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Solid State TANK GIRL [Titan/2014]
Geschrieben von
yiyippeeyippeeyay
,
31 Mai 2014
·
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Titan 21.Jhdt.
Punk-Emanzipation in Reinstform! Auf dem Cover sieht man(n) die gute alte Rebecca, ein Grrrrl einer post-apokalyptischen Alternativ-Erde in den Achtzigern, die in einem der letzten strahlungsärmeren Refugien, Australien, in einem funktionsfähigen Panzer haust, den sie sich geklaut hat, zusammen mit ihrem Freund, dem mutierten Känguruh, Booga. Ausgedacht hatten sich das die Briten Alan Martin & Jamie Hewitt damals in den Achtzigern, als Punk im Aufwind war, politisch relevant wurde und u.a. wilden Mädchen einen Weg aufzeigte, den ganzen bourgeois Liebe-Mädchen-Scheiß hinter sich zu lassen.
Hewitts Zeichnungen der jungen Dame sind weltbekannt, spätestens seit der US-Verfilmung, die allerdings grottig ist. ("Grottig" im nicht-punkigen klassisch schlechten Sinne... ) Entspr. gibt es auch eine große Fangemeinde von inzwischen Fortysomethings, die seit einigen Jahrzehnten etwas gequält verfolgen, was Texter Martin - ohne Hewitt in den letzten ca. 7 Jahren - immer wieder an Comic-Stoff um die gepanzerte Rebellin & ihrer (meist Mädchen-) Truppe produziert.
Bei dieser neuen Ausgabe war das Geschrei groß. V.a. wg. der surrealistisch anmutenden Zeichnungen in einem krassen moderneren Stil von Warwick Johnson-Cadwell, der - öhm - die gewohnten Perspektivregeln manchmal ein wenig freier auslegt als üblich. (Puh!) Gliedmaßen dehnen sich mal eben über die ganze Breite der Seite, Augen schweben überm Kopf, Mädchen unterscheiden sich v.a. von Jungen indem sie rundum dickere Lippen zeigen - das war's aber oft schon. Ich finde diesen Stil mutig & cool; er ist außerdem grandios genau durchweg durchgezogen - wenn man genau hinsieht, sieht man auch viele kleine Details.
Dazu kommt, dass Urgestein Martin sozusagen als Hommage an den Zeichner eine der absurdesten TG-Stories (die längste der 3 im Band enthaltenen) hingekleckst hat: TG und Booga besuchen eine Radio-Werkstatt in der Stadt weil Boogas Radiosendesystem nicht mehr geht, und er doch immer mit venezolanischen Überlebenden herumfunkt. Im Radio findet der Ladeneigentümer ein störendes Stück Schinken - ein Wortspiel im Englischen des Begriffes "ham radio" (Amateurfunk). Und von dort ausgehend dreht der Plot völlig durch - es kommen Zitate einer Menge SF-Filme (u.a. Phantastische Reise) vor, TG & ihre Grrrls müssen gegen eine Monster-Barbie & deren Jünger kämpfen, und TG erinnert sich, dass sie mal in der Schule, als die Welt noch heil war, einen furchtbaren Fehler gemacht hatte...
Martins Texte machen seit eh und je eine Menge Spaß - hier ein Liebesgedicht von TG an Booga im Abspann des Bandes:
I've fallen in the flower bed not steady on my feet I'm face down in the Primulas not had much to eat We drank at least a case of wine and a sniff or two of Vod then propped up the open air terrace bar with a guy who once was a Mod But even though the sun's going down and I'm detecting the scent of dog poo I could sleep all night on this mattress of mud because I'm lying right next to youUnd, letztens: Wie schon immer bei TG-Heften üblich, ist in obigem Sammelband - 4 Hefte kamen letztes Jahr heraus, die nun als Hardcover gesammelt veröffentlicht wurden, inkl. 2 Zusatzgeschichten - keine Kuh zu heilig, dass sie der Punkpanzer mit Krach & Krawall nicht platt fährt: TG & Co. machen sich übers Babe-Sein, über ständiges Fluchen, das Fehlen von Fäkalien in Comics, div. Phantastik-Memen u.v.m. lustig, und zögern auch nicht vor extrem-phallischen Vergleichen - handfest umgesetzt mit Hilfe der Panzerkanone - und blutrünstigem Niedergeknalle (von Zombies) mit diversen Gewehrgattungen. Es lebe Punk!
Wer keine Haare mehr zum Herumstehen in den Bergen, bzw. das Nirvana des universellen Coolseins erreicht, hat, dem sei dieses Off-Comic mit den wilden Ideen und noch verrückteren Power-Hühnern - Barney! Jet Girl! TANK GIRL! - ans flatternde Herz gelegt!
P.S.: Ich habe den üblichen Alt-Neu-Rhythmus im Blokk ein wenig durcheinander gebracht mit diesem Eintrag. Immerhin ist das Bekannteste von TG in den Achtzigern erschienen. Im Juli geht es dafür mit einem alten Emanzipations-Superklassiker weiter - hinter den geschlagenen Sternen...