SF die keine SF sein darf
#1
Geschrieben 22 Oktober 2010 - 18:41
Mir fallen da einige Beispiele ein.
Am liebsten erinnere ich mich an ein Buch, das ich vor einiger Zeit auf einem "Frauenbücher"-Neuerscheinungstisch entdeckte: Audrey Niffeneggers "Die Frau des Zeitreisenden". Covergestaltung, Farbwahl und Klappentext schreien: "Idiko von Kürthy-Fans, kauft mich!", aber in diesem wunderbaren Buch schlägt ein Herz aus Punk und SF.
Etwas früher schon fiel mir ein seltsamer, neonroter Wälzer aus dem Fantasy-Regal in die Hände: Jasper Ffordes "Der Fall Jane Eyre". Kennt inzwischen wohl fast jeder, ist aber - trotz Verlagsbeteuerungen - eher SF als alles andere, was besonders Band 4 sehr deutlich macht. Zauberstabgefuchtel und Orks sucht man jedenfalls vergeblich.
Albert Sanchez Pinol wird gern den Literaten ans Herz gelegt, dabei fallen Worte wie "Abenteuerroman" oder ähnlich Schwammiges. Quatsch, sag ich. Wenn Lovecraft und Henry Ryder Haggard als Vorväter der SF durchgehen, dann ist Pinol ihr Enkel.
David Mitchell wurde für "Der Wolkenatlas" für einige Genrepreise nominiert, unter anderem wohl für den KLP. Zurecht, denn im Kern des Buches finden sich nicht weniger als zwei lupenreine SF-Romane, die auch noch das Herz des "anspruchsvollen Literaten" (also meines) höherschlagen lassen - erfindet Mitchell hier doch einen eigenen, vermeintlich degenerierten Slang.
Cormack McCarthys "Die Straße" kennt wohl auch schon jeder, oder? Für mich ein beeindruckender, angenehm kurzer Endzeitroman. "Keine SF - ein Spiegelbild unserer gefühlserkalteten Gegenwart!", plärren die Wächter der Reinheit der Literatur - ja ja, als wäre SF je etwas anderes gewesen ...
Matt Ruff hat mit "G.A.S." und "Bad Monkeys" mindestens zwei gute SF-Romane vorgelegt, auch wenn ich "Ich und die anderen" für seinen Geniestreich halte - und bei meiner Gießkannenauffassung bin ich an guten Tagen geneigt, das Ding als SF zu zählen. Wieso auch nicht? Wenn James Morrow SF schreibt, dann Matt Ruff doch auch.
Douglas Coupland - muss ich nicht viel zu sagen, oder? "JPod" und "Generation A" sind SF.
Kazuo Ishiguro hat mit "Alles, was wir geben mussten" einen der berührendsten SF-Romane geschrieben. Thematisch hat er mich sehr an Eschbachs "Der letzte seiner Art" erinnert, aber Ishiguro hat mich noch mehr mitgenommen.
Das war erstmal das, was mir so spontan eingefallen ist. Vielleicht kennt ja noch jemand ein paar Bücher, die bei den Verlagen in (für uns SF-Fans) obskuren Nebenreihen erscheinen?
#2
Geschrieben 22 Oktober 2010 - 18:55
#3
Geschrieben 22 Oktober 2010 - 18:59
Clou Gallagher * Colin Mirth * Rettungskreuzer Ikarus * Mein Blog* Meine Tweets
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#4
Geschrieben 22 Oktober 2010 - 19:21
Außerdem fällt mir gleich noch das schmale Büchlein Das Geheimnis des Goldschmieds von Elia Barcelo (die man in SF-Kreisen ja dank Andreas Eschbachs Euro-Antho kennt) ein, das sich einer Zeitreise bedient.
Neu: Armin Rößler - Die Nadir-Variante
Armin Rößler - Entheete (Neuauflage) +++ Armin Rößler - Cantals Tränen +++ Hebben/Skora/Rößler (Hrsg.) - Elvis hat das Gebäude verlassen
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#5
Geschrieben 22 Oktober 2010 - 19:43
Neben The Handmaid's Tale muss man von Margaret Atwood auch Oryx und Crake und Das Jahr der Flut erwähnen.
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#6
Geschrieben 22 Oktober 2010 - 19:52
Hat im Fandom keiner wahrgenommen, oder?
Grüße
Alex / molo
MOLOSOVSKY IST DERZEIT IN DIESEM FORUM NICHT AKTIV: STAND 13. JANUAR 2013.
Ich weiß es im Moment schlicht nicht besser.
#7
Geschrieben 22 Oktober 2010 - 20:49
Abschaffung der Arten von Dietmar Dath, hat ja auch einen SF Preis bekommen, ist also eher ein alter Hut
Skye Boat Song von ihm hat aber einen SF Plot und ist sicher weniger populär (aber besser, wie ich finde)
Für immer in Honig und Phonon von Dath sind ja auch SF Stories (Betonung liegt auf auch)
von Sorokin seien stellvertretend die in diesem Jahr erschienen Buecher erwaehnt: 23000 und Zuckerkreml
...danke auch an die Tipps hier!
Phantastische Grüße,
Thomas
...meine "Phantastischen Ansichten" gibt's hier.
Auf FB zu finden unter phantasticus
(Hinweis: Derzeit keine Internetrepräsentanz meiner Bilder; schade eigentlich...)
#8
Geschrieben 22 Oktober 2010 - 21:50
Vilm. Der Regenplanet
Vilm. Die Eingeborenen
Vilm. Das Dickicht
Galdäa. Der ungeschlagene Krieg
Das Universum nach Landau. Roman in Dokumenten und Novellen
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#9
Geschrieben 22 Oktober 2010 - 22:20
@ Gallagher:
Was Margaret Atwood und ihr Verhältnis zur Science Fiction angeht, empfehle ich einen kurzen Blick in eine schon etwas ältere Ausgabe von Dave Langfords Ansible: Klick!
#10
Geschrieben 22 Oktober 2010 - 22:43
@ Gallagher:
Was Margaret Atwood und ihr Verhältnis zur Science Fiction angeht, empfehle ich einen kurzen Blick in eine schon etwas ältere Ausgabe von Dave Langfords Ansible: Klick!
Danke, Gerd! Das war genau das Zitat, nach dem ich gesucht hatte:
Haarspaltereien. Tse.As she told the Guardian, "Science fiction has monsters and spaceships; speculative fiction could really happen."
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#11
Geschrieben 23 Oktober 2010 - 00:40
Hat den Nebula Award bekommen, aber in Deutschland wurde vermieden, den kleinsten Hinweis darauf zu geben, dass es sich um SF handelt.
Übrigens ein großartiges Buch!
Gevo
#12
Geschrieben 23 Oktober 2010 - 04:33
Letztens hatte ich wieder in der Hand: »Voltaires Kaligraph« von Pablo de Santis.
Dann gab†™s doch †” neben Dietmar Dath †” noch einige deutsche Autoren in den letzten Zeiten: mir fällt nur Christian Kracht mit seinem »Ich werde immer bei dir sein†¦« ein.
Grüße
Alex / molo
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Ich weiß es im Moment schlicht nicht besser.
#13
Geschrieben 23 Oktober 2010 - 07:40
Phantastische Grüße,
Thomas
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#14
Geschrieben 23 Oktober 2010 - 07:47
Du hast die Antwort selbst gegeben. Es macht Spaß. Also weiter ...Wollt ihr jetzt wirklich alle der SF zurechenbaren Titel aufzählen, die außerhalb der einschlägigen Reihen erschienen sind? Na dann viel Spaß!
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#15 Gast_Frank Böhmert_*
Geschrieben 23 Oktober 2010 - 11:27
Ich glaube ja, es handelt sich um SF, die keine SF zu sein braucht.
Beziehungsweise die dieses Etikett nicht braucht.
Es gibt genug andere Gründe, diese Bücher zu lesen, als ausgerechnet ihre Genrezugehörigkeit.
#16
Geschrieben 23 Oktober 2010 - 11:44
Im Grunde bräuchte es Etiketten oder Schubladen überhaupt nicht - allerdings macht all das, was hier genannt wurde und SF-Elemente beinhaltet, nur einen Teil der SF aus. Für "Die Straße" oder "Die Frau des Zeitreisenden" oder "Blumen für Algernon" oder "Fahrenheit 451" braucht es keine SF-Sparte bei den Verlagen, solche Bücher wird es immer geben, aber "Hyperion", "Das große Spiel" oder "Der Wüstenplanet" auch?Ich glaube ja, es handelt sich um SF, die keine SF zu sein braucht.
Beziehungsweise die dieses Etikett nicht braucht.
Es gibt genug andere Gründe, diese Bücher zu lesen, als ausgerechnet ihre Genrezugehörigkeit.
Mein Blog: Schreibkram & Bücherwelten
#17
Geschrieben 25 Oktober 2010 - 06:36
Genau das war ja Anlass für diesen Thread. SF wird es immer geben, auch außerhalb der Etiketten, die die Verlage draufkleben. Ob klassische Space-Opera dabeisein würde, ist tatsächlich fraglich, aber vielleicht nur eine Frage derzeitiger Trends (Asimov und Clarke sind in den 80ern ja auch außerhalb der SF-Reihen erschienen, einfach, weil sie sich verkauften).Im Grunde bräuchte es Etiketten oder Schubladen überhaupt nicht - allerdings macht all das, was hier genannt wurde und SF-Elemente beinhaltet, nur einen Teil der SF aus. Für "Die Straße" oder "Die Frau des Zeitreisenden" oder "Blumen für Algernon" oder "Fahrenheit 451" braucht es keine SF-Sparte bei den Verlagen, solche Bücher wird es immer geben, aber "Hyperion", "Das große Spiel" oder "Der Wüstenplanet" auch?
Elisabeth Moon habe ich damals auch recht erstaunt in einem Stapel DTV-Neuerscheinungen entdeckt. Ich hatte schon seit einiger Zeit danach Ausschau gehalten - wegen Nebula und so - aber bei DTV? Und dann noch zwischen all der Problemliteratur? Gut versteckt ...
Zusätzlich zum Genannten fiel mir gestern noch Max Barry ein, der mit Logoland und Chefsache zwei Romane abgeliefert hat, die thematisch nahe an Coupland stehen, stylistisch aber genau am anderen Ende des Spektrums (sehr gerade und wenig experimentell).
Juli Zeh kennen wir hier natürlich auch. Selbst wenn ich ihren "Schilf" nicht mochte, freut mich doch der Gehalt an SF-Themen darin, und in ihren anderen Romanen soll es ja ähnlich aussehen.
Reif Larsen hat mit "Die Karte meiner Träume" einen Entwicklungsroman geschrieben, der auch unser aller Lieblingsthemen Kartographie, Verschwörungstheorien, Geheimgesellschaften, urzeitliche Megafauna, Insekten und Emanzipation streift. Das sieht jetzt vielleicht wie das buchgewordene Notizbuch eines geekigen Teenagers aus - und ja, das ist es auch. Hat mir trotzdem gefallen.
#18
Geschrieben 25 Oktober 2010 - 07:40
#19
Geschrieben 25 Oktober 2010 - 11:27
#20
Geschrieben 25 Oktober 2010 - 12:12
Trotzdem finde ich die Genrezuordnungen vielfach undurchsichtig. Ich glaube auch nicht, dass diese Sache etwas mit Wissenschaftlichkeit und technologischer Phantasie zu tun hat.Es gibt Romane, die brauchen keine Genre-Unterstützung, weil sie gut sind, sowohl literarisch als auch speziell SF-literarisch, weil sie den SF-Gehalt ernst nehmen und man merkt, da sie ohne den nicht existieren können. Man kann sich im Anschluss fragen, wie viel Wissenschaftlichkeit und technologische Phantasie die SF braucht.
Als ich kürzlich den neuen Murakami (1Q84) kaufte, unterhielt ich mich in der Buchhandlung mit dem Verkäufer darüber, wie schade es ist, dass Murakami den Nobelpreis nicht gekriegt hat. Nach ein paar Sätzen sprachen wir darüber, wie ungerecht es ist, dass Neal Stephenson wahrscheinlich niemals für den Nobelpreis in die Diskussion kommen wird.
Abschließend meinte der Verkäufer, dass es schlußendlich egal sei, solange beide Autoren gelesen würden.
#21
Geschrieben 25 Oktober 2010 - 12:29
Eben. Autoren, die bewusst so schreiben, dass man sie nur schwer lesen kann, kriegen allerdings hierzulande mehr Preisgelder. Das mag Sprachkunst sein, aber sonst auch nix. Typisches Feuilletonfutter.Abschließend meinte der Verkäufer, dass es schlußendlich egal sei, solange beide Autoren gelesen würden.
Zur Etikettierung muss ich leider anmerken, dass ich einige Leute kenne, die prinzipiell nur Genre lesen bzw. Fremdgenre ablehnen. Steht auf dem selben Buch z. B. nicht SF drauf (nehmen wir mal an, es ist keine getarnte Hard-SF, so dass es auch später nicht auffällt), würden diese Leser es deutlich eher lesen. So ist das Publikum gestrickt, so lenkt das Marketing es weiter in die eingefrästen Bahnen. Verantwortlich für den eigenen Tellerrand ist aber immer der Leser. Insofern ist es mir mittlerweile relativ egal, welcher Autor wie "verkauft" wird. Waru aufregen, gibt genug andere Dinge zum Aufregen. Ich lese, was mich anspricht. Allerdings gebe ich zu, dass mich mit "Romantic Thriller" oder "Powerfrau" etikettierte Titel dann doch hinter meinen Tellerrand verkriechen lassen. Es gibt Grenzen.
Wer mal reinschauen will: http://www.goodreads.com/
#22
Geschrieben 25 Oktober 2010 - 16:37
#23 Gast_Jorge_*
Geschrieben 26 Oktober 2010 - 15:12
Flieg, Hitler, flieg!
http://www.dumont-bu...ail.php?id=6083
http://www.faz.net/s...n~Scontent.html
#24
Geschrieben 26 Oktober 2010 - 18:25
Wer mal reinschauen will: http://www.goodreads.com/
#25
Geschrieben 26 Oktober 2010 - 18:50
"Freude am geschmacklosen Witz" - das könnte was für mich sein.Ned Beauman
Flieg, Hitler, flieg!
http://www.dumont-bu...ail.php?id=6083
http://www.faz.net/s...n~Scontent.html
@Jorge
Hast Du das Buch gelesen?
#26 Gast_Jorge_*
Geschrieben 26 Oktober 2010 - 18:55
"Freude am geschmacklosen Witz" - das könnte was für mich sein.
@Jorge
Hast Du das Buch gelesen?
Hab`s mir heute bestellt.
#27
Geschrieben 26 Oktober 2010 - 19:46
Gerade dort gesehen: Am 1.11. wird in Hannover im Literarischen Salon aus dem Buch vorgelesen ... sollte man eigentlich mal hingehen ...Ned Beauman
Flieg, Hitler, flieg!
http://www.dumont-bu...ail.php?id=6083
http://www.faz.net/s...n~Scontent.html
#28 Gast_Jorge_*
Geschrieben 09 Dezember 2018 - 00:03
Ned Beauman
Warum der Wahnsinn einer Niederlage vorzuziehen ist
http://www1.wdr.de/r...en-ist-100.html
Bearbeitet von Jorge, 09 Dezember 2018 - 00:05.
#29 Gast_Jorge_*
Geschrieben 28 Februar 2019 - 21:07
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