Ich würde Dich bitten, das trotzdem zu tun.
Stormking, Du bist anstrengend.
Also gut, sehen wir uns die einzelnen Punkte einmal an.
o Zielgruppe waren Jugendliche/Kinder und der Stil erscheint heute sehr naiv und unbeholfen.
Die Zielgruppe der SF-Autoren waren eben nicht Kinder und Jugendliche, sondern Erwachsene, oft schrieb man auch "für" einen befreundeten Autor, mit dem man sich gerade unterhielt bzw. unterhalten hatte. Die vom heutigen Standpunkt aus kindlich wirkenden Titelbilder der Pulps waren zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung State of the Art und sollten eher erwachsene Leser ansprechen als Kinder. Außerdem waren die Pulps damals die einzige Möglichkeit, Science Fiction zu veröffentlichen.
Stilistisch gesehen bewegen sich die phantastischen Erzählungen im Stil ihrer Zeit. Wie man ja auch sehr gut im Klassiker-Lesezirkel sehen kann, ist aber gerade der schriftstellerische Stil, Wendungen und Ausdrücke im angloamerikanischem Original als auch in der deutschen Übersetzung Modetrends unterworfen. Besonders deutlich wurde dies bei den Übersetzungen von
Simak. Während aber der altertümliche Stil von Poe, Kafka oder Lovecraft immer noch in den Himmel gelobt wird, soll andererseits der Stil der SF-Autoren "naiv und unbeholfen" sein ? Was für ein Quatsch, er ist einfach in der Zeit, in der das einzelne SF-Werk geschrieben wurde, verhaftet. Veraltet, vielleicht - obwohl auch das meiner Erfahrung nach im Auge des Betrachters, i.e. des Lesers liegt. Wenn man, so wie ich, ein gewisses Alter erreicht hat und in dieser Zeit mit SF aufgewachsen ist, hat man ein ganz anderes Verhältnis dazu als beispielsweise ein Zwanzigjähriger, der weder die Klassiker kennt noch die Zeit (ich denke da nur an die doch sehr kleinbürgerlichen 60er und 70er) selbst erlebt hat.
o Man hatte vielleicht einen wissenschaftlichen Hintergrund, aber es fehlten die schriftstellerischen Fähigkeiten.
Das ist nun mal absoluter Quark. Wer Heinlein, Anderson und Asimov (um nur mal drei Autoren rauszugreifen) nicht mag, der liest eben Cordwainer Smith oder James Tiptree. Oder Dick. Schriftstellerische Fähigkeiten drücken sich nicht dadurch aus, mehrere tausend Seiten lange Epen zu verfassen, wie es heute so gerne gemacht wird. Und auch hier gilt, daß man die Romane im zeitlichen Kontext betrachten muß, um sie zu bewerten. Früheren SF-Schriftstellern schriftstellerische Kompetenz abzusprechen sagt vor allem etwas über die Kompetenz desjenigen, der diesen Bullshit schreibt. (@Stormking : Du merkst, dieser dumm Tüch hat mich echt genervt.)
o Man benutze einen bestimmten gesellschaftlichen Hintergrund der 50-70 als Schablone der heute einfach nur noch abgestanden wirkt.
In Anbetracht dessen, daß wir mit Kohl, Schröder und Merkel exakt wieder den bigotten gesellschaftlichen Zustand der 50er bis 70er Jahre wiederhergestellt haben, sind einige der damaligen Romane aktueller denn je. Aber auch davon abgesehen sind viele der früher angesprochenen Probleme bis heute nicht gelöst, einige haben sich durchaus bewahrheitet. Und viele der Gesellschaften, die in frühen SF-Romanen dargestellt wurden, sind aktuell wie nie. Veraltet sind hingegen einige Reaktionsmechanismen, die damals zum gesellschaftlichen Kanon gehörten. Etwa, daß Betrüger zwangsläufig gesellschaftlich geächtet werden. Im Hinblick auf Gutti alles andere als abgestanden, denke ich.
o Ich denke Cyberpunk mit seiner Abkehr von moralischen Helden zu ambivalenten Motivationen und dystopischen Gesellschaftskonzepten und Technikanwendungen hatte sehr positiven Einfluss auf den Stil moderner SF.
Nicht der Cyberpunk hat die moderne SF geprägt, sondern die aus UK kommende "New Wave". Der Cyberpunk hat die virtuelle Realität und den Nerd als Held in die SF eingebracht. Sein Einfluß ist deutlich geringer, als man allgemein annimmt. Cyborgs gab es schon immer, die von Dir angesprochenen Elemente im Werk von Reynolds werden als Cyberpunk bezeichnet, weil es eine schön einfache Klassifikation darstellt und unter der sich jeder etwas vorstellen kann. Würde ich in einer Rezension trotz besserem Wissen auch machen.
Reynolds an sich ist alles, aber kein Cyberpunk. Tatsächlich hat er nicht einmal annähernd Anklänge daran. Er ähnelt sehr stark Poul Anderson und wer Reynolds gerne liest, sollte sich einmal die SF-Romane über Dominic Flandry, David Falkayn oder die Polesotechnische Liga zu Gemüte führen.
So, genug gesabbelt.