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Endzeitszenarien


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26 Antworten in diesem Thema

#1 Dave

Dave

    Hamannaut

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Geschrieben 15 Dezember 2002 - 20:06

Es gibt eine ganze Reihe von möglichen Endzeitszenarien, nicht nur in Buchform finden sie schnell Aufmerksamkeit. Gründe für ein finales Dilemma könnte es ja reichlich geben. Das irdische Magnetfeld ist im Begriff sich umzukehren, ein wie auch immer gearteter Ökokollaps sucht uns heim oder ein Asteroid fühlt sich magisch angezogen.Dem Schicksal kann aber auch nachgeholfen werden, schließlich ist der Mensch mittlerweile in der Lage, seinen Heimatplaneten mannigfaltig zu pulverisieren.Hoffentlich erscheine ich nicht zu dekadent, wenn ich gestehe, ein Schwäche für solche Szenarien zu haben. Ich habe mir einmal überlegt, ob es womöglich eine andere, weniger pyrotechnische Variation geben könnte. Ich könnte mir vorstellen, dass die menschliche Gesellschaft auch ohne einen großen Knalleffekt einen Niedergang erfahren könnte.Vor meinem geistigen Auge erscheint dann immer dieses beeindruckende Diagramm der unzähligen Hochkulturen, deren Nachkommen wir sind. Ob es nun Sumerer, Azteken, Ägypter und die vielen anderen sind, alle sind in der Blüte ihrer Kultur zusammengebrochen und haben sich in Wohlgefallen aufgelöst.Warum sollte es der modernen technologischen Kultur anders ergehen, warum sollten sie eine Ausnahme der Regel darstellen?Anscheinend befinden wir uns an einen Wendepunkt, einem Paradigmenwechsel. Es gibt Alternativen zum kontinuierlichen technischen Fortschritt, nämlich die der Stagnation oder auch des Rückschritts.Eine Oszillation, die sich jedwedes Leben stellen muss, Neues wir aus Altem geboren und der Weisheit letzter Schluss ist in der weltlichen Gegenwart so ganz und gar nicht zu erkennen.Welch†™ ein schönes vorweihnachtliches Thema...

#2 Pirx

Pirx

    Giganaut

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Geschrieben 15 Dezember 2002 - 20:58

Hi,das hörts sich für mich ein wenig nach Spenglers zyklisch verlaufender Geschichte an. Allerdings sollte man nicht vergessen, daß die der Niedergang der Kulturen fast immer auch mit äußeren Einflüssen zu tun hatte. Also nicht nur innere Schwierigkeiten, Stagnation etc. führten zu ihrem Niedergang.Gruß Pirx
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Pirx
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#3 Holger

Holger

    Temponaut

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Geschrieben 15 Dezember 2002 - 22:21

Ja ja, es weihnachtet sehr. Machen wir uns ein paar warme Gedanken ;) Ein sehr interessantes Thema, bei dem ich immer an die typische Wachstumskurve einer Bakterienkultur (Zellzahl logarithmisch gegen die Zeit aufgetragen) denken muss. Wie befinden uns munter in der exponentiellen Wachstumsphase und schwelgen in Selbstzufriedenheit, aber irgendwann kommt das Plateau, und dann die Absterbephase.Aber für den Fall des Plateaus weiß sich der SF-Leser zu beruhigen: Stichwort Migration. Der Mond, der Mars, die Jupiter-Monde. Vielleicht unser Ausweg aus der Misere. Nur wo soll das Geld dafür herkommen? Und wenn schlaue Köpfe die Notwendigkeit zu solch drastischen Maßnahmen erkennen (ich erinnere an den jährlichen Bericht der 5 Wirtschaftsweisen, die genau vorschreiben was zu tun ist, doch kein Politiker, der sich zur nächsten Wahl stellt scheert sich darum) wird es nochmal drei Dekaden brauchen, um diese zu ergreifen.In diesem Sinne einen schönen dritten Advent  :D
"Rezensionen: eine Art von Kinderkrankheit, die die neugeborenen Bücher befällt."
(Georg Christoph Lichtenberg)

#4 Ronni

Ronni

    Kürbisnaut

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Geschrieben 16 Dezember 2002 - 12:37

Ein mögliches Szenario wäre folgendes: Im Zuge der allgemeinen Globalisierung gewinnen Multinationale Konzerne immer mehr Macht und die Regierungen der Staaten degenerieren entgültig zu einem zahnlosen Tiger. Als Gegengewicht bilden sich Armeen bzw. Banden um sog. "Warlords" (wie bereits heute in Afrika oder Afghanistan). Durch das kurzsichtige Denken der Konzerne (Quartalszahlen) werden keine langfristigen Investitionen getätigt und aus der Subtanz gelebt, die dann irgendwann verbraucht ist. Die daraus resultierenden Pleiten führt die Ex-Mitarbeiter direkt in die Arme der o.g. Privatarmeen.Gruß Ronni
Die Schlauheit des Fuchses basiert zu 90% auf der Dummheit der Hühner.

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#5 Dave

Dave

    Hamannaut

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Geschrieben 16 Dezember 2002 - 18:48

Der Einwand von Pirx ist natürlich richtig, viele Kulturen sind eben verschwunden, weil es schlicht und einfach keine Grundlage zum überleben gab. In wie weit das nun grundsätzlich so war, kann ich nicht beurteilen.Ich glaube allerdings an massenpsychologische Effekte. Vielleicht gibt es wirklich so eine Dynamik wie bei den Bakterien, ein nicht ganz angenehmer Gedanke. Aber wir sind selber auch nur ein Teil der Natur, und vielleicht überschätzen wir unsere Kräfte, wenn wir glauben, uns gegen sie auflehnen zu können. Ich habe den anthropozentrischen Wahn noch nie so richtig verstanden. Es wäre zumindest eine Uraufführung, wenn wir uns von unserem derzeitigen Plateau zu etwas neuem aufschwingen könnten ohne das alte vorher einzureißen.Das Szenario von Ronni erinnert mich ein wenig an das Phänomen einer Diktatur, in der sich der Mensch anscheinend wehrlos ergibt. So ist es dann wohl auch möglich, dass das Interesse weniger über die Bedürfnisse der Mehrheit gehen. Wie sich die Globalisierung auswirken mag, kann wohl kaum jemand voraussehen, befürchte ich.

#6 Pirx

Pirx

    Giganaut

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Geschrieben 17 Dezember 2002 - 01:02

Hi!Also ich persönlich stimme der Version von Ronni nicht zu. Ich kann zur Zeit keine Anzeichen dafür erkennen, daß der Staat bzw. die Regierungen irgendwelche Befugnisse abgeben oder ihre Souveränität auf überstaatliche Organisationen übertragen. In der EU, so ziemlich die einzige Organisation weltweit, die solche Pläne oder Ziele (angeblich) verfolgt, wird zwar immer wieder davon gesprochen, aber keine Regierung stimmt einem richtigen Europäischen Parlament zu oder entläß irgendwelche wichtigen Belange der inneren und äußeren Politik ihrer eigenen Verantwortung. Mit Sicherheit hat die Wirtschaft oder große Konzerne relativ viel Einfluß auf die Politik oder Regierungen, aber ich kann mir nicht vorstellen, daß sie quasi die Wletherrschaft übernehmen könnten.@ DaveMassenpsychologische Effekte? Woran denkst Du da genau? Für mich persönlich ist die Geschichte Polens des ausgehenden 18. Jahrhunderts ein gutes Beispiel. Der Adel hat erst sehr spät erkannt, daß die vermeintliche Macht oder Glorie der "perfekten Verfassung der Adelsrepublik" und das "Dogma der Europäischen Kornkammer" nur noch in ihren Köpfen Bestand hatte.Zu den biologischen, natürlichen Vergleichen in Geschichte und Soziologie stehe ich eher skeptisch, obwohl sie recht gut "beschreiben", aber auch vereinfachen.Besipielsweise der natürlich-bilogische Nationsbildungsprozess...Bis dennePirx
Gruß

Pirx
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#7 Jürgen

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    CyberPunk

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Geschrieben 17 Dezember 2002 - 08:40

HmmmIch sehe schon ähnliche Tendenzen wie Ronni. Gerade wenn ich mir die augenblicklichen Diskussionen um unsere wirtschaftliche Lage ansehe, erkenne ich, dass die derzeitige Regierung der Wirtschaft nicht gefällt und deshalb alles schlecht und kaputt geredet wird.Erpressungsversuche a la "...wenn  diese Abgabe oder jene Steuer erhöht wird, dann werden wir unsere Produktion auslagern" sind ja mittlerweile Pressealltag. Die Macht und die Konzentration der multinationalen Firmen wird immer grösser, der finanzielle Beitrag der Firmen am Steueraufkommen immer geringer.... so weit ist es nicht mehr, bis Betriebe ihre eigenen Sicherheitsarmeen zusammenstellen, weil der Staat polizeiliche Aufgaben nicht mehr bezahlen kann.Robocop und Shadowrun lassen grüssen.Und wenn dann mal wieder ein "starker" Mann auftaucht, der den "ultimativen" Ausweg aus dem Dilemma weiss.... tja, das hatten wir ja schon in unserer Vergangenheit.Der Politik und der Wirtschaft muss klar sein, dass sie den Boden für solche Diktatoren bestellt.Das von Ronni aufgezeichnete Szenario sehe ich am wahrscheinlichsten an....wenn, ja wenn nicht genau der zitierte starke Mann plötzlich auf der politischen Bühne auftaucht....und ob das besser wäre, bezweifele ich doch energisch.La Fontaine lag mit seiner Einschätzung nicht ganz daneben, als er bemerkte, das die derzeitige Krise sehr viele Parallelen zum Ende der Weimarer Republik aufweisst.Das er dabei die Konzentrationen der Unternehmen und ihren Machtanspruch (die würden sich nicht mehr auf so ein Abenteuer wie Hitler einlassen) unterschätzt, dürfte die Wahrscheinlichkeit, dass sich die Geschichte wiederholt, nicht mehr ganz so gross erscheinen lassen....aber ich merke selbst, es wird schon wieder zu politisch  :P der Count
Aus dem Weg! Ich bin Sys-Admin...

#8 Dave

Dave

    Hamannaut

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Geschrieben 17 Dezember 2002 - 14:08

Hallo Pirx,ich glaube einfach, dass der Mensch nicht so vernunftbegabt und der Logik folgt, wie er es gerne glaubt. Womöglich gehorcht die Gesellschaft mehr den Gesetzen der Natur als die der Vernunft. Zwei kommunizierenden Menschen verhalten sich in der Öffentlichkeit ganz anders als z.B. eine Dreiergruppe. Es scheint ungeschriebene Gesetze zu geben. In der Natur verwenden artgleiche Tiere bestimmte Rituale, um sich nicht ins Gehege zu kommen. Konrad Lorenz meinte, der Mensch (auch ein Tier) verhält sich nicht anders, seine Rituale sind Religion, Sport und Kunst.War (oder ist) ist die Problematik des kalten Krieges nicht womöglich nur die Projektion der eigenen Destruktivität über die Landesgrenze hinaus? Wie ist zum Beispiel der Zerfall des Römischen Imperiums und der Fall in die Dekadenz zu erklären? Ich könnte mir schon vorstellen, dass massenpsychologische Effekte zum Tragen kommen. Ich weiß allerdings nicht, ob dies überhaupt zu belegen ist, es besteht ja auch kein Bedarf.Count, ich würde auch gerne etwas zur politischen Diskussion beisteuern, wenn ich nur nicht so ein Niete wäre. Ich denke, ein großes Ziel unserer Politik ist es, den Bürger einzulullen. Zu meiner Schande muss ich gestehen, dass sie bei mir erfolgreich waren. Eine nicht oberflächliche Meinung zu haben, ist gar nicht so einfach. Man muss detektivische Arbeit leisten und Hintergrundinformationen sammeln. Das Dilemma der Parteipolitik ist es, dass man buchstäblich mit Falschinformationen bombardiert wird. Wenn man also wirklich etwas über das System erfahren möchte, dann sind die großen Parteien der letzte Ort dafür.

#9 MartinHoyer

MartinHoyer

    Temponaut

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Geschrieben 20 Dezember 2002 - 20:10

Der Versuch einer Zusammenfassung: Die Grundlage eines Endzeitszenarios sind politischer und/oder ökologischer und/oder ökonomischer Zusammenbruch. Der Zusammenbruch erfolgt zumeist global, seltener lokal; in der Regel sind die Folgen immer global. Ausnahmen bestätigen die Regel.Politische Tiefenkenntnisse sind nicht nötig, wenn es nach mir geht, denn ich erachte politische Ursachen als Auslöser für ein Überbleibsel der allgemeinen Einstellung seit Beginn und bis zum Ende des Kalten Krieges. Bezeichnenderweise entstanden in diesem Zeitraum generell die meisten Endzeitszenarien.Plausibel erscheint mir aus heutiger Sicht eine Verbindung ökonomischer und ökologischer Ursachen, entweder zeitgleich oder aufeinander aufbauend. Politische Folgen sind in diesem Zusammenhang betrachtet ohnehin mittelbar, da sie in der Regel als Reaktion auf die erstgenannten Ursachen erfolgen. Die verbleibende Palette ist natürlich gewaltig: Ressourcenverknappung, Wirtschaftskrisen, Verstärkung des sozialen Gefälle, Wirtschaftskriege ... Kurz, genug Kram, um die Erde zigmal vor die Hunde gehen zu lassen.Nur ... Ist der Ausdruck "Endzeit" überhaupt angemessen? In der Regel wird doch keine Handlungsfolge aufgebaut, die in die Vernichtung führt, sondern eine, die das Leben nach einer großmaßstäblichen Veränderung der Situation beschreibt. Der Begriff "Neuzeit" wäre sicher passender, ist aber vermutlich dem Pessimismus, welcher als eine Art Hyperkompensation des vorherigen Eskapismus die Feder übernommen hat, zu positiv konnotiert.
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I have loved the stars too fondly to be fearful of the night.
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#10 Dave

Dave

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Geschrieben 22 Dezember 2002 - 18:16

Hier hat sich Martin wohl selbst überboten, speziell der letzte Absatz ist ja schlimmer als Kant.(Und „konnotiert“ ist in der Tat kein kapitaler Tippfehler, wie meine Recherche ergeben hat)Der Begriff Endzeit ist nicht angemessen, warum eigentlich nicht? Sollte man Synonyme finden?Nehmen wir das plastische Beispiel des atomaren Schlagabtausches. Überreaktion, Gegenreaktion, Feierabend. Das gesamte Szenario ließe sich zwanzig Minuten abwickeln. Diese Minuten wären mit Neuzeit nicht sehr glücklich umschrieben.Zeit des Umbruches, des Neubeginns, ich weiß nicht.Oder nehmen wir die biblische Variante: Armageddon.

#11 MartinHoyer

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Geschrieben 22 Dezember 2002 - 21:05

Bäh, Kant ...

Dave, das von dir benannte Szenario wäre mit dem Begriff Endzeit in der Tat passend benannt. Die Sache hat nur einen Haken: Solche Szenarien werden nicht als Endzeit bezeichnet (Jedenfalls fällt mir kein Beispiel ein ...), sondern die, in denen die letzten Deppen nach dem atomaren Feierabend aus dem Bunker torkeln, um zu prüfen, ob die Umgebung immer noch im Dunkeln leuchtet; während der Geigerzähler heimelig schnurrt, sich hinter dem nächsten Hügel mutierte Kannibalen zusammenrotten und riesige Termiten nach jahrelanger Hungerkur auf Überlebendenhatz gehen; eventuell randalieren auch schon irgendwelche Störenfriede in Lederklamotten, auf rostigen Autos sitzend durch die Walachei. Und definitiv sitzen irgendwo noch ein paar postapokalyptische New-Age-Sektierer in selbstgetrickten Leinenklamotten und chanten die neue Epoche herbei, sofern sich nicht gerade Außerirdische - die mit 99%iger Wahrscheinlichkeit an der ganzen Misere schuld sind - damit befassen, die Sache zuende zu bringen bzw. den Karren aus dem Dreck zu ziehen, sofern sie zu dem einen Prozent gehören, der nicht schuld an der Endzeit ist. Oder so ähnlich. ;)
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#12 Dave

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Geschrieben 23 Dezember 2002 - 19:54

Bleibt die Frage, was man überhaupt als Endzeit bezeichnen könnte.Nach den New-Agern leben wir mittendrin, denn das kartesianisch-newtonsche Weltbild bröckelt mächtig. Ja, was auch immer die Gründe sein mögen, passende Bilder fallen einen schon ein. Besonders was den Knalleffekt angeht. Meine sind allerdings etwas weniger sarkastisch.Mich hat schon immer fasziniert, wie Charlton Heston durch die (fast) verlassenen Häuserschluchten zieht.Oder, ich weiß nicht, ob einer noch den völlig unterschätzten Streifen „The Day After“ kennt. Vielleicht gibt es dort etwas, was man nicht so gerne sieht. So wie man einen hungernden Menschen nicht sehen möchte.

#13 MartinHoyer

MartinHoyer

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Geschrieben 23 Dezember 2002 - 20:20

Es scheint, als wären wir uns einig, was die Diskrepanz zwischen dem, was landläufig als Endzeit bezeichnet wird, und dem, was mit dieser Bezeichnung treffender benannt wäre, angeht. Meinen Sarkasmus in der Zusammenfassung mußt du mir verzeihen, denn Trashkultur macht 90% der Endzeit in den Medien aus. Die restlichen zehn Prozent sind jene, die der Realität so nah sind, daß einem der Sarkasmus im Hals stecken bleiben kann.
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#14 Pirx

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    Giganaut

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Geschrieben 25 Dezember 2002 - 14:02

Hi! Ich wünsche zuerst einmal allen ein Frohes Fest und schöne Tage! @ CountZero schrieb:

Ich sehe schon ähnliche Tendenzen wie Ronni. Gerade wenn ich mir die augenblicklichen Diskussionen um unsere wirtschaftliche Lage ansehe, erkenne ich, dass die derzeitige Regierung der Wirtschaft nicht gefällt und deshalb alles schlecht und kaputt geredet wird.

Mit Sicherheit ist da etwas dran, allerdings sollte man auch die ständigen und unrealitsischen Forderungen der Gewerkschaften bedenken, die mit Sicherheit auch Druck ausüben können - vor allem auf eine SPD-Regierung! Also hat die Wirtschaft mit Sicherheit Einfluß auf den Staat, kann ihn aber nicht vollständig kontrollieren. Zumindest jetzt noch nicht und ich denke in absehbarer Zukunft auch nicht. @ Dave:

ich glaube einfach, dass der Mensch nicht so vernunftbegabt und der Logik folgt, wie er es gerne glaubt. Womöglich gehorcht die Gesellschaft mehr den Gesetzen der Natur als die der Vernunft. Zwei kommunizierenden Menschen verhalten sich in der Öffentlichkeit ganz anders als z.B. eine Dreiergruppe. Es scheint ungeschriebene Gesetze zu geben.  

Hmm, der Gedanke, nur von Instinkten gesteuert zu sein, gefällt mir gar nicht :biglaugh: Ich denke, daß die moderne Kommunikationswissenschaft bzw. Psychologie und Soziologie die hier zugrunde liegenden Mechanismen noch nicht genügend aufgedeckt und untersucht hat. Außerdem gibt es zahlreiche Beispiele dafür, daß man sich diese grundlegenden Reaktionen zu Nutze machen kann und auch eigene Reaktionen voraussehen und beeinflußen. Allerdings kenne ich mich in der Materie bei Weitem nicht genügend aus, um hier vernünftig argumentieren zu können. Wie so häufig liegt die ahrheit iregendwo in der Mitte. Bis dann Pirx
Gruß

Pirx
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#15 Dave

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Geschrieben 26 Dezember 2002 - 20:33

Ich schlage gelegentlich die Beine übereinander und sinniere über den Sinn des Lebens.Meist geht mir dabei ein Experiment von Benjamin Libet durch den Kopf, das schon vor Jahrzehnten stattfand. Libet gesteht dem Menschen so eine Art „Vetorecht“ zu, dass es ihm ermöglicht, Handlungen abzubrechen. Die Einleitung selbst steht außerhalb seiner bewussten Entscheidungen. Dies ist natürlich eine Bankrotterklärung des freien Willens, dem übrigens so gut wie jeder seriöse Hirnforscher heutzutage zustimmt. Der Grundgedanke ist recht einfach nachzuvollziehen. Unser Bewusstsein arbeitet mit ca. 40 bit pro Sekunde, was eher zu hoch als zu tief berechnet ist. Dem gegenüber nehmen wir mit unseren Sinnen 11 Millionen bits pro Sekunde auf, den Löwenanteil mit den Augen. Es findet also ein komprimieren und herunterrechnen dieser Daten statt. Unser völlig überschätztes Bewusstsein ist also das Endergebnis eines komplizierten Rechenvorganges, und es wäre anmaßend anzunehmen, dass dieser klägliche Anteil den Mensch und sein Handeln im Griff hat. Der Schwanz wedelt nicht mit dem Hund. Zu allem Ungemach befinden wir uns nicht einmal in der Gegenwart, denn das Ergebnis der Berechnung erfordert Zeit. Ungefähr eine halbe Sekunde. Was wir also glauben entschieden zu haben, wurde in Wahrheit bereits entschieden, bevor wir uns dessen bewusst werden.In dieser Tatsache liegt meiner Ansicht nach das animalische, das unkalkulierbare, schlicht die nervtötende Variable, die uns so unberechenbar macht.

#16 MartinHoyer

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Geschrieben 26 Dezember 2002 - 22:34

Basteln wir uns eine Basis:

Man kann unterbewußt richtig handeln und bewußt falsch.
Bewußtsein braucht Zeit.
Bewußtsein kann auf das Unterbewußtsein einwirken.

Wären wir stets berechenbar ... Wieviel Schaden entsteht aus Berechnung durch Leute, die zuviel Zeit zum Nachdenken haben? Es wurde immerhin noch keine einzige Massenvernichtungswaffe aus einer spontanen Entscheidung heraus eingesetzt.

Ich sehe das Problem nicht im von Dir dargelegten Zustand, Dave.
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#17 Dave

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Geschrieben 27 Dezember 2002 - 14:40

Ich muss eingestehen, dass ich mal wieder mit einem meiner Steckenpferde hausieren gehe, obwohl es nicht so hundertprozentig passt.Martin sagt: „Bewusstsein kann auf das Unterbewusstsein einwirken“Das ist natürlich genau der Kehrwert dessen, was ich vorher bemerkt habe und...falsch!Die Aussage passt mehr in die Zeit eines S. Freud und widerspricht dem, was man mittlerweile so in der Bewusstseinsforschung ausbaldowert hat. Ironischerweise haben die Personen, die einen umgeben, ein weit größeren Einfluss auf unser Unterbewusstes als wir selbst es haben.Fairerweise muss ich Ausnahmen eingestehen. Wenn ich ein Mantra vor mich herblubbere, nehme ich dies mit meinen Sinnen wieder auf und es entsteht eine Art Rückkopplung. Das gleiche passiert, wenn ich mir meinen eigenen Text noch einmal durchlese. Dadurch können Einsichten und neue Sichtweisen gewonnen werden. Es ist allerdings völlig unsinnig anzunehmen, mein Bewusstsein könne wirklich auf mein Unbewusstsein einwirken, es gar verändern.Ich wünschte wirklich nicht selten, es wäre so.Wenn ich also behaupte, ich habe den Weg der Erkenntnis gefunden, mich um 180° gedreht und ein neues Leben begonnen, dann sind die Weichen schon viel früher gestellt worden. Mehr noch, mit allergrößter Wahrscheinlichkeit liegt das eigentlich Motiv im Innersten Selbst verborgen und denkt nicht im Entferntesten daran, es dem infantilen Bewusstseinsträger mitzuteilen.

#18 MartinHoyer

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Geschrieben 27 Dezember 2002 - 18:49

Ironischerweise haben die Personen, die einen umgeben, ein weit größeren Einfluss auf unser Unterbewusstes als wir selbst es haben.

Eben deshalb bin ich sicher, daß Du Dich irren mußt. Wenn überhaupt irgend etwas auf das Unterbewußtsein einwirken kann, muß es über die physische Wahrnehmung laufen. Das, was ich bewußt tue, läuft ebenfalls über meine Wahrnehmung, kann also auch auf das Unterbewußtsein einwirken. Alles Andere unterstellt einen metaphysischen Aspekt, doch den kann man schwerlich beweisen. Da halte ich mich lieber an nachvollziehbare Kausalitäten, als an durch - auf wackligen Füßen stehende und sich jedes Jahrer revidierende - Bewußtseinsforschung proklamierten Fatalismus.
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#19 Holger

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Geschrieben 27 Dezember 2002 - 20:27

Da halte ich mich lieber an nachvollziehbare Kausalitäten, als an durch - auf wackligen Füßen stehende und sich jedes Jahrer revidierende - Bewußtseinsforschung proklamierten Fatalismus.

Ich weiß nicht genau, welche Vorstellung Du von "Bewußtseinsforschung" hast. Aber tatsächlich handelt es sich dabei um eine seriöse naturwissenschaftliche Sparte, die ihre Erkenntnisse auf experimentelle Daten gründet. Einen großen Beitrag zur Aufklärung der Frage nach dem Bewußtsein leistete unter anderem Roger Sperry, der durch seine Grundlagenforschung an Split-Brain-Patienten (Nobelpreis 1981, Medizin) den Weg für die sogenannte INTERPRETER-Theorie ebnete. So lässt sich eindeutig an Patienten, deren Hirnhemisphären operativ getrennt wurden feststellen, dass sich die linke Hirnhälfte Erklärungen für ein Verhalten sucht, das die rechte Hirnhälfte (z.B. als Reaktion auf einen Reiz den nur sie wahrnahm) auslöste. Weitere Experimente an Split-Brain Patienten konnten belegen, dass unser Gefühl des subjektiven Bewußtseins dem starken Bedürfnis unserer dominanten linken Hemisphäre entspringt, alle Handlungen zu erklären, die von irgendeinem der zahlreichen in uns wohnenden mentalen Systeme in Gang gesetzt werden. Zu allen Zeitpunkten in der Geschichte hatte der Mensch enorme Probleme mit augenscheinlich reduktionistischen wissenschaftlichen Modellen, seien es die Evolutionstheorie, die Idee vom egoistischen Gen, oder eben die Tatsache, dass der Mensch weniger Einfluß auf sein Denken und Handeln hat, als sein Gehirn ihm glauben machen will. Unliebsame wissenschaftliche Erkenntnisse als unseriös abzuqualifizieren mag in dieser Hinsicht bequem sein, hat sich aber häufig als Fehler herausgestellt. Amen
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#20 Dave

Dave

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Geschrieben 27 Dezember 2002 - 20:56

Hallo Holger,Lustigerweise wurden mit den Splitt Brain Patienten Experimente durchgeführt, bei denen die linke Hand buchstäblich nicht wusste, was die recht tut. Im Grunde wir das Gehirn eigentlich gar nicht verletzt, lediglich die Nervenstränge, welche die Hemisphären verbinden (Corpus Callosum). Im ersten Moment scheinen diese Menschen völlig normal, aber gelegentlich kommt es zu Unfällen. So schilderte eine Frau ein Beispiel: Sie steht vor dem Kleiderschrank und hat sich für ein bestimmtes Kleid entschieden. Noch bevor sie es ergreifen kann, nimmt sich die anderen Hand ein ganz anderes Kleidungsstück.Ich finde es ganz interessant, es zwingt einen ein wenig zur Bescheidenheit.Ja, der Mensch hat wohl einen ziemlich Mittelpunktwahn, sogar heute noch schreibt er seinem schlichten Bewusstsein noch allmächtige Fähigkeiten zu, ein nahtloser Übergang zuMartin,  ich kann Deine Ernüchterung sehr gut verstehen, so interessant manche metaphysischen Thesen auch sein mögen, für durchschlagkräftige Argumente reicht es dann doch meist nicht. In er Bewusstseinsforschung mag es wohl ähnlich sein. Dennoch tänzelst Du ein wenig um den berühmten heißen Brei herum.Nehmen wir das eng möglichste logische Korsett, um dem Einhalt zu gebieten:Unser Bewusstsein, nicht mehr als eine Anordnung elektro-chemischer Prozesse, steht räumlich und zeitlich am Ende eines sehr komplexen Rechenvorganges. Wie soll es also möglich sein, dass dieses kleine Ergebnis den Vorgang verändern könnte, dessen Produkt es selbst ist? Es ist nicht möglich, weil es die Summe eines Vorganges ist, ohne den es gar nicht existierte.Das ist die Entropie, dem alles unterliegt.Natürlich läuft alles über die physische Wahrnehmung und beeinflusst das Unbewusste und somit auch das Bewusstsein. Nur das Bewusstsein SELBST kann niemals etwas verändern, da es ein Produkt ist, das sogar ein alter Hut aus der Vergangenheit ist. Der Eindruck †šJetzt†™ ist ein vom Gehirn vorgegaukelter, in Wirklichkeit liegt er ein halbe Sekunde in der Vergangenheit.Peinlicherweise ist das Bewusstsein noch nicht einmal in der Lage, einen vernünftigen Satz zu formulieren. Gott sei Dank haben wie genügend (unbewusste) Helfershelfer, die dem Abhilfe verschaffen...gelegentlich. Natürlich gehört das Unbewusste auch zu uns, man sollte es also nicht als so erschreckend empfinden. Nur bitte keine Illusionen...Lache ich, wenn ich mich entschließe lustig zu sein? Bin ich traurig, weil ich mich entscheide traurig zu sein?Verliebe ich mich, wenn ich es mir fest vornehme?Wenn du ein Gott bist, dann antworte mit ja.Ansonsten geschiehst du dir selbst.

#21 MartinHoyer

MartinHoyer

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Geschrieben 28 Dezember 2002 - 01:17

Unliebsame wissenschaftliche Erkenntnisse als unseriös abzuqualifizieren mag in dieser Hinsicht bequem sein, hat sich aber häufig als Fehler herausgestellt.

Zwischen gesunder Skepsis aufgrund der durch jahrelanger Beobachtung festgestellten Widersprüchlichkeit einschlägiger Publikationen und einer pauschalen "Abqualifizierung" liegen Welten. Ich bin sehr vorsichtig mit Dingen geworden, die mir als letzte Wahrheit verkauft werden sollen; und auch wenn die Bewußtseinsforschung durchaus eine durchaus seriöse Wissenschaft ist ( Ich kann mich auch nicht entsinnen, daß angefochten zu haben ...), gleichen ihre Vertreter - wie bei allen Wissenschaften - den Verkäufern hinter Marktbuden, die ihre Ware als die Beste verkaufen müssen, bevor sie verdirbt. Das die Ware bereits schlecht ist, kann niemand behaupten, aber der Kunde vor den Marktbuden hat die Wahl, und ist in der Regel nur in sofern kompetent, daß er sich aus seinem Erfahrungsschatz heraus für eine Bude entscheidet.

Das Thema, worüber hier debattiert wird, könnte man spaßenshalber beim nächsten Expertenkongreß in den Raum werfen und dann zügigst verschwinden. Wenn man in ein paar Stunden zurückkehrt, wird garantiert immer noch darüber debattiert, auch wenn dann einige der klugen Köpfe im Hinterkopf bereits beschlossen haben, mit diesem oder jenem "verstockten" Kollegen in den nächsten Jahren kein Wort mehr zu reden.

@ Dave
Deine Argumente sind plausibel .. Und doch wieder nicht. Die Abhängigkeit vom Zeitfaktor ist unleugbar vorhanden, aber Du übersiehst möglicherweise, daß der Zeitbegriff an sich bereits sehr wacklig ist, gleiches gilt für den der Entropie, was an dieser Stelle dahingestellt sein soll. Viel wichtiger ist meiner Ansicht nach, daß Bewußtsein ein gruppendynamischer, kein individueller Prozeß ist: Jede Unschärfe, die zweifelsohne existiert, ist allgemeingültig. Die wahrnehmbare Welt liegt einheitlich bei einem Zeitpunkt T, auch wenn dieser von einer Idealvorstellung abweicht. Wir können den Gedanken fassen, daß es Dinge gibt, die wir nicht erfassen können, aber wir können diese Dinge nicht selbst erfassen.

Halten wir fest, daß es Einflüsse gibt, die vom Bewußtsein irgendeines Lebenwesens unabhängig sind: Die Bewegung einiger Photonen aus Richtung Sonne, beispielsweise. Diese Photonen treffen unsere Netzhaut und wandeln sich um. Dieser Prozeß wird von unserer Netzhaut in Nanosekunden in einen Reiz umgewandelt, in Millisekunden an das Gehirn geleitet und in Zehntelsekunden verarbeitet. Bis der verarbeitete Reiz bei der Hand ist, die sich hebt, um das Auge zu schattieren, ist rund eine Sekunde vergangen. Die Photonen sind längst in andere Energieformen umgewandelt, aber sie sind ebenso real wie die weiteren Photonen, die noch unterwegs sind, obwohl sie einer ganz anderen Zeitebene angehören. Die Bewegung der Hand ist real, wohlbegründet und reproduzierbar, sowohl bewußt als auch unterbewußt.

Worauf ich hinauswill, Dave, ist Folgendes: Du siehst etwas theoretisch, wo Praxis angebracht ist. Die Erkenntnis, daß unsere Gegenwart 30 Sekunden in der Vergangenheit liegt, ist ein schöner Beweis für interdisziplinäre Allgemeinbildung auf der nächsten Fete, mit der man eine Reihe Leute sicherlich wunderbar verblüffen kann ... Aber sie wird nichts daran ändern, daß die Verblüffung selbst bereits eingesetzt hat, als man sich ihrer noch gar nicht bewußt war. Für alle Betroffenen ist das Jetzt das Jetzt; eine Art Konsens, den man nicht schließen mußte, weil er sich selbst erzwingt.

Grüße,
Martin
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#22 Dave

Dave

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Geschrieben 28 Dezember 2002 - 14:38

Im Grunde geht es mir wie Dir, Martin, man hat etwas verinnerlicht und möchte zu dieser Einstellung stehen. Aber man sollte gelegentlich einen Schritt zurückgehen können, und die Bauchentscheidungen etwas hinterfragen.Das Beispiel mit der Netzhaut hat mir gut gefallen, auch das mit der Verblüffung, die einsetzt bevor man sich ihrer bewusst wird. Das Du aber in einer gänzlich logischen Schlussfolgerung nur  einen Taschenspielertrick auf einer Fete siehst, finde ich ziemlich ernüchternd. Da hätte ich etwas mehr erwartet, zumal Du ja auch nicht das geringste Argument dagegen vorbringen kannst. An dieser Stelle verleugnest Du Dich selbst, wo Du doch ansonsten sehr auf das zwingende Argument erpicht bist.Nicht einmal auf die Entropie willst Du Dich einigen? Das die zerborstene Teetasse nun einmal nicht zusammengefügt auf den Tisch hüpft?Da möchte ich doch einmal deutlich darauf hinweisen, dass nicht ich es bin, der ins Metaphysische abschweift.Übrigens sehe ich Deinen letzten Beitrag als eine Annäherung an, was natürlich nicht verwunderlich ist. Was ich angeführt habe, ist nichts weiter als ein Axiom, das wie Newtons Apfel nun einmal auf den Boden fällt. In dem Moment, in dem man die Grenzen von Bewusstsein und Unbewusstsein verwischt, stehen einem wieder alle Argumente und Ansichten offen.Nichts anderes hast Du getan, nicht gänzlich ungeschickt...So ist es immerhin möglich, die Diskussion ins Unendliche fortzuführen.Ich möchte noch sagen, dass ich mir diese Meinung natürlich nicht völlig selbst gebildet habe, und es ist auch rein gar nicht exotisches daran.Man nehme ein beliebiges Buch oder eine beliebige Internetseite, die sich mit der Physiologie des menschliches Gehirn befassen, und findet direkt oder indirekt diese nüchterne Tatsache bestätigt. Man muss wohl schon bis John C. Eccles und seinen dualistischen Ansatz zurückgehen, um etwas anderes vorzufinden.

#23 MartinHoyer

MartinHoyer

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Geschrieben 28 Dezember 2002 - 15:33

Das Du aber in einer gänzlich logischen Schlussfolgerung nur  einen Taschenspielertrick auf einer Fete siehst, finde ich ziemlich ernüchternd.

Ich fürchte, Du verstehst mich falsch, Dave. Auch für die Entwicklung von grünem Ketchup waren kompetente Lebensmittelchemiker nötig, die ganze und seriöse Arbeit geleistet haben. Ich bewerte aber nicht die Arbeit, sondern das Ergebnis, und dabei kommt meine Einstellung zum Tragen, daß der Nachweis von etwas, das ein unverrückbarer Teil unserer Realitätsauffassung ist, keinen Durchbruch darstellt. Wir waren beim Thema Endzeit und dem Weg dahin, nicht wahr? - Nun, die Auffassung, daß die Gefahr besteht, haben Du, ich und viele Andere gemacht, obwohl wir 30 Sekunden zurück sind. Wenn das irrelevant sein soll, dann ist die Erkenntnis, daß diese 30 Sekunden ein elementarer Verursacher eines Verhaltens sind, daß in eine mögliche Endzeit führt, ebenso irrelevant. Ich hoffe, daß diesem Zusammenhang innewohnende Pardoxon ist einleuchtend. Zum Thema Entropie: Die zerborstene Teetasse springt anzunehmenderweise nicht zusammengefügt auf Tisch, ebenso wie sich ausgehend von einer Wärmequelle verteilende Luftmoleküle nicht zu dieser Quelle zurückkehren. Was aussteht, ist eine schlüssige, für jeden Fall zutreffende, über reine Erfahrungswerte hinausgehende Begründung, warum sie es nicht tun sollte. Gerade im Zusammenhang mit Wahrnehmung relativiert sich das Ganze nämlich etwas: Nehmen wir an, ich schränke Deine bewußte Wahrnehmung und Informationserweiterung durch diverse Psychopharmaka ein, und zeige Dir die rückwärts abgespielte Aufnahme einer Tasse, die vom Tisch fällt. Unter diesen Umständen würdest du auf Deiner Bewußtseinsebene eine gänzlich andere Haltung zur Entropie einnehmen, als Du es jetzt tust. Zugegeben, das liest sich jetzt weit hergeholt, aber das ist genau der Punkt: Der Versuch, eine Erfahrung aus der Wärmelehre in die Bewußtseinsforschung zu transferieren, ist zum Scheitern verurteilt. Physik basiert auf wahrnehmbaren Erkenntissen, und Bewußtsein ist nicht wahrnehmbar. Und nein, es ist auch nicht metaphysisch, denn es passiert schließlich etwas Wahrnehmbares. Die Frage, wann es passiert, ist jedoch nur von Interesse, wenn eine Differenz zwischen den Wahrnehmungen von Personen einer situativen Ebene besteht. Hier muß zwischen Bewußtsein als Apperzeption in Sinne von Kant und Bewußtsein als Wissen der Wahrnehmung nach Wolff unterschieden werden. Als Einigung zwischen unseren Ansichten würde ich Folgendes vorschlagen: Ich für mich allein auf einer Bewußtseinsebene, verfüge über keinen eigenen Willen, denn es gibt nichts, worauf sich dieser Wille anwenden läßt (theoretischer Fall). Bei Interaktion (praktischer Fall), beispielsweise dieser Disput mit Dir, entsteht eine gemeinsame Bewußtseinsebene aufgrund des Abgleichs unser beider Bewußtseinsebenen. Wir beide haben die gleiche Verzögerung, befinden uns also trotzdem auf einer Ebene. Tatsächlich sieht es so aus, daß sich alle Menschen auf einer Ebene befinden, was für diese Betrachtung auch genügen sollte: Bewußtsein bei Tieren und Pflanzen ist strittig, Bewußtsein in unbelebter Materie fiele unstrittig in die Metaphysik. ;) Grüße, Martin
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#24 Dave

Dave

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Geschrieben 28 Dezember 2002 - 18:17

So etwas nennt man dann wohl Ausflüchte.Ich sehe eigentlich kein Paradoxon, und mich mit Psychopharmaka voll zu pumpen, um mir dann Bildmaterial rückwärts vorzuspielen, ist bestenfalls ein dürftiges Argument. Wie ich schon erwähnte, führen die großen Philosophen auch zu nichts, sie stiften eher Verwirrung.Die zeitliche Verzögerung beläuft sich auf ca. 0,5 Sekunden, da hat sich ein kleiner Tippfehler bei Dir eingeschlichen. Natürlich sind die Reflexe schneller. Wenn ich die Finger von der heißen Herdplatte ziehe, wird es mir nur erst ein halbe Sekunde später bewusst. Wenn ich mich dann hinstelle, und meine tolle schnelle Reaktion bewundere, dann gebe ich mich einer Illusion hin. „Ich“ spiele dabei nun wirklich keine Rolle. Ganz ähnlich ist es natürlich mit meinen Gedanken, sie sind abgewogen, beurteilt und formuliert worden, lange bevor sie tatsächlich ins Bewusstsein drängen. Auch bei Dir sind duzende, womöglich hunderte von Aspekten und Ansichten durch den Kopf gegangen, ohne das sie Dir bewusst geworden sind, als Du Deine Worte getippt hast.Vielleicht bin vorhin nur deshalb zum Kühlschrank gegangen, weil mein Unterbewusstsein sich mit dem „verstockten Kollegen“ angesprochen fühlte, und nicht, weil ich wirklich Durst hatte. Wer weiß. Es gibt die zwei großen Ansichten in dieser Angelegenheit, die aufs Heftigste diskutiert werden. Unsäglicherweise vertritt jeder von uns beiden die entgegengesetzte Meinung.Du sagst: Jawoll, ich habe einen freien Willen und treffe ganz bewusst mein Entscheidungen. Ich sage: Der freie Wille ist ein Illusion        Ich denke, wir sind an einem Punkt angelangt, an dem es eigentlich nur noch darum geht, wer denn nun bitteschön das letzte Wort haben soll.Angesichts derjenigen, die vielleicht noch ein Wort zum eigentlich Thema loswerden möchten, und sich fragen, wann es mit den Verrückten ein Ende nimmt, erteile ich nun Martin das besagte Wort.

#25 MartinHoyer

MartinHoyer

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Geschrieben 28 Dezember 2002 - 18:43

Ich bin der Diskussion müde und hätte etwas mehr von Dir erwartet, Dave. Zumindest, daß Du meinen Versuch berücksichtigst, wieder on-topic zu kommen, wenn Du schon mein Konsens-Angebot ignorierst. Und verdammt noch eins, wir haben unsere Verrückten, und werden sie nicht dadurch los, daß wir das menschliche Bewußtsein analysieren.Und so lange es darum geht, daß reale Zustände zu Tode analysiert werden, während die Lösung in Akzeptanz und Anwendung liegt, bin ich gern der Dümmere, der nicht nachgibt und auf seinem letzten Wort besteht. Manchmal gibt der Klügere durchaus so lange nach, bis er der Dumme ist, und dann haben wir auch endzeitliche Zustände, unabhängig von der Bewußtseinsforschung. Meine Güte, wie konnte die Menschheit überhaupt bis heute überleben, so ganz ohne Kenntnis ihrer eigenen Unfähigkeit, freien Willens zu sein? - Es muß also doch (mindestens) einen Gott geben.Grüße,Martin
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#26 Jürgen

Jürgen

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Geschrieben 24 Januar 2003 - 15:10

@ Dave und MartinAufmerksam habe ich diesen "Schlagabtausch" zwischen euch beiden gelesen.Da beide eigentlich Recht haben.... ich werte den bisherigen Ausgang 5:5 unentschieden.... bleibt mir nur zu bemerken, das eure "Startposition" völlig verschieden ist.Man (oder besser ihr) müsste sich auf eine beidseitig akzeptable Basisaussage einigen... davon ausgehend nehme ich eure Argumente und erhalte.... eine dritte Meinung, die tatsächlich Sinn ergibt und formal alle Qualitäten einer Kernaussage besitzt.   :P der Count
Aus dem Weg! Ich bin Sys-Admin...

#27 Naglfar

Naglfar

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Geschrieben 08 Februar 2003 - 19:03

Wer mal einen Endzeit-Roman lesen möchte, in dem die Zivilisation nicht mit einem großen Knall untergeht, wie es teilweise hier spekuliert wurde, der sollte sich Gordon R. Dicksons "Wolf und Eisen" zu gemüte ziehen. Der Roman ist wirklich gut, außer das er an einigen Stellen etwas langatmig ist, und man sich eben etwas für Lowtech-Endzeit-Szenarien begeistern muss.Normalerweise stoßen mich jedoch diese Endzeit-Szenarien ab, was vielleicht an den Massen schlechter Filme liegt, die zu dem Thema produziert worden sind. Keine Ahnung, bin eben normalerweise kein Fan von Lowtech oder diesem Szenarien, in denen die Menschheit nur noch in den Resten zerstörter Zivilisationen ohne das Wissen ihrer einstigen Vorfahren leben, und sie vielleicht eine Cola-Dose als Gottheit anbeten. Der einzige andere Roman der mir zu dem Thema noch gefällt ist Brin "The Postman", da er irgendwie optimistisch in die Zukunft sieht (und zum Glück nicht so patriotisch ist wie die Verfilmung).Gleichzeitig fällt mir ein, die thematisch beste Umsetztung der Endzeit die ich je gesehen habe sind sicher die PC-RPGs Fallout 1 und 2, die ziehen atmosphärisch und storymäßig an jeden Roman oder Film den ich zu dem Thema kenne vorbei und lassen sie lässig hinter sich.


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