFremdkörpern†™ - Folgerichtig die rassistischen Kriterien für den Einzug in Vorstadtsiedlungen, die sich zum Teil bis heute halten. Gleichzeitig musste Suburbia auch noch eine Umgebung zur Verfügung stellen, die sich †škeimfrei†™ halten ließ, um die Sorge um den individuellen Körper analog zur Sorge um den Körper Suburbias zu ermöglichen. Natürlich haben all diese Diskurse sich seit den 70er Jahren deutlich gewandelt, das ist allerdings ein anderes Thema. Vielen Dank für ihre Aufmerksamkeit.“
Professor Duquesne trat vom Rednerpult zurück. Just in diesem Moment überkam sie ein weiterer Hustenanfall, der sie die Stufe verfehlen und rückwärts zu Boden gehen ließ. Noch während sie fiel, verkrampften rund zweihundert Hände sich um Stuhllehnen, und dreihundert Menschen suchten zwischen den Sitzreihen Deckung. Knackend und knallend zogen sich Risse durch die hohen Fenster. Im selben Moment, als Duquesne aufkam und sich durch einen unglücklichen Zufall das Genick brach, zerstobenen die Scheiben, die Scheinwerfer krachten mitsamt Decke aufs Publikum herab und die Stadt erlitt ein Erdbeben, von dem sie sich nicht erholen sollte.