Wie funktioniert eigentlich eine Säge? oder: Kann ich mein Sägeblatt scharfdenken?
#1
Geschrieben 19 Januar 2010 - 20:03
who the hell took my roof and ceiling?
#2
Geschrieben 19 Januar 2010 - 20:09
(S. auch Wikipedia-Artikel zur quantenmechanischen Messung.)
/KB
Yay! Fantasy-Reimerei Mitte August...
[..] Verzweiflung beschlich sie im Stillen.
Da ergriff eins der kleinsten das Wort:
"Wenn sich all unsere Wünsche erfüllen,
dann wünschen wir einfach mit Willen
die Wünsche-Erfüllung fort!"
Sie befolgten den Rat und von Stund an war
wieder spannend das Leben und heiter.
Die Kinder war'n froh wie vor Tag und Jahr
und vielleicht gar ein wenig gescheiter.
(BewohnerInnen der Stadt der Kinder, aus der "Geschichte vom Wunsch aller Wünsche", aus Die Zauberschule & andere Geschichten, Neuauflage im Thienemann-Verlag, S. 93, von Ende)
#3
Geschrieben 19 Januar 2010 - 20:58
Kann er. Ist allerdings extremst unwahrscheinlich ...Wenn doch die Wahrscheinlichkeit für ein Nichtfunktinoieren gegeben ist, bzw. der Nutzer ggf. mit seiner Wahrnehmung das Ergebnis beeinflussen kann (abgeleitet von Schrödingers Katze), warum sollte es nichht möglich sein, sein Sägeblatt scharfzudenken, sprich die Wellenfunktion so zusammennbrechen zu lassen, dass das Blatt scharf ist? ODer stumpf?
#4
Geschrieben 19 Januar 2010 - 21:22
Was genau willst Du mit Deiner Frage wissen? Ob quantenmechanische Prinzipien auch im Makrokosmos anwendbar sind?Auf eine angeregte Diskussion hoffend
Da gibt es noch viel tollere Sachen, wie der Tunneleffekt beim Autofahren
Derartige Sachen kann man auch im Makrokosmos berechnen und beschränken sich nicht nur auf den Mikrokosmos.
Da hast Du möglicherweise etwas falsch verstanden. Das Ergebnis wird nicht beeinflusst, sondern fällt erst "nach der Messung", bzw. es sind zwei Zustände grundsätzlich gleichzeitig möglich. Aber: siehe auch Dekohärenztheorie.bzw. der Nutzer ggf. mit seiner Wahrnehmung das Ergebnis beeinflussen kann (abgeleitet von Schrödingers Katze)
Bearbeitet von Matthias, 19 Januar 2010 - 21:31.
#5
Geschrieben 20 Januar 2010 - 07:02
David Brin: "Der Übungseffekt" (Practice Effect)Wenn doch die Wahrscheinlichkeit für ein Nichtfunktinoieren gegeben ist, bzw. der Nutzer ggf. mit seiner Wahrnehmung das Ergebnis beeinflussen kann (abgeleitet von Schrödingers Katze), warum sollte es nichht möglich sein, sein Sägeblatt scharfzudenken, sprich die Wellenfunktion so zusammennbrechen zu lassen, dass das Blatt scharf ist? ODer stumpf?
#6
Geschrieben 20 Januar 2010 - 14:30
Wenn es Dir mit Deinem Sägeblatt gelingt, dann denk bitte mal ganz scharf an das Scherblatt meines Rasierapparats.Kann ich mein Sägeblatt scharfdenken?
Gruß
Ralf,
ist gespannt auf die Story, die Frederik gerade ausbrütet
Bearbeitet von ShockWaveRider, 20 Januar 2010 - 14:30.
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#7
Geschrieben 20 Januar 2010 - 15:59
Eigentlich funktioniert eine Säge ja immer, wenn auch nicht unbedingt besonders gut. Okay, man muss vielleicht viel Zeit und ein paar Reserveblätter oder dergleichen mitbringen †¦Und eigentlich ist es genauso wahrscheinlich, dass eine Säge nicht funktioniert.
Beim Sägen findet jedenfalls ein physikalischer Abrieb statt - aber eben nicht nur am Werkstück, sondern zu einem gewissen Teil auch am Sägeblatt. Das erschwert den Prozess mit dem Scharfdenken, weil der Energieaufwand zur Restrukturierung der Moleküle doch ganz erheblich sein dürfte.
Falls man das aber draufhaben sollte: Warum sollte man dann eine Säge benutzen? Dann könnte man dich besser gleich per Gedanken das Werkstück zerteilen †¦
You, especially, I like. Passionate, sincere†¦ †¦goofball. (Three to Tango)
#8
Geschrieben 20 Januar 2010 - 16:50
Sich konzentrieren, und damit den Photon durch den einen oder anderen Schlitz gezielt bugsieren, ist eigentlich nicht drin... (Soweit ich mich an die Theorie erinnere; leider haben wir gerade DIESES 1-Photon-Sehen-Experiment an der Uni nie durchgeführt. )Das Ergebnis wird nicht beeinflusst, sondern fällt erst "nach der Messung", bzw. es sind zwei Zustände grundsätzlich gleichzeitig möglich.
/KB
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#9
Geschrieben 20 Januar 2010 - 21:19
Du hast völlig recht: Die Wahrscheinlichkeiten, dass ein Photon den linken oder rechten Spalt passiert sind genau gleich.Leute, ihr postet noch immer so, als ob ihr folgenden Satz nicht gelesen hättet:
Sich konzentrieren, und damit den Photon durch den einen oder anderen Schlitz gezielt bugsieren, ist eigentlich nicht drin... (Soweit ich mich an die Theorie erinnere; leider haben wir gerade DIESES 1-Photon-Sehen-Experiment an der Uni nie durchgeführt. )
Bei der Säge liegt das völlig anders: Zu Beginn ist sie entsprechend geschärft, also befinden sich ihre Atome in einer Konfiguration, die die W.keit des Funktionierens gegenüber dem Versagen astronomisch erhöht. Eine Säge ist keine Katze - und die Katze stirbt/lebt ja auch nur deshalb auf "Quanteniveau", weil der Experimentator einen entsprechenden "Vergrößerungsmechanismus" gebaut hat (ohne, dass es einen solchen in der Praxis wirklich gäbe).
Um also wirklich über Quantensägen zu reden, Sägen, die zu einem relevanten Anteil aufgrund quantenmechanischer Phänomene versagen, muss die Säge wirklich klein sein, also eine Säge, mit der man vielleicht Nanoröhren aus 16 und weniger Atomen zersägen möchte. Wir reden also eher von der Spitze eines RT-Mikroskops.
Dann würden wir vielleicht beobachten, dass in etwa die Hälfte unserer Nanoröhrchen zersägt wird, die andere nicht. Quantenhaft daran ist nur, dass wir nicht wissen, und es auch gar nicht realisiert ist, wasmit einem bestimmten Röhrchen passiert ist, bevor wir nicht nachsehen. Bis dahin ist das Röhrchen sowohl ganz als auch zersägt.
#10
Geschrieben 20 Januar 2010 - 21:30
warum sollte es nichht möglich sein, sein Sägeblatt scharfzudenken,
Bei Frauen funktioniert es .... manchmal.
Meistens klappt es nach ein paar Bier besser.
Bearbeitet von Pogopuschel, 20 Januar 2010 - 21:31.
Mein Blog: http://translateordie.wordpress.com/ Meine Buchbesprechungen: http://lesenswelt.de/
#11
Geschrieben 20 Januar 2010 - 21:37
/KB
Yay! Fantasy-Reimerei Mitte August...
[..] Verzweiflung beschlich sie im Stillen.
Da ergriff eins der kleinsten das Wort:
"Wenn sich all unsere Wünsche erfüllen,
dann wünschen wir einfach mit Willen
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und vielleicht gar ein wenig gescheiter.
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#12
Geschrieben 22 Januar 2010 - 20:03
Dieses Phänomen wird in der Kopenhagener Deutung der Quantenmechanik durch den sog. Kollaps der Wellenfunktion erklärt. Das bedeutet, dass das System bei Interferenz in einer Überlagerung der beiden möglichen Wege ist, während eine Messung des tatsächlichen Weges dazu führt, dass auch nur noch dieser „benutzt“ wird. Dies gilt auch, wenn der Weg des Teilchens erst später festgestellt wird.
Insbesondere der letzte Satz kann auch so interpretiert werden, dass eine Beeinflussung deer Vergangheit möglich ist.
Daraus würde aber folgen, dass eben doch die Beeinflussung durch Gedanken der Messergebnisse möglich wäre. Sind Gedanken denn nicht auch elektrische Prozesse und würden insofern durchaus eine Veränderung der Superposition herbeiführen können?
who the hell took my roof and ceiling?
#13
Geschrieben 29 Januar 2010 - 00:59
[...]Dies gilt auch, wenn der Weg des Teilchens erst später festgestellt wird.
Insbesondere der letzte Satz kann auch so interpretiert werden, dass eine Beeinflussung deer Vergangheit möglich ist.
Daraus würde aber folgen, dass eben doch die Beeinflussung durch Gedanken der Messergebnisse möglich wäre. Sind Gedanken denn nicht auch elektrische Prozesse und würden insofern durchaus eine Veränderung der Superposition herbeiführen können?
Ich glaube, dass die gesamte moderne Physik irrt, und davon abgeleitete Vermutungen noch mehr irren.
Anders gesagt: Sämtliche auf physikalischen (oder chemischen) Theorien basierenden oder abgeleiteten esoterischen oder SF-artigen Fragen, Annahmen und Erklärungen irren. Wir Menschen sind uns darüber einig, dass unsere gängigen chemischen und physikalischen Modelle gut geeignet sind, um die Welt pragmatisch zu berechnen. Wenn es aber darum geht, Extreme zu berechnen (Grenzen von Zeit, Raum und Materie), dann versagen die Modelle, und benötigen solche Konstrukte wie Quantenphysik, Relativitätstheorie und davon wiederum abgeleitete Unwahrscheinlichkeiten wie den Urknall oder Schrödingers Katze.
Unser derzeitiges Weltbild besteht aus (mathematisch) in sich sich schlüssigen, und daher nachvollziehbaren und lehrbaren Modellen. Aber es muss nicht unbedingt mit der Realität etwas zu tun haben. Genauso wenig wie die vorherigen, heutzutage als falsch erkannten Weltbilder der letzten paar tausend Jahre etwas mit der Realität zu tun hatten, aber den damaligen Kenntnissen doch so gut entsprachen, dass die Gesellschaft damit zufrieden war.
Es ist allerdings interessant, wie viel Wahrheit in den vielen Überlieferungen, Texten, und Pamphleten der Menscheit steckt, wie z.B. der Genesis. Mit etwas Phantasie und positiv gestimmter Interpretation kann man leicht zu der Überzeugung gelangen, dass die Menschen der damaligen Zeit schon erstaunlich gute Einsichten in die Entstehung des Universums und des materiellen Seins hatten.
Bearbeitet von shoogar, 29 Januar 2010 - 01:00.
#14
Geschrieben 29 Januar 2010 - 02:46
Das ist definitiv falsch!Wenn es aber darum geht, Extreme zu berechnen (Grenzen von Zeit, Raum und Materie), dann versagen die Modelle, und benötigen solche Konstrukte wie Quantenphysik, Relativitätstheorie und davon wiederum abgeleitete Unwahrscheinlichkeiten wie den Urknall oder Schrödingers Katze.
Newtons Mechanik kann schon nicht erklären, warum man in einem (erschütterungsfrei) fahrenden Zug beispielsweise Tischtennis spielen kann und jeder Spieler für seine Schläge dieselbe Kraft benötigt, als wenn der Zug stehen würde. Dazu ist schon Einsteins Relativitätstheorie notwendig.
Eine der Konsequenzen aus E = mc2 [genauer: E2 = m2c4 + m2p2, wobei mit p der Impuls gemeint ist, der in der berühmteren Form der Gleichung einfach als 0 angenommen wird] ist jedoch, dass eine Masse weit mehr Energie enthält als nur die kinetische, wie es laut Newton der Fall war. Diese Überlegung dürfte ausschlaggebend gewesen sein für die Idee, dass es so etwas wie eine Atombombe geben könnte. Trotzdem kann die Relativitätstheorie die Funktionsweise der Kernspaltung - aber eben auch die der Kernfusion - nicht erklären. Dazu bedarf es schon der Quantentheorie.
Und mal ehrlich: Das Leben wäre doch ziemlich öde - so ganz ohne Sonne †¦
You, especially, I like. Passionate, sincere†¦ †¦goofball. (Three to Tango)
#15
Geschrieben 29 Januar 2010 - 07:15
Da stimme ich zu, aber:Das ist definitiv falsch!
Öh, nein.Newtons Mechanik kann schon nicht erklären, warum man in einem (erschütterungsfrei) fahrenden Zug beispielsweise Tischtennis spielen kann und jeder Spieler für seine Schläge dieselbe Kraft benötigt, als wenn der Zug stehen würde. Dazu ist schon Einsteins Relativitätstheorie notwendig.
Ich bin kein Physiker, aber das Überlagerungsprinzip ist so ziemlich die Grundlage der gesamten Newtonschen Mechanik, und das reicht völlig aus, um Tischtennis im Zug zu erklären. Wenn man nämlich in Ruhelage TT spielen kann, dann reicht es aus, zu jedem Bewegungsvektor den Vektor des Zuges zu addieren & Viola!
Trotzdem hat shoogars Auffassung, dass die moderne Physik irrt nichts mit ihrer Leistungsfähigkeit zu tun.
Jeder Wissenschaftler jenseits des Grundstudiums sollte heute wissen, dass er nur über Modelle redet, die die "Realität" mehr oder weniger leistungsfähig beschreiben. Diese Leistungsfähigkeit ist dabei völlig unabhängig davon, ob es so etwas wie Realität überhaupt gibt, oder ob sie so beschaffen ist, wie im Modell angenommen.
Beispiel: Ich kann aus dem Modell, dass die Sonne die Erde umkreist durchaus voraussagen, wann die Sonne morgen aufgeht, allerdings nicht, wann sie in zwei Monaten aufgeht. Das geht nur mit dem heliozentrischen Weltbild. Die Leistungen beider Modelle sagen aber wenig darüber aus, was nun "wahr" ist (die Wirklichkeit mag ganz anders beschaffen sein).
Allerdings ist die Frage nach der Wahrhaftigkeit der Modelle ohne Belang außerhalb einer philosophischen Diskussion. Naturwissenschaften handeln von Modellen, nicht von absolutistischen Wahrheitsansprüchen. Der Wissenschaftler, der das nicht weiß, hat die letzten 120 Jahre verpennt.
#16
Geschrieben 29 Januar 2010 - 11:57
ICH SOLL MICH DOCH NICHT AUF NÄCHTLICHE EINFÄLLE VERLASSEN!Ich bin kein Physiker, aber das Überlagerungsprinzip ist so ziemlich die Grundlage der gesamten Newtonschen Mechanik, und das reicht völlig aus, um Tischtennis im Zug zu erklären. Wenn man nämlich in Ruhelage TT spielen kann, dann reicht es aus, zu jedem Bewegungsvektor den Vektor des Zuges zu addieren & Viola!
Die eigentlich Schwierigkeit mit Newton war natürlich, dass sich die Geschwindigkeiten eben nicht beliebig addieren lassen. Die Ende des 19., Anfang des 20. Jahrhunderts durchgeführten Messungen der Lichtgeschwindigkeit hätten je nach Richtung des Lichtstrahls unterschiedliche Ergebnisse liefern müssen, taten es aber nicht.
Das Problem ist nur, dass die Modelle oft nicht nur die Fehler älterer Modelle beheben, sondern weitere Aussagen machen, die anscheinend ernst genommen werden müssen. Dass ein massebehafteter Körper vor allem andere als kinetische Energie enthält, war ja auch nur ein Nebenprodukt der Relativitätstheorie.Trotzdem hat shoogars Auffassung, dass die moderne Physik irrt, nichts mit ihrer Leistungsfähigkeit zu tun.
Jeder Wissenschaftler jenseits des Grundstudiums sollte heute wissen, dass er nur über Modelle redet, die die "Realität" mehr oder weniger leistungsfähig beschreiben. Diese Leistungsfähigkeit ist dabei völlig unabhängig davon, ob es so etwas wie Realität überhaupt gibt, oder ob sie so beschaffen ist, wie im Modell angenommen.
Bearbeitet von pirandot, 29 Januar 2010 - 12:02.
You, especially, I like. Passionate, sincere†¦ †¦goofball. (Three to Tango)
#17
Geschrieben 29 Januar 2010 - 13:33
Das ist nicht ganz richtig. Es ist ja eine beliebte Wandersage, dass Galilei aus religiösen Gründen zum Widerspruch gezwungen wurde und die Kirche seine wissenschaftlichen Erkenntnisse nicht anerkennen wollte. Tatsächlich aber wurde er nach auch heute noch gültigen wissenschaftlichen Prinzipien widerlegt, weil die aus seinem Modell abgeleiteten Prognosen über künftige Bewegungen der Gestirne schlechter waren als die komplexen geozentrischen Modelle seiner Zeit - was beweist, das auch komplett falsche, geozentrische Modelle sehr wohl auch langfristig für korrekte Prognosen taugen.Ich kann aus dem Modell, dass die Sonne die Erde umkreist durchaus voraussagen, wann die Sonne morgen aufgeht, allerdings nicht, wann sie in zwei Monaten aufgeht. Das geht nur mit dem heliozentrischen Weltbild.
Man sollte nicht unterschätzen, wie belastbar auch falsche Modelle sein können. Ich denke mal, diese beunruhigende Erkenntnis auch für die heutige Wissenschaft dürfte einer der Hauptgründe sein, warum man die Details aus den damaligen Prozessakten gerne vergisst und sich mit dem Gedanken an unwissende, abergläubische Zeiten tröstet, von denen wir heute weit entfernt sind - aber tatsächlich ist gerade die Prognosesicherheit geoozentrischer Weltbilder ein Menetekel auch für die moderne Wissenschaftsdiskussion. Nichts, was man einfach mal so in einem Nebensatz ausschließen könnte ...
Edit: Fatale Verwechslung von geo- und heliozentrisch. Jetzt ergibt das Posting hoffentlich Sinn
Bearbeitet von Lomax, 29 Januar 2010 - 17:52.
#18
Geschrieben 29 Januar 2010 - 14:42
#19
Geschrieben 29 Januar 2010 - 16:23
Sich konzentrieren, und damit den Photon durch den einen oder anderen Schlitz gezielt bugsieren, ist eigentlich nicht drin...
Vielleicht hast du nur nicht ausreichend Midichlorianer im Blut...
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#20
Geschrieben 29 Januar 2010 - 21:21
Alles richtig, aber Du missinterpretierst meine Aussage: Ich schrieb "die Sonne die Erde umkreist", und damit meine ich auch einen Kreis und keine sinoidale Schwebung oder was auch immer die Geozenter sich damals zusammenfantasiert haben.Das ist nicht ganz richtig. Es ist ja eine beliebte Wandersage, dass Galilei aus religiösen Gründen zum Widerspruch gezwungen wurde und die Kirche seine wissenschaftlichen Erkenntnisse nicht anerkennen wollte. Tatsächlich aber wurde er nach auch heute noch gültigen wissenschaftlichen Prinzipien widerlegt, weil die aus seinem Modell abgeleiteten Prognosen über künftige Bewegungen der Gestirne schlechter waren als die komplexen geozentrischen Modelle seiner Zeit - was beweist, das auch komplett falsche, geozentrische Modelle sehr wohl auch langfristig für korrekte Prognosen taugen.
Dem stimme ich überhaupt nicht zu. Das geozentrische Weltbild benötigt eine Unzahl an komplizierten Bahnmodellen für alle möglichen Himmelskörper, die man auch noch in Kugelschalen ordnen muss, um einigermaßen System hineinzubekommen. Fügen wir also Punkt 2 unseres Wissenschaftsgrundkurses hinzu: Leistungsfähigkeit wird nicht nur durch Angepasstheit an die beobachteten Phänomene, sondern auch durch Prognose noch zu beobachtender Phänomene und Einfachheit des Modells bestimmt.Man sollte nicht unterschätzen, wie belastbar auch falsche Modelle sein können. Ich denke mal, diese beunruhigende Erkenntnis auch für die heutige Wissenschaft dürfte einer der Hauptgründe sein, warum man die Details aus den damaligen Prozessakten gerne vergisst und sich mit dem Gedanken an unwissende, abergläubische Zeiten tröstet, von denen wir heute weit entfernt sind - aber tatsächlich ist gerade die Prognosesicherheit geoozentrischer Weltbilder ein Menetekel auch für die moderne Wissenschaftsdiskussion. Nichts, was man einfach mal so in einem Nebensatz ausschließen könnte ...
Ich habe - nebenbei bemerkt - ja auch nicht behauptet, das irgendjemand früher dumm gewesen sei. Es ging mir darum, die bloße Behauptung, dass die moderne Physik im Irrtum sei & es niemandem bewusst sei zu entkräften. Im Gegenteil: Jeder Physiker weiß (oder sollte wissen), dass unsere heutige Auffassung nicht der Weisheit letzter Schluss ist. Daraus aber zu folgern, dass auch die Implikationen der heutiugen Physik falsch seien ist Unsinn. Denn, und das hat Lomax ja gerade belegt, auch unvollständige Modelle können durchaus arbeitsfähig sein (Klassische Mechanik, Bohrsches Atommodell, Schaltpläne, Wettersimulationen, Daily Soaps, Theaterstücke, Bauernregeln).
#21
Geschrieben 29 Januar 2010 - 22:12
Sehr schoen gesagt.Im Gegenteil: Jeder Physiker weiß (oder sollte wissen), dass unsere heutige Auffassung nicht der Weisheit letzter Schluss ist. Daraus aber zu folgern, dass auch die Implikationen der heutiugen Physik falsch seien ist Unsinn. Denn, und das hat Lomax ja gerade belegt, auch unvollständige Modelle können durchaus arbeitsfähig sein (Klassische Mechanik, Bohrsches Atommodell, Schaltpläne, Wettersimulationen, Daily Soaps, Theaterstücke, Bauernregeln).
Ob die Geozentriker damals schon von Ockham's Razor gehoert hatten?
Hörbuch - Das Ende der Party
www.youtube.com/watch?v=SnyVYk7pkII
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#22
Geschrieben 29 Januar 2010 - 22:25
Das ist nicht ganz richtig. Es ist ja eine beliebte Wandersage, dass Galilei aus religiösen Gründen zum Widerspruch gezwungen wurde und die Kirche seine wissenschaftlichen Erkenntnisse nicht anerkennen wollte. Tatsächlich aber wurde er nach auch heute noch gültigen wissenschaftlichen Prinzipien widerlegt, weil die aus seinem Modell abgeleiteten Prognosen über künftige Bewegungen der Gestirne schlechter waren als die komplexen geozentrischen Modelle seiner Zeit - was beweist, das auch komplett falsche, geozentrische Modelle sehr wohl auch langfristig für korrekte Prognosen taugen.
Wenn man der Darstellung von Arthur Koestler in seinem Buch The Sleepwalkers glaubt, kam es übrigens übrigens nicht in erster Linie wegen des Inhalts von Galileos Thesen zum Prozess, sondern weil dieser ein arroganter Arsch war, der sich mit Gott und der Welt verstritt. Interessant ist auch die Tatsache, dass gemäss Koestler Kopernikus primär darum bemüht war, das althergebrachte Weltbild zu retten, und dass sein Buch, obwohl wir heute von der kopernikanischen Wende sprechen, von kaum jemandem je gelesen worden ist.
Signatures sagen nie die Wahrheit.
Filmkritiken und anderes gibt es auf simifilm.ch.
Gedanken rund um Utopie und Film gibt's auf utopia2016.ch.
Alles Wissenswerte zur Utopie im nichtfiktionalen Film gibt es in diesem Buch, alles zum SF-Film in diesem Buch und alles zur literarischen Phantastik in diesem.
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#23
Geschrieben 30 Januar 2010 - 13:35
Bei der Rasierklinge frage ich mich heute allerdings auch, ob viele, die sie gerne zitieren, das Prinzip überhaupt verstanden haben. Denn Ockhams Razor sagt ja nicht, dass von mehreren Erklärungen immer die einfachste zu bevorzugen ist. Es besagt nur, dass von mehreren Erklärungen, die gleichermaßen beobachtungsadäquat sind, die einfachere zu bevorzugen ist.Ob die Geozentriker damals schon von Ockham's Razor gehoert hatten?
Wenn eine Erklärung schlechter zu den Beobachtungen passt als eine andere, dann ist es egal, wie einfach sie ist - und genau das war bei Galilei der Fall. Die geozentrischen Modelle seiner Zeit mögen kompliziert gewesen sein, aber sie lieferten bessere Prognosen für den tatsächlichen Lauf der Gestirne, und damit waren sie auch unter Anwendung von Okhams Razor vorzuziehen - auch nach heutigen wissenschaftlichen Standards. Da mussten die Heliozentriker halt erst mal nachbessern, um konkurrenzfähig zu werden. Und vor allem mussten die Heliozentriker selbst erst mal entdecken, dass die Erde nicht um die Sonne "kreist", sondern sich in elliptischen Bahnen bewegt
Insofern denke ich durchaus, dass da eine Lehre für unsere Zeit drinsteckt. Unsere jetzigen Modelle liefern recht brauchbare Ergebnisse - ob sie deswegen die Wirklichkeit widerspiegeln, wissen wir nicht. Dass sie nicht so "sinnlos komplex" wie die Modelle der Geozentriker sind, beweist gar nichts, vor allem nicht, dass sie nicht einen ähnlichen prinzipiellen Fehler in sich tragen. Wir wissen nur, dass sie offenbar brauchbarer sind als vorangegangene, verworfene Theorien - aber nicht, ob in Zukunft nicht prinzipiell andere Theorien aufgestellt werden, im Vergleich zu denen unsere für die Praxis recht brauchbare Physik auch wiederum so prinzipiell falsch wirkt wie das geozentrische Weltbild heute.
Ob hier jemand behauptet hat, dass die moderne Physik ein Irrtum sei - hab ich eigentlich nicht so aufgefasst. Aber dass da noch eine Menge auch sehr grundlegende Fehlannahmen drin stecken können, das sollte uns die Wissenschaftsgeschichte durchaus gelehrt haben. Und bei manchen Physikern habe ich durchaus den Eindruck, dass sie ganz gerne ihre Modelle mit der Realität verwechseln
Aber, wie das Galileo-Beispiel ja auch lehrt: Bevor man den aktuellen Stand der Wissenschaft in Zweifel zieht, sollte man tatsächlich auch eine ähnlich belastbare Alternativtheorie im Ärmel haben. Ansonsten fährt man ganz gut mit dem was man hat, bis zum Beweis des Gegenteils ... Und insgesamt sind die heute anerkannten Modelle wohl zumindest besser als die bisher bekannten Alternativen, und das ist ja auch schon mal was.
#24
Geschrieben 30 Januar 2010 - 15:28
Und diesen Satz könnten sich die Anhänger von PSI-Heilung, Numerologie, Astrologie und allen anderen Eso-Weltmodellen ruhig in Spiegelschrift auf die Stirn tätowieren.Und insgesamt sind die heute anerkannten Modelle wohl zumindest besser als die bisher bekannten Alternativen, und das ist ja auch schon mal was.
#25
Geschrieben 30 Januar 2010 - 16:51
Nun ja, es ist ja billig, Modelle zu bashen, die in unserer Gesellschaft ohnehin in Misskredit geraten sind und sich schon für den Zeitgeist falsch "anfühlen". Dafür kriegt man leicht auch die Zustimmung der Dummen ... Aber wenn man wirklich konsequent und brutal Modelle nach den Maßstäben aktueller, greifbarer empirischer Forschung verwirft, dann gerät man sehr schnell auch in die Mitte unserer Gesellschaft, zu allgemein anerkannten Modellen mit wissenschaftlichem "Look & Feel" - zu den modernen esoterischen Lehren, die bei näherer Betrachtung nicht minder esoterisch sind als die alten.Und diesen Satz könnten sich die Anhänger von PSI-Heilung, Numerologie, Astrologie und allen anderen Eso-Weltmodellen ruhig in Spiegelschrift auf die Stirn tätowieren.
Ich erinnere mich beispielsweise gern an meinen Lernstoff an der Uni, als ich "Prüfungsverfahren und Evaluation" als Examensthema im Fachbereich "Pädagogische Psychologie" hatte - und im Zuge des Lernens auf eine empirische Erhebung stieß, wo die Erfolgsquoten gängiger Evaluationsmethoden mit zeitlichen Abstand überprüft werden, sprich: Man hat die Ergebnisse von verschiedenen Bewerbungsverfahren mit den Beurteilungen und Leistungen verglichen, die die geprüften Bewerber ein Jahr später in dem jeweiligen Job tatsächlich gebracht haben. Da habe ich mich nicht schlecht darüber amüsiert, als ich das vielgelobt "Assesmentcenter" recht weit unten in der Rangfolge fand - mit einer Erfolgsquote knapp unterhalb der "Prüfung der Bewerbereignung nach Horoskop", welche die Initiatoren der Studie nur als Kontrollgruppe mit aufgenommen hatten, um zu sehen, ob ein Prüfungsverfahren überhaupt eine messbar bessere Erfolgsquote als eine reine Zufallsauswahl hat
Kritiker esoterischer Weltmodelle nehme ich also dann ernst, wenn sie mit demselben Mut auch die heiligen Kühe unserer heutigen Gesellschaft hinterfragen und auch mal ihrem Personalchef ins Gesicht sagen, dass er auf abergläubischen Psycho-Hokuspokus hereinfällt und gefälligst selbst seine Entscheidungen treffen soll, anstatt moderne Schamanen zu befragen
Wie gesagt - es ist leicht, überholte Modelle zu kritisieren. Aber viel wichtiger ist es eigentlich, keine blinden Flecken gegenüber den Anfälligkeiten unserer heutigen Gesellschaft zu entwickeln und kritisch zu hinterfragen, was man heute gerne für wahr hält. Es gibt auch heute noch zu viele Modelle, die sich einfach so einschleichen, weil sie schön klingen, ohne dass sie tatsächlich die empirischen Tests bestanden hätten ... Ich hoffe mal, das kommt in der Physik seltener vor als in den sozialen Wissenschaften.
Für mich sind Theorien und Modelle in erster Linie Werkzeuge. Man kann sie benutzen oder auch mit ihnen spielen. Aber "glauben" sollte man grundsätzlich an keines - stets nur das beste verwenden, was man hat, und ansonsten nach Besserem Ausschau halten.
#26
Geschrieben 30 Januar 2010 - 20:06
Bei der Rasierklinge frage ich mich heute allerdings auch, ob viele, die sie gerne zitieren, das Prinzip überhaupt verstanden haben.
Du meinst also, ich haette es nicht, sagst es aber nicht so direkt
Ausserdem meinst Du, dass es nach Razor okay sei, ein hyperkompliziertes System, dem man weiss der Teufel was alles eingepfropft hatte, damit es naemlich auch genau so quasi per overfitting passt, einem wesentlich einfacheren System, das man gerade erst erfunden hat, aber das noch nicht so gut past, weil man noch keine tausend Jahre Feinkorrekturarbeit...
Ahm nein, lass doch die Gifteleien und denkt erst mal kritisch nach... wissenschaftlich und so, Du weisst ja
Hörbuch - Das Ende der Party
www.youtube.com/watch?v=SnyVYk7pkII
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#27
Geschrieben 30 Januar 2010 - 22:46
Nö, für so eine konkrete Aussage reicht die Empirie nicht aus Ich habe nur zu viele Leute getroffen, die mit "Okhams Razor" Erklärungsmodelle verwerfen, weil sie ihnen zu kompliziert sind, ohne die Beobachtungsadequatheit überhaupt zu prüfen. Aber Okhams Razor ist halt nur ein nachgeordnetes Kriterium, das nur dann greift, wenn man überhaupt zwei inhaltlich gleichwertige Theorien hat. Ich bin da also sehr skeptisch, wenn man den guten Okham zu prominent zitiert.Du meinst also, ich haette es nicht, sagst es aber nicht so direkt
Yupp, der Meinung bin ich. Okhams Razor war niemals als Entschuldigung für Faulheit gedacht, oder als gute Ausrede um unausgegorene Modelle vor einer empirischen Prüfung zu schützen, wenn sie nur schön einfach sind und bei oberflächlicher Betrachtung richtig aussehen. So viel Mühe muss man schon investieren, bevor man ein neues Modell ins Rennen schickt, dass es den althergebrachten Modellen zumindest in Augenhöhe begegnen kann. Das heliozentrische Weltbild hat es am Ende ja auch geschafft, sich durchzusetzen ... weil bessere Modelle es mit dem nötigen Feinschliff und der richtigen Sorgfalt halt irgendwann doch schaffen, besser zu funktionieren als "hyperkomplizierte Systeme" voller Korrekturkonstruktionen.Ausserdem meinst Du, dass es nach Razor okay sei, ein hyperkompliziertes System, ...
Wenn sie das ohne voreilige Anwendung von Okhams Razor nicht schaffen, taugen sie wohl doch nicht so viel. Okhams Razor würde da nur dafür dafür sorgen, dass unausgegorene Ideen und Schnellschüsse genauso lange im Rennen bleiben wie die wirklich durchdachten Konzepte. Erst muss also der Inhalt stimmen, dann kann man über die Einfachkeit reden. Hyperkomplizierte, realitätsferne Konzepte, die durch Jahrtausendelange Erfahrung nachjustiert wurden, können in der Praxis ja trotzdem gut genug für viele Aufgaben funktionieren - es wäre dumm, sie für ein einfacheres Modell Modell wegzuwerfen, das in der Praxis mehr Fehler produziert und seinen Zweck schlichtweg nicht erfüllt.
#28
Geschrieben 31 Januar 2010 - 00:15
Bearbeitet von Clauss-Hausen, 31 Januar 2010 - 00:18.
Hörbuch - Das Ende der Party
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#29
Geschrieben 31 Januar 2010 - 12:01
In der Tat, das ist genau der Knackpunkt, wenn du diesen Vorfall als Argumentation für eine möglichst extensive Anwendung von Ockhams Razor heranziehen willst: Du erhebst dann einen Einzelfall zum Maßstab, der sich im Nachhinein als korrekt herausgestellt hat. Und zwar, weil irgendwann an den Inhalten nachgebessert wurde. Was du allerdings aus den Augen verlierst, sind all die unzähligen Ideen für schöne einfache Modelle, die immer mal wieder irgendwo aufpoppen und schnell zurecht vergessen werden, weil sie bei dem Versuch, sie beobachtungsadäquat zu machen, am Ende doch wieder derart "overfitted" werden müssen, dass ihre anfänglich scheinbar bestechende Einfachheit verloren geht. Das geozentrische Weltbild ist ja auf genau diese Weise entstanden. Es gibt also keinen Grund, Okhams Razor verfrüht anzuwenden und Einfachheit zu einem Kriterium per se zu machen.Will ja nix sagen, aber ich stehe natuerlich auf der angenehmen Position, dass ich im Nachhinein sagen kann, Ockam's Razor waere fuer das behandelte Problem wie iche s meine sicher von Vorteil gewesen
Lässt man das Prinzip "im Nachhinein weiß man immer mehr" weg und betrachtet nur das, was den Zeitgenossen zur Verfügung stand, dann hat man folgendes: zwei konkurrierende Modelle, heliozentrisch und geozentrisch, von denen das geozentrische deutlich korrektere Prognosen zur Stellung von Himmelskörpern liefern konnte.
Die Argumentation, dass man mit dem heliozentrischen Weltbild durch einfachere Anpassungen die Fehler korrigieren kann, zieht in dem Falle nicht, weil man das ja nicht weiß, bevor man die nötigen Anpassungen vorgenommen hat und dadurch bewiesen hat, dass das neue Modell mit geringerem Aufwand verlässliche Prognosen liefert. Und in dem Augenblick, wo man das bewiesen hat und das neue Modell derart verbessert ist, dass es inhaltlich weniger Fehler produziert als das alte, greift Okhams Razor ja.
Einen Vorteil, Okhams Razor anzuwenden, bevor ein Modell korrekte Ergebnisse oder zumindest ebenso gute Ergebnisse liefert wie die Konkurrenz, sehe ich also nicht - zumal ja auch das heliozentrische Weltbild sich trotzdem durchgesetzt hat. Denn wenn ein Modell durch einfache Nachbesserungen gebrauchsfähig gemacht werden kann, wird das ohnehin geschehen. Solange kann man dann ruhig warten, ehe man es zum "Lehrbuchwissen" erhebt.
Ich bin eigentlich ganz froh, dass die Begeisterung über einfache Erklärungsmodelle, die bei genauerem Hinschauen dann doch nicht so toll zu den beobachtbaren Einzelfällen passen, kein wissenschaftliches Prinzip ist, sondern eher auf populäre Ratgeberliteratur und ähnliches beschränkt bleibt. Man muss sich nur mal anschauen, was da alles an Ideen auf dem Markt ist, um eine gesunde Skepsis gegenüber der "Einfachheit" zu entwickeln.
#30
Geschrieben 31 Januar 2010 - 13:27
Hörbuch - Das Ende der Party
www.youtube.com/watch?v=SnyVYk7pkII
- • (Buch) gerade am lesen:Schuld und Suehne
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