Rusch schrieb am 07.10.2010, 10:17:
Ich schätze Dich als Autor anspruchsvoller SF, aber einen Kollegen, ganz gleich, was Du von ihm halten magst, so niederzumachen ist nicht OK. Markus wird es am Ende egal sein und er wird sich denken: Ich habe Erfolg und Du nicht.
Das kann er gerne so sehen, soll mir egal sein. Ich habe gute Gründe. den Erfolg eines Autors nicht nach der Auflagenzahl sondern
nach seiner literarischen Leistung zu bemessen. Die Auflagenzahl wird gern als Argument angeführt, ist aber vom Aussagewert gleich Null, ganz einfach deshalb, weil sich Bücher von völlig unterschiedlicher Qualität und Beschaffenheit verkaufen. Dan Browns mehr als mäßige Bücher waren Welterfolge. Umberto Ecos literarisch völlig kompromißloser Roman "Der Name der Rose" war aber ein wahrscheinlich noch viel größerer Erfolg. Ein kurzer Roman über den Zerfall einer traditionellen afrikanischen Dorfkultur, "Things Falling Apart" von Chinua Achebe (ein Gegenstück zu Ngugi Wa Thiong'o, der heute wahrscheinlich den Nobelpreis erhalten wird), hat sich allein in den USA 2 Millionen mal verkauft. Arundathi Roys "The God of Small Things", der durchaus nicht einfache Erstling einer bis dahin weitgehend unbekannten Autorin, hat sich weltweit 6,5 Millionen mal verkauft. Dagegen verblassen wiederum Markus Heitz' Auflagen zu einem Nichts.
Ich kann Markus Heitz beim besten Willen nicht als Kollegen betrachten, weil er meiner Meinung nach seiner Aufgabe als Autor nicht nachkommt. Und die allererste Aufgabe eines Autors ist die Schaffung einer eigenen, kreativen Sprache. Auf diesem Gebiet versagt Heitz völlig, wie jeder feststellen kann, der mal ein paar Stilisten wie z.B. Gene Wolfe gelesen hat. Ach was, es reicht schon, wenn ich eine beliebige Kurzgeschichte von Frank Hebben oder Thorsten Küper daneben halte. Horst Pukallus hat schon vor zwanzig Jahren festgestellt, daß die allermeisten SF-Leser stilblind sind und einen Autor nicht vom anderen unterscheiden können (lange vor ihm hat Damon Knight schon Ähnliches festgestellt). Die Masse der Leserschaft ist völlig ignorant gegenüber der Qualität oder Nicht-Qualität der Erzählprosa, und man muß es mir nicht vorwerfen, wenn ich dies feststelle.
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In meiner Rezi zu dem Buch habe ich Geschrieben, dass dies ein Buch ist für NICHT SF Leser.
Die Frage ist, welche Nicht-SF-Leser. Gehst Du von einem normalen. nicht SF-versessenen Buchkäufer aus, der in der Buchhandlung die Wahl hat, ob er auf der einen Seite Richard Powers, Joyce Carol Oates, John Updika oder wen auch immer kaufen (alles erfolgreiche Autoren!) oder vielleicht auch mal zu einem SF-Roman zu greifen soll, den wird vielleicht ein William Gibson überzeugen, auch ein Ian McDonald, vielleicht sogar der eine oder andere deutsche Autor, aber auf keinen Fall ein Markus Heitz. Ich bin selber Buchkäufer, der eine Menge Geld in die Geschäfte trägt, indem er einfach stöbert und kauft, was ihm interessant erscheint. Ich wüßte nicht, warum ich 15,- Euro ausgeben sollte, wenn ich gegenüber im Mainstream-Buchregal wesentlich Besseres (und sogar bessere SF-Romane, die nicht so genannt werden) finde. Diese Schwelle wird Markus Heitz nicht überwinden helfen. Im Gegenteil, er wird zum langsamen Schrumpfen der immer mehr im eigenen Saft schmorenden Szene beitragen.
Die Erfahrung mit Heyne, einst eine der größten SF-Reihen der Welt, hat gezeigt: Je mehr sich die Reihe auf Serien und oberflächliches Lesefutter verlegt hat, also auf Dinge, die nur den eingefleischten SF-Leser intersssieren, umso dramatischer sind die Auflagen zurückgegangen. Anfang der Achtzigerjahre konnte man noch auf jedem Uni-Büchertisch neben zeitgenössischer Literatur und Klassikern Heyne-SF-Bücher finden. John Brunners große Romane haben aus dem Stand sechs- bis achtfach höhere Auflagen erreicht als heute üblich. Die SF hat ihr Nicht-SF-Publikum weitgehend verloren. Solche Leser greifen heute zu Mainstream-Romanen mit SF-Elementen. Dafür spricht meines Erachtens auch, daß z.B. William Gibson kaum noch als SF-Autor wahrgenommen wird und Philip K. Dick fast dreißig Jahre nach seinem Tod sogar mit seinem Mainstram-Romanen Erfolg hat.
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Mit Büchern wie Vilm oder Psyhack kann man jedenfalls keine neuen SF Leser gewinnen. Das sind Bücher für die exisiterende Leserschaft und die nehmen diese Werke auch sehr dankbar auf.
Du wirst überrascht sein, aber ich habe die völlig gegenteilige Erfahrung gemacht. Mit meinem Roman haben am meisten Leute anfangen können, die sonst keine SF lesen. Die besten Passagen des Buches, die eingefleischte SF-Leser eher irritiert haben, wurden von Nicht-SF-Lesern wesentlich besser verstanden. Genauso ging's mir auf Lesungen.
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Aber nochmals: Ganz gleich ob Du das Buch magst oder nicht: Es gehört sich nicht, jemanden so schaft zu beleidigen. So was kann man vielleicht noch verbal machen, aber niemals in Schrift.
Im Gegenteil. Man
muß ihn sogar knallhart angehen. Es sind solche Autoren, denen die SF ihren schlechten Ruf verdankt und die ein Image perpetuieren, gegen das wesentlich bessere SF-Autoren einfach nicht ankommen. Ich weiß, wovon ich rede. Ich habe seit zwanzig Jahren an zahlreichen Veranstalung teilgenommen und mußte mir immer wieder dieselben dummen Vorurteile anhören, die sich gleich wieder aufs Wunderbare bestätigen, wenn ein Nicht-SF-Leser Bücher wie die von Heitz aufschlägt. Ich halte es für einen Offenbarungseid der SF-Verlagslandschaft, wenn Bücher wie Ian McDonalds "River of Gods" oder die Romane von Christopher Priest auf Deutsch gar nicht mehr erscheinen, aber für einen Markus Heitz Platz ist. Es wäre noch zu verkraften, wenn für beides Platz wäre, aber die gegegenwärtige Situation ist einfach nur traurig.
Und jetzt dürft Ihr mich zerfleischen. Viel Spaß, recht geschieht's mir.
Gruß
MKI
Bearbeitet von Michael Iwoleit, 07 Oktober 2010 - 10:41.