So, dann will ich auch mal senfen, bevor tatsächlich alles Sagenswerte geschrieben wurde.
Dem Tenor des Threads schließe ich mich an: lesbar, solide aber nicht aufregend - und leider auch nicht wirklich gut. Da hätte mehr draus werden können. Eine schöne Space Opera, auch noch mit einer Romanze drinnen, ist eigentlich genau mein Ding. Doch Collector lässt mich sonderbar kalt. Auf einige vermeintliche Ursachen möchte ich etwas eingehen:
Charaktere
Am Anfang werden drei Charaktere eingeführt: Kris, Anatol und Faye. Der in meinen Augen uninteressanteste (Kris) wird zunächst der Protagonist des Romans. Er bleibt von Anfang an recht blass, ich habe kein Bild von ihm vor Augen. Wozu sicherlich auch beiträgt, dass er eigentlich nicht aktiv wird, sondern immer nur irgendetwas passiert, worauf er reagiert und er so von einer Szene zur nächsten gelangt, und wir als Leser in seinem Schlepptau. Aber niemals agiert er von sich aus und erlangt so ein Profil, das zur Identifikation dienen kann.
Anatol ist da schon interessanter, nutzt seine Fähigkeiten und versucht die Situation in seinem Sinne zu gestalten - was schiefgeht, aber immerhin hat er es probiert. Doch leider verschwindet er nach dem furiosen ersten Auftritt erst einmal in der Versenkung.
Auch Faye, die als taffe Frau eine starke Rolle hätte spielen können, tritt nach der Einführung erst einmal in den Hintergrund. Sie schafft es später wenigstens noch mal, eine aktive Rolle zu spielen und die Suche nach Kris in die Wege zu leiten. (Auch wenn ich ehrlich gesagt schon vergessen habe, mit welchem Argument sie die Flotte dazu gebracht hat, ihr eines der letzten Schiffe zu überlassen...)
Als Hauptperson über weite Strecken halte ich Kris wegen seiner Passivität (abgesehen von seinem Versuch, BaIn wegen seiner Tochter zu erpressen - völlig überflüssige Nebenhandlung übrigens) für eine Fehlbesetzung.
Auch die Frage, ob sich Kris und Faye am Ende kriegen, lässt mich kalt. Dazu gibt es zu wenig Chemie zwischen beiden und das Verlieben kommt aus heiterem Himmel.
Höhepunkt der Passivität ist aber, dass nicht die "Helden" einen Ausweg aus der Bedrohung durch die Invasion der Collectors finden, sondern dass sie zufällig (siehe unten) auf einen mächtigen Verbündeten stoßen, der die Kastanien aus dem Feuer holt.
Zufälle
Der Mann, der den Sattelschlepper fährt, von dem ein außerirdisches Wundertriebwerk geklaut wird, wird zufällig Pilot des Schiffes, dass gegen die außerirdischen Invasoren geschickt wird, die zufällig sein Vater in die Galaxie gelassen hat.
Zufällig sind zwei Geschwister des Mannes dem Orden beigetreten, der heimliche Geschäfte mit den außerirdischen Invasoren macht. Eine weiter Schwester ist zufällig Gehilfen der Priesterin, die Jahre zuvor dem Vater seine krumme Tour verdorben hat.
Zufällig trifft der Vater diese Priesterin auch noch auf einem besetzten Planeten wieder.
Das klingt doch mehr nach Soap Opera als nach Space Opera.
Pseudomagie
Ich verlange ja in einer Space Opera keine hochwissenschaftlichen Erklärungen. Wenn der Autor mir sagt, dass es einen FTL-Antrieb gibt, der sich eines Hyper-, Subspace-, X- oder was auch immer für einem Raum bedient, dann ist das für mich ausreichend. Auch wenn dieser Raum Interim heißt. Die Idee, dass wiederholte Sprünge durch das Interim den Menschen Schäden zufügt, fande ich sogar ausgesprochen gut.
Aber das daraus resultierende Interim-Syndrom hat für mich in einem Science-Fiction-Roman nichts zu suchen. Damit ist ja praktisch jede Fähigkeit zu erklären, die der Autor einem Charakter gerade zugestehen will, um eine Situation zu lösen. Da kann ich auch gleich eine Fee auftreten lassen.
In die gleiche Kategorie gehören die Chemicals (23) mit den pseudomagischen Eigenschaften. Und das außerirdische Wundertriebwerk, das sich die Energie selbst erzeugt, ist auch ein wenig fragwürdig.
Schlampigkeit
Was mich erschrocken hat, ist wie viele kleine Unstimmigkeiten und Logikfehler es in diesem Buch gibt, die eine gründliche Korrektur eigentlich nicht hätten überleben dürfen. Nur mal die, die mir im Gedächtnis geblieben sind:
- Faye bekommt ein Bett in einer Viererkabine, in der aber schon zwei Katzen, ein Bär und ein Panther wohnen...
- Kris trifft im Hanger fünf Leute in Raumanzügen, von denen aber nur vier zu existieren scheinen...
- Die Schwestern betreten die Brücke, auf der sie schon stehen...
- Der Planet Arabian's Pride II liegt mal im System Qalb, mal im System Sirius...
- Der Gouverneur von Putin hält so wenig von Demokratie, dass er alle Berater abgeschafft hat. Aber als er einen seiner Direktoren "überstimmen" muss, um die Vernichtung seiner Welt zu verhindern, hat er solche Gewissensbisse, dass er sich erschießt...
- Wozu fädeln die Collectors die Flucht von Theresa mit Anatol ein?
- Warum brechen die hoch überlegenen Schiffe des 2OT den Angriff auf die VHR-Flotte ab, anstatt sie komplett zu vernichten? Nur, um bei der Reparatur Backdoors einzubauen, die später die Vernichtung einfacher machen?
- Warum lässt Kris die Soldaten 800 Meter durch eine Kuppel laufen, um Theresa und Anatol zu holen, anstatt sie noch 750 Meter näher ran zu fliegen?
Wenn ich suchen würde, fiele mir bestimmt noch mehr (wieder) auf. Aber für ein professionell lektoriertes Buch finde ich das schon viel zu viel.
Die Zukunft und das Universum
Das Buch spielt 1000 Jahre in der Zukunft, aber es hat sich eigentlich nichts geändert. Klar, es gibt jede Menge tolle Technologie (Überlichtantrieb, TransMatt, Antigrav, Chims, Cyborgs), aber diese Technologie hatte scheinbar keinen Einfluss auf die Gesellschaft. Einsame Truckfahrer kutschieren Waren durch die Gegend, Frachtkisten haben Barcodes, Menschen stehen in Banken Schlange oder trinken einen Kaffee in einer Shopping Mall, auf einem Planeten werden zwei Millionen Holzfäller benötigt...
All das wenige, was man über das Universum und die Welten außerhalb der Raumschiffe und abseits der Kämpfe erfährt, könnten auch Szenen aus dem hier und jetzt sein. Das ist keine strange new world, die mich fasziniert und in ihren Bann schlägt. Und somit leider auch kein Universum, dass mich zum Kauf des zugehörigen Rollenspiels animiert. Schade.
Wie eingangs gesagt: nicht wirklich schlecht, aber auch bei weitem nicht gut. Schmerzlose 4 von 10 Punkten.