Nun ja, die Väter unserer Verfassung hatten wohl jedenfalls ihre Zweifel, dass Mehrheitsmeinung und das Interesse des Allgemeinwesens immer so auf einer Linie liegen. Sonst hätten sie nicht so viele Schutzrechte und Barrieren eingebaut, damit die Mehrheit nicht alles bestimmen kann, was sie will.Und wenn dann etwas gegen die Interessen der Mehrheit steht, aber für das Allgemeinwesen gut wäre, funktioniert die Demokratie nicht sonderlich gut.
Diese Frage ist recht vielschichtig. Das alte Reich beispielsweise hatte am Ende eigentlich ein sehr ausgefeiltes und für damalige Verhältnisse auch recht gut funktionierendes Rechtssystem. Da dürften dann auch die Wurzeln für die deutsche Prozesshanselei liegen.Die Frage ist nur, bei welchem System es eine funktionierende "Rechtsstaatlichkeit" abweichend von der Demokratie gibt.
Obwohl es natürlich nicht unsere heutigen Rechtsvorstellungen waren, die da gepflegt werden. Insofern muss ich meine obige Aussage wohl präzisieren: Ein großer Teil von dem, was heute unsere Lebenswirklichkeit bestimmt und als angenehm empfunden wird, hat mehr mit der Rechtsstaatlichkeit zu tun als mit der Demokratie, aber nicht nur in dem Sinne, dass wir eine funktionierende Rechtsstaatlichkeit haben, sondern auch in Hinblick auf die Gesetze, die darin bewahrt werden. Die konkreten Rechtsprinzipien, die darin stecken, sind natürlich maßgeblich von der Demokratie beeinflusst (oder sagen wir mal: von denselben Werten, die auch unsere heutigen Demokratien bestimmen), aber sie sind nicht mit der Demokratie identisch. Das sieht man immer dann, wenn die Gerichte mal wieder unseren demokratisch gewählten Politikern in den Arm fallen und dafür sorgen, dass übergeordnete Rechtsprinzipien notfalls auch gegen (zufällige) politische Mehrheiten gewahrt werden.
Und man sieht es daran, dass es demokratische Systeme ohne funktionierende Gewaltenteilung und unabhängige Rechtssprechung sehr wohl gegeben hat, und dass das Ergebnis dann oft ... nicht so glücklich war. Man sollte also schon zwischen Demokratie und Rechtsstaatlichkeit unterscheiden.
Lustigerweise können Demokratie und Rechtsstaat sogar offen aufeinanderprallen ... und in dem Falle gewinnt in unseren Gesellschaften derzeit eher der Rechtsstaat. Was vom demokratischen Verständnis her durchaus problematisch sein kann.
Mein derzeit bestes und drastischstes Beispiel ist die erste Amtszeit von George Bush in den USA. Da ging es am Ende ja ein wenig unter, dass es zuletzt für die strittige Stimmauszählung durchaus ein endgültiges, amtliches Ergebnis gab, demzufolge Bush die Wahl nicht gewonnen hatte. Allerdings lag dieses Ergebnis erst mehrere Wochen nach der gerichtlich festgesetzten Nachfrist vor, und damit war Bush Präsident.
Ein von Gerichten eingesetzter Präsident, kein demokratisch gewählter, wohlgemerkt. Nach allen eindeutigen Regeln für Stimmauszählung und Wahlablauf hatte Bush die Wahl verloren; es war letztendlich eine Entscheidung der Justiz allein, dass sich eine Nachauszählung nicht ewig lange hinziehen darf, dass der Staat einen Präsidenten braucht und dass das vorläufige Wahlergebnis ab irgendeinem Termin unanfechtbar ist. Vielleicht eine sehr vernünftige Entscheidung, aber ich fand sie dennoch bemerkenswert, weil ein von Gerichten gegen den erklärten Willen des Souveräns (also des Wahlvolkes) ernannter Präsident doch ein gewisses Licht auf die Verteilung der Gewalten in unseren modernen Staatssystemen wirft. Und darauf, dass Demokratie und Rechtssystem durchaus sehr unabhängig voneinander funktionieren, wiewohl in gegenseitiger Beeinflussung.
Und wenn das jemand - insbesondere in Bezug auf diese spezielle Wahl - für einen Skandal halten möchte, wäre ich da doch sehr vorsichtig. Denn, wie gesagt - ich habe das Gefühl, dass Rechtssystem trägt unsere Werte im Großen und Ganzen besser als die Demokratie, und da ist es durchaus beruhigend, dass damit zufälligen Extremen in der demokratischen Willensbildung eine Bremse entgegensteht, die sich notfalls auch gegen die Demokratie durchsetzen kann. Gerichte sind nun mal weniger anfällig gegen Demagogie als der demokratische Souverän.
Da sollte man also weniger darauf achten, dass Gerichte mitunter Entscheidungen treffen, die man nicht so sympathisch findet, als vielmehr darauf, in welchem Umfang das Rechtswesen ansonsten zu den persönlichen Freiheiten und Sicherheiten des Bürgers beiträgt - notfalls auch gegen eine "demokratische Mehrheit".
Ehrlich gesagt wüsste ich nicht, warum das jemand tun sollte - dass es zwangsläufig zum Wesen der Demokratie zählt, sich das Wahlrecht verdienen zu müssen, hat m.E. doch niemand behauptet. Ich sage nur, dass ein bedingungsloses Wahlrecht für alle nicht zwangsläufig zur Demokratie gehört und hatte das auch durch Beispiele untermauert. Und irgend ein anderer Teilnehmer fand es wünschenswert, dass ein Verdienen des Wahlrechts vielleicht zur Demokratie gehören sollte. Wogegen Jakob umgekehrt Beispiele brachte, warum das nicht der Fall sein sollte.Warum machen wir's nicht anders rum und Du bringst halbwegs relevante Quellen, die Deine Position unterstützen, dass es zum Wesen von Demokratien gehört, dass man sich grundlegende Rechte wie das Wahlrecht zuerst verdienen muss.
Von einem "muss" sehe ich da nichts.
Zu der zentralen Frage des Threads - da kann ich zu Heinlein allgemein wenig sagen. Die zwei, drei Bücher, die ich von Heinlein gelesen habe, fand ich in erster Linie langweilig, darum sind es auch nicht mehr geworden. Abgesehen allerdings von "Starship Troopers" - eben das Buch fand ich durchaus interessant. Vom Plot her. Der Hintergrund lag mir allerdings auch etwas im Magen und ließ mich mit Unbehagen zurück (im Gegensatz zum Film, den fand ich wirklich lustig) - das allerdings lag weniger am Wahlrecht, mit der Aussage könnte ich mich arrangieren, als vielmehr an den vielen kleineren Setzungen des Hintergrunds.
Auf die politische Einstellung des Autors wollte ich daraus allerdings nicht schließen - nach der Lektüre des Buches wäre ich aus den gegebenen Informationen nicht mal in der Lage gewesen, abschließend zu beurteilen, was für eine Art politisches System da überhaupt beschrieben war. Nur, dass ein paar der im Buch dargestellten Facetten mich mit Unbehagen erfüllt haben und dass es durchaus verleitet, über den Autor zu grübeln ... Aber, na ja.
Im Prinzip ist mir die Einstellung eines Autors egal, und ich will Bücher für sich bewerten. Ich denke, Kunst ist größer als Politik. Gelungene Literatur soll ja gerade über den eigenen Horizont und am besten über den gesamten Horizont der aktuellen Gesellschaft hinausweisen - da wäre es schon ziemlich kontraproduktiv, aus Prinzip nur Autoren zu lesen, die meinem oder dem allgemeinen Wertesystem konform gehen. Wenn man einen Autor in eine Schublade stecken will und von da aus sein ganzes Werk beurteilen, dann dürfte das in der Regel weder dem Autor gerecht werden noch dem Werk. Außer der Autor ist so "klein", dass er durch eine Schublade schon vollständig charakterisiert ist. Dann aber merkt man das gewiss auch an seinen Büchern und hat erst recht keinen Grund, lange über den Autor nachzugrübeln.
Da schließe ich mich also denen an, die sagen: Was bringt es einem, nach der Gesinnung des Autors zu fragen? Außer vielleicht, dass man voreilig einen Autor übersieht, bei dem man sonst vielleicht etwas gefunden hätte.