Einfach mal vorausgesetzt, dass Ihr meinen Post nicht in einem Gedanken-Setting des Entertainments, des Zeitvertreibes o.ä., gelesen habt, sondern aus den komischen letzten drei Punkten entnehmen konntet, dass ich hier ganz konkret an Euch persönlich appelliere, "aufzuwachen". Bei diesem stark vorbelasteten Ausdruck sollte erwähnt sein, dass damit keines falls das "Oh Gott, schau Dir die Welt an und wie schrecklich sie ist"-Aufwachen gemeint ist, sondern eher das innerliche. Manche (unter Ihnen auch viele Wissenschaftler) fragen sich zunehmend, wo denn nun der Unterschied sei..
Interessant; in vieler Hinsicht sind da diverse typische Elemente klassischer Utopien enthalten:
- Radikaler Bruch mit der bestehenden Ordnung, die als grundlegend untauglich erachtet wird.
- Eine neue soziale und ökonomische Ordnung, die dann auch einen neuen Menschen erschafft (und vice versa)
- Abschaffung des Geldes (gibt es bereits bei Morus)
- Diverse technische Wunderwerke
Besonders interessant finde ich, dass beim Venus Project die Realisierung eines "full lenght feature film" als zentraler Punkt des Aktionsplans vorgesehen ist. Das erinnert mich an einen nicht mehr ganz taufrischen Thread, in dem es unter anderem um die Frage ging, warum es keine utopischen Spielfilme gibt.
Dieses Zeitgeist: The Movie habe ich allerdings nach fünf Minuten abgebrochen. Denn dieser Anfang ging nicht nur "ein wenig in Richtung Verschwörungstheorie", das ist 100% verschwörungstheoretisches Gelaber.
Ehrlich gesagt, sehe ich nicht mal, was an diesen Modellen "plausibel" sein sollte. Ich habe angefangen, die Einleitung zu lesen, fand ein paar haarsträubende Aussagen als Grundvoraussetzungen, mit der einzigen Begründung, dass wir nur darum etwas anderes glauben, weil "die Gesellschaft" uns das eingeredet hat (obwohl man an der Stelle eigentlich schon auf ganze Wissenschaftsdisziplinen wie Soziologie und Psychologie eingehen müsste, die eigentlich das Gegenteil nahelegen und auch empirisch belegt haben, auf zahllose Experimente, die eigentlich etwas anderes andeuten) ... und danach hatte ich dann schon keine Lust mehr, mich weiter damit zu beschäftigen und mir anzuhören, was für Schlussfolgerungen auf die sehr idealistischen Grundvoraussetzungen folgen.
Ob es revolutionäre Gesellschafsideen gibt, die funktionieren können - wer weiß? Ich habe zumindest eine ganze Menge Utopien kennengelernt, die erheblich plausibler klingen als das, was da vorgestellt wurde.
Ich weiß jedenfalls, was ich von einer Gesellschaftsidee erwarten würde, mit der ich mich ernsthaft auseinandersetzen möchte. Empirie! Empirie am Anfang von allem, und die gegenwärtige gesellschaftliche Empirie als Ausgangspunkt für eine Umgestaltung, damit man eine tragfähige Kausalkette für eine evtl. Umgestaltung bilden kann.
Und vor allem mag ich es, wenn Visionen sich auf konkrete Empirie stützen können. Ich will sehen, dass zumindest Teilbereiche des vorgestellten Systems zumindest in kleineren Gesellschaften irgendwann in der Geschichte tatsächlich mal in der Praxis auf die Probe gestellt worden sind. Und dabei auch bestätigt wurden.
Aber wenn schon das Fundament rein ideologisch ist, ordne ich automatisch auch das ganze Konzept in die Schublade von Ideologien, die gerne "einen anderen Menschen" als Grundlage hätten (oder die Schaffung eines anderen Menschen als Grundlage ihrer Umsetzbarkeit brauchen ).
Und da habe ich in der Geschichte bisher nur Katastrophen gesehen, die mit so einer Idee angefangen haben, aber noch nie ein erfolgreich umgesetztes Gesellschaftskonzept.
(Mit den Videos konnte ich übrigens wenig anfangen - ich hab hier sehr winzige Boxen am Rechner, und da haben die Sphärenklänge, mit denen das unterlegt, den Text recht schwer verfolgbar gemacht. Ehrlich gesagt klang das, was ich dann als Text auf der Homepage gelesen habe, für mich recht ähnlich wie die unterlegten Klänge - schon die Präsentation hat so viele Marker, bei denen bei mir der "Sektenalarm" klingelt, dass ich mir nicht vorstellen kann, dass es bei den Inhalten irgendwie um "Praxis" oder "Funktionieren" geht. Das zielt schon von der Ansprache her auf "Gefühl" und auf "Sehnen", nicht wirklich auf nüchternes Überlegen)
Die beiden Zitate mal aus dem Thread gefischt, musste nicht einmal wirklich suchen, ich bin mir sicher ich hätte einige andere Replies zu diesem Thread hier ebenfalls als Widerlegung Deiner Aussage, es gebe hier keinerlei Argumente gegen die RBE (was das Movement mit einbezieht) innherhalb dieses Threads benutzen können. Ich finde es immer wieder erstaunlich, mit welcher Leichtigkeit diese Ideen beiseite geworfen und oftmals als lächerlich oder unrealistisch abgestempelt werden - ob absichtlich durch das propagieren mittlerweile etablierter Slogans ("Das ist eine Utopie!", "Maschinen treffen die Entscheidungen, das ist Wahnsinn, habt Ihr denn nicht 'Terminator' gesehen?!", o.ä., von dieser Art Aussage, gibt es theoretisch so viele, wie es Menschen gibt. Wichtig: Es geht hier bei nicht um den Inhalt dieser Art von Aussagen, sondern um den Hintergrund und ob Ähnlichkeiten und/oder Zusammenhänge gefunden werden können.) oder unbewusst durch das Unterlassen des tatsächlichen darüber-nachdenkens. Um ersteres wird sich im Diskussionsverlauf gekümmert, letzteres möchte ich hier so gut wie mir nur möglich konstruktiv beeinflussen.
Okay, lieber Simifilm, ich kenne dieses Board und all jene in dieses Thema interessierte Poster, Dich eingeschlossen, nicht. Aber ich möchte euch allen von Herzen alles Beste wünschen und meinen Respekt dem gegenüber äussern, dass es auf diesen Sci-Fi Forums auch um sehr relevante Dinge geht die anscheinend interessiert verfolgt und inspiziert werden.
Zu Deiner Frage "Wie soll eine solche RBE organisiert sein, wie funktionier sie konkret? Alles, was ich bis jetzt gesehen habe, war, dass sie ohne Geld auskommt, dass in einer RBE alle kriegen, was sie wollen, und das Wundermaschinen dafür sorgen, dass niemand mehr arbeiten muss. - Das ist mir ein bisschen zu unkonkret.".
Ich kann Dir sagen, dass viele technische Umsetzungsmöglichkeiten und theoretische Ablaufmethoden für gewisse gesellschaftsrelevante Prozesse bereits detailliert existieren, allerdings muss ich gleich versuchen Dich mit dem Gedanken anzufreunden, dass das "konkrete", das "antast-/ und prüfbare", das "perfekt ausgemalene und wunderbare", das "Wo muss ich unterschreiben?-e" nicht existiert. Wo auch? Du hast Fragen zu gewissen Dingen und Dir sind gewisse Abläufe zu unkonkret? Dann frag' nach! Was ist denn dabei "jetzt ganz konkret" unkonkret? Wir können nur mit dem arbeiten, was gegeben wird. Je präziser die Fragen sind, desto "bunter" wird die Antwort.
"Wie funktioniert sie konkret?" - Diese Art von Statements bekommen wir so oft um die Ohren gehauen, dass Sie von uns an einem schlechten Tag wirklich nur belächelt werden können, was uns sehr Leid tut, da wir uns der kontraproduktiven Wirkung durchaus bewusst sind. Und bitte glaubt nicht, "wir" würden uns für "besser" als irgendwen anderes halten. Oder ich mich als Euch. Aber zurück zur obrigen Frage: Wenn mich meine kleine Schwester fragt, wie denn die momentane Gesellschaftsordnung denn so "konkret funktioniert", dann würde ich zunächst damit beginnen, dass wir eine eine Spaltung der Macht in eine Judikative, eine Legislative und eine Exekutive haben um dann auf jedes der dreien einzugehen. Aber habe ich damit wirklich die konkrete Funktionalität des Systems erörtert? Habe ich meiner Schwester damit wahrlich eine brauchbare Menge an Hintergrundinformationen über den Aufbau der von Ihr wahrgenommenen Realität beschaffen? Ich glaube nicht, denn (Gott sei dank) sind die Dinge eben nicht so simpel, dass man Sie in einem Satz, in ein paar Posts, in einem Thread, oder gar in einem Forum zusammenfassen könnte.
Denn "Menschen bilden bedeutet nicht ein Gefäß zu füllen, sondern ein Feuer zu entfachen."
- Aristophanes 445-385 v.u.Z
Also was ich nun "ganz konkret" hiermit ausdrücken möchte ist, dass eine neue Herangehensweise (!!!) gewählt werden muss. Warum die Exekutive, Legislative und Judikative (um bei diesem Beispiel zu bleiben)? Was war der Grund dafür? Und noch wichtiger, was war der Grund für den Grund dafür?
Also, es ist spät, liebe Freunde, aber ich habe mir vorgenommen, mir zumindest hierfür Zeit zu nehmen. Hier ist ein 3 Minuten Video, welches mit der oben stehenden kryptischen Argumentationstechnik den "Ton" für diesen Thread bestimmen soll:
WE ARE COMING - German Subtitles
Alles beste an Euch und ich freue mich auf die mit Sicherheit auf mich zukommenden Fragen,
Chino
P.S.: Ende August wird Jacque Fresco in München seine Lecture im Rahmen seiner World Lecture Tour halten, das deutsche Movement und die Regionalen Untergruppen ("Chapter" genannt, ich komme aus dem NRW-schen) haben dieses Event non-profit organisiert. Informationen bei Interesse
findet Ihr hier. Bei Fragen zum Event und auch für alles andere, einfach eine PN oder eine Mail an mich verfassen.